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Erinnerung an Völkermord als politische Waffe in der Gegenwart ...

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© 2012 Egbert Jahn – Zitieren bitte nur unter Angabe <strong>der</strong> Quelle<br />

17<br />

6 Die Gefahr <strong>der</strong> Instrumentalisierung des osm<strong>an</strong>ischen <strong>Völkermord</strong>es <strong>in</strong> dem<br />

Streit um den Beitritt <strong>der</strong> Türkei zur Europäischen Union<br />

Über die bereits <strong>an</strong>gesprochenen möglichen allgeme<strong>in</strong>en Folgen e<strong>in</strong>er Anerkennung des <strong>Völkermord</strong>s<br />

für die Innenpolitik <strong>der</strong> Türkei h<strong>in</strong>aus hat die Instrumentalisierung des <strong>Völkermord</strong>s<br />

im Osm<strong>an</strong>ischen Reich <strong>in</strong> dem Streit um den Beitritt <strong>der</strong> Türkei <strong>in</strong> die Europäische Union<br />

e<strong>in</strong>en faden Beigeschmack. Sol<strong>an</strong>ge dieser Beitritt nicht <strong>an</strong>st<strong>an</strong>d, son<strong>der</strong>n nur vage <strong>in</strong> Aussicht<br />

gestellt war, war <strong>der</strong> ittihadistische <strong>Völkermord</strong> ke<strong>in</strong> herausragendes Thema. Die gewachsene<br />

Aufmerksamkeit für denselben ist weit weniger auf die starke armenische Emigrationslobby<br />

<strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kreich und den USA zurückzuführen <strong>als</strong> auf die gewachsene <strong>in</strong>ternationale<br />

Aufmerksamkeit für <strong>Völkermord</strong>e überhaupt. Der nation<strong>als</strong>ozialistische Ermordung <strong>der</strong> Juden<br />

ist erst seit den späten 1960er Jahren e<strong>in</strong> großes öffentliches Thema geworden, die <strong>Völkermord</strong>e<br />

<strong>in</strong> Ru<strong>an</strong>da, <strong>in</strong> Jugoslawien sowie <strong>in</strong> den Kolonien <strong>der</strong> europäischen Mächte sowie <strong>an</strong><br />

vielen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Orten haben auch den historischen Rückblick auf den ittihadistischen <strong>Völkermord</strong><br />

begünstigt. Diese neue Sensibilität gegenüber <strong>Völkermord</strong> hat sicherlich auch aufrichtige<br />

Bedenken bei vielen Europäern hervorgerufen, e<strong>in</strong>en Staat <strong>in</strong> die Union aufzunehmen, <strong>der</strong><br />

sich e<strong>in</strong>em wichtigen Abschnitt se<strong>in</strong>er Vorgeschichte nicht stellt. Darüber h<strong>in</strong>aus k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />

sich aber nicht des E<strong>in</strong>drucks erwehren, daß das Argument <strong>der</strong> türkischen Nicht<strong>an</strong>erkennung<br />

des <strong>Völkermord</strong>s oftm<strong>als</strong> nachgeschoben wird, seitdem die traditionellen Argumente gegen<br />

e<strong>in</strong>en Beitritt <strong>der</strong> Türkei <strong>in</strong> die Europäische Union (Gefährdung des christlichen Charakters<br />

<strong>der</strong> EU, ungelöste Zypern- und Kurdenfrage, sozioökonomische und rechtsstaatliche Rückständigkeit,<br />

Massene<strong>in</strong>w<strong>an</strong><strong>der</strong>ung von Türken <strong>in</strong> die heutige EU, Steigerung <strong>der</strong> Gefahr islamistischer<br />

Aktivitäten) <strong>an</strong> Zugkraft zu verlieren sche<strong>in</strong>en. Es besteht zu befürchten, daß spätestens<br />

bei den Parlaments- und vor allem bei den Volksabstimmungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen europäischen<br />

Län<strong>der</strong>n über den Beitritt <strong>der</strong> Türkei zur Union die Instrumentalisierung des <strong>Völkermord</strong>es<br />

<strong>an</strong> den Armeniern e<strong>in</strong>e wichtige, vielleicht ausschlaggebende Rolle spielen wird.<br />

Dem könnte nur vorgebeugt werden, <strong>in</strong>dem so früh wie möglich von den liberalen Demokraten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei wie von <strong>der</strong> <strong>in</strong>formierten europäischen Intelligenz <strong>in</strong> g<strong>an</strong>z Europa <strong>der</strong> Weg<br />

zur behutsamen, aber beharrlichen öffentlichen Aufklärung über die schrecklichen Ereignisse<br />

im Osm<strong>an</strong>ischen Reich während des Ersten Weltkrieges weiter beschritten wird, ohne e<strong>in</strong><br />

nachträgliches Junktim zwischen e<strong>in</strong>er Anerkennung <strong>der</strong> Tatsache des Mordes <strong>an</strong> den Armeniern<br />

und e<strong>in</strong>em Beitritt <strong>der</strong> Türkei zur EU zu for<strong>der</strong>n. Dieser Beitritt sollte nach den allgeme<strong>in</strong>en<br />

Kriterien erfolgen o<strong>der</strong> verweigert werden, die auch für die <strong>an</strong><strong>der</strong>en Beitrittsk<strong>an</strong>didaten<br />

galten und gelten.

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