Als PDF-Datei herunterladen - Ärzteblatt Sachsen-Anhalt
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Rezeptionistin mit ausdrucklosem Gesicht, während sie<br />
den Spruch ins Telefon flötet. Die Dame ist so klein, dass<br />
sie kaum über den Tisch schauen kann. Davon ausgehend,<br />
dass ich zuvor mit ihr die Ehre hatte, einen charmanten<br />
Plausch gehabt zu haben, halte ich ihr stumm die<br />
Taxirechnung unter die Nase, die sie mir, während sie<br />
telefoniert, nun mit einem freundlichen Lächeln und<br />
Kopfnicken, mich als jenen fürchterlichen Telefonmotzer<br />
erkennend, bar ausbezahlt, um mir anschließend das<br />
übliche Anmeldeformular über den Tresen zu schieben.<br />
Nonverbale Kommunikation nennt man das. So etwas<br />
funktioniert nur, wenn eine tiefgehende, beiderseitige<br />
Sympathie besteht....<br />
Ihrem stummen Wunsch komme ich mit klammen<br />
Fingern und einem schlecht schreibenden Kugelschreiber<br />
nach; allerdings ist meine ohnehin schon schlecht leserliche<br />
Klaue jetzt wahrscheinlich nur noch von erfahrenen<br />
Graphologen zu entziffern.<br />
Das Zimmer ist ok.<br />
Ich habe etwas Appetit und vor allem Durst.<br />
Großer Speisesaal, in dem genau zwei Paare jeweils<br />
einen Tisch in Beschlag genommen haben.<br />
Die Saalchefin erwartet mich am Eingang mit freundlichem<br />
Lächeln. Sie hat ein dickes Buch unter den linken<br />
Arm geklemmt und hält rechts einen Kugelschreiber,<br />
wohl bereit, eine Tischreservierung vorzunehmen und<br />
dieses schriftlich zu fixieren. Ich bitte ebenso freundlich,<br />
- immerhin ist mir inzwischen wieder warm geworden<br />
- , um einen Platz.<br />
Sie öffnet ihr Buch und schaut lange und konzentriert auf<br />
eine, wie ich erkennen kann, leere Seite. Dann weist sie<br />
mir nach langem Nachdenken, als hätte sie nur noch<br />
einen einzigen Platz frei, in der hintersten Ecke des Saales<br />
einen Tisch für sechs Personen zu.<br />
Ich nehme mit dem Rücken zum ‚Publikum’ vor einem<br />
riesigen Wandspiegel platz, von wo aus ich das Wenige,<br />
was sich im Saal abspielt, genau beobachten kann.<br />
Das kleine Bier, was es umsonst zum Abendessen gibt, ist<br />
schlecht eingeschenkt. Kann man ja verstehen; ich reklamiere<br />
dennoch. Die Bedienung kann meine Reklamation<br />
gar nicht verstehen, wobei sie offensichtlich, wie mir<br />
scheint, Können mit Wollen verwechselt.<br />
Das nächste, große Bier ist auch schlecht eingeschenkt.<br />
Bei mir Resignation. Essen gut, aber für mich zu viel.<br />
Habe mittags zu viel Apfelstrudel gegessen.<br />
Nächster Tag.<br />
Ruhige Nacht. Wache vom Duschgeräusch des Nachbarn<br />
pünktlich um 06.00 Uhr auf. Auschecken ohne<br />
Frühstück. Der Fahrer des Shuttle – Busses stöhnt, ähnlich<br />
wie gestern der Taxifahrer, beim Einladen meiner Tasche.<br />
Ich habe auf der hintersten Sitzbank schon Platz<br />
genommen, als er eine weitere Tasche auf die meine<br />
knallt, woraufhin ein schnarrendes Geräusch hörbar<br />
wird, das ich sofort als den Sound meiner elektrischen<br />
Zahnbürste identifiziere. Hektik bei mir.<br />
Der Fahrer lädt die Tasche wieder stöhnend aus.<br />
48 <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 21 (2010) 6<br />
Ich steige aus, schleppe das schwere Ding in die Eingangshalle,<br />
weil es draußen a) regnet, ich b) bei dem schlechten<br />
Licht die winzigen Zahlen auf dem Zahlenschloss meiner<br />
Tasche nicht lesen kann. Schloss auf, Zahnbürste zum<br />
Schweigen bringen. Sorgsam bette ich sie zwischen<br />
Unterhosen und Pullover, und rede ihr gut zu, damit sie<br />
nicht wieder Ärger macht.<br />
Dadurch verzögert sich die Abfahrt des Shuttles. Die<br />
anderen Fahrgäste rutschen schon nervös auf ihren Sitzen<br />
rum, weil sie noch ihren Flieger erreichen wollen.<br />
Einchecken problemlos. Das Übergewicht meiner Tasche<br />
interessiert die charmante Dame am Schalter offensichtlich<br />
zu so nachtschlafender Zeit noch nicht brennend. <strong>Als</strong><br />
ich ihr lässig so nebenbei erzähle, dass ich kurz mal fast<br />
drei Monate in die Karibik fliege, zum Arbeiten, als<br />
Schiffsarzt, kriegt sie große Augen und gerät in neidisches<br />
Schwärmen, was mir natürlich gut tut. Man ist ja bis ins<br />
hohe Alter noch ein bisschen eitel. Jedenfalls ich.<br />
Sicherheitscheck ohne Probleme.<br />
In der Wartehalle schlage ich diesen Morgen um sieben<br />
entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten ungemein hart<br />
zu: Zwei Weißwürste und eine Brezel und eine halbe<br />
Weizen. So etwas habe ich in meinem Leben noch nie<br />
gemacht!<br />
Das Weizen ist gut. Aber Weizen treibt; vor allem, wenn<br />
man hinterher noch einen großen Topf Tee trinkt.<br />
Ich weiß, wo man die ganze Sache entsorgen kann.<br />
Ganz hinten in der Halle und dann, - nicht rechts - ,<br />
sondern links.Ich gönne mir den Luxus der Benutzung<br />
des Aufzuges, um zur zwei Stockwerke tiefer gelegenen<br />
Herrentoilette zu fahren. Den Weg dorthin kenne ich<br />
nämlich schon. Vor der Toilette steht ein Putzwagen.<br />
„Geschlossen wegen Reinigungsarbeiten“, steht auf dem<br />
Schild in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und<br />
Türkisch.<br />
Will mit dem Lift wieder hinauf fahren. Drücke auf ‚Check<br />
in’. Türe geht zu. Nichts rührt sich. Ich warte. Ruhe.<br />
Keine Bewegung. Ich drücke auf Zwei. Beide Knöpfe<br />
leuchten jetzt. Nichts. Ich warte. Nichts.<br />
Boarding ist um 08.45 Uhr. <strong>Als</strong>o habe ich noch Zeit.<br />
Bin ganz cool und muss sogar lachen. Ich drücke auf die<br />
Glocke. Ich höre nichts. Nichts rührt sich. Ich schaue auf<br />
die Uhr. Zehn Minuten sind vergangen. Noch habe ich<br />
viel Zeit. Überlege dennoch, wie ich mich bemerkbar<br />
machen kann; denn die Karibik lockt mich schon sehr!<br />
Dann, oh Wunder!, setzt sich der Lift mit einem unsanften<br />
Ruck in Bewegung.<br />
Füllungszustand der Blase nimmt bedrohlich zu. Das<br />
Heben meiner schweren Gepäckstücke erhöht beim<br />
Betätigen der Bauchpresse den Drang.<br />
Kein Problem, denke ich; dann eben ans andere Ende des<br />
Ganges. Sind ja nur ungefähr dreihundert Meter....<br />
Da wirklich geradeaus und dann rechts. Allerdings stelle<br />
ich jetzt fest, dass dort nur Damen dürfen. Außerdem<br />
bestünde noch die Möglichkeit zum Wickeln der Babys.<br />
Das muss jetzt eigentlich nicht sein, da ich noch nicht!