Skript von Prof. Dr. Wolters zur Vorlesung Mathematik I
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FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Skript</strong> <strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Wolters</strong><br />
<strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong><br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
0. Grundlagen<br />
0.1 Aussagen<br />
0.2 Mengen<br />
0.3 Zahlenbereiche, Grundrechenoperationen<br />
0.4 Wurzeln, Potenzen, Logarithmen<br />
0.5 Binomische Formeln<br />
0.6 Gleichungen<br />
0.7 Beträge, Intervalle, Ungleichungen<br />
1. Funktionen<br />
1.1 Begriff der Funktion, Darstellung <strong>von</strong> Funktionen<br />
1.2 Eigenschaften <strong>von</strong> Funktionen<br />
1.3 Algebraische Funktionen<br />
1.4 Transzendente Funktionen<br />
2. Vektorrechnung, analytische Geometrie<br />
2.1 Koordinatensysteme<br />
2.2 Grundlagen der Vektorrechnung<br />
2.3 Vektorprodukte<br />
2.4 Analytische Geometrie der Ebene<br />
2.5 Analytische Geometrie des Raumes<br />
3. Komplexe Zahlen<br />
3.1 Arithmetische Form<br />
3.2 Trigonometrische Form, Exponentialform<br />
4. Differentialrechnung<br />
4.1 Folgen, Grenzwerte, Ableitung einer Funktion<br />
4.2 Differentiationsregeln, implizite Differentiation<br />
4.3 Ableitungen elementarer Funktionen, logarithmische Ableitung,<br />
Ableitungen höherer Ordnung<br />
4.4 Mittelwertsätze, Regeln <strong>von</strong> Bernoulli-l'Hospital<br />
4.5 Extrem- und Wendepunkte, Kurvendiskussion<br />
4.6 Extremwertprobleme<br />
4.7 Iterationsverfahren <strong>von</strong> Newton<br />
5. Integralrechnung<br />
5.1 Unbestimmtes Integral (Stammfunktionen), Grundintegrale, Grundregeln der Integration<br />
5.2 Bestimmtes Integral (Riemann-Integral), Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung,<br />
Uneigentliche Integrale<br />
5.3 Integrationsmethoden<br />
5.4 Flächeninhalte, Rotationskörper<br />
02.07.02, Seite 1
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
0.1 Aussagen<br />
Definition (Aussage): Eine Aussage ist ein sprachlich (schriftlich) fixierter Sachverhalt,<br />
der entweder wahr oder falsch ist (binäre Logik). Ein wahre Aussage hat den<br />
Wahrheitswert w, eine falsche Aussage hat den Wahrheitswert f.<br />
Eine Aussage kann also nicht zugleich wahr und falsch und nicht zugleich weder wahr<br />
noch falsch sein.<br />
Beispiele: „13 ist eine Primzahl“ w<br />
„9 ist das Produkt <strong>von</strong> 3 und 4“ f<br />
„Ich rede häufig Unsinn“ keine Aussage, da<br />
Wahrheitswert nicht feststellbar<br />
Definition (Negation): Die Negation einer Aussage A ist die Verneinung der<br />
Aussage, d. h. die Aussage „nicht A“ (¬A).<br />
Die Negation einer Aussage ist genau dann wahr, wenn die Aussage falsch ist.<br />
Beispiele: A: „Die Zahl 91 ist eine Primzahl“ f<br />
¬A: „Die Zahl 91 ist keine Primzahl“ w<br />
Durch eine Wahrheitswerttabelle wird der Zusammenhang zwischen den<br />
Wahrheitswerten einer Aussage und ihrer Negation dargestellt:<br />
Α ¬Α<br />
w f<br />
f w<br />
Definition (Konjunktion): Eine Konjunktion (Verbindung) zweier Aussagen A und B<br />
ist die Aussage „A und B“. Die Konjunktion der Aussagen A und B wird geschrieben A ∧<br />
B.<br />
Die Konjunktion zweier Aussagen ist genau dann wahr, wenn beide Aussagen wahr<br />
sind. Die Konjunktion zweier Aussagen ist genau dann falsch, wenn mindestens eine<br />
der beiden Aussagen falsch ist.<br />
Darstellung durch Wahrheitswerttabelle:<br />
Α Β Α ∧ Β<br />
w w w<br />
w f f<br />
f w f<br />
f f f<br />
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<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Beispiel: A: „3 ist eine Primzahl.“ w<br />
B: „8 ist eine gerade Zahl.“ w<br />
C: „15 ist eine Quadratzahl.“ f<br />
D: „-6 ist eine natürliche Zahl.“ f<br />
A ∧ B: „3 ist eine Primzahl, und 8 ist eine gerade Zahl.“ w<br />
A ∧ C: „3 ist eine Primzahl, und 15 ist eine Quadratzahl.“ f<br />
D ∧ B: „-6 ist eine natürliche Zahl, und 8 ist eine gerade Zahl.“ f<br />
C ∧ D: „15 ist eine Quadratzahl, und -6 ist eine natürliche Zahl.“ f<br />
Definition (Disjunktion): Eine Disjunktion (Trennung) zweier Aussagen A und B ist<br />
die Aussage „A oder B“. Die Disjunktion der Aussagen A und B wird geschrieben A ∨ B.<br />
Die Disjunktion zweier Aussagen ist genau dann wahr, wenn mindestens eine der<br />
beiden Aussagen wahr ist. Die Disjunktion zweier Aussagen ist genau dann falsch,<br />
wenn beide Aussagen falsch sind. Das Wort „oder“ wird also bei der Disjunktion im nicht<br />
ausschließenden Sinn gebraucht (also nicht im Sinne <strong>von</strong> „entweder ... oder“ !!!).<br />
Α Β Α ∨ Β<br />
w w w<br />
w f w<br />
f w w<br />
f f f<br />
Beispiel: A, B, C, D seien die Aussagen aus dem letzten Beispiel.<br />
A ∨ B: „3 ist eine Primzahl, oder 8 ist eine gerade Zahl.“ w<br />
A ∨ C: „3 ist eine Primzahl, oder 15 ist eine Quadratzahl.“ w<br />
D ∨ B: „-6 ist eine natürliche Zahl, oder 8 ist eine gerade Zahl.“ w<br />
C ∨ D: „15 ist eine Quadratzahl, oder -6 ist eine natürliche Zahl.“ f<br />
Definition (Implikation): Die Implikation (Verflechtung) aus zwei Aussagen A und B<br />
ist die Aussage „wenn A wahr ist, ist auch B wahr“. Diese Implikation wird geschrieben<br />
A ⇒ B (oder B ⇐ A).<br />
Die Aussage A heißt Voraussetzung oder Prämisse, die Aussage B heißt Schluß,<br />
Folgerung oder Konklusion. Für A ⇒ B sagt man häufig: „aus A folgt B“.<br />
Die allgemeine Form eines mathematischen Satzes ist die Implikation A ⇒ B.<br />
Warnung: Wenn A ⇒ B wahr ist, ist nicht unbedingt auch B ⇒ A wahr!!!<br />
Beispiel: A: „Das Viereck ist ein Quadrat.“<br />
B: „Das Viereck ist ein Rechteck.“<br />
C: „Am Himmel sind Wolken.“<br />
D: „Es regnet.“<br />
A ⇒ B: „Jedes Quadrat ist ein Rechteck.“ w<br />
B ⇒ A: „Jedes Rechteck ist ein Quadrat.“ f<br />
C ⇒ D: „Wenn am Himmel Wolken sind, regnet es.“ f<br />
02.07.02, Seite 3
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D ⇒ C: „Wenn es regnet, sind Wolken am Himmel.“ w<br />
A ⇒ B ist genau dann wahr, wenn ¬B ⇒ ¬A. A ⇒ B und ¬B ⇒ ¬A besitzen also den<br />
gleichen Wahrheitswert.<br />
Definition (Kontraposition): ¬B ⇒ ¬A ist die Kontraposition <strong>von</strong> A ⇒ B.<br />
Beispiel: A, B, C, D seien die Aussagen aus dem letzten Beispiel.<br />
¬B ⇒ ¬A „Ein Viereck, das kein Rechteck ist, ist kein Quadrat.“ w<br />
¬C ⇒ ¬D „Wenn keine Wolken am Himmel sind, regnet es nicht.“ w<br />
Definition (Notwendige und hinreichende Bedingung): In der Implikation A ⇒ B ist<br />
a) A eine hinreichende Bedingung für B und<br />
b) B eine notwendige Bedingung für A.<br />
Das heißt:<br />
a) Immer wenn A wahr ist, ist auch B wahr. Daß A wahr ist, ist also bereits hinreichend<br />
dafür, daß B wahr ist.<br />
(B kann aber auch durchaus wahr sein, ohne daß deshalb A wahr ist.)<br />
b) Wenn A wahr ist, kann B nicht falsch sein. Daß B wahr ist, ist also notwendig dafür,<br />
daß A wahr ist.<br />
Beispiel:<br />
hinreichende Bedingung:<br />
Wenn man wissen will, ob ein bestimmtes Viereck ein Rechteck ist, ist es<br />
hinreichend zu wissen, daß das Viereck ein Quadrat ist.<br />
notwendige Bedingung:<br />
Wenn man weiß, daß ein bestimmtes Viereck kein Rechteck ist, weiß man<br />
damit auch schon, daß das Viereck kein Quadrat ist. Denn notwendig dafür,<br />
daß das Viereck ein Quadrat ist, ist zunächst einmal, daß es ein Rechteck ist.<br />
Definition (Äquivalenz): Die Äquivalenz (Gleichwertigkeit) der Aussagen A und B ist<br />
die Aussage „A ist genau dann wahr, wenn B wahr ist“. Diese Äquivalenz wird<br />
geschrieben A ⇔ B.<br />
Die Äquivalent zweier Aussagen ist genau dann wahr, wenn die Aussagen entweder<br />
beide wahr oder beide falsch sind. Daraus ergibt sich folgende Wahrheitswerttabelle:<br />
Α Β Α ⇔ Β<br />
w w w<br />
w f f<br />
f w f<br />
f f w<br />
Zu A ⇔ B sagt man auch: A ist dann und nur dann wahr, wenn B wahr.<br />
Aus A folgt B und umgekehrt.<br />
A ist notwendig und hinreichend für B.<br />
Die Aussagen A und B sind gleichwertig.<br />
02.07.02, Seite 4
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Falls A ⇔ B, gilt A ⇒ B und B ⇒ A (und umgekehrt).<br />
Beispiel: A: „Eine natürliche Zahl ist durch 3 teilbar“<br />
B: „Die Quersumme einer natürlichen Zahl ist durch 3 teilbar“<br />
A ⇔ B: „Eine natürliche Zahl ist genau dann durch 3 teilbar, wenn<br />
ihre Quersumme durch 3 teilbar ist“ w<br />
Definition (Aussagenform): Steht in einer Aussage A statt einer Konstanten eine<br />
Variable x, so spricht man <strong>von</strong> einer Aussagenform A(x).<br />
Wenn die Variable x in der Aussagenform durch konkrete Objekte (z.B. Zahlen) ersetzt<br />
wird, entsteht eine Aussage, <strong>von</strong> der - jedenfalls im Prinzip - feststeht, ob sie wahr oder<br />
falsch ist.<br />
Beispiele: „x ist eine Primzahl“ f, für x = 9<br />
w, für x = 11<br />
„Im Jahr x gibt es das y-Liter-Auto“ f, für x = 1995 und y = 2<br />
w, für x = 1993 und y = 5<br />
„x 2 > 25“ w, für x > 5 und x < -5<br />
Definition (Quantoren): Für die Aussagenform A(x) bedeuten:<br />
∀ x : A(x) : für alle x ist A(x) wahr<br />
∃ x : A(x) : es gibt (mindestens) ein x, so daß A(x) wahr ist<br />
Die Symbole ∀,∃ heißen Quantoren.<br />
02.07.02, Seite 5
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0.2 Mengen<br />
Definition (Menge): Eine Menge ist die Zusammenfassung <strong>von</strong> bestimmten,<br />
wohlunterschiedenen Objekten zu einem Ganzen. Die Objekte sind Elemente der<br />
Menge („naiver“ Mengenbegriff nach Cantor, 1845 - 1918).<br />
Gegeben sei eine Aussage A(x). Alle Objekte x, die diese Aussagenform zu einer<br />
wahren Aussage machen, bilden eine Menge und sind deren Elemente. Diese Menge<br />
ist die Lösungsmenge <strong>von</strong> A(x).<br />
Die Elemente einer Menge werden innerhalb geschweifter Klammern beschrieben.<br />
M = { a, b, c, d } „M ist die Menge mit den Elementen a, b, c, d“<br />
M = { x | A(x) } „M ist die Menge aller x, für die die Aussage A(x) wahr ist.“<br />
Beispiele: Die Menge aller Primzahlen zwischen 1 und 10 läßt sich beschreiben durch:<br />
M = { x | x ist eine Primzahl zwischen 1 und 10} oder<br />
M = { x | x ist Primzahl ∧ 1 ≤ x ≤ 10 } oder<br />
M = { 2, 3, 5, 7 }<br />
Die Menge aller ganzen Zahlen läßt sich beschreiben durch:<br />
M = { 0, 1, -1, 2, -2, 3, -3, . . . }<br />
Sei L = { x | 2x - 6 = 0 }.<br />
L ist also die Lösungsmenge der Gleichung 2x - 6 = 0. Also gilt: L = { 3 }<br />
Es gibt also endliche Mengen (Mengen mit endlich vielen Elementen) und unendliche<br />
Mengen (Mengen mit unendlich vielen Elementen).<br />
Definition (leere Menge): Eine Menge ohne Elemente heißt leere Menge und wird<br />
dargestellt durch ∅.<br />
Definition (Element):<br />
a ∈ M bedeutet: a ist ein Element der Menge M (a gehört <strong>zur</strong> Menge M).<br />
a ∉ M bedeutet: a ist kein Element der Menge M (a gehört nicht <strong>zur</strong> Menge M).<br />
Beispiele: d ∈ { a, b, c, d, e, f } 9 ∉ { x | x ist Primzahl ∧ 1 ≤ x ≤ 10 }<br />
Definition (gleiche Mengen): Zwei Mengen M und N heißen gleich, wenn jedes<br />
Element <strong>von</strong> M auch Element <strong>von</strong> N ist und umgekehrt jedes Element <strong>von</strong> N auch<br />
Element <strong>von</strong> M ist. Schreibweise für Gleichheit der Mengen M und N: M = N<br />
Es gilt: ( a ∈ M ⇔ a ∈ N ) ⇔ ( M = N )<br />
02.07.02, Seite 6
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Achtung: Die gleiche Anzahl <strong>von</strong> Elementen ist eine notwendige, nicht aber<br />
hinreichende Bedingung für die Gleichheit <strong>von</strong> Mengen.<br />
Beispiel: M := { x | x ist eine durch 3 teilbare Zahl }<br />
N := { x | x ist eine ganze Zahl, deren Quersumme durch 3 teilbar ist}<br />
Es gilt: M = N<br />
Definition (Teilmenge): Eine Menge M heißt Teilmenge (Untermenge) der Menge N<br />
genau dann, wenn jedes Element <strong>von</strong> M auch Element <strong>von</strong> N ist. Schreibweise: M ⊂ N.<br />
Wenn M Teilmenge <strong>von</strong> N ist, heißt N Obermenge <strong>von</strong> M.<br />
Es gilt: ( a ∈ M ⇒ a ∈ N ) ⇔ ( M ⊂ N )<br />
Die leere Menge ist Teilmenge einer jeden Menge, und jede Menge ist Teilmenge <strong>von</strong><br />
sich selbst. Für jede Menge M gelten also:<br />
∅ ⊂ M und<br />
M ⊂ M.<br />
Beispiele: M := { a , b, c, d, e, f } N := { a, b, c }<br />
⇒ N ⊂ M<br />
P := { x | x ist ein Parallelogramm } Q := { x | x ist ein Quadrat }<br />
⇒ Q ⊂ P<br />
Definition (Vereinigungsmenge): Die Vereinigung der Mengen M und N ist die<br />
Menge P derjenigen Elemente, die Element <strong>von</strong> M oder Element <strong>von</strong> N sind.<br />
Schreibweise: P = M ∪ N. P wird auch die Vereinigungsmenge <strong>von</strong> M und N genannt.<br />
Es gilt: ( a ∈ M ∨ a ∈ N ) ⇔ ( a ∈ M ∪ N )<br />
Beispiele: M := { a , b, c, d, e, f } N := { e, f, g, h }<br />
⇒ M ∪ N = { a , b, c, d, e, f, g, h }<br />
P := { x | x ist ein <strong>Dr</strong>eieck } Q := { x | x ist ein Viereck }<br />
⇒ P ∪ Q = { x | x ist ein <strong>Dr</strong>eieck ∨ x ist ein Viereck }<br />
Definition (Schnittmenge): Der Durchschnitt der Mengen M und N ist die Menge P<br />
derjenigen Elemente, die sowohl Element <strong>von</strong> M als auch Element <strong>von</strong> N sind.<br />
Schreibweise: P = M ∩ N. P wird auch die Durchschnittsmenge <strong>von</strong> M und N genannt.<br />
Es gilt: ( a ∈ M ∧ a ∈ N ) ⇔ ( a ∈ M ∩ N )<br />
Beispiele: M := { a , b, c, d, e, f } N := { e, f, g, h } ⇒ M ∩ N = { e, f }<br />
P := { x | x ist ein <strong>Dr</strong>eieck } Q := { x | x ist ein Viereck }<br />
⇒ P ∩ Q = { x | x ist ein <strong>Dr</strong>eieck ∧ x ist ein Viereck } = ∅<br />
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Definition (Differenzmenge): Die Differenz der Mengen M und N ist die Menge P<br />
derjenigen Elemente, die Element <strong>von</strong> M, aber nicht Element <strong>von</strong> N sind. Schreibweise:<br />
P = M \ N. P wird auch die Differenzmenge <strong>von</strong> M und N genannt.<br />
Es gilt: ( a ∈ M ∧ a ∉ N ) ⇔ ( a ∈ M \ N )<br />
Beispiele: M := { a , b, c, d, e, f } N := { e, f, g, h } ⇒ M \ N = { a , b, c, d }<br />
P := { x | x ist durch 3 teilbar } Q := { x | x ist gerade }<br />
⇒ P \ Q = { x | x durch 3 teilbar ∧ x ist ungerade }<br />
Definition (Komplement): Falls N ⊂ M, heißt P = M \ N auch Komplement <strong>von</strong> N in<br />
Bezug auf M. Schreibweise: P = ¬N M .<br />
Es gilt: ( N ⊂ M ∧ a ∈ M ∧ a ∉ N ) ⇔ ( a ∈ ¬N M )<br />
Beispiele: P := { x | x ist ein Rechteck } Q := { x | x ist ein Parallelogramm }<br />
⇒ ¬P Q = { x | x ist ein nichtrechtwinkliges Parallelogramm }<br />
Definition (disjunkte Mengen): Die Mengen M und N heißen disjunkt, wenn<br />
M ∩ N = ∅.<br />
Beispiele: P := { x | x ist ein Rechteck } Q := { x | x ist ein <strong>Dr</strong>eieck}<br />
⇒ P und Q sind disjunkt, da es keine Vierecke gibt, die zugleich<br />
<strong>Dr</strong>eieck sind.<br />
Definition (kartesisches Produkt): M und N seien Mengen. Die Menge P aller Paare<br />
(m,n) mit m ∈ M und n ∈ N (also P := { (m,n) | m ∈ M, n ∈ N } heißt kartesisches<br />
Produkt oder kartesische Produktmenge der Mengen M und N.<br />
Schreibweise: P = M × N.<br />
Es gilt: ( m ∈ M ∧ n ∈ N ) ⇔ ( (m,n) ∈ M × N )<br />
Achtung: Im allgemeinen gilt nicht: M × N = N × M<br />
Beispiele: M := { K, W } (für Kopf und Wappen beim Münzwurf)<br />
⇒ M × M = { (K,K), (K,W), (W,K), (W,W) }<br />
(die Menge aller möglichen Ergebnisse bei einem<br />
zweimaligen Münzwurf)<br />
N := { n | n ist eine natürliche Zahl ∧ n ≥ 5 } V := { + , − }<br />
⇒ V × N = { (+,5), (−,5), (+,6), (−,6), (+,7), (−,7), ...}<br />
02.07.02, Seite 8
FB Ingenieurwissenschaften<br />
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<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Bemerkung: Man kann die definierten Verknüpfungen und Operationen für Mengen<br />
natürlich wiederholt anwenden. Es gelten folgende Regeln:<br />
Kommutativgesetze: M 1 ∩ M 2 = M 2 ∩ M 1<br />
M 1 ∪ M 2 = M 2 ∪ M 1<br />
Assoziativgesetze: (M 1 ∩ M 2 ) ∩ M 3 = M 1 ∩ (M 2 ∩ M 3 )<br />
(M 1 ∪ M 2 ) ∪ M 3 = M 1 ∪ (M 2 ∪ M 3 )<br />
Distributivgesetze: M 1 ∪ (M 2 ∩ M 3 ) = (M 1 ∪ M 2 ) ∩ (M 1 ∪ M 3 )<br />
M 1 ∩ (M 2 ∪ M 3 ) = (M 1 ∩ M 2 ) ∪ (M 1 ∩ M 3 )<br />
de Morgan-Regeln: ¬(M 1 ∪ M 2 ) = ¬M 1 ∩ ¬M 2<br />
¬(M 1 ∩ M 2 ) = ¬M 1 ∪ ¬M 2<br />
02.07.02, Seite 9
FB Ingenieurwissenschaften<br />
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<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
0.3 Zahlenbereiche, Grundrechenoperationen<br />
Definition (natürliche Zahlen): ⎟Ν:= { 1, 2, 3, 4, 5, ...} ist die Menge der natürlichen<br />
Zahlen. ⎟Ν 0 := ⎟Ν ∪ { 0 }.<br />
Definition (ganze Zahlen): ⎟Ζ:= { 0, 1, -1, 2, -2, 3, -3, ...} ist die Menge der ganzen<br />
Zahlen.<br />
Definition (rationale Zahlen): ⎟Q := { z | ∃ a ∈ ⎟Ζ ∧ b ∈ ⎟Ν , so daß z = a<br />
b } ist die<br />
Menge der rationalen Zahlen.<br />
Rationale Zahlen sind entweder endliche Dezimalbrüche wie - 7<br />
1 = -7, 27<br />
6 = 4 3<br />
6 = 4 1<br />
2 = 4,5<br />
oder 9<br />
4 = 2,25 oder unendliche periodische Dezimalbrüche wie 1<br />
3 = 0,333..., 8<br />
33 =<br />
0,242424... oder 29<br />
22 = 1,31818181818...<br />
In ⎟Ν sind Addition, Multiplikation und Potenzieren, in ⎟Ζ zusätzlich Subtrahieren und in<br />
⎟Q zusätzlich Dividieren unbeschränkt erlaubt.<br />
Ausnahme: Die Division durch 0 ist grundsätzlich verboten.<br />
Es gilt: ⎟Ν ⊂ ⎟Ν 0 ⊂ ⎟Ζ ⊂ ⎟Q<br />
Man kann beweisen, daß es auch Zahlen gibt, die nichtrational sind (z.B. 2 ). Also<br />
macht es Sinn, die Definition <strong>von</strong> ⎟Q zu erweitern:<br />
Definition (reelle Zahlen): ⎟R := { z | z ist ein Dezimalbruch } ist die Menge der reellen<br />
Zahlen. Die Menge der nichtrationalen reellen Zahlen (⎟R \ ⎟Q) ist die Menge der<br />
irrationalen Zahlen.<br />
Beispiele für irrationale Zahlen: 2 , π, e.<br />
wichtige Eigenschaften der reellen Zahlen:<br />
• Alle reellen Zahlen lassen sich in eineindeutiger Weise als Punkte auf der<br />
Zahlengeraden abbilden und bedecken die Zahlengerade lückenlos.<br />
• Auf der Menge der reellen Zahlen gibt es eine Ordnungsrelation:<br />
Für je zwei Zahlen a, b ∈ ⎟R gilt: Entweder a < b oder a = b oder a > b.<br />
• Für das Rechnen mit reellen Zahlen gelten folgende Bezeichnungen und Regeln<br />
(Axiomensystem für R) für w, x, y, z ∈ ⎟R:<br />
02.07.02, Seite 10
FB Ingenieurwissenschaften<br />
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<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Addition:<br />
In der Gleichung x + y = z sind x und y die Summanden, z ist die<br />
Summe.<br />
Rechenregeln:<br />
x + ( y + z ) = ( x + y ) + z (Assoziativität)<br />
x + y = y + x (Kommutativität)<br />
x + 0 = 0 + x = x<br />
x + (-x) = (-x) + x = 0<br />
Multiplikation/Division:<br />
In der Gleichung x ⋅ y = z sind x und y die Faktoren, z ist das<br />
Produkt.<br />
In der Gleichung x : y = z ist x der Dividend, y der Divisor, z der<br />
Quotient.<br />
Die gleiche Bedeutung wie x ⋅ y bzw. x : y haben die Schreibweisen xy<br />
bzw. x<br />
y .<br />
Rechenregeln (alle Divisoren bzw. Nenner seien ≠ 0):<br />
( x ⋅ y ) ⋅ z = x ⋅ ( y ⋅ z ) (Assoziativität)<br />
x ⋅ y = y ⋅ x (Kommutativität)<br />
x ⋅ 1 = 1 ⋅ x = x<br />
x ⋅ 1 x<br />
x<br />
y<br />
x<br />
y<br />
=<br />
1<br />
x ⋅ x = 1<br />
=<br />
=<br />
x w<br />
⋅ =<br />
y z<br />
x<br />
y<br />
w<br />
z<br />
=<br />
x ⋅ z<br />
y ⋅ z<br />
x<br />
z<br />
y<br />
z<br />
x ⋅ w<br />
y ⋅ z<br />
x ⋅ z<br />
y ⋅ w<br />
(Erweitern)<br />
(Kürzen)<br />
(Multiplikation <strong>von</strong> Brüchen)<br />
(Division <strong>von</strong> Brüchen)<br />
Es gelten folgende Äquivalenzen:<br />
x ⋅ y = 0 ⇔ x = 0 ∨ y = 0<br />
x<br />
= 0<br />
y<br />
⇔ x = 0 (für y ≠ 0)<br />
w<br />
x<br />
= y<br />
z<br />
⇔ w z = y x (für x, z ≠ 0)<br />
Distributivgesetz x ⋅ ( y + z ) = x ⋅ y + x ⋅ z<br />
x + y<br />
z<br />
=<br />
x y<br />
+<br />
z z<br />
Ordnungseigenschaften<br />
x ≤ y ∨ y ≤ x<br />
(für z ≠ 0)<br />
02.07.02, Seite 11
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<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
x ≤ x<br />
x ≤ y ∧ y ≤ x ⇒ x = y<br />
x ≤ y ∧ y ≤ z ⇒ x ≤ z<br />
x ≤ y ⇒ x + z ≤ y + z<br />
x ≤ y ∧ z ≥ 0 ⇒ x ⋅ z ≤ y ⋅ z<br />
Definition (Summenzeichen):<br />
Seien m, n ∈ ⎟Ζ, m ≤ n und x i ∈ ⎟R ∀ i ∈ { m, m+1, m+2, ... , n }. Dann ist<br />
n<br />
xi i= m<br />
∑ := xm + xm+1 + xm+2 + . . . +. xn<br />
die Summe aller Zahlen xi für i = m bis n. i ist der Summationsindex, m die untere, n<br />
die obere Summationsgrenze.<br />
4<br />
Beispiel: ∑ ( 2i + 1)<br />
= 1 + 3 + 5 + 7 + 9 = 25<br />
i=<br />
0<br />
Wichtige Rechenregeln: ∑ ( xi + yi<br />
) = ∑ xi + ∑ yi n<br />
i= m<br />
n<br />
∑ ( rxi ) = r∑ xi i= m<br />
n<br />
∑ 1<br />
r<br />
i=<br />
m<br />
∑<br />
n<br />
∑ xij i=<br />
1 j=<br />
1<br />
= n⋅r<br />
( )<br />
i= m<br />
n<br />
i= m<br />
n<br />
n<br />
∑<br />
m<br />
∑ xij j=<br />
1 i=<br />
1<br />
= ( )<br />
n<br />
i= m<br />
m n<br />
∑∑ i=<br />
1 j=<br />
1<br />
= x ij<br />
Im Fall m=n schreibt man häufig nur ein Summenzeichen für beide Indizes:<br />
m<br />
∑ xij i, j = 1<br />
m n<br />
∑∑ i=<br />
1 j=<br />
1<br />
= x ij<br />
Achtung: Im allgemeinen ist: ∑ ( xi ⋅ yi<br />
) ≠ ∑ xi ⋅∑ yi n<br />
i= m<br />
Definition (Produktzeichen): Seien m, n ∈ ⎟Ζ, m ≤ n und x ∈ ⎟R ∀ i ∈ { m, m+1, m+2,<br />
i<br />
... , n }. Dann ist<br />
n<br />
xi i= m<br />
n<br />
i= m<br />
n<br />
i= m<br />
∏ := x m ⋅ x m+1 ⋅ x m+2 ⋅ . . . ⋅. x n<br />
das Produkt aller Zahlen x i für i = m bis n. i ist der Multiplikationsindex, m die untere,<br />
02.07.02, Seite 12
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
n die obere Multiplikationsgrenze.<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
n<br />
∏<br />
i = 1<br />
n<br />
∏<br />
i = 1<br />
Wichtige Rechenregeln: ( x ⋅ y )<br />
i i<br />
( rx )<br />
r<br />
i<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
= xi ⋅ yi = r n x i<br />
= r n<br />
Definition (Fakultät): Sei n ∈ ⎟Ν. Dann heißt<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
n! := i<br />
Insbesondere definiert man: 0! := 1.<br />
( = 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ⋅ 4 ⋅ . . . ⋅ n ) n-Fakultät.<br />
02.07.02, Seite 13
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
0.4 Potenzen, Wurzeln, Logarithmen<br />
Definition (Potenz): Ein Produkt <strong>von</strong> n ∈ ⎟Ν gleichen Faktoren a ∈ ⎟R ist die n-te<br />
Potenz <strong>von</strong> a. Schreibweise:<br />
a ist die Basis, n ist der Exponent.<br />
Wichtige Rechenregeln: a 1<br />
a n<br />
(a ⋅ b) n<br />
( a<br />
b )n<br />
a n ⋅ a m<br />
(a n ) m<br />
n<br />
∏<br />
i=<br />
1<br />
:= a<br />
= a<br />
= a n<br />
⋅ b n<br />
n<br />
a<br />
=<br />
n<br />
b<br />
= a n+m<br />
= a n⋅m<br />
Beispiele: (-1,5) 3 = (-1,5) ⋅ (-1,5) ⋅ (-1,5) = -3,375<br />
(5 ⋅ b) 2<br />
= 25 ⋅ b 2<br />
(4 cm) 3<br />
= 64 cm 3<br />
a 3 ⋅ a 5 = a 8<br />
(a 4 ) 2<br />
= a 8<br />
Wenn man als Exponent auch ganze Zahlen zuläßt, behalten bei folgender Definition<br />
obige Rechenregeln ihre Gültigkeit:<br />
Definition (Potenz mit negativem Exponenten): Für n ∈ ⎟Ν und a ∈ ⎟R \ { 0 } ist:<br />
a -n<br />
:=<br />
1<br />
Durch Anwendung obiger Rechenregeln ergibt sich dann:<br />
Beispiele:<br />
3<br />
3<br />
3<br />
5 ⋅5<br />
a n<br />
n<br />
a<br />
m = a<br />
a<br />
n-m<br />
6 = 3 -3<br />
2 7<br />
5<br />
10<br />
(x ⋅ y) -3<br />
10 -2 ⋅ 10 -4<br />
(10 -2 ) -3<br />
=<br />
1<br />
27<br />
= 5 2+7-10 = 5 -1<br />
=<br />
1 3<br />
( x ⋅ y)<br />
= 10 -6<br />
= 10 6<br />
=<br />
=<br />
= 1 5<br />
1<br />
x ⋅ y<br />
3 3<br />
= 0,2<br />
= x -3 ⋅ y -3<br />
1<br />
1. 000.000 = 0,000001<br />
02.07.02, Seite 14
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<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Da insbesondere ∀ n ∈ ⎟Ν und ∀ a ∈ ⎟R \ { 0 } gilt :<br />
1 = a<br />
a<br />
n<br />
n = an-n ...=...a 0<br />
, macht folgende Definition Sinn:<br />
Definition (Potenzierung mit 0): ∀ a ∈ ⎟R \ { 0 } gilt: a 0 := 1<br />
Achtung: 0 0 ist also nicht definiert.<br />
Zahlen <strong>von</strong> sehr unterschiedlicher Größenordnung schreibt man wegen der dann<br />
besseren Übersichtlichkeit häufig in Form <strong>von</strong> Zehnerpotenzen.<br />
Beispiele: 3.752.000 = 3,752 ⋅ 10 6 = 0,3752 ⋅ 10 7<br />
0,000000123 = 1,23 ⋅ 10 -7<br />
= 0,123 ⋅ 10 -6<br />
Diese Darstellung ist die Gleitpunktdarstellung.<br />
Zur Wurzelrechnung kommt man durch Erweitern der Potenzierung auf rationale<br />
Zahlen:<br />
Definition (Wurzel): Für n ∈ ⎟Ν und a ∈ ⎟R ist die n-te Wurzel aus a diejenige Zahl b,<br />
so dass gilt:<br />
b n = a.<br />
a ist der Radikand, n der Wurzelexponent.<br />
Das heißt also mit anderen Worten:<br />
Die Auflösung der Gleichung b n<br />
= a nach b führt zum Wurzelziehen.<br />
Durch Umformen entsprechend den obigen Regeln läßt sich die Gleichung nach b<br />
auflösen:<br />
b = ( b )<br />
n 1<br />
n<br />
= a 1/n<br />
. Andere Schreibweise: a n<br />
1<br />
2<br />
Falls n = 2, wird in der Regel vereinfachend a statt a<br />
n<br />
= a<br />
geschrieben.<br />
Bemerkung: Für a < 0 und gerade n gibt es keine reelle Lösung für die Gleichung b =<br />
a n<br />
1<br />
(z.B. gibt es für x = −1 keine reelle Lösung). Dieses Problem führt auf die<br />
komplexen Zahlen, die zu späterem Zeitpunkt noch ausführlich behandelt werden.<br />
Damit es für alle a > 0 eine eindeutige Lösung der Gleichung b = a n<br />
1<br />
gibt, wird<br />
vereinbart, dass für gerade n der Wert der Wurzel a n<br />
1<br />
immer positiv ist.<br />
(Denn für gerade n ist auch -b eine Lösung der Gleichung b = a n<br />
1<br />
).<br />
Aus den nun bekannten Regeln für Potenzen und Wurzeln läßt sich als logische<br />
Konsequenz nun die Potenzierung mit rationalen Exponenten ableiten:<br />
Definition (Potenz mit rationalem Exponenten): Seien q ∈ ⎟Q mit q = n<br />
m für m ∈ ⎟Ν<br />
.<br />
02.07.02, Seite 15
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und n ∈ ⎟Z und a ∈ ⎟R. Dann ist:<br />
a q = a n<br />
m m n<br />
:= a .<br />
Die Regeln für das Rechnen mit Potenzen gelten natürlich in gleicher Weise für das<br />
Rechnen mit Wurzeln.<br />
Es ist aber stets zu beachten, daß es nicht für alle a, r ∈ ⎟R reelle Lösungen der<br />
Gleichung b = a r gibt (z.B. nicht für a = -1 und r = 1<br />
2 ).<br />
Allgemein gilt: Seien m ∈ ⎟Ν, n ∈ ⎟Z \ { 0 }, n und m teilerfremd, a ∈ ⎟R :<br />
1. Fall: Nenner des Exponenten n<br />
m gerade:<br />
Es gibt eine reelle Lösung der Gleichung a n<br />
m genau dann, wenn a ≥ 0.<br />
(z. B. gibt es für − 3 5<br />
2 keine reelle Lösung.)<br />
2. Fall: Nenner des Exponenten n m ungerade:<br />
Es gibt für a immer eine eindeutige Lösung der Gleichung a n<br />
m .<br />
Beispiele: 9 5<br />
2 = (9 1<br />
2 ) 5 = 3 5<br />
9 5<br />
1<br />
2 5 2 = (9 ) = 59049 = 243<br />
3 1<br />
1 2 ( 5)<br />
=<br />
5 3 ≈ 0,089<br />
2<br />
1<br />
( 5)<br />
3<br />
2<br />
− = 1<br />
( )<br />
1<br />
5<br />
3<br />
2<br />
3 a b<br />
a<br />
b ⋅ a = 6 6 b<br />
2<br />
b a<br />
2<br />
= 243<br />
= 5 3<br />
2 = 5 ⋅ 5 ≈ 11,18<br />
3<br />
⋅ 3 =<br />
2 3<br />
6<br />
2 3 =<br />
a b<br />
b a<br />
Schließlich kann man durch Verallgemeinerung des folgenden Beispiels das<br />
Potenzieren auf reelle Exponenten erweitern: Reelle Zahlen lassen sich durch rationale<br />
Zahlen beliebig genau annähern (approximieren). Deshalb kann man sich zum Beispiel<br />
die Zahl 2 2 als den Wert vorstellen, der durch die Zahlen <strong>von</strong> 2 1<br />
, 2 1,4<br />
, 2 1,41<br />
, 2 1,414<br />
, 2 1,4142<br />
. . .<br />
immer mehr angenähert wird. Allerdings ist die Potenzierung negativer Zahlen mit<br />
einem irrationalen Exponenten nicht definiert (z.B. − 1 2 ).<br />
Eine mathematisch exakte Definition erfordert Begriffe wie Grenzwert und Stetigkeit, die<br />
zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden.<br />
Definition (Logarithmus): Für a, b ∈ ⎟R, a > 0, b > 0, b ≠ 1 sei c diejenige Zahl, so<br />
dass gilt:<br />
b c = a. c ist der Logarithmus <strong>von</strong> a <strong>zur</strong> Basis b.<br />
a ist der Numerus.<br />
Schreibweise bei Auflösung nach c:<br />
c = log b a<br />
6<br />
b<br />
a<br />
02.07.02, Seite 16
FB Ingenieurwissenschaften<br />
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Das heißt also mit anderen Worten: Die Auflösung der Gleichung b c = a nach c führt<br />
zum Logarithmieren. Der Logarithmus einer Zahl c ist also der Exponent, mit dem man<br />
b potenzieren muß, um a zu erhalten.<br />
Alle auf eine bestimmte Basis bezogenen Logarithmen bilden das Logarithmensystem<br />
dieser Basis. Es gibt unendlich viele Systeme, da unendlich viele Zahlen als Basis<br />
verwendet werden können. Allerdings eignet sich die Zahl 1 nicht als Basis, da alle<br />
Potenzen <strong>von</strong> 1 gleich 1 sind (1 c = 1 ∀ c > 0). Der Logarithmus wäre nur für die Basis<br />
überhaupt definiert. Ebenso ist die Zahl 0 als Basis unbrauchbar. Bei negativen Basen<br />
kann man nicht für jede Zahl eine reelle Lösung für den Logarithmus finden (z.B.: -2 x =<br />
8 und -2 x = -4 nicht lösbar für x ∈ ⎟R).<br />
Für b > 0 und a ≤ 0 hat die Gleichung b c<br />
= a grundsätzlich keine reelle Lösung.<br />
Deshalb gilt: Der Logarithmus ist nur für positiven Numerus und positive Basis („<br />
1) definiert.<br />
Wichtige Rechenregeln (Logarithmengesetze):<br />
log b 1 = 0<br />
log b b = 1<br />
log b (u ⋅ v) = log b u + log b v<br />
log b ( u<br />
v ) = log b u - log b v<br />
log b ( 1<br />
u ) = -log b u<br />
log b (u v ) = v ⋅ log b u<br />
log b<br />
n<br />
u<br />
=<br />
1<br />
n ⋅ log u b<br />
Besondere praktische Bedeutung haben die Logarithmen der Basis 10 und Basis e:<br />
Logarithmen mit Basis 10 heißen dekadische Logarithmen und werden ohne<br />
ausdrückliche Basisangabe mit log oder lg bezeichnet.<br />
Also: lg a := log 10 a.<br />
Beispiele: lg 10 = 1<br />
lg 100 = 2<br />
lg 1000 = 3<br />
lg 0,1 = -1<br />
lg 0.01 = -2<br />
lg 0,001 = -3<br />
Aus 3.752.000 = 0,3752 ⋅ 10 7<br />
ergibt sich:<br />
lg 3.752.000 = lg (0,3752 ⋅ 10 7 ) = lg 0,3752 + lg 10 7<br />
= lg 0,3752 + 7 ⋅ lg 10 = lg 0,3752 + 7<br />
= -0,42573... + 7 = 6,57426...<br />
02.07.02, Seite 17
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Allgemein gilt: Jede Zahl r ∈ ⎟R, r > 0 läßt sich eindeutig darstellen in der Form<br />
r = m ⋅ 10 k<br />
lg m heißt Mantisse, k heißt Kennziffer.<br />
mit 0 < m ≤ 1, k ∈ ⎟N 0<br />
Reelle Zahlen, die sich nur in der Kommadarstellung unterscheiden, haben gleiche<br />
Mantissen und verschiedene Kennziffern. Vor der Zeit der Taschenrechner bzw.<br />
Computer wurden die Mantissen in Logarithmentafeln aufgelistet und den positiven<br />
reellen Zahlen zwischen 0 und 1 zugeordnet. Die Logarithmentafeln erleichterten dem<br />
geübten Anwender die schnelle Durchführung <strong>von</strong> ansonsten aufwendigen schriftlichen<br />
Berechnungen (z. B. Multiplikationen).<br />
Logarithmen mit Basis e (= 2,718281... - Eulersche Zahl nach Leonhard Euler, 1707 -<br />
1783) heißen natürliche Logarithmen (logarithmus naturalis) und werden ohne<br />
ausdrückliche Basisangabe mit ln bezeichnet. e ist eine irrationale Zahl und eine der<br />
wichtigsten Konstanten in der <strong>Mathematik</strong>.<br />
Auf die Bedeutung <strong>von</strong> e wird an anderer Stelle noch näher eingegangen.<br />
Also: ln a := loge a.<br />
Beispiel: Durch Logarithmieren der Gleichung: 25,31 x = 30,16 ergibt sich:<br />
ln 30, 15<br />
x ⋅ ln 25,31 = ln 30,15 ⇒ x = ≈ 1,054<br />
ln 25, 31<br />
Die Logarithmen zweier Basen sind proportional zueinander. Es gilt:<br />
log x = a log<br />
log<br />
b<br />
b<br />
x<br />
a<br />
Beweis: Es sei: y := log x. Also: a a y = x. Dann:log x = log a b b y = y log a b<br />
= (log x) ⋅ (log a) ⇒ log x = a b a log b x<br />
log b a<br />
Beispiele: log a = 5 ln a<br />
= 0,62133... ⋅ ln a<br />
ln 5<br />
lg a<br />
ln a = = 2,30258... ⋅ lg a<br />
lg e<br />
lg a = ln a<br />
= 0,43429... ⋅ ln a<br />
ln 10<br />
02.07.02, Seite 18
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
0.5 Binomische Formeln<br />
Definition (Binom):<br />
Ein Binom ist ein zweigliedriger Ausdruck der Form a + b oder a - b.<br />
Sehr häufig werden folgende binomische Formeln verwendet:<br />
erste binomische Formel: (a + b) 2 = a 2 + 2 a b + b 2<br />
zweite binomische Formel: (a - b) 2 = a 2 - 2 a b + b 2<br />
dritte binomische Formel (a + b) (a - b) = a 2 - b 2<br />
Diese Formel läßt sich verallgemeinern für (a + b) n , wobei n ∈ ⎟Ν:<br />
(a + b) 0 = 1<br />
(a + b) 1 = a + b<br />
(a + b) 2 = a 2 + 2 a b + b 2<br />
(a + b) 3 = a 3 + 3 a 2 b + 3 a b 2 + b 3<br />
(a + b) 4 = a 4 + 4 a 3 b + 6 a 2 b 2 + 4 a b 3 + b 4<br />
. . .<br />
Folgende Gesetzmäßigkeit ist offenbar erkennbar: Die Potenzen <strong>von</strong> a erscheinen <strong>von</strong><br />
links nach rechts in den Summanden in der Reihenfolge<br />
a n , a n-1 , . . . , a 1 , a 0 , die Potenzen <strong>von</strong> b in der Reihenfolgeb 0 , b 1 , . . . , b n-1 , b n .<br />
Man erkennt, daß die Summe der Exponenten in einem Summanden immer gleich n ist.<br />
Eine Gesetzmäßigkeit für die Koeffizienten läßt sich erkennen, wenn man diese in Form<br />
des folgenden <strong>Dr</strong>eiecks aufschreibt:<br />
1<br />
1 1<br />
1 2 1<br />
1 3 3 1<br />
1 4 6 4 1<br />
. . .<br />
Also: Am linken und rechten Rand steht in jeder Zeile die Zahl 1. Jeder andere<br />
Koeffizient ist die Summe der beiden schräg über ihm stehenden Koeffizienten (z.B. 1 +<br />
2 = 3, 3 + 3 = 6 usw.). Das obige <strong>Dr</strong>eieck heißt Pascalsches <strong>Dr</strong>eieck (Blaise Pascal,<br />
1623 - 1662).<br />
Die Koeffizienten einer aufgelösten Binompotenz lassen sich auch direkt durch eine<br />
Formel angeben. Für den Koeffizienten n k des (k+1)-ten Summanden der Lösung<br />
02.07.02, Seite 19
FB Ingenieurwissenschaften<br />
Bereich Maschinenbau<br />
<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
<strong>von</strong> (a + b) n gilt:<br />
nk<br />
Durch Kürzen ergibt sich: nk<br />
=<br />
n!<br />
, wobei k, n ∈ ⎟Ν , k ≤ n und 0! := 1.<br />
0 k! ⋅ ( n − k)!<br />
=<br />
n ⋅ ( n − 1) ⋅ ( n − 2) ⋅... ⋅( n − k + 1)<br />
2 ⋅ 3⋅ 4⋅...<br />
⋅k<br />
Definition (Binomialkoeffizient): (Erinnerung an letztes Kapitel: 0! := 1.)<br />
Die natürlichen Zahlen<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝k<br />
⎞<br />
n!<br />
⎟ : = nk = heißen für k, n ∈ ⎟Ν mit k ≤ n Binomialkoeffizienten.<br />
0 ⎠ k! ⋅ ( n − k)!<br />
Rechenregeln ∀ k, n ∈ ⎟Ν 0 mit k ≤ n:<br />
Beispiele:<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝0<br />
⎞<br />
⎟ = 1<br />
⎠<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝k<br />
⎞<br />
⎟ =<br />
⎠<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝k<br />
⎞ ⎛ n ⎞<br />
⎟ + ⎜ ⎟<br />
⎠ ⎝k<br />
+ 1⎠<br />
⎛7<br />
⎜<br />
⎝2<br />
⎞<br />
⎟ =<br />
⎠<br />
7 ⎛<br />
⎜<br />
⎝5<br />
⎞<br />
⎟ = 21<br />
⎠<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝1<br />
⎞<br />
⎟ = n<br />
⎠<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
n<br />
n − k<br />
= n ⎛ + 1⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎝k<br />
+ 1⎠<br />
⎛n<br />
⎜<br />
⎝n<br />
⎞<br />
⎟ = 1<br />
⎠<br />
⎞<br />
⎟ (Symmetrieeigenschaft)<br />
⎠<br />
(Summeneigenschaft)<br />
⎛3<br />
⎜<br />
⎝1<br />
⎞<br />
⎟ +<br />
⎠<br />
3 ⎛<br />
⎜<br />
⎝2<br />
⎞<br />
⎟ =<br />
⎠<br />
4 ⎛<br />
⎜<br />
⎝2<br />
⎞<br />
⎟ = 6<br />
⎠<br />
Bemerkung: n ⎛<br />
⎜<br />
⎝k<br />
⎞<br />
⎟ ist eine wichtige Größe in der Kombinatorik. Die Zahl gibt die Anzahl<br />
⎠<br />
der verschiedenen k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge an.<br />
Beispiel: Es gibt 49 ⎛ ⎞<br />
⎜ ⎟ (= 13.983.816) verschiedene Möglichkeiten, eine 6-elementige<br />
⎝ 6 ⎠<br />
Teilmenge aus der Menge { 1, 2, 3, . . ., 49 } zu bilden (Lotto 6 aus 49).<br />
Aus den vorherigen Überlegungen ergibt sich nun der Allgemeiner binomischer Satz:<br />
Für a, b ∈ ⎟R, n ∈ ⎟Ν gilt:<br />
(a + b) n n ⎛n<br />
n k k<br />
= ⎜ a b<br />
⎝k<br />
⎞ −<br />
⎟ ⋅ ⋅<br />
⎠<br />
∑ 0<br />
k =<br />
02.07.02, Seite 20
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<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
0.6 Gleichungen<br />
Definition (Term): Ein Term ist eine aus Buchstaben, Zahlen und Rechen- und<br />
Sonderzeichen gebildete mathematisch wohldefinierte (sinnvolle) Zeichenfolge.<br />
Beispiele: Terme sind: a 2 + b 2 - 5<br />
kein Term ist: x : ( 2 a<br />
x<br />
x 2 + 1<br />
2 5<br />
2<br />
−<br />
p q<br />
Definition (Variable): Ein Variable ist ein Zeichen, das stellvertretend für ein beliebiges<br />
Element einer definierten Menge steht und verschiedene Werte aus der Menge<br />
annehmen kann.<br />
Häufig werden Variable mit den letzten Buchstaben des Alphabets bezeichnet.<br />
Definition (Konstante): Ein Konstante ist ein Zeichen, das stellvertretend für ein<br />
beliebiges Element einer Menge steht und einen festen Wert aus dieser Menge<br />
annimmt.<br />
Einen Term mit einer Variable schreibt man oft T(x), einen Term mit zwei Variablen<br />
T(x,y) usw..<br />
Beispiele: T(x) := 2x 2 + 3ax + 27 T(x;y) := 2x 2 + 3xy + 27<br />
Definition (Gleichung): Eine Gleichung ist die Verbindung <strong>von</strong> zwei Termen T1 und T2<br />
durch das Gleichheitszeichen: T1 = T2<br />
Man unterscheidet:<br />
Identische Gleichungen: Gleichung ist grundsätzlich gültig<br />
Beispiel: (a + b) 2 = a 2 + 2ab + b 2<br />
Funktionsgleichungen: Durch Einsetzen eines Wertes in den einen Term wird<br />
der andere Term errechnet.<br />
Beispiel: y = 4x 2 - 6x + 1<br />
Bestimmungsgleichungen: Die Gleichung ist nur für bestimmte Werte erfüllt,<br />
die zu ermitteln sind.<br />
Beispiel: x 3 - 5x = 6 - 2x 2<br />
Im folgenden werden Bestimmungsgleichungen mit einer Variablen (Unbekannten)<br />
betrachtet.<br />
Eine Gleichung T1(x) = T2(x) ist eine Aussagenform, die je nach Wahl <strong>von</strong> x zu einer<br />
wahren oder einer falschen Aussage führt.<br />
02.07.02, Seite 21
FB Ingenieurwissenschaften<br />
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<strong>Mathematik</strong> I<br />
<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
Definition (Lösung): Falls für x die Aussage T1(x) = T2(x) wahr ist, ist x eine Lösung<br />
der Gleichung. Die Menge aller Lösungen ist die Lösungsmenge der Gleichung.<br />
Beispiel: Gegeben sei die Gleichung: x 3 - 5 x = 6 - 2 x 2<br />
Für x1 = -3, x2 = -1 und x3 = 2 ist die Aussage wahr.<br />
Man kann beweisen, daß es keine weiteren Lösungen gibt.<br />
Also ist { -3, -1, 2 } die Lösungsmenge.<br />
Eine Gleichung mit einer Unbekannten wird am elegantesten gelöst, indem sie<br />
schrittweise solange umgeformt wird, bis die Unbekannte isoliert auf einer Seite der<br />
Gleichung steht. Bei jeder Umformung entsteht eine neue Gleichung.<br />
Dieses Vorgehen ist jedoch keineswegs immer möglich.<br />
Definition (äquivalente Umformungen): Zwei Gleichungen heißen äquivalent<br />
zueinander, wenn sie die gleiche Lösungsmenge besitzen. Entsprechend heißen<br />
Umformungen einer Gleichung, durch die ihre Lösungsmenge nicht geändert wird,<br />
äquivalente Umformungen.<br />
Beispiele äquivalenter Umformungen:<br />
Addition (Subtraktion) des gleichen Terms auf beiden Seiten der Gleichung<br />
Multiplikation (Division) beider Seiten der Gleichung mit dem (durch den)<br />
gleichen Term, falls dieser ungleich 0 ist.<br />
Beispiel für eine im allgemeinen nichtäquivalente Umformung:<br />
Quadrieren beider Seiten der Gleichung<br />
konkretes Beispiel:<br />
Die Gleichung x - 5 = 0 sei gegeben. Äquivalente Umformung: x = 5<br />
äquivalente Umformung: x - 2 = 3<br />
nichtäquivalente Umformung: (x - 2) 2 = x 2 - 4x + 4 = 9<br />
äquivalente Umformung: x 2 - 4x - 5 = 0<br />
Lösungsmenge dieser Gleichung: {-1, 5}<br />
-1 ist aber keine Lösung der Gleichung x - 5 = 0<br />
Definition (ganzrationale Gleichung): Die Darstellung einer Gleichung in der Form<br />
x n + an-1x n-1 + . . . + a1x + a0 = 0 heißt Normalform der Gleichung n-ten Grades.<br />
Gleichungen dieser Art sind ganzrationale Gleichungen.<br />
Im folgenden Teil dieses Kapitels seien grundsätzlich alle Koeffizienten ai ∈ ⎟R.<br />
02.07.02, Seite 22
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Eigenschaften <strong>von</strong> Gleichungen n-ten Grades:<br />
• Hat eine Gleichung n-ten Grades die Lösungen x1, . . . , xn, dann läßt sich die<br />
Gleichung in der Form<br />
(x - x1) (x - x2) . . . (x - xn) = 0<br />
darstellen. Diese Form ist die Produktdarstellung der Gleichung n-ten Grades.<br />
Daraus folgt: Wenn eine Lösung x1 gefunden wurde, läßt sich die Gleichung in der<br />
Form<br />
(x - x1) (x n-1 + bn-2x n-2 + . . . + b1x + b0) = 0<br />
schreiben. Für die reduzierte Gleichung (n-1)-ten Grades kann man dann wieder eine<br />
Lösung bestimmen und als Faktor ausklammern usw.<br />
Eine Lösung x i ist eine k-fache Lösung, wenn in der Produktdarstellung der Faktor<br />
(x-xi) k-mal erscheint, sich also in der k-ten Potenz schreiben läßt: (x-xi) k . Für k > 1 ist<br />
eine k-fache insbesondere eine mehrfache Lösung.<br />
• Fundamentalsatz der Algebra: Eine Gleichung n-ten Grades hat genau n<br />
Lösungen. Dabei können Lösungen mehrfach auftreten. Die Lösungen sind nicht<br />
notwendig reelle Zahlen, sondern können komplexe Zahlen sein. (Beweis <strong>von</strong> Carl<br />
Friedrich Gauss, 1777 - 1855). Die Lösungen einer Gleichung werden auch Wurzeln<br />
genannt.<br />
• Eine Gleichung n-ten Grades mit ungeradem n besitzt zumindest eine reelle Lösung.<br />
• Lösung der linearen Gleichung (Gleichung 1. Grades) x + a0 = 0: x1 = -a0<br />
• Lösungen der quadratischen Gleichung (Gleichung 2. Grades)<br />
x 2 + px + q = 0 mit p, q ≠ 0:<br />
p p<br />
2 4<br />
x1 = − + − q<br />
2<br />
p p<br />
2 4<br />
x2 = − − − q<br />
Für Gleichungen 3. und 4. Grades kann man analoge Lösungsformeln wie für die<br />
quadratische Gleichung herleiten. Für Lösungen 5. und höheren Grades gibt es solche<br />
Formeln nicht. In solchen Fällen werden in der Regel Näherungsverfahren angewendet,<br />
die beliebig genaue, jedoch keine analytisch exakten Lösungen liefern.<br />
2<br />
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Beispiel: Gegeben sei die Gleichung: x 3 - 2x 2 - 23 x + 60 = 0.<br />
Es sei bereits bekannt, daß x1 = 3 eine Lösung ist.<br />
Wie heißen die restlichen Lösungen?<br />
Die Gleichung soll zunächst in die Form (x - 3) (x 2 + b1x + b0) = 0 überführt<br />
werden. Also sind zunächst b0 und b1 zu bestimmen. Dazu wird eine sogenannte<br />
Partialdivision (auch bekannt unter der Bezeichnung Polynomdivision)<br />
durchgeführt:<br />
x 3 - 2x 2 - 23 x + 60 : x - 3 = x 2 + x - 20<br />
x 3 - 3x 2<br />
⎯⎯⎯<br />
x 2 - 23x + 60<br />
x 2 - 3x<br />
⎯⎯⎯⎯⎯<br />
-20x + 60<br />
-20x + 60<br />
⎯⎯⎯⎯<br />
0<br />
Durch Abspaltung <strong>von</strong> x - 3 erhält die Gleichung also die Form:<br />
(x - 3) (x 2 + x - 20) = 0.<br />
Ein Produkt ist gleich 0, wenn einer der beiden Faktoren 0 ist. Also sei:<br />
x 2 + x - 20 = 0<br />
Aus obiger Formel ergeben sich für diese quadratische Gleichung die<br />
Lösungen:<br />
x2 = 4 und x3 = -5.<br />
Also besitzt die Gleichung die Lösungsmenge { 3, 4, -5 }.<br />
Definition (gebrochenrationale Gleichung): Eine Gleichung ist gebrochenrational,<br />
wenn die Unbekannte im Nenner der in der Gleichung enthaltenen Brüche auftritt.<br />
Beispiel:<br />
12x<br />
x + 1<br />
2 - 2 =<br />
x + x − 6 x − 2<br />
Definition (irrationale Gleichung): Eine Gleichung ist irrational, wenn die<br />
Unbekannte im Radikanden <strong>von</strong> Wurzeltermen auftritt.<br />
Beispiel: 2x + 10 − 4x − 8 = 2<br />
02.07.02, Seite 24
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Definition (algebraische Gleichung, transzendente Gleichung): Eine Gleichung<br />
heißt algebraisch, wenn sie ganzrational, gebrochenrational oder irrational ist. Nicht<br />
algebraische Gleichungen heißen transzendent.<br />
Transzendente Gleichungen sind zum Beispiel:<br />
• Exponentialgleichungen: z.B.: 5 x-1 = 2 x<br />
• logarithmische Gleichungen: z.B.: 10 ln (2x) = 3<br />
• trigonometrische Gleichungen: z.B.: 3 cos x = 1 - sin x<br />
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0.7 Beträge, Intervalle, Ungleichungen<br />
Definition (Absolutbetrag): Der (absolute) Betrag (oder Absolutbetrag) einer Zahl a<br />
∈ ⎟R ist die nichtnegative der beiden Zahlen a und -a. Schreibweise: | a |.<br />
Es ist also:<br />
⎧ a, falls a ≥ 0<br />
| a | =⎨<br />
⎩ -a, falls a < 0.<br />
Es gilt ∀ a, b ∈ ⎟R :<br />
• | a | ≥ 0<br />
• | a | = 0 ⇔ a = 0<br />
• | a | = | -a |<br />
• | a - b | = | b - a |<br />
• | a ⋅ b | = | a | ⋅ | b |<br />
• | a | a|<br />
| = für b ≠ 0<br />
b | b|<br />
• | a + b | ≤ | a | + | b | (<strong>Dr</strong>eiecksungleichung)<br />
• | a | − | b | ≤ | a − b | ≤ | a | + | b |<br />
Beispiel: T(x,y) := | 4x + 2y | - x - | y |. Dann ist:<br />
Für T(3,-4) = | 12 - 8 | - 3 - | -4 | = 4 - 3 - 4 = -3<br />
Für T(-5,5) = | -20 + 10 | + 5 - | 5 | = 10 + 5 - 5 = 10<br />
Definition (Signum): Für a ∈ ⎟R ist:<br />
⎧ 1 für a > 0<br />
sgn a := ⎨ 0 für a = 0<br />
sgn a ist das Signum <strong>von</strong> a.<br />
⎩ -1 für a < 0.<br />
Also gilt: sgn a = a<br />
| a|<br />
für a ≠ 0.<br />
Definition (Intervall): Ein Intervall ist eine zusammenhängende Teilmenge der Menge<br />
der reellen Zahlen.<br />
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Beispiele: Intervalle sind: { x ∈ ⎟R | 1 ≤ x ≤ 10 }<br />
{ x ∈ ⎟R | 20 ≤ x < 100 } { x ∈ ⎟R | -10 < x ≤ 0 }<br />
{ x ∈ ⎟R | -1 < x < -0,5 }<br />
keine Intervalle sind: { x ∈ ⎟R | 1 ≤ x ≤ 10 ∨ 50 ≤ x ≤ 100 }<br />
{ x ∈ ⎟Q | 1 ≤ x ≤ 10 } { 1, 5, 7 }<br />
Definition (offene und geschlossene Intervalle): Seien a, b ∈ ⎟R und a ≤ b. Es sind:<br />
[ a, b ] := { x ∈ ⎟R | a ≤ x ≤ b } abgeschlossenes Intervall<br />
[ a, b ) := { x ∈ ⎟R | a ≤ x < b } links geschlossenes, rechts<br />
offenes Intervall<br />
(halboffenes Intervall)<br />
( a, b ] := { x ∈ ⎟R | a < x ≤ b } links offenes, rechts<br />
geschlossenes Intervall<br />
(halboffenes Intervall)<br />
( a, b ) := { x ∈ ⎟R | a < x < b } offenes Intervall<br />
( -∞, b ) := { x ∈ ⎟R | x < b }<br />
( -∞, b ] := { x ∈ ⎟R | x ≤ b }<br />
( a, ∞ ) := { x ∈ ⎟R | a < x }<br />
[ a, ∞ ) := { x ∈ ⎟R | a ≤ x }<br />
( -∞, ∞ ) := ⎟R<br />
Es gilt ∀ a, b ∈ ⎟R :<br />
[ a, a ] = { a }<br />
[ a, b ] = ∅, falls a > b<br />
( a, b ] = [ a, b ) = ( a, b ) = ∅, falls a ≥ b<br />
[ -a, a ] = {x ∈ ⎟R | x ≤ | a | }<br />
[ a - b, a + b ] = {x ∈ ⎟R | | a - x | ≤ b }, falls b ≥ 0 (b-Umgebung <strong>von</strong> a)<br />
Definition (Schranken): Sei M ⊂ ⎟R.<br />
• x ∈ ⎟R heißt obere Schranke <strong>von</strong> M, falls ∀ y ∈ M gilt: y ≤ x.<br />
• x ∈ ⎟R heißt untere Schranke <strong>von</strong> M, falls ∀ y ∈ M gilt: y ≥ x.<br />
• M heißt nach oben (bzw. nach unten) beschränkt, falls es eine obere (bzw. untere)<br />
Schranke <strong>von</strong> M gibt.<br />
Beispiele: Seien a, b ∈ ⎟R und a ≤ b. Dann gilt:<br />
∀ y ∈ ( -∞, a ] ist y ist untere Schranke <strong>von</strong> [ a, b ] sowie <strong>von</strong> ( a, b ]<br />
∀ y ∈ [ b, ∞ ] ist y ist obere Schranke <strong>von</strong> [ a, b ] sowie <strong>von</strong> [ a, b )<br />
Definition (Ungleichung): Eine Ungleichung ist die Verbindung <strong>von</strong> zwei Termen<br />
durch eines der Relationszeichen >, ≥,
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<strong>Prof</strong>. Kortendieck<br />
• auf beiden Seiten der Ungleichung der gleiche Term addiert (subtrahiert) wird<br />
Beispiel: T1 < T2 ⇒ T1 + T < T2 + T<br />
• beide Seiten der Ungleichung mit einem Term, der nur positive Werte<br />
annimmt, multipliziert bzw. durch einen solchen Term dividiert werden<br />
Beispiel: T1 < T2, T > 0⇒ T1 ⋅ T < T2 ⋅ T und T1<br />
T2<br />
<<br />
T T<br />
• beide Seiten der Ungleichung stets verschiedene Vorzeichen haben und auf<br />
beiden Seiten der Kehrwert gebildet wird.<br />
1 1<br />
Beispiel: T1 < T2, T1 ⋅ T2 < 0 ⇒ <<br />
T T<br />
1 2<br />
♦ Das Ungleichheitszeichen kehrt sich (< ↔ >, ≤ ↔ ≥) um, wenn:<br />
• beide Seiten der Ungleichung mit einem Term, der nur negative Werte<br />
annimmt, multipliziert bzw. durch einen solchen Term dividiert werden<br />
Beispiel: T1 < T2, T < 0 ⇒ T1 ⋅ T > T2 ⋅ T und T1<br />
T2<br />
><br />
T T<br />
• beide Seiten der Ungleichung stets das gleiche Vorzeichen haben und auf<br />
beiden Seiten der Kehrwert gebildet wird.<br />
1 1<br />
Beispiel: T1 < T2, T1 ⋅ T2 > 0 ⇒ ><br />
T1 T2<br />
Zwei Ungleichungen mit gleichartigem Ungleichheitszeichen dürfen addiert, aber nicht<br />
subtrahiert werden:<br />
T1 < T2, T3 < T4 ⇒ T1 + T3 < T2 + T4<br />
Die Schlußfolgerung T1 - T3 < T2 - T4 ist im allgemeinen falsch<br />
Beispiel: Zu lösen sei die Ungleichung | x + 2 | < 3.<br />
Die Ungleichung läßt sich auflösen in: x + 2 < 3 und -(x + 2) < 3<br />
Man erhält dann die beiden Ungleichungen: x > -5 und x < 1<br />
Also ist die Lösungsmenge: (-5, 1)<br />
02.07.02, Seite 28