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Projekt Baden Württemberg /Hans Böcklerstiftung

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asierenden betrieblichen Entgeltpolitik als Fehler der Tarifpolitik ankreiden zu lassen. Künftig nicht<br />

mehr zur Last gelegt werden soll ihnen zudem das relativ große zwischenbetriebliche<br />

Entgeltgefälle. Mit dem ERA sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, letzteres wenn nicht zu<br />

egalisieren, so doch deutlich zu verringern.<br />

Im Auftritt gegenüber den Mitgliedsfirmen verfolgt Südwestmetall einen strikten und<br />

organisationspolitisch durchaus riskanten Weg. Beratung und Unterstützung wird konsequent nur<br />

verbandsgebundenen Unternehmen zugänglich gemacht, denen allerdings mit hohem<br />

Ressourceneinsatz. Der Beratungsansatz ist offensiv. Unternehmen werden „heimgesucht“, es<br />

werden auch Konflikte mit dem Management eingegangen und ggf. auch ein „Rausschmiss“<br />

riskiert. Der Auftritt ist stark und selbstbewusst. Man hat eine Botschaft und die heißt:<br />

Tarifverträge sind kein Instrument, das nur den Gewerkschaften und ihren Mitgliedern nützt.<br />

Richtig konzipiert und bezogen auf bestimmte Themen können sie auch zu einem Instrument<br />

gemacht werden, mit dem Arbeitgeberinteressen realisiert werden können. Pointiert formuliert: Die<br />

Strategie von Südwestmetall besteht in der „Umnutzung“ von Tarifverträgen von einem Instrument<br />

der Gewerkschaften zu einem der Arbeitgeber.<br />

Dabei zeigt sich Südwestmetall im Umgang mit diesem Instrument flexibel. Flächentarifverträge<br />

sind für den Verband, wie bereits erwähnt, Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Auch<br />

Tarifverträge, die die Verbindlichkeit von Tarifnormen erheblich schwächen, gehören mit in dieses<br />

Konzept. Auf das Konto von Südwestmetall geht bekanntermaßen nicht nur der ERA, bei dem die<br />

Ordnungsfunktion von Tarifverträgen herausgekehrt wird, sondern auch das „Pforzheimer<br />

Abkommen“, also jene Vereinbarung, die einen neuen Schub bei der Durchlöcherung genereller<br />

Tarifstandards ausgelöst hat. Für beides steht Südwestmetall: Für die Aufweichung<br />

allgemeingültiger Standards wie für die Wiederinkraftsetzung und Stärkung der Ordnungsfunktion<br />

der Tarifverträge.<br />

Auf der Linie „Weiterentwicklung des Pforzheimer Abkommens“ bzw. Verlagerung von<br />

Regelungskompetenz von der sektoralen auf die betriebliche Ebene liegt etwa die Kündigung des<br />

„Tarifvertrags zur Fortführung von Bestimmungen des LGRTV II“ in der aktuellen Tarifrunde 2006.<br />

Südwestmetall geht es dabei ihrer eigenen Darstellung zufolge nicht um eine komplette Streichung<br />

der Erhol- und Bedürfniszeiten, wohl aber um die Beseitigung „pauschaler Erholzeiten“, d.h. der<br />

Verband will „ seinen Mitgliedsunternehmen einen Spielraum verschaffen, innerhalb dessen nach<br />

arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen der Umfang von Pausenregelungen bestimmt werden<br />

(kann), ob und wie lange Pausenzeiten zu gewähren (sind).“ (Pressemitteilung vom 6.10.2005).<br />

Auf der Linie „Umnutzung von Tarifverträgen“ liegt eine weitere Forderung von Südwestmetall, die<br />

ebenfalls in der aktuellen Tarifrunde eingebracht wurde, die jedoch bisher kaum zur Kenntnis<br />

genommen wurde: die Durchsetzung spezieller Tarifverträge für Dienstleistungstätigkeiten mit<br />

Tarifnormen unterhalb der bisherigen Standards (direkt 6/2006). Hierzu wurden schon vor<br />

längerem Grundsteine gelegt (Gründung einer Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen;<br />

Abschluss eines Ergänzungstarifvertrags bei DaimlerChrysler). Zu den Dienstleistungen, die hier<br />

einbezogen werden sollen, gehören: Werkschutz, Gebäudereinigung, Reisemanagement, Catering,<br />

Logistik/Lager, Buchhaltung, Rechnungsprüfung, Bürotätigkeiten.<br />

Die Forderung der Arbeitgeber nach speziellen Dienstleitungstarifverträgen ist nicht neu, die Liste<br />

der einbezogenen Funktionen wird aber zunehmend länger, und sie basiert möglicherweise auf<br />

einer strategischen Orientierung, die mit dem ERA in unmittelbarer Verbindung steht. Was die<br />

Arbeitgeber mit einem speziellen Dienstleistungstarifvertrag für die genannten Funktionen (die sich<br />

erweitern lassen) bezwecken, lässt sich als „Entgeltstrukturpolitik zweiter Ordnung“ beschreiben.<br />

Über den ERA-Prozess, über den Entgeltstrukturpolitik erster Ordnung betrieben wird, werden<br />

zunächst die für die M+E-Industrie strategisch wichtigen Funktionen identifiziert und neu<br />

gewichtet. Die Rangreihen werden neu gebildet, qualifizierte Facharbeit aufgewertet, andere<br />

Funktionen, die von geringerer strategischer Bedeutung für die Sicherung der Marktposition und<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Branche sind und keinen oder nur einen begrenzten Beitrag zur<br />

Profilbildung und -entwicklung leisten, relativ abgewertet. Zu jenen Funktionen, die über den ERA-<br />

Prozess relativ abgewertet werden, gehören u.a. einfache Bürotätigkeiten, Buchhaltungstätigkeiten,<br />

Logistik/Lagertätigkeiten also auch solche, die nun über einen Dienstleistungstarifvertrag in einem<br />

zweiten Schritt noch weiter abgesenkt werden sollen. Dahinter könnte sich eine Strategie<br />

verbergen, die sich folgendermaßen beschreiben lässt:<br />

(1) Tarifverträge mit einem klassischen Branchenzuschnitt werden perspektivisch nur noch für<br />

Beschäftigtengruppen bzw. bezogen auf betriebliche Aufgaben abgeschlossen, die von strategischer

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