27.10.2013 Aufrufe

Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung

Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung

Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Tarifnormen nicht mehr als Mindestnormen angesehen, sondern zu Höchstnormen erklärt. Sie zu<br />

überschreiten, soll tunlichst vermieden werden, vor allem darf die betriebliche Flexibilität darunter<br />

nicht leiden. Eine Unterschreitung muss jederzeit möglich sein. Dazu dient die klare Trennung von<br />

tariflichen und betrieblichen Entgeltbestandteilen und dazu dient das „Pforzheimer Abkommen“,<br />

das am besten von der verpflichtenden Einbeziehung der Tarifparteien befreit werden soll.<br />

Tarifverträge nicht aufgeben, ihre Verbindlichkeit flexibel gestalten, teils auf ihrer<br />

Ordnungsfunktion bestehen (Verteilungspolitik im Gewandt von Ordnungspolitik), teils ihre<br />

ordnende Funktion herabsetzen, aus Mindestnormen Höchstnormen machen und den „Rest“ über<br />

das „Pforzheimer Abkommen“ und seine Weiterentwicklung regeln, das könnte die Linie von<br />

Südwestmetall sein, bei der der ERA eine wichtige, aber nur eine Komponente unter anderen ist.<br />

Und wie verhält es sich mit der Rollen- und Profilklärung der IG Metall im Kontext der ERA-<br />

Umsetzung? Auch sie ist mit der Frage konfrontiert, wie sie das Verhältnis zwischen sektoraler und<br />

betrieblicher Ebene künftig gestalten will und wie Tarif- und Betriebspolitik unter sich rapide zu<br />

Ungunsten der Gewerkschaften wandelnden Bedingungen so verschränkt werden können, dass die<br />

Gewerkschaft noch einen gewissen steuernden und korrigierenden Einfluss behält. Generell ist<br />

unser Eindruck, dass die IG Metall als Gesamtorganisation diesbezüglich noch keine Antwort hat.<br />

Über die Notwendigkeit der Neujustierung des Verhältnisses von Tarif- und Betriebspolitik besteht<br />

wohl Einigkeit, wie diese aussehen soll, scheint jedoch bisher offen. Im Gefolge des „Pforzheimer<br />

Abkommens“ wurden auf zentraler wie auf regionaler Ebene Stellen eingerichtet, die in einem<br />

ersten Schritt Transparenz über die abweichenden Vereinbarungen herstellen und ein koordiniertes<br />

Vorgehen sicherstellen sollten. Ersteres wurde wohl erreicht, letzteres nur bedingt. Die IG Metall<br />

sieht sich zunehmend in der Situation, Tarifverhandlungen sowohl auf sektoraler wie auf<br />

betrieblicher Ebene führen zu müssen. Die klassische Dualität des Systems industrieller<br />

Beziehungen wandelt sich in ein zwei- bzw. dreistufiges Verhandlungssystem mit Verhandlungen<br />

zwischen den Tarifparteien auf überbetrieblicher wie auf betrieblicher Ebene.<br />

Innerhalb der IG Metall scheint es unterschiedliche Vorstellungen zu geben, wie diese neue<br />

Zweistufigkeit des Tarifsystems bewertet und wie mit ihr umgegangen werden soll. Während die<br />

einen in einer betriebsnahen bzw. betrieblichen Tarifpolitik als zweites Standbein neben der Fläche<br />

durchaus positive Seiten abgewinnen können, fürchten die anderen eine organisationspolitische<br />

Überforderung und/oder eine fortschreitende Auszehrung der Fläche. Debatten gibt es vor allem<br />

über die Frage, welche gewerkschaftliche Ebenen (betrieblich, lokal, regional, zentral) in die<br />

betrieblichen Aushandlungsprozesse mit welcher Kompetenz und Legitimation einbezogen sein<br />

sollen. Müssen bei betrieblichen Verhandlungen obligatorisch auch betriebliche Tarifkommissionen<br />

gebildet werden oder reicht die Teilnahme des ersten Bevollmächtigten der jeweiligen<br />

Verwaltungsstelle aus?<br />

Dürfen betriebliche Verhandlungen erst nach Beauftragung durch die Bezirksleitung ausgenommen<br />

werden oder sind die örtlichen Bevollmächtigten hinreichend legitimiert ohne Zustimmung höher<br />

Ebenen zu verhandeln? Bedarf das Verhandlungsergebnis der Zustimmung der Bezirksleitung der<br />

IG Metall oder gar des Vorstands (wie derzeit in Fragen abweichender Arbeitszeitregelungen)?<br />

Damit eng verbunden ist die Frage, welchen Stellenwert die Koordination über die Hauptamtlichen<br />

und welchen über die Ehrenamtlichen haben soll. Soll auf partiell autonome, sich selbst<br />

regulierende und selbstverantwortliche Netzwerke aus Ehrenamtlichen gesetzt werden, die<br />

eventuell noch von Hauptamtlichen koordiniert werden sollen, oder primär auf den hauptamtlichen<br />

Apparat?<br />

Dominant ist in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> unserem bisherigen Eindruck nach derzeit das<br />

„Hauptamtlichen-Modell“. Das Motto lautet: Die betrieblichen Prozesse transparent machen, wieder<br />

unter gewerkschaftliche Kontrolle bringen und abweichende Regelungen nur unter Einbeziehung<br />

der Hauptamtlichen auf örtlicher und bezirklicher Ebene zulassen. Dementsprechend nimmt die<br />

Bezirksleitung der IG Metall bei der ERA-Umsetzung den hauptamtlichen Apparat in einem seit<br />

langem nicht mehr registrierten Maße in die politische Verantwortung. Verglichen mit der Situation<br />

in den späten 80er und bis Mitte der 90er Jahre, hat sich auch der Stellenwert bzw. die<br />

Wertschätzung der Hauptamtlichen deutlich gewandelt. Wurde ihre Bedeutung für die<br />

Handlungsfähigkeit der Organisation in den späten 80er bis Mitte der 90er Jahre phasenweise stark<br />

relativiert und sie mitunter gar als „Lehmschicht“ charakterisiert, die organisationspolitisch<br />

notwendige Innovation verhindert, werden sie mittlerweile wieder als Rückgrat der Organisation<br />

und Garant für ein einheitliches gewerkschaftliches Handeln betrachtet (Bahnmüller 2006).<br />

Entsprechend werden die Ansprüche formuliert und die Strukturen aufgebaut. Die eindeutige<br />

Ansage des Bezirksleiters bezogen auf die Verwaltungsstellen heißt: „ERA ist Chefsache.“<br />

Verantwortlich für die erfolgreiche Umsetzung des ERA sind die Hauptamtlichen und letztendlich die<br />

Bevollmächtigen. Entsprechend sollen Steuerungsstrukturen auf lokaler und zentraler Ebene

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!