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vorgestellt:<br />

H<br />

Für ihn ist es wie eine Zeitreise in ein früheres<br />

Leben. Für Außenstehende ist es ein Krimi, mit<br />

Heinz Rennhack in der Hauptrolle. Der Schauspieler<br />

war im November an der Dresdner<br />

Komödie im Stück „Kundendienst“ zu erleben.<br />

Zwischen durch nahm er sich einen Tag Zeit,<br />

um nach dem ehemaligen Studenten Rennhack<br />

zu suchen, der als angehender Opernsänger<br />

an der Dresdner Musikhochschule sang<br />

und später als Schauspieler im <strong>DD</strong>R-Fernsehen<br />

berühmt wurde.<br />

An einem grauen Novembertag<br />

verwandelt sich das Auto für den<br />

73-Jährigen in eine gefühlte Zeitkapsel<br />

mit Sichtfenster in die Vergangenheit.<br />

Kaum zu glauben, dass<br />

der Schauspieler und Opernsänger<br />

die Ursprünge seiner Karriere ganze<br />

fünf Jahrzehnte<br />

gemieden hat. Mittlerweile lebt er<br />

in einem kleinen Ort in Schleswig-<br />

Holstein, aber insgesamt<br />

zehn Jahre seiner Jugend hat Rennhack<br />

in Hellerau und in der Neustadt<br />

verbracht.<br />

„Hier hat sich ja kaum etwas verändert“,<br />

sagt er auf der Fahrt durch<br />

das Dresdner Szeneviertel. „Die<br />

Häuser haben nur eine andere<br />

Farbe, früher war hier alles grau.“<br />

Dass Rennhack sein ehemaliges Wohnhaus auf<br />

der Sebnitzer Straße wiederfindet, grenzt an<br />

Zufall. Nach 50 Jahren hat er die Hausnummer<br />

vergessen. Wir halten, er steigt aus, dann<br />

dauert es keine zwei Minuten, bis Rennhack<br />

vor der Pforte zu seiner Jugend steht: Sebnitzer<br />

Straße 30, von 1964 bis 1967 hat er dort zwei<br />

Zimmer bewohnt. Erste Glücksgefühle sind<br />

Motivation genug, Sturm zu klingeln. Nach<br />

sechs Versuchen öffnet ein Mittzwanziger die<br />

Tür. Sofort<br />

erkennt er Rennhack, will sich aber nichts<br />

anmerken lassen. Rauf geht es in den ersten<br />

Stock. Dort wo einst die Wohnungstür des<br />

angehenden Opernsängers war, kann man nur<br />

noch mit den Fingerkuppen an einer glatten<br />

Wand entlang gleiten. Da hilft auch kein<br />

dreimaliges Klopfen Rennhacks, wie in der<br />

<strong>DD</strong>R-Kinderserie „Spuk im Hochhaus“ – als<br />

Schauspieler<br />

konnte er durch jede Wand gehen. Auch das<br />

alte Waschbecken ist verschwunden aus<br />

dem Treppenhaus, dem einzigen Überbleibsel<br />

von damals. Rennhack zeigt keinerlei Anzei-<br />

Graue Häuserschluchten in der Neustadt, laute Musik in<br />

Hellerau–erstmals nach 50 Jahren kehrt der Schauspieler<br />

zurück an die Orte seiner wilden Zeiten.<br />

einz Rennhack öffnet die Türen zu<br />

seiner Jugend<br />

chen von Wehmut, sondern schwelgt voller<br />

Freude in seiner Jugend. „Wir hatten damals<br />

kein fließend Wasser in der Wohnung“, sagt<br />

er. „Waschen mussten wir uns hier draußen in<br />

einem Ausguss. In der Küche hatten wir keinen<br />

Abfluss. Da habe ich eine Schüssel unter<br />

die Spüle gestellt, die oft überlief.“ Nach drei<br />

Jahren in der Neustadt zog Rennhack nach<br />

Leuben in einen Neubaublock. „Ich hatte das<br />

Glück, mit meiner Frau zusammenziehen zu<br />

können, obwohl wir noch nicht verheiratet<br />

waren.“<br />

Ganz an die Dresdner Anfänge zurück geht es<br />

in Richtung Hellerau, über die Königsbrücker<br />

Straße, vorbei an der Schauburg. „Dort haben<br />

wir den italienischen Film ,Boccacio 70‘ gesehen“,<br />

erinnert er sich. „Für uns war das damals<br />

ein sehr frivoler Film. Und wir mussten<br />

Ewigkeiten für die Karten anstehen.“ Überrascht<br />

zeigt sich Rennhack, der 1988 nach<br />

einem Auftritt im Westen blieb, von den teils<br />

leer stehenden Häusern. „Früher gab es hier<br />

nichts Unbewohntes.“ In Hellerau angekommen,<br />

orientiert sich Rennhack zunächst ohne<br />

Erfolg. Wir fahren vorbei an den Deutschen<br />

Werkstätten, wo er einst eine Schrankwand<br />

kaufte, „unser ganzer Stolz damals, denn als<br />

Student war ja an Möbel nicht zu denken.“ Auf<br />

dem Hohen Weg 6 macht es plötzlich Klick bei<br />

Rennhack, „weil ich hier mal mit paar Mädels<br />

spazieren war“, sagt er. Vom Hausbesitzer wird<br />

der Schauspieler prompt erkannt, die beiden<br />

kommen ins Gespräch. Knapp verfehlt, wie<br />

sich herausstellt. Das ehemalige Studentenwohnheim<br />

der<br />

Dresdner Musikhochschule steht auf dem<br />

Nachbargrundstück und hat sich optisch etwas<br />

verändert. Es gibt jetzt einen kleinen Teich<br />

und einen Terrassenanbau. „Bald wird hier ein<br />

Zimmer frei, dann können Sie hier wieder einziehen“,<br />

sagt die Besitzerin zum prominenten<br />

Überraschungsgast.<br />

Gemeinsam mit 13 Mitstudenten hat Rennhack<br />

hier gewohnt. „Aus denen sind alles tolle<br />

Leute geworden, die an der Philharmonie oder<br />

der Staatsoper Berlin gelandet sind. Ich war der<br />

einzige Sänger, und die gelten<br />

ja unter Musikern als Pförtner.“<br />

Rennhack erinnert sich<br />

an Probleme mit dem Hausmeister.<br />

„Aber im Verhältnis<br />

zu heute waren wir damals<br />

oberdiszipliniert.“ Die Lärmschutzzeiten<br />

sind noch die<br />

selben, bis 22 Uhr durfte musiziert<br />

werden. „Aber danach<br />

gab es immer endlose Diskussionen,<br />

wer denn größer<br />

war, Beethoven oder Wagner.<br />

Deswegen bin ich morgens<br />

oft in der Bahn eingeschlafen,<br />

wenn ich denn einen Sitzplatz<br />

bekommen habe.“<br />

Bis Rennhack an der Dresdner<br />

Staatsoperette engagiert<br />

wurde, konnte er sich von seinen 120 <strong>DD</strong>R-<br />

Mark Stipendium im Monat keine großen<br />

Sprünge leisten. „Am Monatsende habe ich<br />

manchmal gehungert.“ Dennoch war er ab und<br />

zu zum Tanz. „Früher ging man ja nur sonnabends<br />

aus.“ Die Bahn verpasste er regelmäßig,<br />

und so lief er oft vom Platz der Einheit, dem<br />

heutigen Albertplatz, bis zum Wohnheim in<br />

Hellerau zu Fuß. Rennhacks letzte Erinnerung<br />

führt uns zum ehemaligen Haupt-Internat auf<br />

der Tännichtstraße, wo die meisten der damaligen<br />

Studenten wohnten. Auf die richtige Spur<br />

führt uns wiederum ein älterer Hellerauer, der<br />

gerade in seiner Garage werkelt. „Dass wir<br />

Leute treffen, die uns Auskunft geben können,<br />

hätte ich nicht gedacht.“ Dann verlassen wir<br />

die Gartenstadt Richtung Komödie. Rennhack<br />

ist in Gedanken wieder jung. Irgendwann fängt<br />

es an zu rumpeln.<br />

„Zumindest das Kopfsteinpflaster stammt aus<br />

meiner Zeit“, sagt er.<br />

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