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cht dümmlich sein<br />
„Crash Test Dummies“, Berlinale Int. Forum „Durchfahrtsland“, Berlinale Int. Forum<br />
gen keine Zustände. Es geht doch darum,<br />
Emotionalität zu empfinden! Fatih Akin hat<br />
in „Gegen die Wand“ geschafft, mit der<br />
emotionalen Wucht seiner Geschichte und<br />
seiner wunderbaren Schauspieler dem Publikum<br />
eine Realität zu vermitteln, die berührt<br />
hat und unterhält! Ja, unterhält! Auch<br />
im Sinne von sich darüber unterhalten, verständigen,<br />
austauschen. Ich habe bestimmt<br />
noch zwei Stunden über den Film gesprochen,<br />
ihn mir nochm<strong>als</strong> vor Augen geführt,<br />
die Träne im Augenwinkel nochm<strong>als</strong> weggewischt.<br />
Nochm<strong>als</strong> mitgefühlt mit den Protagonisten.<br />
Nochm<strong>als</strong> mitgelitten über die<br />
„Ich gehe auch nicht ins<br />
Kino, um mich zu langweilen<br />
oder weil ich dort<br />
besser schlafen kann.“<br />
Unlebbarkeit der Liebe. Der Film ist hängen<br />
geblieben, hat sich in mir eingenistet so wie<br />
zum Beispiel auch „Halbe Treppe“ von Andreas<br />
Dresen.<br />
Es geht <strong>als</strong>o! Und natürlich muss ein<br />
Film unterhalten! Alles andere wäre an den<br />
Realitäten vorbei gedacht. Ich gehe auch<br />
nicht ins Kino, um mich zu langweilen oder<br />
weil ich dort besser schlafen kann. Aber was<br />
bedeutet „nur“ unterhalten? Als wäre<br />
Unterhaltung etwas Schlechtes, Undefinierbares,<br />
wofür man sich auch schon wieder<br />
schämen müsste.<br />
Ich habe manchmal den Eindruck, in<br />
Deutschland ist Unterhaltung gleichbedeutend<br />
mit einer plumpen Sprache, einfältig<br />
grölendem Humor, obendrein sexistisch<br />
und gespickt mit Klischees, was zwar<br />
den positiven Effekt hat, dass der Zuschauer<br />
einen hohen Wiedererkennungswert hat,<br />
aber das Gesehene auch schon oft gesehen<br />
hat. Diese Sichtweise bildet immer weniger<br />
genau unsere Welt ab, bleibt in einer Oberflächlichkeit<br />
stecken und führt zu einer kulturellen<br />
Aushöhlung. Aber Unterhaltung<br />
muss nicht dümmlich und vordergründig<br />
sein.<br />
Was macht einen erfolgreichen Film<br />
aus? „Das Drehbuch, das Drehbuch und<br />
nochm<strong>als</strong> das Drehbuch“. Alle kennen dieses<br />
Zitat von Billy Wilder, und es hat bis zum<br />
heutigen Tag – so schlicht es scheint – nicht<br />
an Wahrheit und Bedeutung verloren. Das<br />
Wichtigste für ein gelungenes Drehbuch ist<br />
doch die genaue Recherche.<br />
Wie oft wird in Filmen (im<br />
Fernsehen ist es noch extremer)<br />
das zitiert, was man<br />
irgendwo gesehen oder gelesen<br />
hat. Der Film zitiert sich<br />
selber und gibt dieses Zitat <strong>als</strong><br />
Wirklichkeit, <strong>als</strong> Wahrheit aus.<br />
Einzig durch die Genauigkeit<br />
des Blickes – man muss doch<br />
nur hingucken, die Geschichten sind doch<br />
da! – kann doch auch der Zuschauer erst<br />
sehen, was er möglicherweise so noch nicht<br />
gesehen hat, und sich begeistern und unterhalten<br />
lassen.<br />
Sowohl Film <strong>als</strong> auch Fernsehen sollte<br />
die Lebensrealität unseres Landes widerspiegeln<br />
und dadurch die kulturelle Vielfalt<br />
unserer Gesellschaft aufzeigen, die es gilt<br />
zu bewahren.<br />
Sieben Zwerge auf dem Traumschiff<br />
VON KADIR SÖZEN, REGISSEUR<br />
UND PRODUZENT<br />
ie letzte Klappe ist auch die erste Klap-<br />
Dpe. Der deutsche Film ist auf dem Vormarsch.<br />
Der deutsche Film boomt. Ein Erfolg<br />
jagt den anderen. Nach den schweren,<br />
bedrückenden vergangenen Jahren können<br />
wir doch richtig stolz sein?! Die Filmindustrie<br />
wetzt schon die Messer, rüstet sich für die<br />
kommenden, noch größeren Jahre. Doch<br />
die Realität relativiert so manches.<br />
Versuchen wir, die erfolgreichsten Filme<br />
des Jahres an der Kinokasse zu finden,<br />
wird sehr schnell klar, dass die sieben Zwerge<br />
auf dem Traumschiff die Reise gewonnen<br />
haben. In wieweit diese Filme den Geschmack<br />
des Kinozuschauers widerspiegeln<br />
ist bereits – genau von diesem – abschließend<br />
beantwortet worden.<br />
Doch die spannendere Frage<br />
ist, ob diese Filme die Realität<br />
unseres Landes widerspiegeln.<br />
Um die Antwort (die ich<br />
mir für den Schluss aufbewahren<br />
wollte) vorweg zu<br />
nehmen: Ja!! Spiegelt nicht jeder<br />
Film ein Stück weit die Realität<br />
des jeweiligen Landes wider? Anders<br />
ausgedrückt, wenn fast sieben Millionen Zuschauer<br />
„7 Zwerge“ und sogar nahezu zehn<br />
Millionen „(T)Raumschiff Surprise“ sahen,<br />
spiegelt das nicht ein Stück weit auch den<br />
Zeitgeist der Gesellschaft wider?<br />
Einige werden sicherlich jetzt sagen: Der<br />
Filmgott stehe uns bei! Recht haben sie! Nur<br />
oft meint man, dass genau dieser hier und<br />
da wichtigeres zu tun hatte. Filme wie „Der<br />
Wixxer“, aber auch einige andere, haben<br />
ihn so vermissen lassen, dass der Glaube an<br />
ihn nahezu erloschen ist.<br />
Nein, nein, damit die Gedanken erst gar<br />
nicht in die f<strong>als</strong>che Richtung gleiten: Ich bin<br />
der festen Überzeugung, dass diese Filme<br />
gemacht und gefördert werden müssen. Sie<br />
sind ein wesentlicher Bestandteil der Filmindustrie,<br />
und sie sind ein Bestandteil unserer<br />
Zuschauerphilosophie. Der Unterhaltungsanspruch<br />
des Zuschauers ohne den<br />
Zusatz des künstlerischen Tiefgangs ist<br />
durchaus legitim. Die Unterhaltung ist so<br />
weit gefächert wie die Seele des Zuschauers<br />
nahezu unergründlich ist! Die Form der<br />
Unterhaltung definiert jeder für sich selbst.<br />
Das ist die Realität. Kein Filmemacher/Künstler<br />
sollte sich seine eigenen Zuschauer zu<br />
backen versuchen.<br />
Sicher ist mein Traum und meine Vision<br />
die Kombination aus Unterhaltung und<br />
Kunst. Doch die Realität zeigt, dass dies die<br />
Ausnahme bleiben wird. Wenn Filme wie<br />
„Gegen die Wand“ bei 800.000 Zuschau-<br />
„Den Menschen in seinem<br />
Denken zu verändern,<br />
das hat natürlich mit der<br />
Kunst nicht funktioniert.“<br />
ern die Segel streichen müssen, fragen wir<br />
uns angesichts der oben genannten Zahlen<br />
schon, was der „gemeine“ Zuschauer<br />
im Schilde führt. Während für die meisten<br />
Zuschauer Kusturica mehr an einen griechischen<br />
Auflauf erinnert, <strong>als</strong> an einen der<br />
größten Geschichtenerzähler, sind für die<br />
anderen Zuschauer die sieben Zwerge der<br />
kulturelle Untergang unserer zivilisierten Gesellschaft.<br />
Und wenn wir ein wenig ehrlich sind,<br />
war das in der Vergangenheit so, und das<br />
wird auch in der Zukunft so bleiben. Ist das<br />
auch gut so? Ich weiß es nicht.<br />
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