No 9-10, Sept,/0ct. 1971
No 9-10, Sept,/0ct. 1971
No 9-10, Sept,/0ct. 1971
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Umweltsclnulz,<br />
eine Erziehungslrage<br />
_}:<br />
An einem Dorfbach hält eine Limousine. Die<br />
Scheinwerfer verlöschen Ein Atemzug lang ist es<br />
still. Dann steigt jemand aus und öffnet den Kofferraum.<br />
Klatschend landet etwas Undefinierbares<br />
im Wasser und am Ufferrand. Die Türen klappen<br />
zu, der Motor heult auf und rasch verschwindet<br />
der Wagen. Bei Tageslicfrt wird sichtbar, was<br />
geschehen ist. Berge von Papier und Plastikabfälle,<br />
ein altes Fahrrad, eine zerfetzte Matraze, haben<br />
ihre letzte Ruhestätte am Bachrand gefunden<br />
Wieder ist ein Bachlauf zum Abfallplatz geworden.<br />
Längs der großen und kleinen Straßen,<br />
die an ihrn vorbeiführen, türmen sich in der Nähe der Dörfer und S1ädte schon<br />
Berge von Unrat und nur selten gelingt es, die "private Müllabfuhr" auf frischer<br />
Tat zu ertappen. Ahnlich sieht es im Umkreis von Waldschneisen und Eisenbahngeleisen<br />
aus. Schaut man sich das Sammelsurium von Abfall an, das dort die Landschaft<br />
verziert, so fragt man sich allen Ernstes, wo all dieser Schmutz herkommt.<br />
Wen immer man im privaten Kreis anspricht, der wird diese gedankenlose Art<br />
der Abfallbeseitigung für sich selbst weit von sich weisen. Trotzdem muß es Hunderte,<br />
ja Tausende geben, die so handeln. Vieles davon geschieht unbedacht, vieles<br />
jedoch in voller Absicht. Wie oft kann ein Autofahrer beobachten, daß aus anderen<br />
Wagen Reste von Obst einfach den Weg durch das Fenster auf die Straße finden<br />
Schon diese vergleichweise harmlose Art von ungeregelter Müllabfuhr wird in<br />
vielen Ländern, die oft noch weit mehr freien Raum genießen und so zum Wegwerfen<br />
von Unrat geradezu einladen könnten, mit harten Geldstrafen belegt. Hierzulande<br />
geschieht recht wenig.<br />
<strong>No</strong>twendig<br />
- und rasch notwendig ist ein intensiver Erziehungsprozeß, eine<br />
neue Denkweise, die gelernt werden muß. - Bei den Kindern fängt es an. Es gilt<br />
iängst keine Entschuldigung mehr dafür, wenn Eltern ihren Sprößlingen außerhalb<br />
des Hauses gestatten, was sie in ihren vier Wänden niemals erlauben würden.<br />
Aber wie sollen die Kleinen lernen, ihr Schokoladenpapier nicht einfach in den<br />
Straßengraben, in den Bach, zu werfen, wenn derVater bei der Sonntagswanderung<br />
oder beim Fischfang Butterbrotpapier oder leere Hanftüten dort "deponiert" hat?<br />
Was an schlechten Vorbildern gar nicht erst zu sehen ist, kann auch keine<br />
guten Sitten verderben. Erziehung zum Umweltschutz muß ebenso Selbsterziehung<br />
sein, zu einer Logik und zu einer Fähigkeit des Abschätzens von Ursache und Wirkung,<br />
die den technischen Möglichkeiten unseres Zeitalters ebenbürtig sind. Die<br />
Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit jedes einzelnen in Umweltfragen hat ihre<br />
Wurzel nämlich fast immer darin, daß viele Bürger noch nicht bereit sind, dem Maß<br />
zivilisatorischer Annehmlichkeiten, das sie genießen, mit dem Mobilisieren einer<br />
angemessenen Portion von Intelligenz zu entsprechen.<br />
Das Prinzip "lch darf alles', das der Umwelt gegenüber zu oft angewendet<br />
wird, beweist geistigen Kurzschluß, denn wenn jeder alles darf, werden bald alle<br />
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