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Krieg und Frieden

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Gast hinausbegleitet hatte, kehrte er zu den Besuchern oder Besucherinnen<br />

zurück, welche noch im Salon waren, rückte sich einen Sessel heran, setzte<br />

sich, <strong>und</strong> indem er mit der Miene eines Mannes, dem es Freude macht zu leben<br />

<strong>und</strong> der auch zu leben versteht, forsch <strong>und</strong> munter die Beine<br />

auseinanderspreizte, die Hände auf die Knie legte <strong>und</strong> sich bedeutsam hin <strong>und</strong><br />

her wiegte, stellte er Vermutungen über das Wetter auf <strong>und</strong> tauschte gute<br />

Ratschläge über die Ges<strong>und</strong>heit aus, <strong>und</strong> zwar bald auf russisch, bald in sehr<br />

schlechtem, aber zuversichtlich vorgebrachtem Französisch. Und dann stand er<br />

wieder von neuem auf, um mit der Miene eines zwar ermüdeten, aber mit<br />

treuer Festigkeit seine Pflicht erfüllenden Mannes Gästen das Geleit zu geben,<br />

wobei er sich die spärlichen grauen Haare auf der kahlen Platte zurechtstrich<br />

<strong>und</strong> immer wieder zum Mittagessen einlud. Bisweilen ging er, bei der<br />

Rückkehr aus dem Vorzimmer, durch das Blumenzimmer <strong>und</strong> das<br />

Geschäftszimmer nach dem großen Marmorsaal mit heran, wo eine Tafel zu<br />

achtzig Gedecken bereitet wurde, sah einen Augenblick den Dienern zu,<br />

welche Silber <strong>und</strong> Porzellan herbeitrugen, die Tische zurechtstellten <strong>und</strong> die<br />

Damasttischtücher auflegten, rief seinen Dmitri Wasiljewitsch, einen Mann<br />

von adliger Herkunft, der ihm sämtliche geschäftlichen Angelegenheiten<br />

besorgte, zu sich heran <strong>und</strong> sagte: »Na ja, lieber Dmitri, sieh nur zu, daß alles<br />

recht schön wird. Gut so, gut so«, bemerkte er beifällig, indem er mit<br />

Vergnügen den riesigen Ausziehtisch betrachtete. »Die Hauptsache ist immer<br />

die Ausstattung der Tafel. Ja, ja ...« Und dann ging er mit einem kleinen<br />

selbstgefälligen Seufzer wieder in den Salon.<br />

»Marja Lwowna Karagina nebst Tochter!« meldete mit seiner Baßstimme<br />

ein hünenhafter Rostowscher Lakai, indem er in die Tür des Salons trat. Die<br />

Gräfin überlegte einen Augenblick lang <strong>und</strong> schnupfte aus einer goldenen<br />

Dose, die auf dem Deckel das Bild ihres Mannes trug.<br />

»Diese Visiten haben mich schon ganz krank gemacht«, sagte sie. »Nun,<br />

diese will ich noch annehmen; das soll dann aber auch die letzte sein. Die<br />

Dame ist gar zu förmlich <strong>und</strong> würde es mir übelnehmen ... ... Ich lasse bitten!«<br />

sagte sie zu dem Diener in so traurigem Ton, als ob sie sagen wollte: »Nun,<br />

dann tötet mich nur vollends!«<br />

Eine Dame von hoher, stattlicher Figur <strong>und</strong> stolzem Gesichtsausdruck <strong>und</strong><br />

ihr r<strong>und</strong>köpfiges, lächelndes Töchterchen traten, mit den Kleidern raschelnd,<br />

in den Salon.<br />

»Es ist schon sehr lange her ... Gräfin ... Sie ist krank gewesen, das arme<br />

Kind ... Auf dem Ball bei Rasumowskis ... Die Gräfin Apraxina ... Ich habe<br />

mich so sehr gefreut ...«, so ließen sich nun lebhafte weibliche Stimmen<br />

vernehmen; eine unterbrach immer die andere, <strong>und</strong> mit dem Ton der Stimmen<br />

vermischte sich das Rascheln der Kleider <strong>und</strong> das Geräusch der Stühle, die<br />

zurechtgerückt wurden. Dann begann ein Gespräch von jener Art, wie man es<br />

anscheinend nur anknüpft mit der Absicht, bei der ersten eintretenden Pause<br />

wieder aufzustehen, mit den Kleidern zu rascheln, zu sagen: »Ich habe mich<br />

sehr, sehr gefreut ... Mamas Befinden ... Die Gräfin Apraxina ...«, um dann<br />

wieder, mit den Kleidern raschelnd, in das Vorzimmer zu gehen, den Pelz oder<br />

Mantel anzuziehen <strong>und</strong> wegzufahren.<br />

Das Gespräch behandelte auch die wichtigste Neuigkeit, die es damals in

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