Das Ausland als Lebens- und Lernort - Bundesverband Individual ...
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Herkunftskultur <strong>und</strong> <strong>als</strong> Feld sozialen Lernens gesehen. Pädagogische Prozesse<br />
werden bewusst daraufhin gestaltet, in vielfältiger Weise im <strong>und</strong> am<br />
<strong>Ausland</strong> zu lernen. In individualpädagogischen Konzepten ist diese Sichtweise<br />
bislang wenig ausgeprägt. Im Gegenteil, sie wird teilweise sogar bestritten,<br />
wie diese Trägeraussage zeigt: „Also <strong>Ausland</strong> ist für mich kein eigenständiger<br />
Wirkfaktor. Wenn die Bedingung so wäre, dass die Distanz zum Elternhaus<br />
nicht so groß sein müsste oder der Jugendliche jetzt nicht unbedingt Wegläufer<br />
wäre … könnte das auch in Mecklenburg-Vorpommern oder in Niedersachsen<br />
sein <strong>und</strong> da könnte das Gleiche ablaufen. Ich glaube nicht, dass es da<br />
Unterschiede gibt zwischen <strong>Ausland</strong>sprojekten <strong>und</strong> Projekten im Inland.“ 25<br />
Fischer <strong>und</strong> Ziegenspeck fanden in ihrer Studie zu <strong>Ausland</strong>smaßnahmen heraus,<br />
dass sich in den von ihnen untersuchten Falldokumentationen <strong>und</strong> Hilfeplanprotokollen<br />
kaum Hinweise fanden, „die das <strong>Ausland</strong> <strong>als</strong> zusätzlichen<br />
oder partikulären Sozialraum verständlich werden lassen.“ 26 Dazu würde aus<br />
ihrer Sicht „zum Beispiel der Kulturerwerb gehören, der für Persönlichkeitsbildung,<br />
toleranten Umgang, Integration oder Spracherwerb stehen könnte.“<br />
(ebd.) Dieser Bef<strong>und</strong> ist nicht neu, er deckt sich mit Ergebnissen früherer<br />
Studien. 27<br />
Ausgehend von diesem Gr<strong>und</strong>verständnis ist es nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich,<br />
wenn Fischer <strong>und</strong> Ziegenspeck feststellen: „Aber warum diese Hilfen zur Erziehung<br />
nun speziell in Finnland <strong>und</strong> nicht in Spanien, in Kirgisien <strong>und</strong> nicht in<br />
Portugal, in Polen <strong>und</strong> nicht in Rumänien stattfinden können – die kulturellen,<br />
sozialräumlichen, lebensweltlichen oder lingualen Begründungen fehlen<br />
oft.“ 28 Träger machen in diesem Zusammenhang häufig deutlich, dass es bei<br />
Entscheidungen über Betreuungen im <strong>Ausland</strong> in erster Linie nicht um Entscheidungen<br />
über das geeignete Land <strong>und</strong> seine Bedingungen geht, sondern<br />
das vorrangige Kriterium die „Passung“ zwischen BetreuerIn <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
ist. Es geht eben – bislang – konzeptionell nicht um die spezifischen<br />
Lern- <strong>und</strong> Erfahrungschancen in konkreten „Aus-Ländern“, sondern eher um<br />
das <strong>Ausland</strong> <strong>als</strong> „Nicht-Inland“, <strong>als</strong> Metapher für Orientierungsverlust <strong>und</strong> Irritation.<br />
„Durch den Aufenthalt in einem unbekannten Kultur- <strong>und</strong> Sprachkreis<br />
25 ebd., S. 96<br />
26 Fischer/Ziegenspeck 2009, S. 159<br />
27 vgl. Klawe/Bräuer 2001; Klawe 2007<br />
28 Fischer/Ziegenspeck 2009, S. 31<br />
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