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Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung

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Politik gibt es ihres Erachtens an dieser Stelle nicht, sollte es zumindest nicht geben. Die IG Metall<br />

sieht den Gestaltungsspielraum bei der Grundentgeltfindung im Verhältnis zur bisherigen Situation<br />

zwar ebenfalls eingeschränkt, versteht die Aufgabenbeschreibung und Bewertung aber keineswegs<br />

als „technischen“ Vorgang, bei dem die Regelungen des ERA lediglich zu exekutieren sind, sondern<br />

als Konkretisierungs- und Deutungsakt, bei dem Interessen und damit auch Politik ihren Raum<br />

haben und haben müssen. Das Steuerungsinteresse der Arbeitgeber und der Gewerkschaft ist<br />

demnach mit einer gegensätzlichen Intention verbunden. Während der Arbeitgeberverband daran<br />

interessiert ist, die Eingruppierungsbestimmungen des ERA als ein lediglich handwerklich sauber<br />

anzuwendendes Regelwerk darzustellen, bei dem es kaum betriebliche Spielräume gibt und Politik<br />

im Grundsatz keinen Raum hat, versteht die Gewerkschaft die ERA-Bestimmungen als Grundlage<br />

für einen geregelten betrieblichen Diskurs, bei dem es weiterhin vielfachen Deutungs- und<br />

Gestaltungsspielraum gibt und damit auch für betriebliche Entgeltpolitik.<br />

Ganz anders ist die Interessenlage bezogen auf das Leistungsentgelt. Diesbezüglich sind die<br />

Ambitionen des Arbeitgeberverbandes, gestaltend und steuernd einzugreifen, erheblich schwächer<br />

ausgeprägt, obwohl die Wahlmöglichkeiten hier wesentlich größer sind. Hier will der<br />

Arbeitgeberverband keine „vorkonfektionierten Lösungen“ wie beim Grundentgelt. Im Prinzip soll<br />

beim Leistungsentgelt „so ziemlich alles möglich“ sein (SWM). Verhindert werden soll lediglich,<br />

dass die Leistungsgrade nicht wie bisher „davonlaufen“, d.h. sich von der Soll-Größe von 15%<br />

Leistungsentgelt im betrieblichen Durchschnitt entfernen. Darauf richtet sich ihr<br />

Steuerungsinteresse, wobei im Tarifvertrag selbst schon relativ strenge Vorkehrungen getroffen<br />

sind. Das Steuerungsinteresse der IG Metall zielt demgegenüber darauf ab, die Wahlmöglichkeiten<br />

hinsichtlich der Methoden zur Ermittlung des Leistungsentgelts einzuschränken (z.B. Priorität für<br />

Kennzahlenvergleich, Reduzierung der Kombinationsmöglichkeiten auf maximal zwei). Das<br />

Steuerungsinteresse beider Seiten ist somit asymmetrisch, und es hat unterschiedliche Vorzeichen.<br />

Hinsichtlich des Grundentgelts ist es arbeitgeberseitig zudem nicht deshalb stark, weil der<br />

Interpretations- und Gestaltungsspielraum besonders hoch ist oder gar ausweitet worden wäre,<br />

sondern weil er im Verhältnis zur bisherigen Situation kleiner ist und so klein wie möglich bleiben<br />

sollte.<br />

Dem steht nicht nur das Interesse der IG Metall entgegen, die weiterhin bestehenden Spielräume<br />

zu erhalten und auszuweiten, sondern vor allem auch die betrieblichen Traditionen bzw.<br />

Handlungsorientierungen der Führungskräfte und der Betriebsräte. Beiden Akteursgruppen wird<br />

von Südwestmetall unterstellt, dass sie wenig Interesse an einer „sauberen“ ERA-Einführung<br />

hätten, wobei die Vorbehalte der Führungskräfte noch höher veranschlagt werden als die der<br />

Betriebsräte. „Sie haben“, wie ein Vertreter von Südwestmetall es formuliert, „praktisch keine<br />

Freunde für das Vorgehen im Betrieb.“ Wird den Betriebsräten immerhin noch zu Gute gehalten,<br />

dass sie bei aller Klientelpolitik, die auch sie betreiben, den Gesamtbetrieb im Blick hätten und<br />

damit ein Interesse an begründungsfähigen und nachvollziehbaren Entgeltrelationen für das<br />

gesamte Unternehmen, wird den Führungskräften ein primär abteilungsbezogenes Denken und<br />

Handeln unterstellt. „Die Führungskräfte haben im Gegensatz zum Betriebsrat<br />

Abteilungsegoismen.“ (SWM) Sie wollten verständlicherweise ihre Mitarbeiter durch hohe<br />

Eingruppierungen und sonstige im Tarifentgelt versteckte übertarifliche Entgeltbestanteile an die<br />

Abteilung binden, sie motivieren und sich selbst als ihre Interessenwahrer ins Szene setzen und<br />

hätten dies bisher auch gekonnt. Die Grundentgeltfindung sei damit nicht nur ein Politikfeld des<br />

Betriebsrates, sondern auch eines der Führungskräfte gewesen. Dieses soll ihnen nun genommen<br />

werden, was sowohl der bisherigen Praxis wie ihrem Selbstverständnis widerspricht, „auch und<br />

gerade in der Grundentgeltfindung Entgeltpolitik machen zu können“ (Südwestmetall, ERA-Infobrief<br />

Nr. 3, S. 3). Mit der Einführung des ERA müsse beides revidiert werden. Mit Widerstand sei deshalb<br />

zu rechnen. Soll jedoch verhindert werden, dass der angestrebte „Reset“ in der Eingruppierung<br />

verwässert wird und die Intentionen der Tarifparteien ins Leere laufen, muss sich Südwestmetall<br />

aktiv in die betriebliche Umsetzung einmischen. Der Verband muss die Unternehmen anhalten, die<br />

Arbeitsaufgaben und Bewertung in ihrem Sinne korrekt vorzunehmen und nicht vorschnell zu einer<br />

„finalen“ Betrachtung überzugehen, d.h. nicht nur darauf zu achten, dass bezogen auf das Volumen<br />

der betrieblichen Entgeltsumme das Ergebnis „stimmt“.<br />

Dieses Problem hat auch die IG Metall. Auch sie befürchtet, dass die Betriebsräte vorschnell dazu<br />

übergehen, die effektive betriebliche Entgeltsumme zu sichern und die ERA-Einführung für<br />

„abgehakt“ zu erklären, sofern dies erreicht ist. Mindestens ebenso wichtig ist für sie, dass nicht<br />

ein möglichst großer Teil des bisherigen Effektiventgelts in Tarifentgelt entsprechend dem ERA<br />

überführt wird. Um sicherzustellen, dass das künftige Entgeltniveau nach Ablauf der<br />

Absicherungsphase nicht absinkt, bedürfe es jedoch einer aktiven, jeden Einzelfall prüfenden und<br />

klärenden Eingruppierungspolitik. Deshalb werden die Betriebsräte nachdrücklich angehalten, der

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