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Krieg und Frieden

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für einen Augenblick ihr Gesicht von dem spitzenbesetzten Busentuch ihrer<br />

Mutter auf, blickte von unten durch Tränen des Lachens zu ihr in die Höhe <strong>und</strong><br />

verbarg ihr Gesicht wieder.<br />

Die Besucherin, die diese Familienszene mitansehen mußte, hielt für nötig,<br />

sich irgendwie daran zu beteiligen.<br />

»Sagen Sie doch, mein Herzchen«, begann sie, zu Natascha gewendet, »wie<br />

ist denn diese Mimi eigentlich mit Ihnen verwandt? Sie ist wohl Ihre<br />

Tochter?«<br />

Dem kleinen Mädchen mißfiel der Ton, in welchem die Dame zu ihr<br />

sprach, diese herablassende Nachahmung kindlicher Redeweise. Sie antwortete<br />

nicht <strong>und</strong> blickte die Besucherin ernsthaft an.<br />

Inzwischen hatte die gesamte jugendliche Generation, nämlich: der<br />

Fähnrich Boris, der Sohn der Fürstin Anna Michailowna, dann der Student<br />

Nikolai, der älteste Sohn des Grafen, ferner eine fünfzehnjährige Nichte des<br />

Grafen, namens Sonja, <strong>und</strong> endlich der kleine Petja, der jüngste Sohn, diese<br />

alle hatten sich im Salon hier <strong>und</strong> da niedergelassen <strong>und</strong> gaben sich offenbar<br />

große Mühe, die Munterkeit <strong>und</strong> Lustigkeit, die sich in ihren Mienen aufs<br />

deutlichste aussprach, in den Grenzen des Anstandes zu halten. Zweifellos<br />

hatten sie in den Hinterzimmern, von wo sie alle mit solchem Ungestüm nach<br />

dem Salon gelaufen waren, vergnüglichere Gespräche geführt, als diejenigen<br />

waren, die sie nun hier über Stadtklatsch, über das Wetter <strong>und</strong> über die Gräfin<br />

Apraxina zu hören bekamen. Ab <strong>und</strong> zu sahen sie sich untereinander an <strong>und</strong><br />

konnten dann kaum das Lachen zurückhalten.<br />

Die beiden jungen Männer, der Student <strong>und</strong> der Offizier, seit ihrer Kindheit<br />

miteinander befre<strong>und</strong>et, waren von gleichem Alter <strong>und</strong> beide hübsch, hatten<br />

aber miteinander keine Ähnlichkeit. Boris war ein hochgewachsener Jüngling,<br />

mit blondem Haar, regelmäßigen, feinen Zügen <strong>und</strong> einem ruhigen<br />

Gesichtsausdruck. Nikolai war nur mittelgroß, kraushaarig, mit offener Miene.<br />

Auf seiner Oberlippe zeigten sich schon schwarze Härchen, <strong>und</strong> sein ganzes<br />

Gesicht trug das Gepräge des Ungestüms <strong>und</strong> der Schwärmerei. Nikolai wurde<br />

rot, als er in den Salon trat; man konnte ihm anmerken, daß er nach etwas<br />

suchte, das er sagen könnte, aber nichts fand. Boris dagegen fühlte sich sofort<br />

in seinem Fahrwasser <strong>und</strong> erzählte in ruhigem, scherzendem Ton, er habe diese<br />

Puppe Mimi schon gekannt, als sie noch ein kleines Mädchen <strong>und</strong> ihre Nase<br />

noch nicht abgestoßen gewesen sei; aber in den fünf Jahren, auf die er sich<br />

zurückbesinnen könne, sei sie recht gealtert <strong>und</strong> habe jetzt einen Sprung über<br />

den ganzen Schädel. Nach diesen Bemerkungen sah er Natascha an. Natascha<br />

wandte sich von ihm weg <strong>und</strong> blickte zu ihrem jüngeren Bruder hin, der mit<br />

zusammengekniffenen Augen vor lautlosem Lachen am ganzen Leib zitterte.<br />

Bei diesem Anblick war Natascha nicht imstande, sich länger zu beherrschen;<br />

sie sprang auf <strong>und</strong> lief, so schnell ihre flinken Beinchen sie nur tragen konnten,<br />

aus dem Zimmer. Boris war ganz ruhig geblieben <strong>und</strong> hatte nicht gelacht.<br />

»Sie wollten ja wohl auch ausfahren, Mamachen?« fragte er lächelnd seine<br />

Mutter. »Möchten Sie jetzt den Wagen haben?«<br />

»Ja, geh nur, geh nur <strong>und</strong> laß den Wagen bereitmachen«, antwortete sie<br />

ebenfalls lächelnd. Boris verließ ruhigen Schrittes den Salon <strong>und</strong> folgte dann<br />

der kleinen Natascha nach; der dicke Knabe lief ärgerlich hinter ihnen her, als

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