29.10.2013 Aufrufe

Erkenntnistheorie und Hermeneutik Reinhold Esterbauer

Erkenntnistheorie und Hermeneutik Reinhold Esterbauer

Erkenntnistheorie und Hermeneutik Reinhold Esterbauer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FAKULTÄTSVERTRETUNG THEOLOGIE<br />

DER KARL FRANZENS UNIVERSITÄT GRAZ<br />

<strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Hermeneutik</strong><br />

<strong>Reinhold</strong> <strong>Esterbauer</strong><br />

SS 05<br />

Verfasst von Bernd Obermayer<br />

Alle Rechte, insbesondere das Recht auf<br />

Vervielfältigung <strong>und</strong> Verbreitung, vorbehalten.<br />

Alle Angaben ohne Gewähr.


1. Begriffsklärung....................................................................................................................... 3<br />

2. Sicheres Wissen als Gr<strong>und</strong>form der Erkenntnis..................................................................... 4<br />

2.1 Meinung, Überzeugung, Wissen ...................................................................................... 4<br />

2.3 Zum Begründungsproblem im kritischen Rationalismus................................................. 7<br />

3. Vernunft versus Erfahrung ⇒ Rationalismus versus Empirismus...................................... 13<br />

3.1 der Rationalismus bei Rene Descartes ........................................................................... 13<br />

3.2 Der Empirismus bei David Hume .................................................................................. 17<br />

3.3 Kants Syntheseversuch................................................................................................... 20<br />

4. Wahrheitstheorien ⇒ Was ist Wahrheit.............................................................................. 24<br />

4.1 Korrespondenz- oder Adäquationstheorie...................................................................... 25<br />

4.2 Semantische Theorie von Wahrheit ............................................................................... 27<br />

4.3 Konsens- <strong>und</strong> Diskurstheorie der Wahrheit ................................................................... 29<br />

4.4 Kohärenztheorie der Wahrheit ....................................................................................... 31<br />

5. Textblätter ............................................................................................................................ 34<br />

2


1. Begriffsklärung<br />

Allgemein: innerhalb der Philosophie sind Begriffe <strong>und</strong> ihre Bedeutung im Fluss ⇒ die Frage<br />

nach dem Tun der Philosophie <strong>und</strong> damit auch ihre Begriffe fangen immer von Neuem an!!<br />

Erkenntnis(theorie) = Oberbegriff; <strong>Hermeneutik</strong> verstanden als eine Art Untergruppe;<br />

Offenbar geht es um eine Theorie: dabei wird vorausgesetzt (weil an der Uni gelehrt) es<br />

handelt sich um eine WISSENSCHAFTLICHE Theorie⇒ eine PHILOSOPHISCHE<br />

Theorie (es gibt auch eine naturwissenschaftliche, neurobiologische, evolutionäre<br />

<strong>Erkenntnistheorie</strong>; daneben auch Erkenntnispsychologie, -soziologie, u.v.m.);<br />

⇒ die <strong>Erkenntnistheorie</strong> als wissenschaftliche Theorie in dieser VO ist eingeschränkt auf die<br />

philosophische <strong>Erkenntnistheorie</strong>;<br />

bei Erkenntnis ergeben sich 2 Fehlschlüsse:<br />

1.) Theorie über Erkenntnis ≠ theoretische Erkenntnis; denn es gibt <strong>und</strong> geht dabei<br />

auch um praktische Erkenntnis;<br />

2.) Verengung des Erkenntnisbegriffes auf theoretische Erkenntnis <strong>und</strong> auf rein<br />

wissenschaftliches Erkennen; es gibt auch <strong>und</strong> geht um nicht-wissenschaftliches<br />

Erkennen;<br />

Die <strong>Erkenntnistheorie</strong> umfasst primär alle Aspekte von Erkenntnis! Einschränkungen<br />

sind aber prinzipiell möglich;<br />

Die <strong>Erkenntnistheorie</strong> wird oft eingeschränkt auf das wissenschaftliche Erkennen,<br />

deshalb haben Gegner dieser Verengung eine andere Terminologie eingeführt, die eine<br />

ganzheitliche <strong>Erkenntnistheorie</strong> darstellt: Erkenntnislehre/Erkenntnisphilosophie; ⇒ dabei<br />

wird die Erkenntnis ausgeweitet auf einen weiteren Erkenntnisbegriff;<br />

Gr<strong>und</strong>probleme <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>fragen der Erkenntnislehre / der Erkenntnisphilosophie (mit<br />

ihrem weiteren Erkenntnisbegriff):<br />

1.) Was sind die Konstituenden der Erkenntnis?<br />

⇒ Welche Elemente <strong>und</strong> Momente bestimmen das Erkennen?<br />

Bsp.: bei Kant: Erkenntnis = Erfahrung (Sinnlichkeit) + Denken (Begriff); wenn<br />

beides zusammen kommt, ergibt sich Erfahrung;<br />

2.) Was wird erkannt? ⇒ Frage nach der Gegenständlichkeit des Erkannten.<br />

⇒ Was macht etwas zum Gegenstand der Erkenntnis <strong>und</strong> was macht die<br />

Gegenständlichkeit des Gegenstandes aus?<br />

3.) Frage nach dem Verhältnis zwischen Erkennendem <strong>und</strong> Erkannten.<br />

⇒ Berührungspunkt zwischen <strong>Hermeneutik</strong> <strong>und</strong> Ontologie;<br />

4.) Wann ist eine Erkenntnis überhaupt Erkenntnis? Wann ist Wissen sicheres<br />

Wissen?<br />

⇒ Gibt es Kriterien, die sicheres Wissen gewährleisten können? ⇒ Suche nach der<br />

Wahrheit der Erkenntnis. Es gibt nämlich auch Scheinwissen, Täuschung,<br />

vermeintliches Wissen,...;<br />

Die philosophische <strong>Erkenntnistheorie</strong> will aber nicht nur Methoden zum besseren<br />

Wissen entwickeln, sondern auch fragen, was der Mensch als Erkennender ist?<br />

⇒ breit angelegte <strong>Erkenntnistheorie</strong>; daher ist sie nicht nur Erkenntnistechnologie (Suche <strong>und</strong><br />

Entwicklung von Wissensverbesserung);<br />

3


⇒ es geht der philosophischen <strong>Erkenntnistheorie</strong> um die Aufklärung des menschlichen<br />

Erkenntnisvollzugs in all seinen breiten Möglichkeiten;<br />

ein großes <strong>und</strong> zugleich paradoxes Problem: es handelt sich bei der <strong>Erkenntnistheorie</strong> um<br />

eine Theorie über theoretische Erkenntnis, wobei die Theorie ja selbst Erkenntnis ist;<br />

man sucht Erkenntnisgewinn über Erkennen zu erlangen; ⇒ ich brauche dazu aber immer<br />

schon Erkenntnis; ⇒ zirkuläres Vorgehen ⇒ man kann nie bei 0 anfangen, weil ich immer<br />

Erkenntnis brauche, um zu erkennen; ⇒ die Erkenntnis als Vorgang ist Voraussetzung für das<br />

Erkennen;<br />

⇒ Paradox: wo beginne ich?<br />

Das Erkennen läuft sich immer voraus bzw. läuft sich hinterher <strong>und</strong> setzt sich selbst<br />

voraus;<br />

Gegenstand der <strong>Erkenntnistheorie</strong>:<br />

- Konstruktionsbedingungen für Erkenntnis: Was sind die Gr<strong>und</strong>bedingungen für<br />

Erkenntnis;<br />

- Frage nach der Gegenständlichkeit: Beziehung zwischen nicht – erkannter <strong>und</strong><br />

erkannter Welt;<br />

- Wie kommt man zu sicherer Erkenntnis: Frage nach der Wahrheit;<br />

Wie läuft Erkenntnis beim Menschen überhaupt ab?<br />

Dabei ergibt sich eine methodische Schwierigkeit der <strong>Erkenntnistheorie</strong>: für eine<br />

<strong>Erkenntnistheorie</strong> ist Erkenntnis a priori nötig ⇒ ich möchte ja Erkenntnis über Erkenntnis<br />

erlangen ⇒ das Erkennen ist schwer einholbar ⇒ es bräuchte eine Totalreflexion: Reflexion,<br />

wo der Akt der Reflexion selbst wiederum enthalten ist (Streit <strong>und</strong> Diskussion, ob es so etwas<br />

geben kann);<br />

2. Sicheres Wissen als Gr<strong>und</strong>form der Erkenntnis<br />

dabei geht es um die Frage nach der Wahrheit;<br />

es geht nicht so sehr um naturwissenschaftliche Erkenntnis (die soll ja zumindest vorläufig<br />

(bis etwas anderes auftaucht!) sicher <strong>und</strong> überprüfbar sein), sondern um andere Erkenntnis<br />

(„normale“ Erkenntnis);<br />

⇒ die Frage nach der Wahrheit ist so alt wie die Philosophie selbst;<br />

2.1 Meinung, Überzeugung, Wissen<br />

Platons Unterscheidung: Trennung zwischen Meinung <strong>und</strong> Wissen;<br />

Er unterteilt in zwei Wissensformen ⇒ Wie kann ich von der Meinung zum Wissen kommen?<br />

Welche Form ist die Form, wo ich sagen kann, dass ich es sicher weiß? ⇒ Platons Antwort<br />

(Im Liniengleichnis): Ideenerkenntnis (heute genau umgekehrt: Empirie d.h. sinnliche<br />

Erfahrung, gilt als sicheres Wissen, Ideenschau gilt als unsicher <strong>und</strong> viel zu vage)<br />

⇒ Platon: Wesenserkenntnis ist sicheres Wissen;<br />

⇒ es gibt unterschiedliche Formen <strong>und</strong> unterschiedliche Stufen der Sicherheit des<br />

Wissens:<br />

1. Meinung: bloß subjektives Wissen; vielleicht auch nur subjektive Überzeugung; ⇒<br />

sie ist subjektiv <strong>und</strong> daher nicht vermittelbar ⇒ vage; Meinungen können sich auf<br />

4


unzulängliches Wissen stützen; auch kann man eine Meinung wider besseres Wissen<br />

vertreten;<br />

2. Überzeugung: auch subjektiv; oft intuitiv; oft nicht methodisch gewachsen; die<br />

Überzeugung kann, muss aber nicht begründet sein; eine Überprüfung wird nicht<br />

angestrebt; sie ist oft wichtig für die Lebensführung; Basis für<br />

Lebensentscheidungen; Bsp.: politische Überzeugung: ein prinzipielles Wissen, das<br />

intersubjektiv nicht überprüfbar ist; ⇒ politische Diskussionen sind möglich, aber<br />

man kann seine subjektive Überzeugung nicht so intersubjektiv darstellen, so dass sie<br />

zur subjektiven Meinung / Überzeugung werden ⇒ keine Objektivierung möglich<br />

⇒ die Argumente sind intersubjektiv nicht auflösbar;<br />

3. Erkenntnis (Wissen im engeren Sinn): objektiv gültiges Wissen; kann sich auf<br />

Beweisgründe stützen; eine Überzeugung, die auch intersubjektiv als wahr<br />

eingesehen wird (= Unterschied zur Überzeugung; im Unterschied zur Meinung hat<br />

die Erkenntnis Gründe, die sie angeben kann;<br />

Eine weitere Unterscheidung: Wahrheit <strong>und</strong> Gewissheit:<br />

Gewissheit: diese liegt der Überzeugung zugr<strong>und</strong>e ⇒ die Gewissheit muss nicht wahr sein;<br />

Wahrheit: geht über die Gewissheit hinaus dadurch, dass sie die Vermeintlichkeit der<br />

Gewissheit ausschließt; die Wahrheit kann prinzipiell von allen eingesehen werden;<br />

Damit verb<strong>und</strong>en: der Zweifel: wie bei Descartes kann der Zweifel zu einem methodischen<br />

Verfahren zur Erkenntnisgewinnung des Ich ausgearbeitet werden (dubito ergo sum);<br />

⇒ Fazit: ich habe nicht immer wahres Wissen vor mir!<br />

Es gibt für wahres Wissen Gründe aber auch gleichzeitig Gegengründe ⇒ Wissen ist immer<br />

ein gefährdetes Wissen; ⇒ gibt es Verfahren, durch die ich vom vagen zum sicheren Wissen<br />

gelange?<br />

2.2 Deduktion <strong>und</strong> Induktion<br />

Aristoteles ist der Erste, der dies differenziert; er suchte ein Verfahren: wie komme ich von<br />

der Meinung zum wahren Wissen;<br />

Aristoteles’ Werk „analytica posteriora“ ein Teil des „Organon“:<br />

2 Verfahren sind unterscheidbar<br />

1.) von konkreten Ereignissen auf ein allgemeines Gesetz: Induktion<br />

2.) von einem als wahr eingesehenen Gesetz zu einzelnen Ereignissen, die von diesem<br />

Gesetz abgeleitet werden: Deduktion<br />

Aristoteles war der Meinung, dass die Deduktion die sicherere Methode sei; (heute: eher<br />

umgekehrt!); ⇒ das aristotelische Wissenschaftsverständnis war deduktiv;<br />

Deduktion:<br />

Ableitung einer Aussage aus einer anderen Aussage kraft logischer Schlussregeln;<br />

Wenn das Gesetz, aus dem ich ableite, wahr ist <strong>und</strong> die Ableitung nach logisch korrekten<br />

logischen Regeln tätige, ist auch die Ableitung wahr;<br />

⇒ Voraussetzungen: 1.) Wahres Gesetz<br />

2.) korrektes Verfahren<br />

⇒ 3.) Ableitung ist wahr;<br />

Problem: Wie kann man beweisen, dass der Satz, von dem abgeleitet wird, wahr ist; es<br />

bräuchte Ausweise für die Wahrheit der gültigen (Ge)sä(e)tze (arxai); dieser Ausweis der<br />

5


Wahrheit ist aber nur bei Tautologien möglich; diese Sätze bringen aber meist keinen<br />

Wissensgewinn (Bsp.: das weiße Pferd ist weiß!);<br />

⇒ Aristoteles: ohne diese Prinzipien (arxai) geht es aber nicht!!<br />

⇒ Aristoteles entwirft eine Methode zum Finden dieser allgemeinen Gesetze:<br />

Die Induktion (epagoge):<br />

Verallgemeinerung von Einzelsätzen ⇒ das Gegenteil von Deduktion: aus Einzelsätzen<br />

wird ein allgemeines Gesetz abgeleitet ⇒ Induktion <strong>und</strong> Deduktion bedingen einander;<br />

Epagoge ist bei Platon ein doppelter Begriff<br />

1.) Verfahren zur Ermittlung von Prinzipien (enger gefasstes Problem) ⇒<br />

Sonderproblem der Metaphysik;<br />

2.) Verfahren zur Ermittlung von allgemeinen Sätzen durch Einzelfälle (weiter<br />

gefasstes Problem);<br />

In dieser VO soll von 2.) ausgegangen werden;<br />

Problematisch ist der Übergang von einer begrenzten Zahl von Einzelfällen zu einem<br />

allgemeinen Gesetz, das für ALLE Einzelfälle gelten soll;<br />

Die Meinung hat nicht den Anspruch, wahr zu sein, sondern sie ist subjektive Wahrheit;<br />

Überzeugung: lässt sich nicht ganz durchargumentieren; man hat eine Gewissheit für sich,<br />

ohne dass sie ganz mit Argumenten für andere stichhaltig nachvollziehbar wäre;<br />

Wissen: in Gründen abgesichertes Wissen; es möchte auf Wahrheit hinaus;<br />

Schwierigkeit der Deduktion: wie kommt man zu einem allgemeinen Satz, der wahr ist;<br />

⇒ Aristoteles’ Vorschlag: Epagoge ⇒ Induktion:<br />

Induktion:<br />

Unterscheidung:<br />

Vollständige ( mathematische <strong>und</strong> empirische ) <strong>und</strong> Unvollständige (mathematische <strong>und</strong><br />

empirische) Induktion;<br />

Inducere: hinüberführen vom Einzelnen zum Allgemeinen;<br />

⇒ Vollständige Induktion: ich habe sicher alle Einzelfälle vor Augen <strong>und</strong> ich überprüfe<br />

auch alle Einzelfälle ⇒ diese Induktion ist eine vollständige Induktion, weil alles bedacht<br />

wurde; ⇒ dies ist aber nur in ganz seltenen Fällen möglich!<br />

⇒ unvollständige Induktion: sehr häufig: nur eine begrenzte Anzahl von Einzelfällen ist<br />

greifbar (aus technischen oder zeitlichen Gründen);<br />

das Parademodell im Bezug auf die Häufigkeit in der Empirie ist die empirische<br />

unvollständige Induktion;<br />

das Parademodell in der Mathematik ist die unvollständige mathematische Induktion;<br />

Vollständige Induktion<br />

1. erstes Glied ⇒ trifft zu<br />

2. ntes Glied ⇒ auch da trifft das Ergebnis zu<br />

3. zu zeigen ist, dass es auch für das n + 1. Glied es zutrifft ⇒ im günstigen Fall: q.e.d.<br />

6


der Paradefall der Empirie ist aber eine unvollständige Induktion ⇒ daher immer mit<br />

Unsicherheiten verb<strong>und</strong>en ⇒ 2 Möglichkeiten:<br />

1.) ein neues Verfahren entwickeln<br />

2.) Möglichkeit finden, die die unvollständige in eine vollständige Induktion<br />

überführen kann;<br />

⇒ das Induktionsproblem ist (bis heute) nicht lösbar! Dennoch ist es DAS Verfahren der<br />

Wahrheit!;<br />

Stärke der Induktion: Intersubjektivität: die Fälle, die es gibt, sind von allen Menschen<br />

nachvollziehbar; ein Ergebnis ist aber nur dann möglich, wenn man sich der Unsicherheit<br />

bewusst ist <strong>und</strong> sieht: es ist alles nur Prognose;<br />

2.3 Zum Begründungsproblem im kritischen Rationalismus<br />

Popper Werk „Logik der Forschung“;<br />

Popper ist induktionskritisch: er sieht: das Induktionsproblem ist nicht gelöst ⇒ die<br />

Unsicherheit ist nicht eliminiert worden; ⇒ diese wissenschaftliche Methode ist aufzugeben;<br />

Popper: die Meinung „das induktive Verfahren (von Einzelfällen auf einen allgemeinen<br />

Satz) ist eine sichere Methode zur Wahrheitsfindung“ ist nicht empirisch überprüfbar ⇒<br />

nur konkrete Einzelfälle des Satzes (Fälle wo es wirklich so war) lassen sich überprüfen;<br />

⇒ das Induktionsprinzip ist kein wissenschaftlicher Satz, sondern eine Annahme!!<br />

Das wissenschaftliche Arbeiten in dieser Methode steht auf wackeligen Beinen; ⇒ daher ist<br />

es nicht zulässig; Popper: entweder kommt man in den ewigen Regress, oder man nimmt<br />

einen apriorischen Satz (vor jeder Erfahrung) als gültig an! ⇒ beides ist unbefriedigend;<br />

Popper geht einen anderen Weg, einen spezifisch deduktiven Weg:<br />

Popper: „deduktive Methodik der Nachprüfung“<br />

Ein Verfahren der Theorieauslese ⇒Voraussetzung: woher die Theorie kommt, ist völlig<br />

egal (problematische Voraussetzung);<br />

- nimm diese Theorie als allgemeinen Satz; ( ⇒ deduktiv: ein Allgemeiner Satz steht<br />

am Anfang);<br />

- leite aus diesem allgemeinen Satz einen Einzelsatz ab; einen, den man empirisch<br />

überprüfen kann; (deduktiv: vom allgemeinen Satz zum Einzelsatz)<br />

- wichtig ist die Überprüfung des Einzelsatzes:<br />

1.) bei mehreren Einzelsätzen aus dem einen allg. Satz: vergleiche die Sätze<br />

⇒ergeben sich vielleicht bereits hier Widersprüche? Wenn Nein, würde Popper<br />

sagen, so sind sie zumindest nicht widersprüchlich;<br />

2.) schau, dass der Satz empirisch überprüfbar ist <strong>und</strong> einen Bezug zur Empirie haben<br />

<strong>und</strong> keine Tautologie ist;<br />

3.) jede Theorie (ent)steht in einer Geschichte <strong>und</strong> in einem Kontext ⇒ vergleiche mit<br />

anderen Theorien aus anderen Kontexten <strong>und</strong> Einzelsätze mit Einzelsätzen aus<br />

anderen Theorien ⇒ können andere Theorien die Dinge vielleicht besser erklären?<br />

4.) Das wichtigste: Überprüfung des Einzelsatzes durch die Empirie:<br />

⇒ der Einzelsatz bleibt dabei immer deduktiv eingebettet;<br />

7


Wenn man gewöhnlich Einzelsätze überprüft: der Einzelsatz ist wahr ⇒ daher ist die<br />

Theorie wahr (Verfahren ist dabei die Verifikation)<br />

Popper setzt auf das Gegenteil: Falsifikation:<br />

Der wissenschaftliche Fortschritt passiert nicht durch das Erweisen der Wahrheit,<br />

sondern durch das falsch Erweisen, weil man bei der Verifikation wider ins<br />

Induktionsprinzip zurückfällt; denn bei der Verifikation ergibt sich ein induktives<br />

Schließen vom wahren Einzelfall auf ein allgemeines Gesetz, dass nicht logisch gedeckt ist!<br />

⇒ Popper dreht den Spieß um, weil man in der Verifikation nicht weiter kommt (man<br />

bräuchte unendlich viele Beispiele, die die Wahrheit belegen);<br />

⇒ Falsifikation: man braucht genau einen gegenteiligen Fall <strong>und</strong> die Theorie ist falsch!<br />

Popper: kann die Wissenschaft so wie sie ist als induktives Verfahren gesehen werden? ⇒<br />

Popper: Nein! Denn wenn es so wäre, müsste diese Aussage selbst noch Mal induktiv fassbar<br />

sein! ⇒ dies ist aber nicht möglich;<br />

„Die Wissenschaft geht induktiv vor“ ist induktiv nicht zufriedenstellend einholbar;<br />

⇒ Poppers Aussagenvorschlag: die Wissenschaft geht deduktiv vor:<br />

1. Schritt: eine These finden (egal wie)<br />

2. Schritt: Sätze aus dieser These ableiten<br />

Kriterien für die Theorie:<br />

1.) die abgeleiteten Sätze dürfen nicht im Widerspruch zueinander stehen;<br />

2.) die Ableitungen müssen auch einen Bezug zur Wirklichkeit haben ⇒ keine<br />

metaphysischen Sätze (wg. Überprüfbarkeit durch die Empirie);<br />

3.) Steht der Satz im Widerspruch zu vorangehenden Theorien?<br />

4.) Die Ableitung muss experimentell getestet werden<br />

⇒ eine Verifikation gelingt auch bei diesem Prozess (meist) nicht ⇒ man kann eine These<br />

eigentlich nur „bewähren“! ⇒ so lange ist sie bewährt, bis ein Gegenbeispiel gef<strong>und</strong>en wird<br />

⇒ bis sie falsifiziert wird;<br />

⇒ für die Falsifikation genügt allein 1 Fall, der widerspricht; wohingegen es bei der<br />

Verifikation unendlich viele Fälle braucht, um sicher zu sein;<br />

Popper bekommt durch diese Konzeption allerdings auch Probleme:<br />

1. Abgrenzungsproblem:<br />

Induktiv arbeitende Wissenschaften sind empirische Wissenschaften, weil sie sich mit<br />

Einzelfällen beschäftigen müssen; ⇒ weil aber die Induktion von Popper abgelehnt wird,<br />

braucht er ein anderes Abgrenzungskriterium der empirischen Wissenschaften<br />

⇒ Sinnkriterium: Kriterium, ob ein Satz ein sinnvoller (empirisch, weil dadurch an die<br />

Wirklichkeit geknüpft <strong>und</strong> dadurch auch einer Überprüfung zugänglich) oder sinnloser<br />

(metaphysischer, weil nicht nachprüfbar; daher: weder wahr noch falsch, weil nicht<br />

feststellbar) Satz ist.<br />

Popper: die induktive Methode dient nicht als Abgrenzungskriterium; Sinnkriterium: ein<br />

Satz ist dann sinnvoll, wenn er empirisch verifizierbar ist bzw. falsifizierbar ist;<br />

Aber der Kriteriumssatz ist selbst nicht empirisch verifizierbar bzw. falsifizierbar; denn<br />

ein Kriterium kann nicht selbst dem Kriterium unterworfen sein ⇒ für den Satz selbst gilt<br />

dieses Kriterium nicht! ⇒ man kann daher auch nicht behaupten, ob es wahr oder falsch ist!<br />

8


Popper: Empirische Sätze sind dann empirisch, wenn sie induktiv gewonnen werden!!<br />

Aber Popper: dies taugt nichts, weil jeder durch Induktion gewonnene Satz selbst nicht<br />

entscheidbar ist, ob wahr oder falsch!<br />

⇒ dadurch ist auch die Abgrenzung zu anderen Wissenschaften nicht haltbar;<br />

Popper will aber empirische <strong>und</strong> metaphysische Sätze trennbar halten <strong>und</strong> dazwischen<br />

unterscheiden können; ⇒ es braucht eine eigene Methode!<br />

Popper: „Erkenntnislogik“: eine Theorie der Erfahrung;<br />

Poppers Abgrenzungskriterium: „Empirische Sätze müssen (prinzipiell) falsifizierbar<br />

sein“ ⇒ genau das Gegenteil zum Sinnkriterium!<br />

⇒ die poppersche Logik ist eine andere: der Fortschritt: keine Anhäufung von wahren<br />

Sätzen <strong>und</strong> eine komplizierte Hierarchie der Gesetze <strong>und</strong> Gesetzmäßigkeiten, sondern ein<br />

Umstoßen von Sätzen ist möglich (Falsifikation);<br />

Wie kann man behaupten, dass Poppers Abgrenzungskriterium empirisch ist: in diesem<br />

Kriterium muss die Empirie feststellbar sein, wenn dies der Ort der empirischen<br />

Rückbindbarkeit ist. ⇒ das Abgrenzungskriterium mit seiner Empirie ist Ort der<br />

Objektivität ⇒ es muss mit der Objektivität nachprüfbar sein! ⇒ Modus der Möglichkeit<br />

(Nicht absolut gültig; dies wäre wieder ein Denken in Verifikation);<br />

⇒ Kriterium der Empirie: prinzipielle Nachprüfbarkeit;<br />

Kritischer Rationalismus:<br />

Vertreter: Popper, Albert;<br />

Das Induktionsprinzip ist nicht induktiv gewinnbar, man braucht etwas von außen; ⇒ es<br />

muss, so die Meinung Poppers, in ein deduktives Vorgehen umgekehrt werden;<br />

Probleme<br />

- Abgrenzungsproblem: die Objektivität muss die Wissenschaft auszeichnen;<br />

- Begründungsproblem: Für Behauptungen müssen Begründungen angegeben werden<br />

können; nach Popper ist eine Verifikation nicht gangbar, weshalb die Rückfrage von<br />

einem Gr<strong>und</strong> zum nächsten nicht durchführbar ist.<br />

Das Begründungsproblem ist immer das Problem nach der Frage nach dem letzten<br />

Gr<strong>und</strong> (= absolute Wahrheit);<br />

Popper lehnt Sätze ab, die durch Induktion gewonnen werden <strong>und</strong> solche, die sich selbst<br />

erklären;<br />

Xenophanes: Ausgangspunkt für die Forschung ist die bloße Meinung (doxa), nicht wahres,<br />

sicheres Wissen;<br />

⇒ die Wissenschaftsauffassung muss geändert werden;<br />

⇒ Leibniz formuliert das aus im Prinzip des zureichenden Gr<strong>und</strong>es (principium rationis<br />

sufficiendis): nihil est sine ratione<br />

ontologisches Prinzip:<br />

Es gibt Kausalverbindungen innerhalb der Wirklichkeit; Eines begründet das anderes<br />

(Gegenposition: Hume); Thesen sind auf sichere Gründe zurückzuführen, auf ontologische<br />

Weise, dann sind sie wahr;<br />

⇒ Zureichend ist ein Gr<strong>und</strong> dann, wenn ein Gr<strong>und</strong> reicht, um das Phänomen völlig zu<br />

erklären;<br />

9


⇒ Aussagen müssen auf Obersätze (Prämissen) rückführen können (rückführbar sein);<br />

x ⇒ y<br />

Woher hat das y seine Begründung?<br />

Albert weist darauf hin, dass es nur 3 Möglichkeiten gibt, dies zu begründen; (alle 3<br />

unzureichend?)<br />

⇒ das „Münchhausen – Trilemma“<br />

1.) die Begründung kann bis ganz zum Schluss nach hinten nach einem Letztgr<strong>und</strong><br />

durchgefragt werden; ⇒ Immer weiter mit warum? – Frage;<br />

⇒ ein ewiger Regress entsteht;<br />

a ⇒ b ⇒ c ⇒ d ⇒ e ⇒ ...... unendlich<br />

2.) die Begründung wird in einer Kreisstruktur geführt; das erste Glied begründet das<br />

letzte Glied; ⇒ ein circulus vitiosus entsteht;<br />

⇒ dogmatischer Abbruch: obwohl es noch weitere Warum-Fragen gäbe ⇒ Abbruch;<br />

Archimedischer Punkt: Punkt, von dem aus man die ganze Welterkenntnis hat;<br />

Albert setzt die Theologie mit dem dogmatischen Abbruch gleich; Solche Modell nennt<br />

Albert „Offenbarungsmodelle“; Gibt es ein Interpretationsmodell? Letzte Instanz für die<br />

Theologie ist der Papst (??); Wer interpretiert richtig, gibt es ein Interpretationsmonopol? Ist<br />

Kritik an der Unfehlbarkeit des Papstes, der Konzilien <strong>und</strong> an der Überzeugung der Gläubigen<br />

als Ganzes „erlaubt“?<br />

⇒ Alberts Vorwurf: die moderne Wissenschaft operiert genau so!! ⇒<br />

Offenbarungsmodelle der Erkenntnis; die Natur offenbart sich nämlich selbst in den<br />

Experimenten;<br />

Abgrenzungskriterium für Popper ist nicht die Induktion, sondern die Objektivität ⇒<br />

diese ist aber subjektiv; ⇒ wie kann man ein subjektives Objektivitätsprinzip in die<br />

Falsifikation anwendend einführen?<br />

⇒ ein Münchhausen – Begründungstrilemma entsteht<br />

1.) ewiger Regress<br />

2.) Zirkelschluss (circulus viciosus)<br />

3.) Dogmatischer Abbruch<br />

⇒ alle 3 Möglichkeiten haben einen logischen Gr<strong>und</strong>pfeiler: das Begründungsprinzip:<br />

das Prinzip des hinreichenden Gr<strong>und</strong>es (nihil es ratione);<br />

⇒ ein anderes Mittel muss gesucht werden!⇒ das Widerspruchsprinzip <strong>und</strong> das Prinzip<br />

des ausgeschlossenen Dritten! Für die Falsifikation wichtig: es kann nur wahr oder falsch<br />

geben ⇒ wenn etwas falsch ist, kann es nicht zugleich wahr sein!<br />

Im Unterschied dazu im Begründungsprinzip: wenn etwas falsch ist, kann es auch sein, dass<br />

ich nur den Gr<strong>und</strong> für das Beobachtete nicht kenne!<br />

⇒ Das Widerspruchsprinzip ist DIE Stütze der Falsifikation;<br />

10


Albert: Offenbarungsmodell von Wissenschaften: die Natur sehen wir als Quelle <strong>und</strong> Größe,<br />

der sich die Wissenschaft nähern will;<br />

Wenn ein Offenbarungsmodell angenommen wird, muss es eine Instanz der Unfehlbarkeit<br />

geben ⇒ die Natur; sie kann allein eine Letztbegründung abgeben; ⇒ die Begründung der<br />

Wissenschaft kann nicht über die Natur, als letzte Instanz hinausgehen;<br />

Im Offenbarungsmodell der Naturwissenschaften ist:<br />

1.) die Legitimation ist die Natur (1. Voraussetzung)<br />

2.) die Sinnlichkeit die Methode, sich der Natur zu nähern (2. Voraussetzung): eine<br />

andere Möglichkeit wäre bspw. das sich Nähern durch geistige Spekulation;<br />

Alberts Kritik: dieses Vorgehen entspricht dem 3. Fall des Begründungsprinzip –<br />

Begründungstrilemma!: bei der Natur ist Schluss ⇒ dogmatischer Schluss; dieses Vorgehen<br />

wird nicht nochmals begründbar, bzw. thematisiert! ⇒ die Letztinstanz ist von der Kritik<br />

ausgenommen; sie ist nicht hinterfragbar; ⇒ das Modell immunisiert sich selbst;<br />

⇒ dagegen fordert Popper eine Idee der kritischen Prüfung:<br />

Methode: Falsifikation: er will dem Münchhausentrilemma entkommen:<br />

Vorgehen: weglassen des Begründungsschemas; ⇒ Ansetzen der kritischen Prüfung; ⇒<br />

ALLES ist kritikfähig; kein dogmatischer Abbruch bei Letztinstanzen; wenn ein Glied die<br />

kritische Prüfung nicht besteht, wird nicht ein neuer Gr<strong>und</strong> gesucht (Verifikation), sondern es<br />

muss völlig neu angesetzt werden!<br />

⇒ diese Leitidee nennt man Fillibilismus; fallibilis: „fehlbar“; alles muss prinzipiell<br />

falsifizierbar sein; ⇒ Falsifizierbarkeit; eine negative Vorgehensweise (Destruktion von<br />

Theorien!);<br />

⇒ mit welcher Begründung kann ein Fallibilismus vertreten werden?<br />

Wie kann gezeigt werden, ob der Fallibilismus wahr ist?<br />

⇒ die Begründungsmethode spielt hier wieder hinein! Dies muss aber zugestanden werden,<br />

weil wenn man das eigene Prinzip der Falsifikation auf die eigene Methode angewandt<br />

werden würde, würde man sich selbst den Boden unter den Füßen wegziehen („Hoffentlich<br />

wird unsere Methode bald falsifiziert!“);<br />

Anm: die Methode muss aber nur PRINZIPIELL auf die Theorien anwendbar sein! Vgl.<br />

Einstein musste erst neue Messgeräte bauen <strong>und</strong> entwickeln, um seine Theorien beweisen zu<br />

können!;<br />

⇒ Poppers Theorien werden auf seine Theorien selbst angewendet ⇒ ein gemeiner Einwand<br />

der Selbstanwendung; gemein deshalb, weil er die „untere“ Theorie – Ebene auf die „höhere“<br />

Theorie – Ebene (der Theorie insgesamt) anwenden muss;<br />

⇒ in der Selbstanwendung ergibt sich ein Selbstwiderspruch im kritischen Rationalismus!<br />

⇒ die kritischen Rationalisten machen einen Fluchtversuch aus der Theorie heraus: die<br />

Theorie steckt ja wiederum in der Crux zwischen Begründungszwang (Münchhausen –<br />

Trilemma) <strong>und</strong> Falsifizierbarkeit (dann: hoffentlich ist sie bald als falsch erwiesen!); ⇒ die<br />

kritischen Rationalisten versuchen auf die Pragmatik auszuweichen: „ein solches<br />

Vorgehen ist Sache der Moral!“;<br />

⇒ Eingeständnis: die kritische Prüfung lässt sich nicht begründen; aber: das Vorgehen ist<br />

eingebettet in eine Praxis; ⇒ im sozialen Leben hat sie große Bedeutung; Versuch der<br />

kritischen Rationalisten: Aufweis zu bringen als sei das Vorgehen demokratisch; die Theorie<br />

über Theorien wird so übersetzt, dass gesagt wird, es sei eine Art der Lebensform;<br />

11


⇒ die Theorie wird dadurch gerechtfertigt <strong>und</strong> legitimiert, dass sie eine Lebensform ist,<br />

die ethische <strong>und</strong> soziale Aufgaben hat;<br />

⇒ es ist aber sehr problematisch, SO zu begründen!!<br />

Anm.: Popper ist klar theoriegeleitet ⇒ zuerst gibt es eine Theorie, dann erst wird<br />

experimentiert; so läuft es in der Realität aber nicht immer ab! Oft wird drauflos<br />

experimentiert;<br />

Weiterer Kritikpunkt: die externen Faktoren der Wissenschaft (Geld, Interessen, der Mensch<br />

als Wissenschaftler,...) finden in der Theorie Poppers keinen Niederschlag! ⇒ die<br />

Wissenschaft ist komplexer als bloßes Theorie – Praxis – Schema!!<br />

Die Rechtfertigung der Theorie wird in der Praxis gesucht: die gesellschaftliche<br />

Akzeptanz dient als Begründung für die Theorie !!! ⇒ man nimmt eine Begründung aus der<br />

praktischen Philosophie, aus der Ethik, <strong>und</strong> wendet sie auf die theoretische Philosophie an!<br />

(im Gegensatz dazu wird umgekehrtes Vorgehen, ein Sein (= theoretische Philosophie) auf<br />

ein Sollen (= praktische Philosophie, Ethik) anzuwenden, wird sofort als naturalistischer<br />

Fehlschluss abgekanzelt!);<br />

Damit erweist sich Popper klar antiaristotelisch: dieser nämlich meint, dass die Bewertung<br />

jeder Handlung immer auch in der Handlung selbst zu suchen ist, nie nur im Ziel der<br />

Handlung;<br />

Weiters: Kann man ein Experiment (bzw. eine Handlung) anführen zur Begründung einer<br />

Theorie? ⇒ das Verhältnis Theorie <strong>und</strong> Experiment (als Praxis) müsste neu definiert <strong>und</strong><br />

geklärt werden;<br />

Weitere Schwierigkeit: in die Falsifikation als Methode schleicht sich hinterrücks wieder das<br />

Begründungsproblem hinein:<br />

Bei jeder Falsifikation muss man zumindest eine vage Idee von Wahrheit haben ⇒ jede<br />

Falschheit rekurriert auf eine Wahrheit (auch daher, weil Popper auf das<br />

Widerspruchsprinzip sich stützt!) ⇒ durch das Aussondern von immer mehr falschen<br />

Theorien nähert man sich ja auch wieder immer mehr an die Wahrheit an! ⇒ ein<br />

versteckter ewiger Regress!<br />

die Frage, ob man kritischer Rationalist wird, ist eine Entscheidung der Lebensform, weil<br />

der kritische Rationalismus rückgeb<strong>und</strong>en wurde an die praktische Vernunft;<br />

⇒ Kann man Gründe angeben, warum es vernünftig ist, als kritischer Rationalist zu leben? ⇒<br />

kritische Anfrage an den kritischen Rationalismus ⇒ dies kann der kritische Rationalismus<br />

aber nicht mit vernünftigen Argumenten aufweisen;<br />

wenn man die Praxisbezogenheit akzeptiert, müssen aber auch da noch Gründe der<br />

praktischen Vernunft für die Sinnhaftigkeit, kritischer Rationalist zu sein, aufgewiesen<br />

werden; ⇒ es wird eine Frage des guten Lebens ⇒ eine ethische Frage;<br />

positiver Aspekt der Verortung des kritischen Rationalismus im Bereich der praktischen<br />

Vernunft: es wurde von den kritischen Rationalisten dadurch aufgezeigt, dass die<br />

Wissenschaft eine gesellschaftliche Seite hat ⇒ die Gesellschaft hat Einfluss auf die<br />

Wissenschaft (Vertreter: Paul Feyerabend, Kuhn, Fleck)<br />

12


Feyerabend: „anything goes“: Wissenschaft wir zum Spiel, das überhaupt keinen<br />

Anhaltspunkt mehr hat;<br />

weiterer positiver Aspekt: Erkenntnis: Wissenschaft kommt gar nicht darum herum, sich<br />

politischen <strong>und</strong> sozialen Einflüssen zu stellen;<br />

weitere Stärke des kritischen Rationalismus im Bereich der praktischen Vernunft:<br />

Ideologiekritik: Kritik an nicht falsifizierbaren Machtlegitimationen;<br />

der kritische Rationalismus auf ethischer/praktischer Ebene hat den positiven Effekt, dass er<br />

dort dogmatische Abbrüche im Bereich der Politik/Weltanschauung aufzeigt; ⇒<br />

„Ideologiekritik“;<br />

negativer Aspekt: wenn ich keine Gründe (auch nicht im Bereich der praktischen Vernunft)<br />

angeben kann, warum ich mich für den kritischen Rationalismus entscheide, liegt der<br />

Verdacht eines ethischen Dezisionismus (ich mache das, ohne Vernunftgründe angeben zu<br />

können) nahe; ⇒ kritische Anfrage: „warum willst du, ohne Gründe zu haben, so leben“;<br />

⇒ ein Prüfungsverfahren müsste eingeführt werden; ⇒ was der kritische Rationalismus<br />

braucht, sind Regeln für den Diskurs ⇒ das Spiel geht aber dann wiederum weiter: Warum<br />

Regeln? ⇒ die Begründungssuche geht wieder von vorne los;<br />

wichtige Frage auch: Was sind die Kriterien für eine Ideologiekritik (⇒ ist der kritische<br />

Rationalismus nicht selbst eine Ideologie?)<br />

gr<strong>und</strong>legendes Problem: der kritische Rationalismus setzt voraus: „alles ist fehlbar“ ⇒<br />

Problem: diese Aussage selbst ist wiederum nicht falsifizierbar (außer man will sich selbst<br />

den Boden unter den Füssen wegziehen);<br />

Gr<strong>und</strong>frage der <strong>Erkenntnistheorie</strong>: „Wie komme ich zu sicherem Wissen?“ ⇒ eine Alte<br />

Frage: schon Aristoteles: Induktion oder Deduktion?<br />

3. Vernunft versus Erfahrung ⇒ Rationalismus versus Empirismus<br />

3.1 der Rationalismus bei Rene Descartes<br />

ein rationalistisches Gr<strong>und</strong>konzept entscheidet sich eher für die Deduktion, während der<br />

Empirismus eher die Induktion bevorzugt;<br />

Descartes: wie komme ich zu wahren Aussagen?<br />

⇒ zu wahren Aussagen, aus denen ich deduzieren kann (vgl. Aristoteles’ Suche nach<br />

Prinzipien, die auch er deduktiv gewinnen will);<br />

Textblatt: Zitat aus Descartes’ Regulae<br />

1. Satz: zu wissenschaftlichen/wahren Sätzen kommt man auf 2 Weisen:<br />

1.) durch klare <strong>und</strong> evidente Intention sehen<br />

2.) durch zuverlässiges deduzieren<br />

13


⇒ die schwierige Frage ist die Frage, wie ich zur Intuition kommen<br />

2 wichtige Begriffe bei Descartes:<br />

- Klarheit<br />

- Evidenz: Evidenzen sind Sätze, die aus sich heraus klar sind<br />

⇒ Suche nach Sätzen, die nicht hinterfragbar sind; ⇒ Versuch, die unendliche<br />

Begründungskette zu unterbrechen;<br />

⇒ „wie merke ich, dass ein Satz evident ist?“ eine Antwort darauf gibt Descartes im Discours<br />

de la methode, indem er 4 Regeln zum Finden eines solchen evidenten Satzes vorstellt;<br />

1. Regel: Sätze finden, die unbezweifelbar sind ⇒ damit verb<strong>und</strong>en ist Klarheit,<br />

Deutlichkeit <strong>und</strong> Geordnetheit (sichere Erkenntnis ist über jeden Zweifel erhaben);<br />

2. Regel: das komplexe Problem ist in einfachere Teilprobleme zu teilen;<br />

3. Regel: diese einfachen Teilprobleme sind einzeln zu lösen <strong>und</strong> dann wieder zu<br />

komplexen Lösungen zusammen zu bauen; Ordnung bringen in die Dinge, wo keine<br />

Ordnung ist (Wahrheit = Ordnung);<br />

4. Regel: Sauber arbeiten, nichts vergessen,...<br />

Evident ist evident, wenn es wahr ist; ⇒ Evidenz <strong>und</strong> Wahrheit werden parallel geführt;<br />

wahr ist etwas dann, wenn es sich dem Geist (esprit) gegenüber als evident erweist;<br />

⇒ wichtiger Gr<strong>und</strong>ansatz: Evidenz erweist sich dem Denken gegenüber;<br />

⇒ das Gegenteil wäre: das Denken muss sich gegenüber der Wirklichkeit erweisen;<br />

hier aber umgekehrt: Wahrheit entscheidet sich am Denken; ⇒ das Wahre ist über jeden<br />

Zweifel erhaben; ⇒ das entscheidende Kriterium für die Wahrheit ist der Zweifel;<br />

der Zweifel ist das Verfahren des Denkens zur Beurteilung der Wirklichkeit (⇒ das<br />

zweifelnde Denken);<br />

ein zweifelsfreies Verfahren ist für Descartes zu vorderst die Mathematik ⇒ Vorbild für die<br />

Gewissheit ist die mathematische Gewissheit; ⇒ Descartes versucht das mathematische<br />

Verfahren zu übertragen;<br />

aber er erkennt: diese mathematische Geschlossenheit liegt in der Empirie nie vor (keine<br />

idealisierten Modell) ⇒ der Zweifel ist das einzig mögliche Verfahren der Empirie zur<br />

Erlangen von sicherer Wahrheit;<br />

⇒ ein methodischer Zweifel: er ist Mittel zum Zweck (nämlich zum Finden von Gewissheit)<br />

⇒ Zweifel ist nicht Selbstzweck;<br />

alle Wirklichkeit kann bezweifelt werden; nur der Zweifel selbst kann nicht bezweifelt<br />

werden;<br />

⇒ ich bezweifle meinen Zweifel ⇒ 2 Möglichkeiten:<br />

1.) wenn ich alles bezweifle, damit auch den Zweifel, würde die Wirklichkeit <strong>und</strong> die<br />

Methode selbst ins Nichts zurückfallen; ⇒ nicht möglich<br />

2.) selbst den Zweifel zu bezweifeln setzt eine Instanz voraus, die zweifelt ⇒ das Ich;<br />

⇒ Der Zweifel <strong>und</strong> das zweifelnde Ich sind die sicheren Instanzen;<br />

14


kritischer Rationalismus – Rene Descartes<br />

er will nicht über die Empirie, sondern über das Denken zur Wahrheit gelangen;<br />

Erkenntnis ist dann klar, wenn sie klar, unmittelbar einsichtig <strong>und</strong> distinkt ist ⇒ Intention;<br />

⇒ zu einer solchen Intention gelangt man durch 4 Regeln<br />

1.) die Intention soll über jeden Zweifel erhaben sein;<br />

2.) von komplexeren Problemen zu einfacheren Problemen kommen;<br />

3.) nach der Lösung wieder zusammenbauen, auch dort, wo es in der Natur eine solche<br />

Ordnung nicht gibt;<br />

4.) nichts vergessen!<br />

ad 1.): dazu kommt man durch den Zweifel ⇒ als Methode ⇒ seine Auffassung des Zweifels<br />

ist der methodische Zweifel;<br />

Descartes bezweifelt alles (die Außenwelt <strong>und</strong> auch die leibliche Sinneswahrnehmung) ⇒<br />

der letzte Punkt des Zweifels: der Zweifel selbst; dieser lässt sich nicht bezweifeln; ⇒ denn<br />

selbst, wenn ich den Zweifel bezweifle, bezweifle ICH ⇒ der Zweifel ist sicher (will man<br />

die ganze Methode nicht ins Nicht versinken lassen) <strong>und</strong> auch die Instanz des Zweifelns, das<br />

ICH, ist sicher!<br />

⇒ Sicherheit der Existenz des Ich;<br />

⇒von dort aus (aus der Sicherheit des Ich) wird die Suche nach Wahrheit in der Welt<br />

wieder aufgenommen;<br />

⇒ die Ich – Gewissheit bekommt Descartes nur über den Zweifel;<br />

Stichwort: Deus malignus: Täuschergott: im Zweifeln: es wird sogar eine Instanz<br />

angenommen, die mir die Welt <strong>und</strong> sogar mich selbst mir vorgaukelt;<br />

die Instanz des Denkens wird zur Obersten Instanz der Selbstgewissheit; dieses Denken<br />

berücksichtigt das Ich nur insofern es ein denkendes Ich ist; ⇒ alle anderen, bspw.<br />

ethischen, sozialen, aber auch leiblichen Aspekte des Ich werden ausgespart, nicht<br />

berücksichtigt;<br />

Descartes kennt mehrere Arten des Denkens: Bsp.: dubere, affirmare, negare, nolle, volle,<br />

intellegere, cogitare, aber auch sentire; ⇒ Formen des Denkens, die Descartes kennt;<br />

⇒ der Denkbegriff wird in der cartesischen Methode aber auf das Zweifeln (dubere)<br />

allein eingegrenzt; ⇒ Descartes arbeitet auf kleinstem Raum (des Denkens) in seiner<br />

Methode;<br />

⇒ weiters wichtig: Descartes’ Zweiteilung der Welt:<br />

⇒ res extensa: alles, was ausgedehnt ist<br />

⇒ res cogitans: das Ich, als denkendes Ich;<br />

⇒ der Mensch selbst ist beides, res extensa <strong>und</strong> cogitans;<br />

⇒ Descartes nimmt als Methode <strong>und</strong> Instanz einen winzigen Teil der Wirklichkeit an ⇒<br />

dieser Teil aber soll die ganze Wirklichkeit erklären ⇒ ein einziges, kleines Standbein ⇒ das<br />

F<strong>und</strong>ament der Wirklichkeit ist das Denken <strong>und</strong> hier nochmals eingeschränkt auf das<br />

Zweifeln; ⇒ typisch rationalistisch;<br />

15


⇒ Einbildungskraft (imaginare) <strong>und</strong> sinnliche Denkkraft (Sinnlichkeit, sentire): diese beiden<br />

Denkformen fallen aus!<br />

„so erkenne ich ganz offenbar, dass ich nichts leichter erfassen kann als mein Geist“<br />

⇒ der Geist ist Gegenstand der Erkenntnis; er ist aber auch Instanz des Denkens; ⇒<br />

reflexives Denken ⇒ die Denkende Instanz ist denkende Instanz <strong>und</strong> gleichzeitig auch Objekt<br />

der Erkenntnis ⇒ das durch das Denken Erkannte ist die denkende Instanz selbst;<br />

⇒ diese reflexive Struktur ist ein Kritikpunkt des Descartschen Denkens: will sich das<br />

Denken nicht nur selbst fassen?<br />

Descartes will darauf aufbauend die Welt sicher erkennen!<br />

von der Instanz des denkenden Ich aus muss er die Welt wieder gewinnen; ⇒ der<br />

descartessche Kunstgriff: ein Gottesbeweis:<br />

⇒ er braucht als Brück zwischen Ich <strong>und</strong> Wirklichkeit Gott<br />

wenn ich als denkende Instanz mir sicher bin <strong>und</strong> wenn ich über Gott denke bzw. eine Idee<br />

habe ⇒ Frage: Woher kommt die Idee von Gott dann in mein Denken?<br />

Prämissen Descartes’:<br />

1.) das Ich als denkende Instanz durch den methodischen Zweifel<br />

2.) Gott: wir denken über Gott ⇒ Der Gottesgedanke<br />

Antwortmöglichkeiten:<br />

1.) idea a me ipso facta: eine Idee, die ich aus mir heraus hervorbringe; Bsp.: Tagträume,<br />

Luftschlösser,...<br />

2.) idea adventitiae: eine Idee, die von außen an mich herankommt; Bsp.: wenn ich einen<br />

Baum gesehen habe, habe ich eine Idee von „Baum“;<br />

3.) idea innata: die haben wir immer schon; eingeborene Ideen;<br />

weitere mittelalterliche Voraussetzung bei Descartes: Lebewesen können nur über Dinge<br />

denken, die in der Seinshierarchie unter ihm oder auf der gleichen Stufe stehen;<br />

⇒ ad 1.): nicht möglich, da der Mensch über Gott (= höchste Seinsstufe) nicht denken kann<br />

⇒ diese Idee nicht aus sich heraus hervorbringen;<br />

⇒ ad 2.): nicht möglich, denn Gott ist kein Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung, wie<br />

andere Gegenstände;<br />

⇒ ad 3.) Gott kann nur eine idea innata sein! die Idee Gottes kann nur von außen her ins<br />

Denken des Menschen gelegt worden sein <strong>und</strong> zwar nur von einer Instanz, die auf der<br />

gleichen Seinsstufe steht wie Gott (nur Gott kann von Gott denken!); ⇒ Der Gedanke Gottes<br />

kann nur von Gott selbst stammen; ⇒ Gottesbeweis!<br />

⇒ F<strong>und</strong>ament: das Ich <strong>und</strong> die Sicherheit, dass es mich gibt <strong>und</strong> zwar als denkendes Ich;<br />

⇒ ich denken ⇒ Sicherheit ⇒ ich denke Gott ⇒ Idee von Gott!<br />

weiters: Gott ist das vollkommene Wesen; ⇒ Gott ist der gute Gott ⇒ er ist kein deus<br />

malignus ⇒ er täuscht uns nicht ⇒ Gott erschließt uns als wahrer Gott die Wirklichkeit;<br />

er gaukelt mir die Welt nicht vor!<br />

⇒ Descartes gewinnt die Sicherheit, dass die Welt real ist; dies sichert der vollkommene<br />

Gott;<br />

16


⇒die reale Welt ist offen für die Wissenschaft; man hat die Gewissheit: die Wissenschaft<br />

erfasst die Wirklichkeit; Methode für diese Erkenntnis sind die 4 cartesischen Regeln;<br />

Probleme / Kritikpunkte:<br />

- sehr artifiziell<br />

- der Gottesbeweis versucht von einem Gottesbegriff auf die Realität zu<br />

schließen; ⇒ ein ontologischer Gottesbeweis; ⇒ Ist dieser Schluss vom<br />

Begriff auf die Wirklichkeit schlüssig?<br />

- gibt es nur diese 3 Formen der Idee; weiters: viele Ideen von Gott sind auch<br />

ideae a me ipso factae: Bsp.: alle Götzenbilder, verzerrte Gottesbilder,...<br />

- kann der Zweifel sich selbst zum Zweifel machen, sodass ich aus dem<br />

bezweifelten Zweifel eine Sicherheit bekommen kann? ⇒ kann der Zweifel<br />

sich selbst einholen? ⇒Totalreflexion des Zweifels?<br />

dem Menschen ist dies nicht möglich!<br />

- das Menschenbild Descartes: strikte Dualität von Seele <strong>und</strong> Leib / Geist <strong>und</strong><br />

Leib; ⇒ Spaltung von Subjekt (das denkende Wesen, die Leiblichkeit des<br />

Menschen wird völlig gestrichen) <strong>und</strong> Objekt (die Welt, res extensa);<br />

wahre Erkenntnis nach Descartes ist unbezweifelbar, distinkt <strong>und</strong> klar;<br />

⇒ Methode: der methodologische Zweifel; ⇒ Ergebnis: ein Fixpunkt: die zweifelnde Instanz:<br />

das denkende/zweifelnde Ich;<br />

⇒ mit dieser Gewissheit: Rekonstruktion der Außenwelt;<br />

als Brücke zwischen Ich <strong>und</strong> Wirklichkeit: ein ontologischer Gottesbeweis: Gott als<br />

vollkommenes Wesen ⇒ guter Gott ⇒ kein Täuscher ⇒ er gaukelt uns nichts vor ⇒ die<br />

Wirklichkeit ist real!<br />

⇒ die Erkenntnisse kommen nicht aus der Empirie (aus der sinnlichen Anschauung), sondern<br />

aus dem Denken allein;<br />

3.2 Der Empirismus bei David Hume<br />

der Empirismus als eine Art Gegenspieler zum Rationalismus; die Erkenntnis gewinnt man<br />

nicht anhand des Denkens, sondern anhand der Sinnlichkeit;<br />

Vorläufer Humes: John Locke<br />

dieser unterscheidet zwischen 2 Arten von Wahrnehmung:<br />

1.) Sinneswahrnehmung: idea of sensation<br />

2.) Eigenwahrnehmung: idea of reflection;<br />

aufgr<strong>und</strong> beider Möglichkeiten gewinnt man Erkenntnis; die Sinneswahrnehmung bringt mir<br />

Dinge (Erkenntnis) von außen ⇒ Sinneserfahrung; die ideas of reflection sind die kognitiven,<br />

aber auch emotiven Erkenntnisse des Menschen (innerlich);<br />

⇒ Locke unterscheidet zwischen innerer <strong>und</strong> äußerer Wahrnehmung, zwischen Denken<br />

<strong>und</strong> Fühlen;<br />

dagegen Hume: das Innen <strong>und</strong> Außen lässt sich nicht auf eine bestimmte Fähigkeit der<br />

Wahrnehmung festschreiben, sondern es gibt ein Innen <strong>und</strong> Außen, sowohl im Denken als<br />

auch im Fühlen;<br />

17


er unterscheidet in der perception (Wahrnehmung) zwischen impression <strong>und</strong> idea, die beide<br />

innen <strong>und</strong> außen vonstatten gehen können;<br />

perception<br />

idea impression<br />

innen außen innen außen<br />

⇒ impressions <strong>und</strong> ideas sind sowohl Sinnes- (die of sensation) als auch<br />

Eigenwahrnehmungen (idea of reflection);<br />

aber die Eindrücke (impressions) sind unmittelbar; die ideas sind hingegen mittelbar, weil sie<br />

immer schon impressions voraussetzen, damit sie im Menschen selbst entstehen können; ⇒<br />

Wahrnehmung: von dieser bekomme ich zuerst einen Eindruck (impression) <strong>und</strong> von dieser<br />

impression mach ich mir auf einer weiteren Ebene eine Idee; ⇒ die Idee wird nicht direkt aus<br />

der Wirklichkeit gewonnen;<br />

⇒ wie kommt man zu diesen Ideen, wenn man zuvor keine Impression hat: Bsp.: die Idee<br />

eines goldenen Berges: davon kann ich keinen Eindruck bekommen, weil es so etwas nicht<br />

gibt in der Wirklichkeit, dennoch ist es eine Vorstellung (idea) des Menschen;<br />

⇒ Hume: es ist eine Zusammenstellung zweier anderer Ideen: 1.) die Idee Berg (aus der<br />

impression Berg entstanden); 2.) die Idee „golden“ (gewonnen aus der Impression Golden);<br />

⇒ eine Zusammensetzung aus 2 anderen Ideen;<br />

diesen Gedanken führt Hume als ein Sinnkriterium ein: ein Kriterium dafür, ob ein Satz<br />

sinnvoll oder sinnlos ist;<br />

für Hume sind alle metaphysischen Sätze sinnlose Sätze: man müsste analog zu obigen<br />

Beispiel des goldenen Berg auch einen metaphysischen Satz in kleinere, untergeordnete<br />

metaphysische Sätze zerlegen können ⇒ in weiterer Folge müsste man diese untergeordneten<br />

Sätze auf unmittelbare Eindrücke zurückführen können ⇒ Hume: dies gelingt aber nicht!!<br />

⇒ Hume: die Metaphysik bewegt sich nur auf der Ebene der Ideen; dabei hat sie<br />

vergessen, dass die Ideen immer rückgeb<strong>und</strong>en sind an die impressions;<br />

⇒ Hume: wahre Erkenntnis stützt sich auf vorangehende sinnliche Eindrücke;<br />

⇒ der ganze rationalistische Denkansatz fällt durch die metaphysische Kritik Humes<br />

unter das Verdikt der Sinnlosigkeit; ⇒ der Rationalismus besteht dem Sinnkriterium<br />

des Empirismus nicht!!<br />

Hume gesteht jedoch ein: apriorische Erkenntnis gibt es schon, aber nur in der Mathematik ⇒<br />

weil es in ihr um die Verknüpfung von Ideen geht; ⇒ Mathematik ist eine (eingeschränkte)<br />

Wissenschaft, die es zu betreiben gilt;<br />

der große Teil der Wissenschaft ist aber die empirische Wissenschaft;<br />

das logische Gr<strong>und</strong>prinzip der Mathematik ist der Satz vom Widerspruch; ⇒ es ist DAS<br />

Erkenntnisprinzip aller apriorischen Wissenschaften (für Hume gibt es aber nur eine<br />

solche Wissenschaft, nämlich die Mathematik);<br />

18


Hume: der Satz des Widerspruchs greift aber in den empirischen Wissenschaften zu klein:<br />

Bsp.: Sinnlichkeit: wenn ich eine Tatsache sinnlich wahrnehme, heißt dies noch nicht<br />

automatisch, dass es anderes nicht gibt! ⇒ der Satz vom Widerspruch gilt nicht<br />

unumschränkt;<br />

⇒ DAS Prinzip der Tatsachen – Wissenschaften ist der Kausalsatz!<br />

man muss Gründe angeben können⇒ in der empirischen Wissenschaft gibt es nicht nur A<br />

oder B wie in der apriorischen Wissenschaft mit ihrem Satz vom Widerspruch (entweder A<br />

oder B);<br />

⇒ in der Tatsachen – Wissenschaft liegt die Sicherheit der Begründung in der Sicherheit der<br />

Gründe, die dafür angegeben werden können!<br />

Bsp.: es ist nicht logisch widersprüchlich, zu sagen, die Sonne gehe morgen nicht auf; ⇒ es<br />

ist nur recht unwahrscheinlich;<br />

durch die Proklamation des Kausalitätsprinzips zum Prinzip der Tatsachen – Wissenschaften<br />

wagt Hume einen Rückgriff auf Leibniz ( 1716):<br />

auch er trennte zwischen Vernunfts- <strong>und</strong> Tatsachenwahrheiten;<br />

auch Hume ordnet den Vernunftswahrheiten den Satz des Widerspruchs zu <strong>und</strong> den<br />

Tatsachenwahrheiten den Satz vom zureichenden Gr<strong>und</strong>;<br />

so tut es auch Leibniz in seinem Werk „Monalogie“: „verité de raisonnement et verité du<br />

fait“;<br />

Hume: in einem irrt Leibniz jedoch: der Satz vom zureichenden Gr<strong>und</strong> muss eingeschränkt<br />

werden!<br />

Leibniz geht von einem Prinzip des zureichenden Gr<strong>und</strong>es aus;<br />

Hume formuliert dies um:<br />

1.) er sagt: „gleiche Ursachen haben gleiche Wirkung;<br />

2.) er formuliert kein allgemeines Kausalprinzip aus;<br />

Leibniz: die Wirklichkeit hat die Kausalstruktur an sich; ⇒ Kausalität ist bereits eine<br />

ontologische Größe ⇒das Kausalitätsprinzip ist eine apriorische Größe!!<br />

es ist ein Gr<strong>und</strong>prinzip der Wirklichkeit;<br />

Hume: NEIN!! die Kausalität ist kein apriorisches Prinzip, sondern kann nur in der<br />

Begründung <strong>und</strong> bei der Suche nach einer solchen gef<strong>und</strong>en werden! ⇒ es ist eine Größe,<br />

die selbst Erfahrung benötigt;<br />

⇒ für Hume hat das Kausalitätsprinzip keinen apriorischen Stellenwert;<br />

Hume: in der Wissenschaft kann man ruhig induktiv vorgehen <strong>und</strong> schließen, aber dabei hat<br />

man nie eine letzte Sicherheit (diese hätte man lt. Hume nur in der Kausalitätsmethode);<br />

Hume: dem Menschen wurde zur Gewohnheit, das zeitliche Hintereinander als kausales<br />

Hintereinander zu identifizieren;<br />

⇒ aber: aus der Erfahrung können wir nur ein zeitliches Hintereinander feststellen; ⇒ die<br />

Wahrnehmung gibt uns kein kausales Hintereinander vor!!!<br />

19


⇒ Unterscheidung: das propter hoc (das weshalb, der Gr<strong>und</strong>) ist eigentlich nur ein post<br />

hoc (nach etwas, zeitlich Vorgängiges); ⇒ es ist kein eigentlicher Denkakt, sondern ein<br />

psychologischer Vorgang, der uns auf die falsche Fährte lockt nämlich durch Gewohnheit<br />

Hume: die Wirklichkeit selbst ist nicht kausal strukturiert; die wissenschaftliche Erkenntnis<br />

nimmt eine Unterstellung eines kausalen Verhältnisses vor ⇒ das propter hoc ist eigentlich<br />

nur ein post hoc!<br />

3.3 Kants Syntheseversuch<br />

Kant sieht Schwächen im Rationalismus <strong>und</strong> im Empirismus; ⇒ Kant versucht beides auf<br />

höherer Ebene zu integrieren;<br />

Kants Vorwurf an den Rationalismus: er betreibt einen Dogmatismus: der Rationalismus<br />

geht von bloßen Vernunft(an)sätzen aus; er glaubt, dass von diesen Gesetze ableitbar seien<br />

<strong>und</strong> dass man von diesen Vernunftansätzen über die Wirklichkeit Aussagen treffen kann; ⇒<br />

die Brücke zwischen Denken <strong>und</strong> Wirklichkeit fehlt!<br />

Kants Vorwurf an den Empirismus: er läuft auf einen Skeptizismus hinaus, weil die<br />

angesammelten Fakten nie zu einer Erkenntnis (integrierendes Vorgehen) geführt werden<br />

(können); ⇒ es kommt nie zu einer wirklichen Erkenntnis ⇒ die Allgemeingültigkeit <strong>und</strong> die<br />

Objektivität sind im Empirismus nie vertretbar! ⇒ auch hier fehlt die Brücke zwischen<br />

Wirklichkeit <strong>und</strong> Denken (nur von der anderen Seite her!)<br />

Kants Gegenposition<br />

Erkenntnis vollzieht sich dann, wenn zwei Dinge zusammenkommen:<br />

Anschauung Begriff<br />

Sinnlichkeit Verstand<br />

(sinnliche) Affektion Denken<br />

Anschauung: der Ort, mit dem Kant versucht, der Wahrnehmung (Empirie) einen ihr<br />

rechtmäßigen Platz zu zuweisen;<br />

Begriff: der Ort, mit dem Kant dem Rationalismus die ihm zustehende Wichtigkeit<br />

einzuräumen;<br />

⇒ Anschauung oder Begriff allein ergeben keine Erkenntnis! ⇒ „der Begriff ohne<br />

Anschauung ist leer, die Anschauung ohne Begriff ist blind!“<br />

⇒ 2 gleichberechtigte Quellen der Erkenntnis; beide sind notwendig;<br />

Kants Urteilslehre<br />

er unterscheidet 4 Dinge im Bezug auf Urteile<br />

a priori: vor aller Sinneserkenntis; die Bedingung der Möglichkeit von Sinneserkenntnis;<br />

Bsp.: „der Kreis ist r<strong>und</strong>“; „Gott existiert“;<br />

a posteriori: ein Urteil, das erst über die/nach der Sinneserkenntnis möglich wird; Bsp.:<br />

„heute ist es schön“;<br />

analytisch: der Subjektsbegriff beinhaltet bereits das, was mit dem Prädikatsbegriff<br />

(nochmals) über das Subjekt ausgesagt wird; Bsp.: „der Schimmel ist weiß“;<br />

20


synthetisch: Subjektsbegriff wird inhaltlich durch den Prädikatsbegriff erweitert; Bsp.: „die<br />

Tafel ist schwarz“;<br />

Kant: analytische Urteile sind gewöhnlich a priori: ich muss bspw. keinen Schimmel<br />

gesehen haben, um zu wissen, dass sie weiß sind! ⇒ für analytische Urteile braucht man nur<br />

Vernunfterkenntnis! ⇒ apriorische Urteile;<br />

natürlich kann man analytische Urteile a posteriori bestätigen, aber ein analytisches Urteil a<br />

posteriori wirkt eher banal („Ja, wirklich, der Schimmel ist weiß“);<br />

synthetische Urteile sind gewöhnlich a posteriori: alle „klassischen“ Urteile der<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> des Alltags ⇒ sie haben zuerst einmal Bezug zur Sinnlichkeit, bevor ein<br />

Urteil gefällt wird;<br />

Kants entscheidende Frage: gibt es synthetische Urteile a priori? ⇒ gibt es Urteile, wo<br />

der Prädikatsbegriff im Subjekt selbst noch nicht enthalten ist (synthetisch) <strong>und</strong> wo vor jeder<br />

sinnlichen Anschauung (a priori) das Urteil gefällt wird?<br />

⇒ Kant: das ist die Metaphysik (kein Bezug zur Sinnlichkeit) ⇒ Kant: die Metaphysik ist als<br />

Wissenschaft nicht möglich!<br />

synthetische Urteile gibt es lt. Kant schon <strong>und</strong> zwar in der Mathematik <strong>und</strong> in den formalen<br />

Wissenschaften: sie beschäftigen sich nämlich mit den Anschauungsformen (die Bedingungen<br />

der Möglichkeit für konkrete Erkenntnis; ⇒ Raum <strong>und</strong> Zeit) <strong>und</strong> nicht mit dem Konkreten;<br />

Eindrücke kommen ungeordnet auf den Menschen ⇒ es gibt im Menschen eine Art<br />

Vorordnung⇒ alles, was wir über die Sinnlichkeit wahrnehmen, ist räumlich <strong>und</strong> zeitlich<br />

vorgeordnet; ⇒ keine Vorstellung kommt ohne die Räumlichkeit <strong>und</strong> Zeitlichkeit zustande;<br />

dies ist eine Art Filter, den der Mensch an die Wirklichkeit heranträgt;<br />

es sind die reinen (d.h. vor jeder sinnlichen Erfahrung) Anschauungsformen ⇒ Raum <strong>und</strong><br />

Zeit; ⇒ das Ordnungsprinzip auf Seiten der Anschauung sind also Raum <strong>und</strong> Zeit;<br />

Das Ordnungsprinzip auf Seiten der Begriffe sind bei Kant 12 Kategorien, die sich in 4<br />

Gruppen einteilen lassen;<br />

- Quantität<br />

- Qualität<br />

- Modalität<br />

- Relation<br />

die Instanz, die Kategorien <strong>und</strong> reine Anschauungsformen zusammenbringt, ist die<br />

Einbildungskraft; ⇒ bei jeder Verbindung von Sinnlichkeit <strong>und</strong> Verstand durch die<br />

Einbildungskraft, kommt (Erfahrungs-)erkenntnis zustande;<br />

⇒ Wo ist dann der Ort der Kausalität?<br />

Hume leugnet den Zusammenhang zwischen zeitlichem <strong>und</strong> kausalem Hintereinander;<br />

Kants Kritik: Hume geht zirkulär vor! Wenn ich das Kausalgesetz kritisiere oder vertrete,<br />

gebrauche ich selbst automatisch kausale Argumente; durch die Hintertüre kommt das<br />

Kausalprinzip wiederum in die Argumentation hinein, in der ich eigentlich mit dem<br />

Kausalitätsprinzip aufräumen wollte!<br />

aber: auch die Erfahrungsenthobenheit von Leibniz kritisiert Kant!<br />

21


Kant versteht das Kausalitätsprinzip apriorisch <strong>und</strong> synthetisch!<br />

apriorisch, weil die Kausalverknüpfung losgelöst von jeder Erfahrung ⇒ denn: das<br />

Kausalprinzip ist überhaupt erst Bedingung der Möglichkeit für Erkenntnis!!<br />

die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zu einem konkreten Erkenntnisprozess kommen<br />

kann, ist das Kausalprinzip (Kant argumentiert hier auf einer höheren Stufe (Bedingung der<br />

Möglichkeit für....) ⇒ auf transzendentaler Ebene);<br />

Kant gibt Bedingungen dafür an, dass der Mensch überhaupt sinnliche Erfahrung prinzipiell<br />

machen kann; ⇒ Kausalität ist eine solche Bedingung der Möglichkeit für sinnliche<br />

Erkenntnis; ⇒umgekehrt: alle empirische Veränderung ist für uns als eine kausale<br />

Veränderung erkennbar!<br />

⇒ Erkenntnis ist nur im Zusammenwirken von Verstand <strong>und</strong> Sinnlichkeit möglich; ⇒ eine<br />

Bedingung der Möglichkeit solcher Erkenntnis ist die Kausalität; ⇒ alles, was ich in der<br />

Wirklichkeit als Veränderung wahrnehme, ist kausal strukturiert;<br />

synthetisch ist das Urteil, weil durch die Kausalität immer zwei unterschiedliche<br />

Bestimmungsstücke zusammengebracht werden, nämlich die Ursache <strong>und</strong> die Wirkung;<br />

wenn ich nach Bedingungen der Möglichkeit für Erfahrung frage, begegnet mir dort die<br />

Kausalität; diese ist aber kein Ding der Wirklichkeit selbst (Leibniz), sondern die Kausalität<br />

kommt im Zusammenspiel von Verstand <strong>und</strong> Sinnlichkeit zustande;<br />

Kant: wenn ich überprüfe, ob ich Kausalität brauche oder nicht, gebrauche ich immer schon<br />

Kausalität!<br />

⇒ Kausalität ist synthetisch, weil zur Wirkung eine Ursache hinzukommt <strong>und</strong> sie ist<br />

apriorisch, weil ich sie immer schon gebrauche in der Anschauung;<br />

die Kausalität ist für Kant eine Kategorie, die er der Gruppe der Relationen einordnet;<br />

Kant fragt allgemein: Was bedingt Erfahrung? ⇒ Frage nach den Bedingungen der<br />

Möglichkeit für Erfahrung; ⇒ es geht im nicht um die konkrete Erfahrung als solche!<br />

2 Dinge verbinden sich dabei notwendigerweise:<br />

Sinnlichkeit Verstand;<br />

⇒ die Erfahrung ist immer auch etwas Sinnliches!<br />

eine weitere Frage, die sich daraus ergibt: Wie wird etwas zum Gegenstand meiner<br />

Erkenntnis? ⇒ Frage nach der Gegenständlichkeit;<br />

Kant: was immer ich erfahre, ist ein Gegenstand; ⇒ die Frage nach den Bedingungen der<br />

Möglichkeit von Erfahrung wird zur Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von<br />

Gegenstandserkenntnis!<br />

weil jede Erkenntnis die Kategorie Kausalität in sich hat, ist die Gegenstandserfahrung<br />

selbst eine kausale Erfahrung; ⇒ ein Gr<strong>und</strong>muster der Erfahrung ist immer schon die<br />

Kausalität (weil sie ja Kategorie ist)!<br />

Kant: Geltung hat das Kausalitätsgesetz für die Natur nur insofern die Natur<br />

Gegenstand meiner Erkenntnis wird ⇒ die Natur selbst hat keine Kausalstruktur! ⇒ die<br />

Kausalstruktur kommt erst durch das Subjekt (den Erkennenden) an den Gegenstand heran!<br />

22


ob die Kausalität in der Natur selbst liegt oder nicht, ist eine andere Frage; wir haben aber nur<br />

als Subjekte der Erkenntnis Zugang zur Natur ⇒ ob die Kausalstruktur in der Natur liegt,<br />

können wir prinzipiell nicht sagen!<br />

⇒ Kant unterscheidet zwischen den Ding an sich <strong>und</strong> dem Ding als Erscheinung<br />

uns sind die Dinge nur als Erscheinung zugänglich, nicht aber das Ding an sich, weil wir<br />

bei jeder Erkenntnis unsere Kategorien <strong>und</strong> Anschauungsformen an das Ding herantragen! ⇒<br />

unsere Erkenntnis konstituiert den Erkenntnisgegenstand auch mit! ⇒ die<br />

Gegenständlichkeit von Objekten hängt vom Subjekt selbst ab! ⇒ ein Ding ist nicht<br />

automatisch Gegenstand;<br />

damit stellt sich Kant gegen den (aristotelischen) Realismus: der Mensch bildet in seinem<br />

Denken/Erkennen die Wirklichkeit ab;<br />

Wirklichkeit ⇒ Erkenntnis ⇒ eine Art Abbild entsteht im Kopf;<br />

auch wenn es Fehler im Erkenntnisakt gibt, so versucht man zumindest <strong>und</strong> ist prinzipiell<br />

dazu in der Lage, die Wirklichkeit 1:1 wiederzugeben im Denken!<br />

⇒ die Wirklichkeit als Wirklichkeit ist unabhängig davon, dass wir sie betrachten ⇒ wir<br />

tragen nichts an sie heran!<br />

Kant bezweifelt diese neutrale Außenwelt als Erkenntnisgegenstand; ⇒ wenn wir an die<br />

Wirklichkeit herangehen, dann haben wir auch Anteil an der „Mitbildung“ der<br />

Gegenständlichkeit der Wirklichkeit, bzw. an der Wirklichkeit so wie sie uns erscheint; ⇒ es<br />

gibt keine Gegenständlichkeit außerhalb des menschlichen Erkenntnisprozesses;<br />

wir haben immer nur eine Wirklichkeit vor uns, die wir schon mitbestimmt haben! aber:<br />

nicht jeder hat seine eigene, persönlich Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit ist<br />

beeinflusst durch unsere apriorischen Kategorien <strong>und</strong> Anschauungsformen, die aber bei<br />

allen vernünftigen Menschen die gleichen sind!<br />

Kritik an Kant<br />

1.) ausgehend vom dt. Idealismus: dieser behauptet: eine Anschauung gibt es auch<br />

jenseits der Sinnlichkeit! ⇒ die „intellektuelle Anschauung“; ⇒ Erweiterung des<br />

Erfahrungshorizontes; die Erfahrung ist nicht mehr geb<strong>und</strong>en an die Sinnlichkeit (wie<br />

bei Kant noch);<br />

heute aus dieser Strömung noch relevant ist die Frage: „Ist Erfahrung immer sinnliche<br />

Erfahrung; gibt es jenseits der Sinnlichkeit keine Erfahrung?“<br />

das große Verdienst Kants war der Aufweiß: Erkenntnis hat immer (auch) eine<br />

subjektive Seite; ⇒ der Mensch trägt immer schon etwas an die Wirklichkeit heran;<br />

der Empirismus setzte sich auch in der wissenschaftlichen Praxis durch; ⇒ nur das Sinnliche<br />

ist wahr;<br />

2.) ausgehend von der evolutionären <strong>Erkenntnistheorie</strong>: diese apriorischen<br />

Erkenntnisbedingungen sind nur phylogenetische Aposterioris; ⇒ in der<br />

Stammesgeschichte der Menschen sind die Erkenntnisbedingungen relativ; ⇒ die<br />

frühen Menschen hatten diese apriorischen Gr<strong>und</strong>bedingung von Erkenntnis nicht! ⇒<br />

diese sind daher geschichtlich kontingent <strong>und</strong> daher nicht apriorisch!<br />

23


Antwort darauf: die Erkenntnis, Erkenntnis sei evolutionär bedingt, ist selbst ja<br />

wiederum nur evolutionär bedingt ⇒ die evolutionäre <strong>Erkenntnistheorie</strong> müsste sich<br />

selbst abschaffen!<br />

im Unterschied zu Hume unterscheidet Kant zwischen möglicher <strong>und</strong> wirklicher Erfahrung;<br />

Kant: die konkrete Erfahrung ist immer a posteriori! die mögliche Erfahrung ist apriorisch;<br />

Bsp.: ich sehe schmelzendes Wachs;<br />

⇒ auch wenn ich die tatsächliche Ursache dafür nicht sehe, weiß ich aber, dass es eine<br />

Ursache geben muss ⇒ der Mensch als erkennendes Subjekt unterstellt der Wirklichkeit<br />

immer schon Kausalität;<br />

die konkrete Ursachenbestimmung ist immer a posteriori; aber, DASS es eine Kausalität zu<br />

suchen gibt, ist apriorisch im Menschen!<br />

⇒ das Kausalitätsprinzip ist Ermöglichungsbedingung (Bedingung zur Möglichkeit) für<br />

Erfahrungserkenntnis!<br />

3.) Lässt sich die apriorische <strong>und</strong> die aposteriorische Seite der Erfahrung so klar<br />

trennen, wie es Kant tut? ⇒ denn woher weiß denn eigentlich Kant das alles,<br />

zumal die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung nicht über sinnliche<br />

Erfahrung (die einzige Erfahrung die Kant zugesteht) feststellbar ist (Kausalität gibt<br />

es bspw. nicht als solche in der Welt, sodass ich sie betrachten kann!)<br />

Kant behauptet aber gerade, Erkenntnis sei immer sinnliche Erfahrung;<br />

Kant: das Faktum, DASS es eine Ursache gibt, trägt der Mensch an den Gegenstand/den<br />

Sachverhalt heran; welche Ursache im KONKRETEN der Fall ist, ist erst aposteriorisch<br />

einzuholen;<br />

4. Wahrheitstheorien ⇒ Was ist Wahrheit<br />

⇒ in der Philosophie ein kontrovers diskutiertes Thema; es gibt verschiedene Theorien der<br />

Wahrheit;<br />

schon der Begriff Wahrheit selbst ist ein doppelter:<br />

1.) ontologische Wahrheit: ein Begriff der Metaphysik/Ontologie; ⇒ eine<br />

transzendentale Bestimmung der Wirklichkeit ⇒ transzendent, weil sie allen<br />

Gegenständen zukommt ⇒ es gibt für die Wahrheit im ontologischen Sinn kein<br />

Gegenstück (Falschheit) ⇒ kein Gegenteil; jedem Ding, so fern es ist, kommt diese<br />

Bestimmung zu; Wahrheit im ontolog. Sinn bedeutet Zugänglichkeit der<br />

Wirklichkeit für die Erkenntnis; ⇒ Wirklichkeit ist für das Erkennen zugänglich;<br />

eine andere Kategorie neben Wahrheit ist bspw. appetibile (alles ist für den Willen<br />

zugänglich ⇒ alles was ist, kann ich auch wollen);<br />

2.) ontische Wahrheit: Ort der ontischen Wahrheit ist der Satz (als Abbild der<br />

Wirklichkeit); ⇒ Frage nach der Wahrheit ist Frage nach der Wahrheit des Satzes;<br />

„bildet er die Wirklichkeit ab?“; ⇒ das Gegenteil hiervon ist die Falschheit;<br />

die vorgestellten Theorien sind allesamt auf der ontischen Ebene angesiedelt;<br />

⇒ was zeichnet wahre Erkenntnis aus?<br />

24


es gibt 2 Seiten der Medaille im Bezug auf Wahrheit:<br />

1.) Wirklichkeit<br />

2.) Erkenntnis der Wirklichkeit<br />

diese beiden Dinge bedingen aber einander; 1.) die Wirklichkeit ist uns immer nur über die<br />

Erkenntnis zugänglich; 2.) hat aber das Erkennen immer mit Wirklichkeit zu tun; ⇒ wir<br />

erkennen nicht „ins Leere“;<br />

4.1 Korrespondenz- oder Adäquationstheorie<br />

Korrespondenz: Entsprechung<br />

Adäquiation: Angleichung<br />

es geht um die Angleichung zwischen Wirklichkeit <strong>und</strong> Sprache/Intellekt/Vernunft; ⇒<br />

diese beiden sollen in Einklang gebracht werden, damit Erkenntnis die Wirklichkeit wahr<br />

abbildet;<br />

Bsp.: Thomas in „Quaestiones disputatae“ <strong>und</strong> darin im Abschnit „De Veritate“: jede<br />

Erkenntnis erfolgt durch die Anpassung zwischen Erkennendem <strong>und</strong> Erkanntem (per<br />

assimilationem); die Anpassung ist Ursache der Erkenntnis (causa cagitationis); wenn die<br />

Anpassung gelingt, ist der Satz wahr;<br />

Thomas wird noch konkreter: der Intellectus <strong>und</strong> das Ding (res) werden miteinander in<br />

Anpassung gebracht; ⇒ es geht um Dingerkenntnis, nicht etwa um Erkenntnis eines<br />

Gedankens/einer Einstellung o.ä.;<br />

⇒ diese Angleichung von Verstand <strong>und</strong> Ding ist die Bedingung dafür, dass etwas in Wahrheit<br />

erkannt wird;<br />

Formel: adaequatio intellectus et rei: Angleichung des Intellekts <strong>und</strong> des Dings;<br />

Problem: es muss die Übereinstimmung zwischen Intellekt <strong>und</strong> Sache festgestellt werden; es<br />

bräuchte eine weitere Instanz zur Feststellung der Übereinstimmung; ⇒ eine Art<br />

Vogelperspektive, die aber für den Menschen nicht möglich ist! der Mensch hat nämlich<br />

immer eine interne Perspektive; ⇒ man erkennt diese Übereinstimmung zwischen<br />

Intellekt <strong>und</strong> Ding immer nur über den Intellekt selbst! ⇒ einseitige Betrachtung; ⇒ die<br />

Feststellung des Einklangs geht nie ohne sich selbst ins Spiel zu bringen!<br />

dieses Problem wollte man in der Adäquationstheorie in den Griff bekommen!<br />

Thomas: der Garant, der so einen Einklang sicherstellen kann, ist Gott; Gr<strong>und</strong>: er hat die<br />

Dinge geschaffen <strong>und</strong> auch den Menschen mit seinem Intellekt; ⇒ Gott ist Garant dafür, dass<br />

es einen Einklang zwischen Intellekt <strong>und</strong> Wirklichkeit gibt bzw. dass dieser prinzipiell<br />

möglich ist; ⇒ eine Absicherung, sonst wäre es möglich, dass der Mensch an der<br />

Wirklichkeit vorbei erkennt;<br />

FN: Wort Gottes bei Thomas ist nicht Wort, das ausgesprochen wird, wie das menschliche<br />

Wort (also in menschlichen Maßstäben), sondern bei Gott ist Sprechen gleichbedeutend mit<br />

Schaffen; ⇒ Erkennen ist dort auch Schaffen ⇒ Verbindung zwischen ontischer <strong>und</strong><br />

ontologischer (Metaphysik) Wahrheit;<br />

eine andere Spielart:<br />

Wittgenstein im „Tractat“: er hat die gleichen Schwierigkeiten wie Thomas’ Theorie; auch er<br />

versucht das Problem zu lösen;<br />

25


Wittgenstein: Sprache <strong>und</strong> Wirklichkeit haben Strukturgleichheit; ⇒ Isomorphie!<br />

es gibt eine Struktur in der Wirklichkeit: daher gibt es dort auch Relationen; diese Relationen<br />

sind logisch aufgebaut <strong>und</strong> bilden sog. Sachverhalte;<br />

⇒ die prinzipiell mögliche logische Strukturen (Sachverhalte) müssen nicht unbedingt<br />

wirklich bestehen (dies sind Tatsachen);<br />

auf der Spracheebene:<br />

Sachverhalte entsprechen Sätzen; Dinge entsprechen Begriffen; ⇒ dadurch kann ich auch auf<br />

der Spracheben die Relationen ausdrücken dadurch, dass Sprache <strong>und</strong> Wirklichkeit die<br />

gleiche logische Struktur haben;<br />

wenn die logische Struktur der Wirklichkeit mit der logischen Struktur des Satzes identisch<br />

ist, ist der Satz wahr!<br />

⇒ Strukturelle Adäquation zwischen Wirklichkeit <strong>und</strong> Sprache; Wittgenstein nennt dies<br />

„logische Form“ der Wirklichkeit/der Sprache;<br />

Wittgenstein versucht die Adäquation durch eine Abbildung aufzulösen; ⇒ die<br />

Wirklichkeit wird durch die Sprache abgebildet;<br />

Schwierigkeiten einer Abbildtheorie:<br />

- eine solche ist schwer anwendbar auf Allsätze (generelle Aussagen, wie „alle<br />

Menschen sind sterblich“); man merkt: wenn man Sprache nur als Struktur sieht,<br />

bleibt die Sprache hinter dem zurück, was sie auch ist (Semantik bspw.);<br />

Adäquationstheorien versuchen eine Relation herzustellen zwischen Erkenntnis <strong>und</strong><br />

Wirklichkeit; ⇒ die Erkenntnis befasst sich dann mit dem Verhältnis; dieser Einklang wird<br />

durch Gleichheit ermöglicht: bei Thomas bliebt es offen, was die Gleichheit ist? bei<br />

Wittgenstein: die Struktur zwischen Sprache <strong>und</strong> Wirklichkeit ist gleich;<br />

⇒ man muss zuerst einmal die Gleichheit der Struktur zwischen den beiden überhaupt<br />

nachweisen!<br />

es braucht bei der Adaquationstheorie auch eine 3. Instanz, die diese Adäquationstheorie<br />

feststellt <strong>und</strong> beurteilt; ⇒ diese fehlt aber; auch die Erkenntnis eines anderen Menschen, der<br />

mir dies bestätigt, ist ungenügend, weil er auch nur die gleichen prinzipiellen Möglichkeiten<br />

der Erkenntnis hat wie ich! ⇒ man kommt in eine „Schlechte Unendlichkeit“;<br />

weitere Anfrage: ist die Wirklichkeit als ganzes überhaupt so erkennbar, dass ein Satz die<br />

ganze Wirklichkeit abbilden könnte, Bsp.. Allsätze?<br />

1. Semantische Theorie der Wahrheit<br />

Tarski (1901 – 1983);<br />

Werk 1933 (polnisch) / 1935 (deutsch): „der Wahrheitsbegriff in den formalisierten<br />

Sprachen“;<br />

Adäquationstheorien suchen eine Verbindung zwischen der Wirklichkeit <strong>und</strong> dem Satz; Bsp.:<br />

Thomas, Wittgenstein: er versucht es über die Isomorphie der Struktur von Wirklichkeit <strong>und</strong><br />

Sprache/bzw. Satz;<br />

26


4.2 Semantische Theorie von Wahrheit<br />

Tarski: er entwickelt eine komplexere Form der Adäquationstheorie;<br />

semantisch ist sie, weil es um den Inhalt von Sätzen geht <strong>und</strong> nicht bloß um deren Struktur!<br />

⇒ es sollen inhaltliche Kriterien für die Wahrheit von Sätzen gef<strong>und</strong>en werden; es geht<br />

daher nicht um die Syntax der Sätze!<br />

es geht um die Frage: Was ist Wahrheit, was ist Definition,...?<br />

⇒ wie muss der Inhalt des Satzes beschaffen sein, damit er als wahr zu gelten hat?<br />

⇒ Tarskis Wahrheitstheorie gilt aber nicht für die alltägliche Sprache, sondern nur für<br />

formale Sprachen, d.h. für Kalküle, Programmiersprachen, Kunstsprachen o.ä.;<br />

Tarski unterscheidet verschiedene Ebenen von Sprache:<br />

1. Ebene der Wirklichkeit/Wirklichkeitsebene<br />

2. Ebene der Sprache:<br />

bezieht sich auf die Wirklichkeitsebene<br />

aber man kann auch über die Sprache selbst sprechen ⇒ Aufteilung der Sprachebene in<br />

1. Ebene: Objektsprache<br />

2. Ebene: Metasprache<br />

die Metasprache bezieht sich auf die Objektsprache; erst auf dieser 2. Ebene geht es um<br />

die Wahrheit von Sätzen, welche sich wiederum auf die Wirklichkeit beziehen;<br />

⇒ die Ebenen lassen sich unendlich weiter fortführen: die Erklärung der Metsprache, bzw.<br />

das Reden über diese Metasprache erfolgt wiederum auf der nächst höheren Stufe, der<br />

Metametasprache;<br />

Tarski: diese Einteilung erlaubt es festzustellen, wie semantische Begriffe richtig verwendet<br />

werden, sodass er Wirklichkeit ausdrückt;<br />

⇒ „Semantische Konvention“<br />

um über die semantische Wahrheit von Sätzen reflektieren zu können, muss man auf die<br />

Metametaebene gehen;<br />

semantische Konvention ist ein Satz über Sätze, die Sätze zum Inhalt haben, welche<br />

wiederum über die Wirklichkeit sprechen;<br />

ein Begriff ist dann richtig verwendet, wenn Systeme angegeben werden können, die mit der<br />

Wirklichkeit übereinstimmen <strong>und</strong> diesen Begriff verwenden;<br />

⇒ Wann kann ich sagen, dass Sätze wahr sind?<br />

es gibt Teilbereiche (bestimmte Sätze); diese muss man überprüfen in ihrem Bezug zur<br />

Wirklichkeit; der Satz „es schneit“ ist nur dann wahr, wenn es auch wirklich schneit, d.h.<br />

wenn das Faktum des Schneiens mit der Objektsprache übereinstimmt; ⇒ eine Überprüfung<br />

ob der Satz wahr ist, kann aber nur auf der Metasprache ablaufen;<br />

27


eine Definition von Wahrheit allgemein kann aber dann nur auf der Metametasprache<br />

erfolgen;<br />

Wahrheitskonvention als Spezifische Konvention:<br />

„eine wahre Aussage ist eine Aussage, welche besagt, dass sich die Sache so <strong>und</strong> so<br />

verhält <strong>und</strong> die Sache sich eben so <strong>und</strong> so verhält“;<br />

damit ich aber sagen kann, dass solche Sätze wahr sind, brauche ich alle Fälle (⇒ nicht auf<br />

einen konkreten Fall bezogen);<br />

⇒ für alle Fälle, die in einem Satz möglich sind, zu formulieren, muss ich das tun;<br />

„X ist wahr Aussage, wenn P.“<br />

P = der tatsächliche Sachverhalt auf der Ebene der Wirklichkeit;<br />

„P“ = der Inhalt des Satzes;<br />

⇒ man muss Teildefinitionen von Gruppen angeben;<br />

für das X müssen Teildefinitionen von verschiedenen P angegeben werden ⇒ nur in der<br />

formalen Sprache ist dies möglich, weil in der Alltagssprache die Reihe der<br />

Teildefinitionen eine unendliche ist!<br />

es geht darum, wie sich Wahrheit in ALLEN Sätzen (Satzgruppen) verhält; ⇒ X sind<br />

immer nur Teildefinitionen von Wahrheit;<br />

wenn für alle Sätze Teildefinitionen gef<strong>und</strong>en worden sind, kann man auf die nächst<br />

höhere Ebene (die Metametasprache) sehen <strong>und</strong> formulieren, was Wahrheit allgemein ist;<br />

⇒ wenn alle Äquivalenzen zwischen Wirklichkeit <strong>und</strong> Sprache gegeben sind, wissen wir, was<br />

Wahrheit ist;<br />

damit ist aber nur das Prozedere vorgegeben ⇒ in der alltäglichen Sprache ist eine<br />

Durchführung aber nicht möglich, weil man dabei in die Unendlichkeit schreitet!<br />

diese allgemeine Definition von Wahrheit ist nur möglich in einer Kunstsprache (Bsp.:<br />

Kalkül); nur dort gibt es einen semantischen Begriff von Wahrheit;<br />

⇒ der Wahrheitsbegriff besteht aus Teildefinitionen; man muss die Übereinstimmungen<br />

zwischen Satz <strong>und</strong> Wirklichkeit sehen; bei dieser Überprüfung verwende ich aber immer<br />

schon diesen Begriff von Wahrheit (retorsives Vorgehen);<br />

⇒ nur schauen, ob alle Teildefinitionen gleich sind;<br />

bei natürlicher Sprache: ich kenne die Wahrheitskonvention; ich habe zwar das<br />

Werkzeug, aber bei der Überprüfung komme ich ins Unendliche;<br />

Probleme der semantischen Theorie der Wahrheit:<br />

das Vorgehen greift auf die Adäquationstheorie zurück; ⇒ Versuch einer genaueren<br />

Reflexion dieser Methode: Fazit: ein Verfahren zur Wahrheitsfindung ist nötig!<br />

1.) aber dieses durchzuführen, ist nur in formalen Sprachen möglich, nicht aber in der<br />

natürlichen Sprache;<br />

2.) Gr<strong>und</strong>: in den natürlichen Sprachen kommt es zu Antinomien (Widersprüche):<br />

Bsp.: „’dieser Satz hier in der Mitschrift ist falsch’ ist dann <strong>und</strong> nur dann wahr, wenn<br />

der Satz hier in der Mitschrift falsch ist“<br />

der Satz ist immer nur dann wahr, wenn er falsch ist! ⇒ plötzlich ist Wahrheit <strong>und</strong><br />

Falschheit nicht mehr voneinander trennbar!<br />

28


Tarski: solche Sätze sind syntaktisch korrekt, aber semantisch kommt es zu einer<br />

Vermischung zwischen Objekt- <strong>und</strong> Metasprache; es wir ein Satz selbst zum<br />

Wirklichkeitsobjekt (d.h. Gegenstand der Objektsprache) <strong>und</strong> daher wird die Wahrheit<br />

schon in die Ebene der Objektsprache mithineingenommen, die eigentlich Gegenstand<br />

der Metasprache ist;<br />

⇒ durch die Grammatik kann man solche Vermischungen erreichen;<br />

Bsp.: wenn ein Grazer sagt: „alle Grazer lügen!“<br />

3.) bei der Suche nach einem Wahrheitsbegriff sind die Begriffe, die verwendet<br />

werden, selbst nicht definiert; ⇒ Was ist Äquivalenz/Übereinstimmung?<br />

selbst wenn ich auf der Metametasebene spreche, brauche ich immer Begriffe, die<br />

(noch) nicht definiert sind (weil sie nicht in einem geschlossenen System angelegt<br />

sind, sondern Tarskis System ist ein offenes ⇒ die Begriffe sind wiederum auf einer<br />

höheren Ebene angesiedelt); ⇒ sie müssten auf der Metametametaebene definiert<br />

werden! ⇒ man geht immer weiter auf die nächst höhere Ebene bis ins Unendliche!<br />

die Schwäche der Methode: diese Unendlichkeit, die auch zur Folge hat, dass die Methode<br />

in der Normalsprache nicht anwendbar ist;<br />

Stärke der Methode: Aufzeigen eines Prozesses wie man prinzipiell zur Wahrheit<br />

kommen kann (könnte);<br />

Tarski: Semantische Konvention: die Gr<strong>und</strong>voraussetzungen muss man erst bestimmen ⇒<br />

eine spezielle Konvention ist die „Wahrheitskonvention“: darüber, was wahr ist, muss erst<br />

zuvor bestimmt werden!<br />

⇒ es gibt unzählbar viele Fälle von Sätzen, die über die Wirklichkeit wahres aussagen ⇒ alle<br />

Teildefinitionen lassen sich nicht angeben innerhalb der normalen Sprache;<br />

⇒ in der natürlichen Sprache muss man sich mit der Wahrheitskonvention begnügen;<br />

für die semantische Wahrheitstheorie ist nur eine formale Sprache möglicher Träger!<br />

4.3 Konsens- <strong>und</strong> Diskurstheorie der Wahrheit<br />

Jürgen Habermas<br />

allgemein: in der Übereinkunft von Argumenten von Personen, die im Diskurs stehen, liegt<br />

die Wahrheit; ⇒ in der Übereinkunft von Argumenten!<br />

3 Voraussetzungen<br />

1.) die Träger von Wahrheit sind nicht die Sätze (im Gegensatz dazu sind dies die Sätze in<br />

der Adäquationstheorie sehr wohl!); die Sätze haben schon eine Aussage in sich<br />

(indem die Worte miteinander verb<strong>und</strong>en werden) ⇒ der Satz hat<br />

Behauptungsfunktion; ⇒ daran hängt auch die Wahrheitsfunktion dran!<br />

Habermas: die Behauptungsfunktion ist eingeb<strong>und</strong>en durch den Sprachakt; der Satz<br />

bekommt die Behauptungsfunktion dadurch, dass er in einem Sprachakt ausgesagt<br />

wird;<br />

aber: der Satz ist vorher schon wahr oder falsch, aber der Satz hat seine<br />

Behauptungsfunktion nur im Sprechakt! ⇒ der Satz allein behauptet gar nichts, erst im<br />

Sprechakt hat es einen Sinn von wahr oder falsch zu sprechen;<br />

29


Definition: Wahrheit ist Geltungsanspruch, den wir mit Aussagen verbinden, indem wir sie<br />

behaupten; ⇒ wir als Sprechende behaupten etwas;<br />

2.) die Behauptung, die ich setze im Sprechakt, muss im Diskurs eingelöst werden,<br />

d.h. in der Argumentation mit anderen; ein solcher Diskurs ist bestimmt als eine Folge<br />

von metasprachlichen Äußerungen;<br />

⇒ nicht jedes Gespräch ist ein Diskurs; bei normalen Gesprächen bleibt man im<br />

unmittelbaren Sprachgeschehen; ⇒ zu einem Diskurs wird ein Gespräch, wenn das,<br />

was im Gespräch gesprochen wird, selbst problematisiert wird; ⇒ die Objektsprache<br />

selbst wird problematisiert;<br />

im Diskurs werden Handlungszusammenhänge unterbrochen; die Ebene des<br />

Informationsaustausches (im Sinne der Objektsprache) wird unterbrochen; die<br />

Objektsprache selbst wird problematisiert;<br />

⇒ die Geltungsansprüche als Geltungsansprüche werden expliziert; sie werden<br />

Gegenstand des Arguments; ⇒ man redet über die Geltungsansprüche; ⇒ die<br />

Wahrheitsfindung steht nicht im Handlungszusammenhang, sondern im Diskurs; ⇒<br />

die Wahrheit muss im Diskurs eingelöst werden;<br />

3.) Verbindung zwischen Argument <strong>und</strong> Tatsache: Habermas: die<br />

Korrespondenztheorie hat einen Fehler: sie unterstellt, dass Tatsachen, die behauptet<br />

werden, schon Gegenstände sind; ⇒ man tut so, als sei der Gegenstand, über den ich<br />

Sprache, ident mit der Tatsache, die ich spreche! Habermas: Tatsache ist nicht etwas,<br />

das so schon in der Realität besteht;<br />

⇒ eine Tatsache wird erst Tatsache, wenn sie im Diskurs als solche eingelöst wird;<br />

erst im Diskurs wird klar, dass die Tatsache wirklich eine Tatsache ist; ⇒ die naive<br />

Voraussetzung der Korrespondenztheorie wird argumentativ eingeholt;<br />

⇒ Tatsachen sind charakteristisch für Diskurse, nicht aber für<br />

Handlungszusammenhänge; ⇒ die Tatsache ist auf der Sprachebene, nicht auf der<br />

Wirklichkeitsebene zu finden;<br />

Wahrheitsbegriff<br />

⇒ es bleibt der Geltungsanspruch <strong>und</strong> es kommt der Ort des Geltungsanspruchs in dieser<br />

Theorie dazu, der Diskurs;<br />

⇒ ein Geltungsanspruch muss diskursiv eingelöst werden⇒ es gibt verschiedene Arten von<br />

Geltungsansprüchen;<br />

1.) Geltungsanspruch einer Norm: du sollst.... ⇒ diese sind für die diskursive Einholung<br />

ungeeignet;<br />

2.) Geltungsansprüche für konstative Sätze ⇒ dafür ist der Diskurs dienlich;<br />

⇒ der Wahrheitsanspruch von Habermas ist nur in Geltungsansprüchen von konstatierenden<br />

Sätzen anwendbar!<br />

Wahrheitsfindung im Diskurs<br />

Diskurs ist immer Austausch von Argumenten: Argumente müssen konsensuell werden ⇒<br />

Habermas gibt formale Begründungen für einen Diskurs an;<br />

Argument: eine Begründung, die uns motivieren soll, den Geltungsanspruch des Behaupteten<br />

anzunehmen!<br />

30


im Diskurs müssen verschiedene Sprachebenen gewechselt werden können: Bsp.: „lass mich<br />

ausreden!“; „so kannst du das nicht sagen!“<br />

⇒ jeder Teilnehmer muss bestimmte Spielregeln einhalten; ⇒ der Argumentationsaustausch<br />

verlangt eine Sprechsituation, die das Hervortreten der Wahrheit ermöglicht; dies ermöglicht<br />

die „ideale Sprechsituation“: Chancengleichheit der Teilnehmer ⇒ 4 formale<br />

Bestimmungen:<br />

1.) Chancengleichheit bezüglich der Verwendung kommunikativer Sprechakte: die<br />

Teilnehmer müssen mit allen anderen Teilnehmern gleich reden dürfen;<br />

2.) Chancengleichheit bezüglich der Thematisierung <strong>und</strong> Kritisierung der Meinung<br />

anderer Teilnehmer: allen, alles sagen dürfen;<br />

3.) Chancengleichheit bezüglich repräsentativer Sprechakte: man muss mich ernst<br />

nehmen, in dem, dass ich es ernst meine! ⇒ ein Wahrheitspostulat; ich muss anderen<br />

zugestehen, dass sie nicht nur Blödsinn reden!<br />

4.) Chancengleichheit bezüglich regulativer Sprechakte: „kommen sie mir nicht zu nahe!“<br />

⇒ diese Regulativa müssen alle sagen dürfen!<br />

Gr<strong>und</strong>frage: Kann dies je erreicht werden?<br />

⇒ 1.) Nein, daher heißt dieser Diskurs auch „ideale Sprechsituation“; die Wahrheit bleibt<br />

daher an dieses Ideal geb<strong>und</strong>en; ⇒ an die Wahrheit kann man sich nur annähern, aber nie<br />

ideal, d.h. voll <strong>und</strong> ganz erreichen;<br />

⇒ 2.) es wird unterstellt, dass in der Sprechsituation Strategie <strong>und</strong> Machtspielereien keine<br />

Rolle spielen, bzw. dass Menschen keine Strategie benutzen, auch wenn sie den anderen von<br />

ihrem Argument überzeugen wollen;<br />

⇒ 3.) es wird entschieden im Diskurs, ob alle darin übereinkommen, dass die Tatsache gelten<br />

soll; Wahrheit wird intersubjektiv gewonnen (keine jeweilige Überprüfung der Wahrheit in<br />

der Wirklichkeit);<br />

⇒ 4.) Habermas ist nicht so sehr daran interessiert, WAS ein wahrer Satz ist, sondern<br />

WODURCH der Satz wahr ist ⇒ der Gegenstandsbezug wird mehr oder weniger<br />

vernachlässigt;<br />

4.4 Kohärenztheorie der Wahrheit<br />

Nikolaus Rescher; 70er Jahre: Werk „The Coherence – Theory of Truth“<br />

⇒ Rescher geht es nicht um eine Wahrheitsdefinition; ihm geht es um die Frage: gibt es ein<br />

Wahrheitskriterium?<br />

gibt es eine Gr<strong>und</strong>bedingung, die, wenn sie ein Satz hat, diesem Wahrheit zuschreiben kann,<br />

egal, was Wahrheit ist?<br />

am ehesten würde sich Rescher im Bezug auf die Wahrheitsdefinition noch der<br />

Korrespondenztheorie anschließen;<br />

31


Rescher: in wie weit die Realität selbst kohärent ist, interessiert ihn nicht; ⇒ die ontologische<br />

Ebene lässt er aus!<br />

2 Kriterien für Wahrheit<br />

1.) das garantierende Wahrheitskriterium: die unmittelbare Verknüpfung von Wahrheit<br />

<strong>und</strong> Kriterium; ein solches anzugeben, traut sich Rescher selbst nicht zu;<br />

2.) das legitimierende Wahrheitskriterium: es gibt noch eine bestimmte Differenz<br />

zwischen Wahrheit <strong>und</strong> Kriterium; ⇒ Rescher beschränkt sich darauf;<br />

weitere Beschränkung: er bezieht sich auch nur auf Tatsachensätze;<br />

Rescher führt den Begriff „Datum“ ein, das Gegebene: die ontologische Ebene interessiert ihn<br />

dabei nichts, sondern Data sind SPRACHLICHE Gegebenheiten: „Man spricht so über<br />

einen bestimmten Gegenstand“; entspricht den Propositionen (propositioneller Gehalt);<br />

solche Data sind Anwärter auf Wahrheit; ⇒ die Data müssen bestimmten Kriterien<br />

entsprechen, damit sie wahr sind;<br />

es braucht zur Feststellung immer eine Familie von Sätzen; sie müssen alle in Verbindung<br />

miteinander stehen; ⇒ man braucht einen Kontext der Data;<br />

ein Satz/Datum ist dann wahr, wenn zu den anderen Data derselben Familie (Verbindung)<br />

kein Widerspruch entsteht, sondern in der Familie Kohärenz entsteht; ⇒ein Datum muss in<br />

eine Familie eingeb<strong>und</strong>en sein!<br />

Bsp.: ein physikalischer Satz, der nicht bewiesen werden kann, weil es keine geeigneten<br />

Messinstrumente gibt; ⇒ er ist dann wahr, wenn er in ein System von anderen Sätzen<br />

widerspruchslos eingeb<strong>und</strong>en werden kann;<br />

⇒ man sieht: die Frage nach der Wirklichkeit stellt sich überhaupt nicht mehr!<br />

Rescher: die Frage nach der Wirklichkeitsentsprechung ist trivial, weil die Menschen nicht<br />

danach fragen, sondern es ist die Widerspruchslosigkeit der Sätze wichtig!<br />

wenn die Kohärenz festgestellt ist, gehen wir ohnehin davon aus, dass die Entsprechung zur<br />

Wirklichkeit besteht;<br />

Kohärenz<br />

1.) der Satz muss in sich widerspruchsfrei sein<br />

2.) das System muss eine Verbindung haben in sich ⇒ es können nicht irgendwelche<br />

beliebigen Sätze genommen werden, um ein System aufzubauen;<br />

3 Gr<strong>und</strong>konstituenden sind dabei zu beachten<br />

1.) Comprehensiveness: die Koheränz muss umfassend sein ⇒ keine partielle Kohärenz,<br />

sondern eine comprehensiveness/Umfassendheit<br />

2.) es braucht Konsistenz; das System muss in sich logisch widerspruchsfrei sein;<br />

3.) es braucht unity/Zusammenhang/Einheit im System;<br />

⇒ wenn das alles gegeben ist, dann ist die Kohärenz auch gegeben;<br />

Rescher will ein weiteres Kriterium, das sicher ist: Schauen, ob sich der Satz in der Praxis<br />

bewährt;<br />

wenn sich der Satz erfolgreich in der Praxis bewährt, ist der Satz auch als wahr<br />

anzsehen; das Erfolgskriterium ist dabei: wenn der Mensch durch das sich Stützen auf den<br />

32


Satz in der Praxis besser über die Natur herrsche kann; ⇒dies ist typisch für die 70er Jahre;<br />

heute weiß man: die Naturbeherrschung ist ein zwei schneidiges Schwert; ⇒ die<br />

Naturbeherrschung kann heute nicht mehr als positives Kriterium gesehen werden;<br />

Kritik<br />

1.) das pragmatische Kriterium auf der Metaebene ist zweischneidig,<br />

2.) sein Kriterium ist legitimierend: wenn es erfüllt ist, gehen wir davon aus, dass der Satz<br />

wahr ist; ⇒ Rescher legt kein Letztkriterium für die Wahrheit vor!<br />

wir gehen davon aber aus <strong>und</strong> tun dies gleichzeitig aber nur auf sprachliche Eben ⇒ es<br />

ist ein Kriterium für eine Vorstufe der Wahrheit;<br />

3.) positiv: er ist vorsichtig genug, sein Kriterium nicht zu überstrapazieren;<br />

4.) die Auswahl der Sätze für das System ist, zwar eingeschränkt, aber doch sehr offen;<br />

⇒ Welche Sätze nehme ich überhaupt zur Überprüfung?<br />

33


5. Textblätter<br />

<strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong> <strong>Hermeneutik</strong><br />

Gliederung<br />

SS 05<br />

1. Begriffsklärung<br />

2. Sicheres Wissen aks eine Gr<strong>und</strong>lage der Philosophie des Erkenntnis<br />

2.1 Meinung – Überzeugung – Wissen<br />

2.2 Zu den Begriffen von Deduktion <strong>und</strong> Induktion<br />

2.3 Zum Begründungsproblem im Kritischen Rationalismus<br />

3. Vernunft versus Erfahrung<br />

3.1 Rationalismus bei René Descartes<br />

3.2 Empirismus bei David Hume<br />

3.3 Kants Syntheseversuch<br />

4. Wahrheitstheorien<br />

4.1 Korrespondenz- oder Adäquationstheorie<br />

4.2 Semantische Theorie der Wahrheit<br />

4.3 Konsens- bzw. Diskurstheorie der Wahrheit<br />

4.4 Kohärenztheorie der Wahrheit<br />

5. <strong>Hermeneutik</strong><br />

34


<strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong> <strong>Hermeneutik</strong><br />

Literaturverzeichnis<br />

Albert, Hans: Traktat über kritische Vernunft, Tübingen: Mohr 51991 (= Einheit der<br />

Gesellschaftswissenschaften<br />

9).<br />

Baumann, Peter: <strong>Erkenntnistheorie</strong>, Stuttgart: Metzler 2002 (= Lehrbuch Philosophie).<br />

Bollnow, Otto F.: Philosophie der Erkenntnis. 1. Das Vorverständnis <strong>und</strong> die Erfahrung des Neuen,<br />

Stuttgart: Kohlhammer ²1981 (= Urban TB 126).<br />

Bollnow, Otto F.: Philosophie der Erkenntnis. 2. Das Doppelgesicht der Wahrheit, Stuttgart: Kohlhammer<br />

1975 (= Urban TB 184).<br />

Eberhard, Kurt: Einführung in die Erkenntnis- <strong>und</strong> Wissenschaftstheorie. Geschichte <strong>und</strong> Praxis der<br />

konkurrierenden Erkenntniswege, Stuttgart: Kohlhammer ²1999 (= Urban TB 386).<br />

Fehér, István (Hg.): Kunst, <strong>Hermeneutik</strong>, Philosophie. Das Denken Hans-Georg Gadamers im<br />

Zusammenhang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Akten des Internationalen Symposiums Budapest, 19.–22.<br />

Oktober 2000, Heidelberg: Winter 2003.<br />

Figal, Günter (Hg.): Interpretationen der Wahrheit, Tübingen: Attempto 2002 (= Tübinger Phänomenologische<br />

Bibliothek).<br />

Jung, Matthias: <strong>Hermeneutik</strong> zur Einführung, Hamburg: Junius 22002 (= Zur Einführung 234).<br />

Gabriel, Gottfried: Gr<strong>und</strong>probleme der <strong>Erkenntnistheorie</strong>. Von Descartes zu Wittgenstein, Paderborn:<br />

Schöningh ²1998 (= UTB 1743).<br />

Grondin, Jean: Einführung in die philosophische <strong>Hermeneutik</strong>, Darmstadt: Wissenschaftliche<br />

Buchgesellschaft ²2001.<br />

Gr<strong>und</strong>mann, Thomas: <strong>Erkenntnistheorie</strong>. Positionen zwischen Tradition <strong>und</strong> Gegenwart, Paderborn:<br />

mentis ²2003.<br />

Keller, Albert: Allgemeine <strong>Erkenntnistheorie</strong>, Stuttgart: Kohlhammer ²1990 (= Gr<strong>und</strong>kurs Philosophie<br />

2; Urban TB 346).<br />

Küppers, Bernd-Olaf (Hg.): Die Einheit der Wirklichkeit. Zum Wissenschaftsverständnis der<br />

Gegenwart, München: Fink 2000.<br />

Kutschera, Franz von: Gr<strong>und</strong>fragen der <strong>Erkenntnistheorie</strong>, Berlin: de Gruyter 1982 (= de Gruyter<br />

Studienbuch).<br />

Lenk, Hans: Einführung in die <strong>Erkenntnistheorie</strong>. Interpretation – Interaktion – Intervention,<br />

München: Fink 1998 (= UTB 2005).<br />

Lenk, Hans: Erfassung der Wirklichkeit. Eine interpretationsrealistische <strong>Erkenntnistheorie</strong>, Würzburg:<br />

Königshausen & Neumann 2000.<br />

Popper, Karl R.: Logik der Forschung, Tübingen: Mohr 101994 (= Einheit der Gesellschaftswissenschaften<br />

4).<br />

Prauss, Gerold: Einführung in die <strong>Erkenntnistheorie</strong>, Darmstadt: Wiss. Buchges. ³1993 (= Die<br />

Philosophie).<br />

Puntel, Lorenz B.: Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine kritisch-systematische<br />

Darstellung, Darmstadt: Wiss. Buchges. ³1993 (= Erträge der Forschung 83).<br />

Rorty, Richard: Wahrheit <strong>und</strong> Fortschritt, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2003 (= stw 1620).<br />

Ruß, Hans Günther: Wissenschaftstheorie, <strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong> die Suche nach der Wahrheit,<br />

Stuttgart: Kohlhammer 2004 (= Urban TB 591).<br />

Scheidt, Friedrich: Gr<strong>und</strong>fragen der Erkenntnisphilosophie – Historische Perspektiven, München:<br />

Reinhardt 1986 (= UTB 1419).<br />

Schnädelbach, Herbert: <strong>Erkenntnistheorie</strong> zur Einführung, Hamburg: Junius ²2004.<br />

Schneider, Norbert: <strong>Erkenntnistheorie</strong> im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Klassische Positionen, Stuttgart: Reclam<br />

1998 (= Reclam Universalbibliothek 9702).<br />

Sedmak, Clemens: Erkennen <strong>und</strong> Verstehen. Gr<strong>und</strong>kurs <strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong> <strong>Hermeneutik</strong>,<br />

Innsbruck: Tyrolia 2003.<br />

Skirbekk, Gunnar (Hg.): Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über Wahrheit im<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert, Frankfurt/M.: Suhrkamp 82001 (= stw 210).<br />

Vedder, Ben: Was ist <strong>Hermeneutik</strong>? Ein Weg von der Textdeutung zur Interpretation der Wirklichkeit,<br />

Stuttgart: Kohlhammer 2000.<br />

35


<strong>Erkenntnistheorie</strong> <strong>und</strong> <strong>Hermeneutik</strong><br />

Texte<br />

SS 05<br />

René Descartes<br />

„Circa objecta proposita non quid alii senserint, vel quid ipsi suspicemur, sed quid clare et<br />

evidenter possimus intueri vel certo deducere quaerendum est; non aliter enim scientia<br />

acquiritur / Bei den vorgenommenen Gegenständen ist nicht danach zu fragen, was andere<br />

gemeint haben oder was wir selbst etwa mutmaßen, sondern danach, was wir in klarer <strong>und</strong><br />

evidenter Intuition sehen oder zuverlässig deduzieren können; nur so nämlich erwirbt man<br />

Wissenschaft.“<br />

„Le premier était de ne recevoir jamais aucune chose pour vraie, que je ne la connusse<br />

évidemment être telle: c’est-à-dire d’éviter soigneusement la précipitation et la prévention; et<br />

de ne comprendre rien de plus en mes jugements, que ce qui se présenterait si clairement et si<br />

distinctement à mon esprit, que je n’eusse aucune occasion de le mettre en doute. / Die erste<br />

besagte, niemals eine Sache als wahr anzuerkennen, von der ich nicht evidentermaßen<br />

erkenne, dass sie wahr ist: d. h. Übereilung <strong>und</strong> Vorurteile sorgfältig zu vermeiden <strong>und</strong> über<br />

nichts zu urteilen, was sich meinem Denken nicht so klar <strong>und</strong> deutlich darstellte, daß ich<br />

keinen Anlaß hätte, daran zu zweifeln.“<br />

„[J]e jugeai que je pouvais prendre pour règle générale, que les choses que nous concevons<br />

fort clairement et fort distinctement, sont toutes vraies; mais qu’il y a seulement quelque<br />

difficulté à bien remarquer quelles sont celles que nous concevons distinctement. / [Ich]<br />

meinte daher, ich könne als allgemeine Regel annehmen, dass die Dinge, die wir ganz klar<br />

<strong>und</strong> deutlich begreifen, alle wahr sind, daß aber nur darin eine gewisse Schwierigkeit liege,<br />

richtig zu merken, welche es sind, die wir deutlich begreifen.“<br />

„haud dubie igitur ego etiam sum, si me fallit, et fallat quantum potest, numquam tamen<br />

efficiet, ut nihil sim quamdiu me aliquid esse cogitabo. Adeo ut omnibus satis superque<br />

pensitatis denique statuendum sit hoc pronuntiatum: ego sum, ego existo, quoties a me<br />

profertur vel mente concipitur, necessario esse verum. / Nun, wenn er mich täuscht, so ist es<br />

also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, soviel er kann, niemals wird er es doch fertig<br />

bringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem<br />

ich derart alles mehr als zur Genüge hin <strong>und</strong> her erwogen habe, schließlich zu dem Beschluß,<br />

daß dieser Satz: ,Ich bin, ich existiere‘, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse,<br />

notwendig wahr ist.“<br />

„Quamdiu autem? nempe quamdiu cogito; nam forte etiam fieri posset, si cessarem ab omni<br />

cogitatione, ut illico totus esse desinerem: nihil nunc admitto, nisi quod necessario sit verum;<br />

sum igitur praecise tantum res cogitans, id est mens, sive animus, sive intellectus, sive ratio,<br />

voces mihi prius significationis ignotae. Sum autem res vera et vere existens, sed qualis res?<br />

dixi, cogitans. / Wie lange aber bin ich? Nun, so lange, als ich denke. Denn es wäre vielleicht<br />

möglich, daß ich, wenn ich gänzlich aufhörte zu denken, alsbald auch aufhörte zu sein. Für<br />

jetzt lasse ich aber nichts zu, als was notwendig wahr ist! Ich bin also genau nur ein<br />

denkendes Ding (res cogitans), d. h. Geist (mens), Seele (animus), Verstand (intellectus),<br />

Vernunft (ratio) – lauter Ausdrücke, deren Bedeutung mir früher unbekannt war. Ich bin aber<br />

ein wahres <strong>und</strong> wahrhaft existierendes Ding, aber was für ein Ding? Nun, ich sage es bereits –<br />

ein denkendes.“<br />

„Atque ecce tandem sponte sum reversus eo, quo volebam; nam cum mihi nunc notum sit<br />

ipsamet corpora non proprie a sensibus vel ab imaginandi facultate, sed a solo intellectu<br />

percipi, nec ex eo percipi, quod tangantur aut videantur, sed tantum ex eo, quo intelligantur,<br />

aperte cognosco nihil facilius aut evidentius mea mente posse a me percipi. / Und sieh da! so<br />

bin ich schließlich ganz von selbst dahin gekommen, wo ich hinaus wollte. Denn da ich jetzt<br />

weiß, daß ja selbst die Körper nicht eigentlich durch die Sinne oder durch die Fähigkeit der<br />

Einbildung, sondern einzig <strong>und</strong> allein durch den Verstand erfaßt werden, auch nicht dadurch,<br />

daß man sie betastet oder sieht, sondern, daß man sie denkt: so erkenne ich ganz offenbar, daß<br />

ich nichts leichter <strong>und</strong> augenscheinlicher erfassen kann – als meinen Geist.“<br />

36

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!