Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung
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Bedeutung für die Sicherung und Entwicklung der Wettbewerbsposition der Branche sind. Im<br />
künftig schärfer werdenden Konkurrenzkampf um knapper werdende Humanressourcen hat<br />
Tarifpolitik ausreichend starke Signale auszusenden, dass die Branche für diese strategisch<br />
relevanten Gruppen attraktiv bleibt bzw. wird.<br />
(2) Für „allgemeine“ Unternehmensfunktionen, die es so in jedem Unternehmen in gleicher Weise<br />
gibt, werden eigene Tarifverträge angestrebt. Versammelt werden hier all jene Funktionen, die<br />
betrieblich notwendig sind, die aber keinen spezifischen Branchenbezug haben. Argumentiert man<br />
bisher als Legitimation für spezielle Dienstleistungstarifverträge mit der existierenden<br />
Tarifarbitrage, könnte perspektivisch ein branchenübergreifender „Einheitstarif“ für Tätigkeiten mit<br />
geringem Branchenbezug bzw. markt- bzw. wettbewerbsstrategisch nachrangiger Bedeutung<br />
anvisiert werden.[7] Die Ausgrenzung strategisch als zweitrangig bewerteter Funktionen muss sich<br />
nicht auf Dienstleistungsfunktionen beschränken, sondern könnte sukzessive auf<br />
Produktionsfunktionen, etwa Anlerntätigkeiten in der Montage, ausgeweitet werden. Bei letzten<br />
wird der Widerstand allerdings voraussichtlich größer sein, da hier noch die Kampfgruppen der<br />
Gewerkschaften lokalisiert sind. Ein Frontalangriff dürfte sich deshalb kaum empfehlen, sondern<br />
wohl eher eine Salamitaktik, wie sie bereits in der stetig länger werden Liste von Tätigkeiten<br />
abzulesen ist, die in einen speziellen Dienstleistungstarifvertrag Eingang finden sollen.<br />
Die tarifpolitische Strategie von Südwestmetall, mit der sich der Verband gegenüber seinen<br />
Schwesterverbänden profiliert, ist facettenreich. Sie beinhaltet die Umnutzung von Tarifverträgen<br />
zu einem Instrument der Durchsetzung von Arbeitgebergeberinteressen, ein nachdrückliches<br />
Insistieren auf der Ordnungsfunktion von Tarifverträgen wo diese nützlich erscheint und eben auch<br />
die Herabsetzung bzw. Auflösung der Verbindlichkeit von Tarifnormen durch Verlagerung der<br />
Regelungskompetenz auf die betriebliche Ebene. Die Frage ist, wie diese verschiedenen<br />
Komponenten zueinander in Beziehung stehen, ob sie sich ergänzen oder partiell widersprechen.<br />
Wir haben diesbezüglich bisher nur eine vorläufige Antwort. Unserem Eindruck nach sind<br />
Flächentarifverträge für den Verband nicht in toto abgeschrieben bzw. ein Auslaufmodell. Eine<br />
ausschließliche und konsequente Orientierung an der Maxime „Dezentralisierung und<br />
Deregulierung“ wird auf Dauer nicht als Erfolg versprechend angesehen. Sie entspricht auch nicht<br />
dem Interesse der Mitgliedsfirmen, wobei es ein einheitliches Interesse bezogen auf die Funktion<br />
und weitere Entwicklung des Flächentarifvertrags nicht gibt. Ein Großteil der Firmen, vor allem die<br />
KMUs, die die Mehrheit der Mitglieder von Südwestmetall (und Gesamtmetall) stellen, hat ein<br />
Interesse daran, dass in gewissem Maße die Ordnungsfunktion des Tarifvertrags (weniger die<br />
Kartellfunktion) erhalten bleibt. Dieser Teil der Mitgliedschaft ist, in den Worten eines Vertreters<br />
von Gesamtmetall, „überhaupt nicht daran interessiert, dass viele Vorschriften gestrichen werden,<br />
weil sie dann sozusagen in diese Lücke hinein müssen.“ Sie wollen die Entlastungen des<br />
Tarifvertrages, sind daran interessiert Transaktionskosten einzusparen, Ärger zu vermeiden und die<br />
Legitimität von Maßnahmen und Entscheidungen zu erhöhen.[8] Umgekehrt gibt es „andere<br />
Unternehmen, die gerne Öffnungen haben möchten.“ Die Interessen der Mitgliedfirmen sind somit<br />
widersprüchlich. „Die einen wollen die totale Freiheit, aber die Friedenssicherung als Kuppel oben<br />
drüber, die anderen wollen alles vermeiden, was zu viel eigene Regulierungsaktivitäten erfordert.“<br />
In diesem Spagat bewegt sich der Gesamtverband und jeder Regionalverband für sich.<br />
Südwestmetall versucht, eine tarifpolitische Lösung für dieses Problem zu finden, andere Verbände<br />
mit einer schwächeren oder keiner tarifpolitischen Tradition, beteiligen sich an dieser Suche nur<br />
eingeschränkt (was auch zu Spannungen aufgrund der „free rider-Problematik“ führt). Die Lösung<br />
des Problems kann nur darin liegen, dass die Interessen beider „Fraktionen“ bedient werden.<br />
Unternehmen, die eine Öffnung wollen und sich zutrauen, die Regulierungslücke eigenständig zu<br />
schließen, soll diese Möglichkeit eingeräumt werden, jene die eigene Regulierungsaktivitäten<br />
scheuen, sollen sich weiterhin auf den Tarifvertrag als Norm beziehen können.<br />
Wie hoch der Anteil der Betriebe ist, der in der Lage wäre, eigene Wege zu gehen und der<br />
nachdrücklich auf Öffnungsklauseln drängt, lässt sich nur grob schätzen. Er dürfte nach dem, was<br />
wir wissen, bei einem Drittel liegen. Dabei handelt es sich meist um größere Betriebe mit einem<br />
entsprechenden zahlenmäßigen und politischen Gewicht.[9] Die große Mehrheit der Mitgliedsfirmen<br />
ist aber, wie ein Verbandsvertreter es formuliert, weiterhin daran interessiert, „ein Buch für alle<br />
Zwecke des betrieblichen Lebens“ zu haben: den Tarifvertrag. Dem muss der Verband Rechnung<br />
tragen. Status und Charakter der Tarifverträge sollen sich allerdings ändern. Sie sind kein<br />
Selbstzweck, sondern werden als Instrument zur Durchsetzung von Arbeitgeberinteressen<br />
verstanden. Wer Bedarf an dem „Buch für alle Zwecke des betrieblichen Lebens“ hat, der soll es<br />
nutzen, wer keinen hat, der soll sein eigenes verfassen. Tarifverträge sollen im Ganzen oder in<br />
Teilen betrieblich gewählt werden können. Sie sind nicht für alle verpflichtend. Zudem werden