Verwandlung - church-web
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genau wie die Frau im Tanztheater. Demut, die man<br />
so offensichtlich und mit viel Trara zelebriert, ist keine<br />
Demut.<br />
Am Sonntag nach meinem Versuch die Ernährung umzustellen,<br />
war die Predigt von der ersten Lebenshälfte<br />
und der zweiten Lebenshälfte. In der Seelsorge kam ich<br />
die Woche vorher zur Erkenntnis, dass ich lebe wie ein<br />
Kind: ich will jetzt das Schöggeli, auch wenn ich davon<br />
zunehme. Wenn ich dann zunehme, lege ich mich auf<br />
den Boden, heule, «stämpfele» und jammere und sage:<br />
Warum ist das Leben so ungerecht zu mir? Wie ein<br />
Kind, das weiss: Wenn ich meine Spielsachen nicht aufräume,<br />
finde ich sie später nicht, habe ich meine Pflicht<br />
aufzuräumen und zu putzen nicht wahrgenommen.<br />
Und wie das Kind danach bei der Mutter jammert, habe<br />
ich mich beklagt, dass ich nie zum Aufräumen komme,<br />
weil ich so eine Arme bin. Und niemand unterstützt<br />
mich… Dabei weiss ich genau: Es wäre meine Aufgabe<br />
gewesen. Und es bestätigte sich auch: Es liegt an mir, ob<br />
ich weiter «Babynahrung» zu mir nehmen will oder ob<br />
ich endlich meine Aufgabe als Erwachsene übernehmen<br />
will. Inzwischen hatte ich nämlich gemerkt: Nur dreimal<br />
am Tag mich mit Essen beschäftigen hat auch seine<br />
Vorteile. Ich habe mehr Zeit für Dinge, die erledigt<br />
werden müssen oder die ich gern mache. Ich muss nicht<br />
mehr so viele Gedanken daran verschwenden: Esse ich?<br />
Oder esse ich nicht? Habe ich Lust? Oder ist es Hunger?<br />
Wenn ich den Reflex zum Essen habe – egal ob ich mich<br />
dem Essen ausgeliefert fühle, weil ich traurig bin und<br />
es eigentlich Frustessen werden sollte oder was auch<br />
immer die Motivation ist – ich esse nur noch dreimal am<br />
Tag (meist ich bin noch am Üben, aber ich mache Fortschritte).<br />
Diese neue Struktur gibt mir Freiheiten. Was<br />
ich nie gedacht hätte.<br />
Eine weitere Erkenntnis kam erst später, resp. es geht<br />
mir langsam auf: Ich habe bisher immer so gebetet wie<br />
der Pharisäer (siehe weiter oben) oder eben in der Depression<br />
wie der Zöllner.<br />
Rückblickend merke ich, dass ich während des Pilgerns<br />
einen Mittelweg gelebt hatte: ich habe am Morgen Stille<br />
Zeit gemacht. Ich habe meinen Weg Gott anbefohlen<br />
und um seinen Segen und seinen Schutz gebeten. Und<br />
während des Wanderns war ich eigentlich immer in<br />
Gedanken im Gebet. Es gab Momente, da konnte ich<br />
echt nicht mehr. Ich hatte eine Achillessehnen-Entzündung<br />
am allerersten Tag des Pilgerns «aufgelesen» und<br />
diese tat sehr weh. Zudem konnte ich die Hitze nicht<br />
ertragen. Wenn ich mich nun verlaufen hatte oder<br />
irgend aus einem anderen Grund Zeit verloren hatte,<br />
wurde es immer heisser und das Laufen wurde immer<br />
beschwerlicher. Mehrere Male hat mir Gott dann eine<br />
Mitfahr-Gelegenheit organisiert (oder mir Tipps in Form<br />
von Geistesblitzen gegeben damit ich mir selber eine<br />
Mitfahr-Gelegenheit organisieren konnte). Mehrere<br />
Male habe ich auch gejammert und Gott wollte einfach<br />
nicht, dass ich nun das Stück fahre. Er merkte genau,<br />
wenn ich sehr wohl noch laufen konnte. Die Schmerzen<br />
waren da, aber erträglich. Aber ich hatte einfach keine<br />
Lust. Und da fand der Vater im Himmel wohl, dass ich<br />
mich da schon noch ein wenig mehr bemühen könnte,<br />
dass mir das wohl nicht schaden wird (und hat es dann<br />
auch nicht). Während des Pilgerns hatte ich Gott immer<br />
bei mir «im Boot». Im Alltag habe ich Gott präsent, aber<br />
nicht als «Mitarbeitenden» in meinem Leben, sondern<br />
eher wie den Leuchtturm, der einfach sein Licht Tag<br />
und Nacht drehen lässt. Ich weiss er ist da, sehe ihn,<br />
spüre ihn. Punkt und fertig. Oder dann muss er als<br />
meine «Feuerwehr» da sein und wieder helfen aufzuräumen,<br />
wo ich nicht mehr weiter komme. Dazwischen<br />
gibt es nicht.<br />
Ich merkte in dieser 40-Tage-Aktion: Mein Leben bestand<br />
bisher nur aus schwarz und weiss. Und in diesen<br />
Wochen durfte ich entdecken: Wenn ich mein Leben<br />
erstens selber in die Hand nehme und zweitens dabei<br />
Gott mit ins Boot nehme, wird das Leben bunter, entspannter<br />
und ich kann meine Pflichten übernehmen,<br />
auch ohne dass ich eine Frau aus der Werbung sein<br />
muss.<br />
Ich kann ich bleiben. Ich muss mich nicht in jemand<br />
anders verwandeln. Gott hat mich aus einem Grund so<br />
geschaffen wie ich bin. Wenn ich geschickt mit meinen<br />
Bedürfnissen umgehe, kann ich meine Pflichten übernehmen,<br />
ohne dass ich das Leben von jemand anderem<br />
leben muss, der mir fremd ist. Ich kann mich von der ersten<br />
Lebenshälfte verabschieden und die Herausforderungen<br />
der zweiten Lebenshälfte annehmen. Ich weiss:<br />
Gott steht hinter mir. Er findet das gut. Und wenn es<br />
halt am Anfang noch nicht so klappt: Ich habe jeden<br />
Tag, jede Stunde die Chance wieder neu anzufangen.<br />
Und ich kann mein Leben, meine Einstellung zu Gott,<br />
zu mir und zu meinen Nächsten verwandeln lassen. So<br />
dass das Leben bunt wird. Ich darf mich in dem Tempo<br />
verwandeln lassen, wie es für mich stimmt. Ich werde<br />
nicht mit Fingerschnippen von einem Moment auf den<br />
anderen in jemand anders verwandelt. Gott kennt mein<br />
Tempo und berücksichtigt es bei meiner <strong>Verwandlung</strong>.<br />
Barbara Eichenberger<br />
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