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Familien durch deren Väter, überwiegend<br />

im sog. erweiterten Suizid.<br />

Die tödliche Kombination aus<br />

Depression und alleingültigen<br />

eigenen Wertvorstellungen, paranoiden<br />

Existenzsorgen und gravierenden<br />

Persönlichkeitsstörungen des<br />

Familienhauptes führen zu einer<br />

destruktiven Potenz mit entsetzlichen<br />

Folgen.<br />

Dem folgenden Abschnitt über die<br />

körperlichen Misshandlungen stellt<br />

die Autorin einen Sarkasmus des<br />

Jean de la Bruère voran: Es gibt Väter,<br />

deren ganzes Leben damit erfüllt ist,<br />

ihren Kindern Gründe zu verschaffen,<br />

sich über ihren Tod zu trösten! Der<br />

bis vor kurzen akzeptierte Erziehungsstil<br />

mit der lockeren Hand wird<br />

heutzutage zu Recht als schwarze<br />

Pädagogik gebrandmarkt. Existenz-<br />

und Trennungsprobleme, Alkohol<br />

und andere Faktoren einer destruktiven<br />

Familiendynamik tun zudem<br />

ihr böses Werk, häufig an den<br />

Ob spektakuläre Amokläufe in den<br />

Schulen, Fan-Krawalle nach Fußballspielen<br />

oder Raubüberfälle auf ältere<br />

Frauen in der Quasi-Öffentlichkeit –<br />

Jugendgewalt scheint allgegenwärtig<br />

zu sein, zuzunehmen und immer<br />

42 <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 21 (2010) 6<br />

Kleinsten, die zu Tode geschüttelt,<br />

geschlagen oder geworfen werden.<br />

Was den Kindern vorenthalten wird<br />

sind Zeit, Zärtlichkeit und Zuwendung,<br />

und das wiederum nicht nur<br />

in sozialen Unterschichten.<br />

Das abschließende Kapitel widmet<br />

sich den tödlichen Sitten, u. a. den<br />

sog. Ehrenmorden, ein Relikt aus<br />

dem vorantiken Codex Hammurapi<br />

und somit ausdrücklich nicht bzw.<br />

nur scheinbar aus islamischem<br />

Hintergrund. Werden doch jährlich<br />

etwa 5000 Mädchen und Frauen in<br />

14 recherchierten Ländern Opfer<br />

ihrer Väter und Brüder. Auch die<br />

väterliche Selektion neuen Lebens,<br />

heute mehr prä- als postnatal, ist<br />

nach wie vor gängige Praxis,<br />

vornehmlich allerdings unter fernöstlichen<br />

Kultur- und Zivilisationsaspekten.<br />

Am Ende erzählt Heidi Kastner ein<br />

Märchen, ein aufwühlendes und<br />

ohne guten Schluss. Seine Deutung<br />

bedrohlicher zu werden. Jedenfalls<br />

könnte man es so sehen, wenn man<br />

allein den Medienberichten dazu<br />

folgt.<br />

Gewalt ist kein Naturphänomen und<br />

nicht unabänderlich genetisch fixiert.<br />

Sie mag in gewisser Weise attraktiv<br />

sein, auch für die Erwachsenenwelt<br />

und insbesondere für den Commerz.<br />

Ihre mythische Stellung zwischen<br />

Gut und Böse machen sie zum Kult.<br />

Welche neurobiologischen Vorgänge<br />

liegen aggressivem Verhalten zu<br />

Grunde? Warum soll Aggression per<br />

se etwas Negatives sein? Diese und<br />

viele andere damit zusammenhängenden<br />

Fragen werden in diesem<br />

endet in Fritzls Kellerverlies von<br />

Amstetten. Sie war Gutachterin im<br />

Prozess dazu.<br />

Das Buch fesselt natürlich. Man muss<br />

sich immer wieder daran erinnern,<br />

dass es ein anderes Anliegen hat, als<br />

einen Voyeurismus zu bedienen, was<br />

der Autorin auch glaubhaft gelingt.<br />

Ein angehängtes Glossar hilft beim<br />

Verstehen einiger fachlich enger<br />

Nomenklaturpassagen. Aber bei<br />

allen Erklärungen und Versuchen zur<br />

Darstellung der inneren Dramaturgie<br />

äußerer Abläufe lässt Heidi Kastner<br />

keinen Zweifel an der Verantwortlichkeit<br />

für das Unrecht, das der Täter<br />

selbst in die Welt setzt, für das Böse,<br />

das er großzügig weitergibt und die<br />

Bedenkenlosigkeit, mit der er es tut.<br />

Ihr Mitleid endet bei der Entscheidung,<br />

so und nicht anders zu handeln.<br />

F.T.A. Erle, Magdeburg<br />

Philip Streit (in Zusammenarbeit mit Mario Leitner).<br />

Jugendkult Gewalt.<br />

Was unsere Kinder aggressiv macht.<br />

Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2010,<br />

ISBN 978-3-8000-7451-8, geb. m. Schutzumschl.<br />

im Oktavformat, 208 S., € 19,95<br />

Buch gestellt. Zwei Psychologen,<br />

befasst u. a. mit der Arbeit an schwierigen<br />

und gewaltbereiten Jugendlichen,<br />

stellen solche Fragen und<br />

mühen sich um Antworten. Zu reißerisch<br />

kommen ihnen die Medienberichte<br />

zum Thema vor, um sie unreflektiert<br />

als Tagesnachrichten so<br />

stehen zu lassen. Anhand von Fallschilderungen<br />

nähern sie sich diesem<br />

unbehaglichen Phänomen, das allerdings<br />

nur scheinbar neu ist. Was ist<br />

Realität, was Hysterie daran? Der<br />

Stoff wird von den Autoren historisch,<br />

semantisch, psychologisch,<br />

soziologisch, pädagogisch, also von<br />

allen nur denkbaren Seiten

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