41. Ausgabe / Juli 2012 - Fritz-Leonhardt-Realschule
41. Ausgabe / Juli 2012 - Fritz-Leonhardt-Realschule
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Solche, die ihr Kind von mir nicht angemessen<br />
gewürdigt sahen. Sie halten verständlicherweise<br />
Abstand zu mir. Die andern aber, bei denen man<br />
etwas bewegen konnte, bei denen die Saat aufging,<br />
sei es die Freude am Lesen oder gar Begeisterung<br />
für Literatur, das Interesse an Kunst,<br />
eine kritische, aber verantwortliche Einstellung<br />
zum Menschen und dem, was er ist, kann und soll<br />
oder einfach nur die Erinnerung an eine schöne<br />
Schulzeit, denen begegnet man immer wieder in<br />
der Stadt. Erst kürzlich im Cannstatter Mineralbad<br />
taucht einer im wahrsten Sinne des Wortes vor<br />
mir auf, nach Luft schnappend und mit triefenden<br />
Haaren: „Frau Wochele, erinnern Sie sich noch an<br />
mich?“ Ich reibe mir die Augen: „Na klar, Sie sind<br />
doch der...!“<br />
Das sind die Momente, die entschädigen für vieles,<br />
was Schule auch mit sich brachte: Viele<br />
Abende und Wochenenden mit Korrekturen und<br />
Vorbereitungen, Ärger mit pubertierenden Schülern,<br />
deren Hauptinteressen so gar nicht mit den<br />
Lehr- und Lernzielen des Unterrichts vereinbar<br />
waren. Kinder, denen zu Hause einfachste Benimm-Regeln<br />
nicht beigebracht wurden. Eltern,<br />
die nicht verstehen können, dass die Schule in<br />
solchen Fällen auch einen Erziehungsauftrag hat.<br />
Unzählige Klassen- und Gesamtlehrerkonferenzen.<br />
Unzählige Elterngespräche. Und nach manchen<br />
bedauert man, dass man keine Zusatzausbildung<br />
als Eheberaterin hat. Unterrichtstage, wo<br />
man am Nachmittag nach Hause kommt, nur noch<br />
die Füße hoch legen will und Ruhe braucht. Zeiten<br />
der körperlichen Erschöpfung, wo ein Wochenende<br />
kaum reicht, um wieder Kräfte zu<br />
schöpfen. Trotz alledem kann ich auch nach 40<br />
Jahren noch sagen: Ich habe einen wundervollen<br />
Beruf ausgeübt, auch wenn die Rahmenbedingun-<br />
Nun ist es für mich soweit...<br />
Lehrerin im Ruhestand? ... Ab 26.<br />
<strong>Juli</strong> ist es für mich soweit. Doch<br />
was heißt das?<br />
Beim Frühstück schon ausgiebig<br />
die Zeitung lesen, kein Stau am<br />
Morgen, unter der Woche auch mal<br />
länger ausgehen ....aber das kennen<br />
alle Ruheständler? Endlich<br />
kann ich außerhalb der Ferien reisen!<br />
Keine vollen Strände! Kein<br />
Geschiebe und Gedränge an den<br />
Sehenswürdigkeiten und keine<br />
ausgebuchten Stadtführungen! Keine<br />
vollen Pisten und lange Wartezeiten<br />
an Gondel oder Lift! Endlich reisen zu Nebensaisonpreisen!<br />
Darauf freu‘ ich mich besonders!<br />
Und doch kann ich sagen, ich war mit Herzblut<br />
Lehrerin und habe mit ganz wenigen Ausnahmen<br />
gerne unterrichtet. Auf viele schöne Erlebnisse<br />
gen in den letzten Jahren den Erfordernissen der<br />
Zeit kaum gerecht werden und uns im Wichtigsten,<br />
was den schulischen Umgang mit Kindern<br />
anbelangt, beschneiden: nämlich der Zeit ihnen<br />
zuzuhören, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und<br />
pädagogisch darauf zu reagieren.<br />
Ich verabschiede mich an dieser Stelle von<br />
„meiner“ Schule in den Ruhestand. Seit 1972 stehe<br />
ich vor der Klasse, seit 1982 habe ich an der<br />
<strong>Fritz</strong>-<strong>Leonhardt</strong>-<strong>Realschule</strong> gearbeitet und sie in<br />
dieser Zeit sicherlich auch ein bisschen mitprägen<br />
dürfen. Ich wünsche der Schule, dass sie sich im<br />
Sinne ihres Namensgebers <strong>Fritz</strong> <strong>Leonhardt</strong> als<br />
Lernort und Lebensraum weiter entwickeln kann<br />
und so für ihre Schülerinnen und Schüler und deren<br />
Lehrerinnen und Lehrer einen inneren und<br />
äußeren Raum schafft, in dem sie alle leben und<br />
arbeiten können: motiviert und mit Freude am<br />
Lehren und Lernen. Ihnen allen wünsche ich viel<br />
Glück und eine gute Zukunft.<br />
Annegret Wochele<br />
kann ich zurückblicken, sie bleiben<br />
in Erinnerung und lassen Augenblicke<br />
des Stresses und Ärgers vergessen.<br />
Da ich meist praktische<br />
Fächer unterrichtete, brachte das<br />
Arbeiten in der Schulküche oder an<br />
der Nähmaschine ungeahnte Talente<br />
zum Vorschein und verschaffte<br />
vielen Erfolgserlebnisse, die ihnen<br />
in manch anderem Fach versagt<br />
blieben. Noch immer sehe ich<br />
die strahlenden Kinderaugen der<br />
Fünft- und Sechsklässler, wenn sie<br />
im Rahmen der Offenen Schule an<br />
der Küchentüre erwartungsvoll erschienen,<br />
um Eier zu färben, Osternester zu backen<br />
und diese stolz nach Hause trugen.<br />
Schon in meinem zweiten Jahr an der <strong>Fritz</strong>-<br />
<strong>Leonhardt</strong>-<strong>Realschule</strong> durfte ich die neue Schulküche<br />
mit planen und einrichten. Seit dieser Zeit<br />
(Fortsetzung auf Seite 8)<br />
6 <strong>Fritz</strong>-<strong>Leonhardt</strong>-Realschul-News