Mam Vëlo do! - lvi.lu | Lëtzebuerger Vëlos-Initiativ
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LËTZEBUERGER VËLOS-INITIATIV<br />
<strong>Mam</strong> <strong>Vëlo</strong> <strong>do</strong>!<br />
Dieses Buch bietet eine Luxemburger Perspektive<br />
auf die Berg- und Talfahrten des Drahtesels im<br />
20. Jahrhundert:<br />
• elitärer Freizeitspaß für das Bürgertum<br />
• Alltagsgefährt des Schmelzarbeiters<br />
• Symbol der Frauenemanzipation<br />
• Schlüssel zur internationalen sportlichen<br />
Anerkennung<br />
• modernes Verkehrsmittel.<br />
Neben der Homestory der „<strong>Lëtzebuerger</strong><br />
<strong>Vëlo</strong>s-<strong>Initiativ</strong>“ seit ihrer Gründung 1985 beleuchtet<br />
„<strong>Mam</strong> <strong>Vëlo</strong> <strong>do</strong>!“ die heutige Situation des Fahrrads<br />
in Luxemburg und seine Zukunfts perspektiven.<br />
14 Autorinnen und Autoren präsentieren die<br />
zahlreichen Facetten des Fahrrads in historischen<br />
Beiträgen, Interviews, Literaturauszügen und<br />
persönlichen Erinnerungen.<br />
Reich il<strong>lu</strong>strierte Artikel auf Deutsch, Französisch<br />
oder Luxemburgisch.<br />
Ce livre propose une perspective <strong>lu</strong>xembourgeoise<br />
sur les montées et descentes de la petite reine au<br />
Luxembourg :<br />
• distraction bourgeoise<br />
• bécane de l’ouvrier<br />
• symbole de l’émancipation féminine<br />
• clé du succès sportif international<br />
• moyen de transport moderne.<br />
À côté de la Homestory de la « <strong>Lëtzebuerger</strong> <strong>Vëlo</strong>s-<br />
<strong>Initiativ</strong> » depuis sa création en 1985, « <strong>Mam</strong> <strong>Vëlo</strong> <strong>do</strong> ! »<br />
expose la situation actuelle du vélo à Luxembourg et<br />
ses perspectives d’avenir.<br />
Quatorze collaborateurs et collaboratrices présentent<br />
les nombreuses facettes de la bicyclette dans des<br />
contributions historiographiques, interviews, extraits<br />
littéraires et mémoires personnelles.<br />
Articles richement il<strong>lu</strong>strés en français, allemand ou<br />
<strong>lu</strong>xembourgeois.<br />
LËTZEBUERGER<br />
VËLOS-INITIATIV <strong>Mam</strong> <strong>Vëlo</strong> <strong>do</strong>!<br />
Eine Radtour durch die Luxemburger Zeitgeschichte<br />
En vélo à travers l’histoire contemporaine du Luxembourg<br />
ISBN: 978-2-87963-785-3
1<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Introductions 2<br />
Jean-Paul Hoffmann Das demokratische Pferd par excellence. Notizen zur Sozialgeschichte<br />
des Fahrrades in Luxemburg 1871–1914. 12<br />
Norbert Jacques Ginsterblüten (Auszüge). 44<br />
Renée Wagener<br />
„Das Rad gehört in die Zeit“. Die Sozialgeschichte des Fahrrads in<br />
Luxemburg von 1914 bis 1945 im Spiegel von Zeitberichten. 46<br />
Fernand Hoffmann Die Grenze (Auszüge). 88<br />
Henri Bressler Évo<strong>lu</strong>tion du sport cycliste au Grand-Duché. 92<br />
Renée Wagener Ein zäher Kampf um Anerkennung. Elsy Jacobs (1933–1998). 116<br />
René Clesse Deen ale Plou. 121<br />
Lucien Hilger Le vélo, une affaire de spécialistes! 124<br />
Lucien Hilger Nuss et Pleimling, constructeurs des cycles Olympia. 137<br />
Marcel Noppeney Les dix plaies de la route (Extraits). 149<br />
Romain Molitor Das Fahrrad als Verkehrsmittel? 152<br />
Monique Goldschmit „De <strong>Vëlo</strong> woar déi Joaren dat Kamoudst, wat mär haten“.<br />
Interview mam André Pauly. 176<br />
Monique Goldschmit <strong>Mam</strong> <strong>Vëlo</strong> op d’Schmelz. Interview mam Jean Mathias. 181<br />
Pierre Heiliger Die Norry-Story. Von 1965 bis 2006. 190<br />
Josy Braun Rieder. 194<br />
Jo Spielmann Notizen zur Geschichte der LVI. 196<br />
Christa Brömmel Radlos – wenn das Fahrrad einfach weg ist. 230<br />
Monique Goldschmit Das Projekt „Vélo en ville“. Fahrradverleih mit sozialer Note. 236<br />
Christiane Wagner<br />
Einzigartig in seiner Art. Das Erlebnis- und Kulturzentrum „VéloParc“<br />
in Luxemburg. 240<br />
Christiane Wagner Ein Tag im Véloparc. Bald wird es Wirklichkeit sein. 247<br />
Gust Muller<br />
1985–2035: 50 Joer LVI. Ried vun der LVI-Presidentin bei der Geleeënheet<br />
vum 50. Anniversaire vun der LVI. 252<br />
Bibliografie 261<br />
Bildnachweis 265<br />
Autorinnen und Autoren 267<br />
Danksagung 269<br />
Sponsoren 271
13<br />
Jean-Paul Hoffmann<br />
Das demokratische Pferd<br />
par excellence<br />
Notizen zur Sozialgeschichte des Fahrrades in Luxemburg 1871–1914<br />
Überall in Europa steht das Fahrrad am Ende des 19. Jahrhunderts für Fortschritt und gesteigerte Mobilität.<br />
Auch im Luxemburg der Belle Époque entdeckt das Bürgertum das neue Fortbewegungsmittel: Ungeahnte<br />
Möglichkeiten tun sich für Freizeitgestaltung, sportliche Betätigung und Tourismus auf. In seinem historischen<br />
Rückblick schildert Jean-Paul Hoffmann, wie das Veloziped die bessere Gesellschaft begeistert – und dem<br />
Automobil den Weg ebnet.<br />
Für Jahrzehnte war die Schnelligkeit, mit der man<br />
Räume überwinden, von Ort zu Ort sich bewegen<br />
konnte, auf die Schiene beschränkt geblieben. Auf<br />
den Straßen vollzog sich das Leben nach wie vor im<br />
gemächlichen Rhythmus. Das Reisen im 19. Jahrhundert<br />
stand nicht unter Zeitnot. Das Tempo, mit dem man bei<br />
der Post befördert wurde, war oft Anlass für Satire und<br />
Witze. Auch im seit 1839 mehr und mehr unabhängig<br />
werdenden Luxemburg modernisierte sich das über<br />
Jahrhunderte gewohnte, festgefügte Straßenbild nur<br />
ganz allmählich. Die ersten Veränderungen erfolgten<br />
in der Hauptstadt. Zu den Kutschen und Fuhrwerken<br />
gesellten sich zunächst die Pferdestraßenbahn, dann<br />
die Elektrische sowie die Fahrräder und schließlich die<br />
Automobile. Auf dem Lande je<strong>do</strong>ch blieb das mittelalterliche<br />
Straßenbild noch auf lange Zeit erhalten.<br />
der alte Kontinent eine derart lang anhaltende Zeit<br />
des Friedens und der Sicherheit erleben dürfen. Diese<br />
Stabilität und Berechenbarkeit der politischen Verhältnisse<br />
waren es auch, welche der zweiten industriellen<br />
Revo<strong>lu</strong>tion, jener tiefgreifenden ökonomischen und<br />
sozialen Umwälzung im späten 19. Jahrhundert, auf die<br />
Sprünge halfen und damit die Verbreitung des Fahrrades<br />
und anschließend die Erfindung des Automobils erst<br />
ermöglichten. Das seit den 1860er Jahren gefertigte<br />
Fahrrad geriet bald als industrielles Produkt in eben<br />
dieses von Befürwortern und Gegnern des Fortschritts<br />
geschaffene soziale und ideologische Spannungsfeld.<br />
Das Fahrrad: Ein Kind der Belle Époque<br />
Nicht zufällig fällt der Aufschwung des Fahrrades in<br />
eben jene Epoche, welche man hierzulande und auch<br />
anderswo in Westeuropa „die Schöne“ nennt. In der<br />
Tat stehen die von der Geschichtsschreibung mit Belle<br />
Époque umschriebenen Jahre zwischen 1871 und 1914<br />
in dem Ruf, für unsere Breiten ein goldenes Zeitalter<br />
gewesen zu sein. Kaum jemals zuvor nämlich hatte<br />
Im 19. Jahrhundert vollzog sich das Leben auf den Straßen<br />
noch im gemächlichen Rhythmus.
47<br />
Renée Wagener<br />
„Das Rad gehört in die Zeit“<br />
Die Sozialgeschichte des Fahrrads in Luxemburg<br />
von 1914 bis 1945 im Spiegel von Zeitberichten<br />
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, ist Luxemburg gerade dabei, sich an neue Formen der Mobilität zu<br />
gewöhnen: Der Drahtesel wird zum Transportmittel der Massen, zum Passepartout für gesellige Stunden,<br />
zum Sport- und Freizeitvehikel. Die Medien der Zwischenkriegszeit zeichnen ein farbiges Bild von der Blütezeit<br />
des Fahrrads, die mit dem Zweiten Weltkrieg zu Ende geht.<br />
Am 2. August 1914, wenige Tage nach der Kriegserklärung<br />
Österreichs an Serbien, radelten einige<br />
Mitglieder des gutbürgerlichen Veloce-C<strong>lu</strong>b zur Mosel,<br />
„pour voir ce qui se passait réellement de l’autre côté<br />
de la frontière“. Die C<strong>lu</strong>bmitglieder trugen, wie es ihre<br />
Sitte war, Fechtuniform, denn der C<strong>lu</strong>b war eine Untersektion<br />
des Vereins Escrime: Mütze, Matrosenb<strong>lu</strong>se,<br />
kurze Hose und Strümpfe, alles in Blau gehalten. Sie<br />
sorgten jenseits der Grenze unvermittelt für Aufregung:<br />
„[L]e télégraphe allemand lançait la nouvelle ahurissante:<br />
un peloton de gendarmerie française à<br />
bicylette avance à travers le Grand-Duché vers<br />
l’Allemagne!“<br />
So beginnt in Luxemburg, vom Fahrrad aus<br />
betrachtet, der Erste Weltkrieg. Und mit ihm eine neue<br />
gesellschaftliche Epoche. Der Historiker Joseph Meyers<br />
berichtet, wie bereits die Zeit des Jahrhundertanfangs<br />
von technischen Neuerungen geprägt war: „Die Technik<br />
verzeichnete auf allen Gebieten große Fortschritte.<br />
Neben dem Pferdsgespann tauchte das Automobil<br />
auf, das Fahrrad war überall verbreitet. In den<br />
größeren Orten des Landes, besonders im Süden,<br />
gab es Gaslampen und Gaskocher in den Häusern,<br />
auch schon das elektrische Licht.“<br />
Nun deuten sich je<strong>do</strong>ch auch neue bürgerrechtliche<br />
Ansprüche auf Teilhabe am Wohlstand, Mitsprache an<br />
politischen Entscheidungen und per sönlicher Selbst-<br />
Im ersten Weltkrieg wird das Fahrrad zum kostbaren Gut,<br />
etwa zur Besorgung von rationierten Lebensmitteln.<br />
Bombeneinschlag am Place Wallis 1916. Unter den<br />
Schau<strong>lu</strong>stigen befinden sich auch Radfahrer.
71<br />
„Unweibliche“ Radlerinnen<br />
Separate Frauenradk<strong>lu</strong>bs, wie es sie in manchen<br />
deutschen Großstädten gibt, werden in<br />
Luxemburg nicht gegründet. Zwar gründet<br />
Joséphine Jacquemart-Jaans, die Vorstreiterin des<br />
Luxemburger Frauensports 1925 eine „Fédération<br />
<strong>lu</strong>xembourgeoise du sport féminin“, schreibt<br />
Dominique Turping in ihrem Artikel „Les débuts<br />
du sport féminin“. Doch dieser Dachverband, der<br />
nur bis 1928 existiert, scheint keine Radk<strong>lu</strong>bs zu<br />
führen.<br />
Überhaupt scheinen im Bereich von Radsport<br />
und Cyclotourismus die Frauen zunächst eine<br />
Seltenheit zu sein – wie übrigens in den allermeisten<br />
Sportvereinen. Ausnahmen bilden<br />
vor allem der Tennis sowie die Turn- und die<br />
Schwimmvereine, in denen der Frauensport sich<br />
durchaus etabliert. Beim nationalen Schwimmwettbewerb<br />
1918 in der „Schwemm“ im Stadtgrund<br />
sind nicht nur Damenrennen vorgesehen,<br />
sondern Frauen nehmen auch am gemischten (!)<br />
Kunstspringen teil, wobei eine Mme Dr. Knaff als<br />
2. abschneidet. 1924 nimmt die Schwimmerin Lory<br />
Koster sogar für Luxemburg an der internationalen<br />
Olympiade teil. Aus Gründen, die heute kaum mehr<br />
Die belgische Radsportlerin<br />
Hélène Dutrieux.<br />
nachzuvollziehen sind, scheinen aber bestimmte<br />
Sportarten als „unweiblich“ zu gelten – wie etwa<br />
das Radeln.<br />
Doch was in Luxemburg ein ehernes Gesetz<br />
scheint, gilt jenseits der Grenze nicht unbedingt.<br />
So machen beim<br />
Frauenradrennen in<br />
Ostende, Berlin und<br />
Lon<strong>do</strong>n neben der<br />
belgischen Radsportlerin<br />
Hélène Dutrieux<br />
sowohl deutsche als<br />
französische Fahrerinnen<br />
mit – und das<br />
bereits in den Neunzigerjahren.<br />
Allgemein<br />
scheint es der<br />
Frauenleistungssport<br />
je<strong>do</strong>ch schwer zu haben. In Deutschland sind 1896<br />
bereits Damenrennen verboten worden. Und laut<br />
Dominique Turping lehnt es das „Luxemburger<br />
Wort“ bis zum Zweiten Weltkrieg kategorisch ab,<br />
über Ereignisse im Luxemburger Frauensport zu<br />
berichten.<br />
Auffallend ist in den Listen der an den Start der<br />
zahlreichen Rennen tretenden Fahrer, dass ausländische,<br />
gerade auch italienische Namen zunächst<br />
selten sind. Erst in den Dreißigerjahren tauchen, vor<br />
allem in den Teams der Minette-Vereine, auch die<br />
Liberatore, Tommassini oder Morettoni auf. 1932 zeugt<br />
die Broschüre des Schifflinger C<strong>lu</strong>bs „La Pédale 1907“<br />
zum 25jährigen Stiftungsfest von seiner fortschrittlichen<br />
Ausrichtung: Die lange Liste der Mitglieder des<br />
Ehren-Comités führt nicht nur Männer italienischen<br />
Ursprungs, sondern zwei Witwen und ein Fräulein<br />
sowie mehrere Angehörige der jüdischen Gemeinschaft<br />
an. Der C<strong>lu</strong>b besitzt ebenfalls zu dieser Zeit schon<br />
25 aktive weibliche Mitglieder.<br />
Nun aber tritt auch ein rein italienischer C<strong>lu</strong>b<br />
auf, die Rennradgruppe „Alba“ des „Opera nazionale<br />
Dopolavoro“ (O.N.D.). Hinter dem Begriff Dopolavoro<br />
verbirgt sich nichts anderes als die 1925 gegründete,<br />
von der italienischen faschistischen Partei kontrollierte<br />
Freizeitorganisation, die also auch im Ausland Ableger<br />
besitzt. Es mag aus heutiger Sicht erstaunen, aber der<br />
„Grand Prix O.N.D.“ scheint durchaus Erfolg gehabt zu<br />
haben, er wird mindestens zweimal, 1934 und 1935 in<br />
Luxemburg ausgetragen. Angesehene Geschäftsleute
93<br />
Henri Bressler<br />
Évo<strong>lu</strong>tion du sport cycliste<br />
au Grand-Duché<br />
Apparaissant vers la fin du 19 e siècle, les associations cyclistes <strong>lu</strong>xembourgeoises accompagnent l’essor<br />
du vélo. Henri Bressler nous <strong>do</strong>nne un aperçu des premiers c<strong>lu</strong>bs et du développement du cyclisme de<br />
course jusqu’à aujourd’hui.<br />
Les progrès permanents réalisés dans le <strong>do</strong>maine<br />
du vélocipède, depuis la création de la draisienne<br />
et notamment après l’invention des pédales par le<br />
serrurier parisien Pierre Michaux et des pneumatiques<br />
par l’Écossais John Dunlop, ne s’arrêtaient pas aux<br />
frontières du Grand-Duché. Dans ses articles intitulés<br />
Geschichte des Luxemburger Radrennsports et publiés<br />
dans l’heb<strong>do</strong>madaire Sport en 1922, Paul Steffen<br />
raconte que des étudiants <strong>lu</strong>xembourgeois (Legallais,<br />
Oberhoffer, Manternach, Schaefer) utilisaient déjà des<br />
bicycles vers la fin des années 1870. Un peu p<strong>lu</strong>s tard,<br />
le grand-bi fit son apparition sur nos terres, une<br />
machine construite par des ferronniers britanniques<br />
ou français, qui avaient augmenté le diamètre de la<br />
roue avant, afin de permettre aux cyclistes de couvrir<br />
Un coureur cycliste du début des années 1890.<br />
Un concours de grand bi, d’après une gravure de<br />
l’Il<strong>lu</strong>stration Européenne du 8 juillet 1888.<br />
une p<strong>lu</strong>s grande distance à chaque coup de pédale.<br />
Il est vrai que les utilisateurs ne devaient pas souffrir<br />
du vertige et qu’il leur fallait pour ainsi dire des <strong>do</strong>ns<br />
d’acrobate, ce qui n’empêchait pas les initiés d’organiser<br />
des courses de grand-bi, comme le représentent<br />
des gravures de cette époque.
112<br />
<strong>do</strong>nnèrent l’exemple en se présentant au départ d’un<br />
circuit d’une quinzaine de kilomètres (Gasperich –<br />
Cloche d’Or – Leudelange – Cessange). Le succès de<br />
cette manifestation, où le facteur compétitif était tout<br />
à fait secondaire, fut incontestable et témoignait de<br />
l’attrait des activités récréatives. Depuis cette date, elle<br />
restait inscrite au calendrier annuel de la fédération,<br />
tout en changeant périodiquement de lieu de départ<br />
(Diekirch, Pétange, Beckerich, Mon<strong>do</strong>rf-les-Bains,<br />
Reckange/Mess, Schifflange, Esch-sur-Alzette).<br />
Il faut relever en outre que le cyclisme fait partie<br />
des épreuves prévues pour l’obtention du brevet sportif<br />
national, ainsi que de l’action intitulée Meter fir Meter,<br />
organisée pour la première fois en 2007, où le vélo est<br />
associé à la marche, la course pédestre et la natation.<br />
Pour développer encore davantage la pratique<br />
du sport, tant dans le cadre des structures fédérales<br />
qu’en dehors de celles-ci, les instances ministérielles<br />
lancèrent des campagnes promotionnelles, <strong>do</strong>nt la<br />
première fut la Journée nationale de la bicyclette, le 27<br />
mai 1979. Un grand nombre d’anciens coureurs cyclistes<br />
Le retour dans le cercle des grands<br />
L’expansion rapide du sport-loisir et les initiatives de<br />
la fédération et des c<strong>lu</strong>bs affiliés, dans le <strong>do</strong>maine du<br />
recrutement de jeunes talents (à l’image du Yuppi’s<br />
Trophy pour enfants de six à dix ans), ne tardaient<br />
Kim Kirchen, porteur du maillot jaune sur le podium à Aurillac, en 2008.
117<br />
Renée Wagener<br />
Ein zäher Kampf um Anerkennung<br />
Elsy Jacobs (1933–1998)<br />
Neben Charly Gaul und anderen männlichen Radsport-Stars gerät die Radweltmeisterin von 1958 und<br />
langjährige Landesmeisterin in den Medien oft in den Hintergrund. Dabei war Elsy Jacobs nicht nur eine<br />
Kämpferin auf dem Rennrad: Das Leben der selbstbewussten Rennfahrerin, die ihre Rechte erobern musste,<br />
reiht sich ein in den Einsatz der Frauen des 20. Jahrhunderts um Gleichberechtigung.<br />
An einem Samstag Ende August 1958 meldet das<br />
Luxemburger Wort unter dem Titel Radweltmeisterschaften<br />
1958: „Heute Samstag und morgen Sonntag<br />
finden in der Champagnerstadt Reims die Straßen-<br />
Weltmeisterschaften statt. Heute Samstagmorgen um<br />
9 Uhr senkte sich die Startfahne zur ersten Weltmeisterschaft<br />
der Frauen, an der <strong>lu</strong>xemburgischerseits<br />
Elsy Jacobs – UC Dippach teilnimmt. Die „inconnues“,<br />
diesmal im wahrsten Sinne des Wortes, sind zu<br />
zahlreich, um eine Voraussage zu machen.“ Der größte<br />
Teil des Artikels je<strong>do</strong>ch ist Charly Gaul gewidmet, der<br />
am folgenden Tag zur Weltmeisterschaft der Berufsfahrer<br />
starten soll.<br />
Drei Tage später muss die Zeitung berichten,<br />
Gaul und seine zwei Luxemburger Kollegen Ernzer<br />
und Schmitz hätten infolge der „übermäßigen Hitze“<br />
aufgegeben. Die Nachricht des Tages ist dagegen<br />
der „überlegene Sieg“ von Elsy Jacobs bei der ersten<br />
Weltmeisterschaft der Frauen: „Heiß drückte schon<br />
die Sonne, als am Samstagmorgen punkt 10 Uhr die<br />
eingeschriebenen Rennfahrerinnen auf die 59 km<br />
messende Strecke (3 Runden zu 19,8 km) geschickt<br />
wurden. Bereits in der ersten Runde suchten Elsy<br />
Jacobs und sechs weitere Fahrerinnen das Weite und<br />
fuhren einen Zeit vorsprung von 45 Sekunden heraus.<br />
Im zweiten Durchgang spurtete unsere Meisterin<br />
der Ausreißergruppe davon und passierte auf dem<br />
Gipfel des „Calvaire“ mit 20 Sekunden Vorsprung auf<br />
Am 30. August 1958 stiehlt Elsy Jacobs Charly Gaul<br />
die Show: Während der Star bei den Straßenweltmeisterschaften<br />
in Reims aufgeben muss, wird die<br />
unbekannte Elsy Jacobs unverhofft erste Weltmeisterin<br />
im Straßenradrennen der Frauen.
124<br />
Vélo Ro’de Le’w<br />
distribué par Accinauto<br />
à Luxembourg-Gare dans<br />
les années 60.
125<br />
Lucien Hilger<br />
Le vélo,<br />
une affaire de spécialistes!<br />
Les marchands et constructeurs de cycles de chez nous<br />
Avec le succès du vélo au Grand-Duché, la question de la distribution et de l’entretien se pose d’emblée.<br />
Dans toutes les villes, des magasins et ateliers ouvrent leurs portes. Pour faire l’inventaire des points de vente,<br />
des pionniers jusqu’à nos jours, Lucien Hilger a fait le tour du Luxembourg: en rencontrant les boutiquiers ou<br />
leurs héritiers, il a recueilli des informations de première main.<br />
Après l’aban<strong>do</strong>n du Grand-bi, bicyclette à roue avant<br />
démesurée, le vélo avait trouvé au début des années<br />
1890 son al<strong>lu</strong>re générale, qui ne devait guère changer<br />
jusqu’à nos jours. Avec l’iwndustrialisation de la<br />
production (p<strong>lu</strong>s d’un million de bicyclettes vendues en<br />
France en 1900) les prix baissaient progressivement et<br />
le vélo devenait le moyen de transport individuel par<br />
excellence pour les déplacements quotidiens. Cette<br />
démocratisation de la bicyclette avait vite rejoint le<br />
Grand-Duché.<br />
Les magasins de vélos faisaient leur apparition<br />
dans chaque grande localité du pays. Beaucoup<br />
offraient en même temps les premières automobiles<br />
et motocyclettes ou encore des machines à coudre!<br />
Derrière les enseignes Autos-Motos-Cycles se cachaient<br />
souvent une boutique avec exposition et un petit atelier<br />
de réparation mécanique. Ces magasins proposaient<br />
accessoires, pièces de rechange et toutes sortes<br />
d’équipements, y compris vêtements et chaussures<br />
spécialement conçus pour cyclistes. On ne négligeait<br />
personne puisque dans les annonces, on ciblait<br />
coureurs, ran<strong>do</strong>nneurs, livreurs, travailleurs et promeneurs.<br />
Déjà en 1889, François Schanen tenait un vrai<br />
magasin de vélocipèdes au numéro 8, rue de la Porte-<br />
Neuve à Luxembourg. Les premiers constructeurs<br />
de vélos étaient Oscar Burnotte à Diekirch (1896) et<br />
Annonce parue au Tageblatt du 28 juillet 1913.<br />
Léon Hugot à Useldange (1909, avec ses vélos de<br />
course Attert). P<strong>lu</strong>s tard, en 1929, Eugène Becker fonda<br />
une fabrique de cycles à Hollerich. En 1938, les deux<br />
compères Nuss et Pleimling lançaient la p<strong>lu</strong>s importante<br />
fabrication de cycles au Luxembourg, la marque<br />
Olympia.<br />
Choisir un bon marchand de vélo signifiait non<br />
seulement un achat en toute connaissance du produit,<br />
mais aussi un réglage parfait, réparations et entretien<br />
garantis. Autrement dit, dès le moment de l’achat, il<br />
était important de penser l’avenir de son vélo, car à<br />
l’époque, c’était un investissement pour la vie. Quand<br />
on tient à sa monture, on tient à l’entretenir et à la<br />
confier à une personne de confiance.
137<br />
Lucien Hilger<br />
Nuss et Pleimling,<br />
constructeurs des cycles Olympia<br />
Tout jeunes, Jean-Baptiste dit Batty Nuss et Marcel<br />
Pleimling faisaient leur apprentissage à la serrurerie<br />
Huberty à Bonnevoie. P<strong>lu</strong>s tard, Batty Nuss travaillait<br />
dans la fabrique de vélos Becker à Hollerich.<br />
Par sa qualité, cette fabrique s’est défendue bec et<br />
ongles contre une forte concurrence étrangère. Preuve<br />
à l’appui: pour s’approvisionner, les patrons n’hésitaient<br />
pas à aller à vélo jusqu’à Liège pour acheter des tubes!<br />
Leur premier atelier se trouvait au 7, rue de Merl<br />
à Hollerich. Le deuxième lieu de production au<br />
75, Millewee à Gasperich fut détruit par les bombardements<br />
de 1944, mais à peine trois ans p<strong>lu</strong>s tard,<br />
les premiers vélos sortaient des nouveaux ateliers au<br />
Le bâtiment avec les ateliers au 33 de la route d’Esch,<br />
ici en 1957, est aujourd’hui aban<strong>do</strong>nné.<br />
Au début, la marque<br />
Olimpia s’écrivait<br />
avec un «i» remplacé<br />
par un «y» en 1941.<br />
33 de la route d’Esch à Luxembourg. Jusqu’à trente<br />
personnes y travaillaient, et n’en <strong>do</strong>utez pas: la p<strong>lu</strong>part<br />
venait à vélo, et même de très loin.<br />
Cette fabrique reste unique au Luxembourg!<br />
Les cadres et bicyclettes de la marque Olympia<br />
ont été fabriqués avec des tubes anglais spéciaux, des<br />
Reynolds «531» d’une épaisseur de 6/10 mm. L’assem-
142<br />
Vélo Olympia<br />
type dame-berceau<br />
1959.<br />
Tubes Reynolds, jantes<br />
Olympia, pédalier Gnutti,<br />
dérailleur Huret 3 vitesses,<br />
freins Weinmann type 810,<br />
pédales Lyotard, écrous<br />
papillon métal léger,<br />
gui<strong>do</strong>n Lux, potence Astros,<br />
éclairage Philips, gardeboue<br />
a<strong>lu</strong>minium.<br />
Vendu par Cycles Courte,<br />
Oberkorn.
152<br />
Das Fahrrad war im Alltagsverkehr der Fünfzigerjahre<br />
allgegenwärtig. Hier die hauptstädtische Avenue de<br />
la Gare 1954, fotografiert von Théo Mey.
153<br />
Romain Molitor<br />
Das Fahrrad als<br />
Verkehrsmittel?<br />
Dass das „Veloziped“ vom Luxusspielzeug zum vollwertigen Fortbewegungsmittel avancierte, verdankt es<br />
unter anderem dem technischen Fortschritt und der Leichtigkeit, mit der Wege zurückgelegt werden können.<br />
Doch para<strong>do</strong>xerweise, so zeigt der folgende Rückblick auf die Verkehrsgeschichte, wurde das Potenzial des<br />
Fahrrads im Alltagsverkehr von der Verkehrspolitik und den Verkehrsplanern lange Zeit unterschätzt –<br />
nicht nur in Luxemburg.<br />
Die Anfänge<br />
„Auf der Ebene, bei trockenen Fußwegen, [geht die<br />
Maschine] wie ein Pferd im Galopp […]. Berg ab,<br />
schneller als ein Pferd in Carrière.“ In der Patentschrift<br />
zum „Veloziped“, dem Urahn des Fahrrads, pries Karl<br />
Freiherr von Drais (1785–1851) die Schnelligkeit seiner<br />
„Laufmaschine“. Doch die Erfindung wurde zunächst als<br />
Spielzeug missverstanden.<br />
In seiner Kulturgeschichte des Radfahrens<br />
bezeichnet Andreas Hochmuth die Drais’sche<br />
Lauf maschine, obwohl es sich um eine durchaus<br />
praxisgerechte Konstruktion mit sattelähnlichem Sitz<br />
und einer deichselähnlichen Lenkstange handelte, als<br />
ein höchst <strong>lu</strong>xuriöses Unikum, als revo<strong>lu</strong>tionär und dem<br />
„konservativen Zeitgeist höchst unbequemes Gefährt“.<br />
Die Laufmaschine wurde, so Hochmuth, zu einem<br />
schicken Accessoire von Dandies und wohl habenden<br />
Freidenkern (siehe Artikel von Jean-Paul Hoffmann in<br />
diesem Band, S. 16f.).<br />
Dass das Drais’sche Veloziped als exzentrisches<br />
Freizeitinstrument abgetan wurde, erklärt sich zum Teil<br />
durch den Zustand des damaligen Straßennetzes, der<br />
zu dieser Zeit generell nicht wirklich zum Radfahren<br />
geeignet war: Gerd Hüttmann berichtet in seiner Drais-<br />
Portrait von<br />
Karl Freiherr<br />
von Drais.<br />
Biografie, dass die Fahrbahnen von den Fuhrwerken<br />
stark zerfurcht waren, so dass die „Draisinen-Reiter“<br />
in den Städten gerne auf die glatteren und besser zu<br />
fahrenden – oder soll man besser sagen „zu reitenden“<br />
– Gehwege auswichen. Polizeiliche Verbote und Strafen<br />
waren die Folge. Diese Verbote und Rege<strong>lu</strong>ngen waren<br />
regional sehr unterschiedlich. Manche Städte, wie Köln,<br />
verboten zwischen 1869 und 1894 bei Strafe „das Reiten<br />
auf Velocipeden“, während Dresden oder München<br />
das „Velociped“ unterstützten. Andere führten eigene<br />
Regeln für Radfahrer ein; sie reichten von Verboten,
161<br />
Seit Jahrzehnten gefordert – nun endlich Wirklichkeit: der Radweg auf dem hauptstädtischen Viadukt.<br />
Renaissance des Fahrrads als Verkehrsmittel<br />
Das Fahrrad erfuhr als Verkehrsmittel ab den frühen<br />
80er Jahren eine Renaissance. Viele Faktoren mögen zu<br />
dieser Neuentdeckung eines effizienten Verkehrsmittels<br />
beigetragen haben. Zum einen sind es technische<br />
Verbesserungen und neue Fahrradtypen wie das in<br />
den 1980ern aufgekommene Mountainbike, verbesserte<br />
Bremsen (Cantilever-Bremsen), Federgabeln und<br />
Hinterbaufederungen oder verbesserte Gangschaltungen,<br />
die leichtgängiger gegenüber den bisher<br />
verwendeten Gangschaltungen sind und die eine<br />
feinere Abstufung der Übersetzung (21-Gang-Schaltung,<br />
14-Gang-Nabenschaltung) erlauben. Zum anderen<br />
führte die Kritik des allgegenwärtigen Autoverkehrs,<br />
insbesondere in den Städten, und der daraus resultierenden<br />
negativen Auswirkungen auf die Luftqualität<br />
(die allgemeine Pflicht zum Pkw mit Katalysator zur<br />
Abgasreinigung wird erst 1993 in der EU eingeführt, 1987<br />
bereits in Österreich, der Schweiz und Schweden) und<br />
des Umgebungslärms dazu, dass Forderungen für einen<br />
„umweltgerechteren Verkehr“ geäußert wurden.<br />
Die Vorteile des Fahrrads als Verkehrsmittel<br />
wurden in einer Vielzahl von Schriften in den Vordergrund<br />
gestellt. Dominierten am Anfang noch sehr<br />
stark umweltorientierte Argumente wie „abgasfreies<br />
Fahren“ die Debatte, so kamen in den vergangenen<br />
Jahren Argumente dazu wie die höhere Reisegeschwin-<br />
Der Mouvement écologique setzte sich ab Anfang<br />
der Achtzigerjahre für das Fahrrad ein.
177<br />
Monique Goldschmit<br />
Interview „De <strong>Vëlo</strong> woar<br />
déi Joaren dat Kamoudst<br />
wat mär haten“<br />
Wéi wor dat fréier, wou de <strong>Vëlo</strong> nach fir vill Leit hiert wichtegst Transportmëttel wor? D’Monique Goldschmit<br />
huet sech mat zwee fréiere Schmelzaarbechter ënnerhalen.<br />
Den Här Pauly vu Rëmeleng<br />
Den Här Pauly ass am Dezember 1932 gebuer. Ech hunn<br />
hie getraff bei him <strong>do</strong>heem zu Rëmeleng, wou hien<br />
zesumme mat senger Fra lieft.<br />
1947 war den André Pauly zu Mutfert an enger<br />
Schräinerei an der Léier, a säi Patron hat eng Entreprise<br />
zu Hengescht iwwerholl. „Mär haten eng Camionnette,<br />
a méindes ass de Patron mat eis <strong>do</strong>ropper gefuer,<br />
an da si mär déi ganz Woch <strong>do</strong>bliwwen. Do hu mär<br />
da geschafft vu moies siwe bis owes siwen. Méindes<br />
hunn ech zu mengem Patron gesot: Ech muss awer<br />
de Mëttwoch an d’Schoul. Mëttwochs woar ëmmer<br />
Beruffsschoul.“ Als Äntwert krut hien, datt en da selwer<br />
misst kucken, wéi en <strong>do</strong>rower kéim. „Du sinn ech mam<br />
<strong>Vëlo</strong> vun Hengescht bis op Sandweiler gefuer – <strong>do</strong><br />
hu mär gewunnt. Ech hat véierzéng Joar, a wa mäi<br />
Papp et gewosst hätt, deen hätt dem Patron d’Guergel<br />
zougedréckt. Vun Hengescht bis op Dikrech woare<br />
keng Stroosse méi, dat woar jo nom Kréiich alles futti,<br />
am Agank vun Dikrech ass d’Strooss e bësse besser<br />
ginn, an et woare keng Autoen an der Strooss, déi<br />
puer amerikanesch Camionen déi ee begéint huet …<br />
Da sinn ech mëttwochs an d’Schoul gaangen, an ech<br />
sinn <strong>do</strong>nneschdes moies um véier Auer zu Sandweiler<br />
fortgefuer, well ech hu missten um siwen Auer zu<br />
Hengescht sinn.“<br />
Den André Pauly haut …<br />
… a fréier, op engem Velostour 1948. Zu zwee ënnerwee<br />
op Berbourg, fir e blanne Frënd ze besichen.
191<br />
Pierre Heiliger<br />
Die Norry-Story<br />
Von 1965 bis 2006<br />
Vor 45 Jahren warnte Norry zum ersten Mal vor den Gefahren im Straßenverkehr. Sein „Erfinder“<br />
Pierre Heiliger erzählt die Geschichte des vorbildlichen Schuljungen.<br />
Wer dem Norry schenkt Gehör,<br />
wird kaum erleiden ein Malheur!<br />
Unter diesem Motto wurde das erste Norry-Bild am<br />
6. September 1965 im Luxemburger Wort veröffentlicht.<br />
Hinter der vorerst rein informativen und aufklärenden<br />
Bildserie in Folgen steckte die Überzeugung, dass der<br />
Begriff Sicherheit der Kinder im Straßenverkehr propagiert<br />
werden müsse. Anlass hierzu waren die vielen<br />
schweren Verkehrsunfälle, die damals, zu Beginn der<br />
60er Jahre, ein großes Problem darstellten. Norry und<br />
später auch Lorry, waren also gedacht, den Kindern in<br />
allen Lebenslagen, im Straßenverkehr, zu Hause und<br />
beim Spiel, beratend zur Seite zu stehen. Und zwar auf<br />
eine den Kindern angepasste und ansprechende Art<br />
und Weise. Andererseits wurden die Erwachsenen, die<br />
motorisierten Straßenbenutzer, mit erhobenem Zeigefinger<br />
zur Vorsichts- und Rücksichtsnahme gegenüber<br />
den Kleinen aufgefordert.<br />
mit Norry und Lorry“ vermittelte den Kindern die<br />
wichtigsten Verkehrs- und Verhaltensregeln, die<br />
Altersbedingungen für Jugendliche (erst ab zehn<br />
Jahren allein im Straßenverkehr Rad fahren), die<br />
Bedeutung der Verkehrsschilder und Straßenmarkierungen<br />
usw.<br />
Anhand praktischer Beispiele wurden Sinn und<br />
Zweck der Straßenverkehrs-Ordnung erklärt und<br />
auf einfache Weise dargestellt. Zu den Sicherheits-<br />
Kampagnen „Norry fährt Rad“, die jeweils mit einem<br />
Verkehrs-Quiz für Kinder verbunden waren, konnten<br />
diese kleine Sicherheitsverse an „Norry & Lorry“<br />
einsenden. Einige dieser prämierten Verse werden<br />
nachstehend mit den entsprechenden Norry-Bildern<br />
veröffentlicht.<br />
„Sécher zu Fouss a mam <strong>Vëlo</strong>“<br />
Unter dem Titel „<strong>Mam</strong> Norry um Schoulwee“ und<br />
„Mir fuere mam <strong>Vëlo</strong>“ wurden während Jahrzehnten<br />
auf die allgemeine Sicherheit der Kinder ausgerichtete<br />
Presseartikel veröffentlicht, Kinderwettbewerbe<br />
sowie Radio- und Fernsehsendungen durchgeführt<br />
und Lernbücher realisiert. Insbesondere für jugendliche<br />
Radfahrer wurde ein kleiner Code de la route<br />
ausgearbeitet, der alle Verhaltensregeln für<br />
Radfahrer erklärte. Die Bildserie „Sicher Rad fahren<br />
De <strong>Vëlo</strong> ass keng Rennmaschinn,<br />
D’Gefore muss een och gesinn!
196
197<br />
Jo Spielmann<br />
Notizen zur<br />
Geschichte der LVI<br />
Ein Vierteljahrhundert hat die <strong>Lëtzebuerger</strong> <strong>Vëlo</strong>s-<strong>Initiativ</strong> mittlerweile hinter sich gebracht. Einer ihrer<br />
frühen Wegbegleiter hat durch das Bulletin der Vereinigung geblättert und mit Gründungsmitgliedern<br />
gesprochen. Ein dreisprachiger Rückblick schildert die facettenreiche Aktivität des K<strong>lu</strong>bs und macht dabei<br />
seine multikulturelle Ausrichtung deutlich.<br />
„Aller Anfang ist schwer“:<br />
Die LVI von 1985 bis 1990<br />
Im Info 9 wird in drei Sprachen das Ziel der Radfahrerorganisation<br />
LVI formuliert:<br />
„Die LVI ist eine Vereinigung von Radfahrern, die<br />
sich zum Ziel gesetzt hat, darauf hinzuwirken, dass<br />
durch die Schaffung der notwendigen Bedingungen das<br />
Alltagsradfahren als moderne Antwort auf die Verkehrsverstopfung,<br />
die Luftverschmutzung und die Lärmbelästigung<br />
in der Stadt, in aller Sicherheit möglich sein soll.<br />
Die LVI hat als weiteres Ziel die Förderung des Freizeitradfahrens.“<br />
Aber wie entstand und entwickelte sich die Organisation,<br />
deren 25. Geburtstag wir 2010 feiern?<br />
Im Wahljahr 1984 fanden erste Demonstrationen<br />
zur Förderung des Fahrrads statt.<br />
Die „<strong>Vëlo</strong>s-Manif“ als Fanal zur Gründung des LVI<br />
Fest steht, dass die erste Fahrraddemo am 4. Oktober<br />
1984 von der Stater Sektion des Mouvement Ecologique<br />
organisiert wurde. Sie war ein voller Erfolg – darauf lässt<br />
die hohe Teilnehmerzahl schließen. Im Ansch<strong>lu</strong>ss an<br />
die Demo war es nach Aussage mehrerer Zeugen René<br />
Diederich, der spontan – „in der Euphorie“ (dixit René)<br />
– durchs Megaphon erklärte, man müsse eine eigene<br />
Vereinigung für die Fahrradinteressierten gründen. Die<br />
Idee war es, auch Leute zu gewinnen, die nicht Mitglied<br />
im Mouvement Ecologique waren. Die Gründungsveranstaltung<br />
fand dann im Konvikt statt. Am 29. März 1985<br />
wurden die Statuten der neuen Vereinigung unterschrieben.<br />
Festgehalten werden muss, dass das Interesse an<br />
der Fahrradthematik in Kreisen des Mouvement schon<br />
vorher bestand. Wie Paul Faber erklärt, hatten die zu<br />
Anfang der achtziger Jahre nach Luxemburg zurückkehrenden<br />
Studenten in Deutschland, aber auch in<br />
Straßburg oder Basel erlebt, dass Fahrradfahren im<br />
Zuge eines erwachenden ökologischen Bewusstseins<br />
nach 1973, dem Jahr der Ölkrise und des C<strong>lu</strong>b of Rome-<br />
Berichts, an Bedeutung gewonnen hatte. In Luxemburg<br />
aber war von diesem Aufbruch wenig zu spüren.
222<br />
Eine langjährige LVI-Forderung geht in Erfül<strong>lu</strong>ng: 2006 wird<br />
auf dem Viadukt eine Fahrradpiste in zwei Fahrtrichtungen<br />
eröffnet.<br />
„Seit Anfang Dezember 2006 ist eine ehemalige<br />
Autospur des Viadukts ausschließlich für den Fahrradverkehr<br />
geöffnet. Dass es immerhin 13 Jahre gedauert<br />
hat, bis eine wichtige Forderung der LVI umgesetzt<br />
wurde, kann unsere Freude über den Erfolg und vor<br />
allem das Resultat nicht schmälern.“ (Nr. 65, 4/2006,<br />
S. 3)<br />
2007<br />
«Avec p<strong>lu</strong>s de 110 présences, toutes nos attentes pour<br />
l’assemblée générale 2007 ont été dépassées.» (N° 66,<br />
1/2007, p. 3)
231<br />
Christa Brömmel<br />
Radlos – wenn das Fahrrad<br />
einfach weg ist<br />
Fahrradklau gehört leider auch in Luxemburg zum Schicksal von Velo-Fans. Hier eine persönliche Erfahrung<br />
mit einigen Überraschungen und einem Happy End.<br />
5.900-mal wurde laut Polizeistatistik in der 274.000<br />
EinwohnerInnen zählenden Westfalenmetropole<br />
Münster 2008 ein Leetzendiebstahl angezeigt. In<br />
Amsterdam (760.000 EinwohnerInnen) werden<br />
jährlich gar 50.000 Fietsen als gestohlen gemeldet.<br />
Wie bescheiden nehmen sich da die Zahlen in<br />
Luxemburg aus: Vierzehn Anzeigen wegen Raddiebstahl<br />
registrierte die Polizei hierzulande 2008. Na klar, mit<br />
Amsterdam oder Münster kann Luxemburg es in<br />
Sachen Raddichte auch (noch) nicht aufnehmen.<br />
Aber auch die Luxemburger Statistik bietet keinen<br />
Trost, wenn das eigene Rad nicht mehr steht, wo es<br />
zuvor abgestellt wurde …<br />
Geklaut!! Vor der eigenen Haustür!! In mir wallte<br />
in diesem Augenblick – ein sonniger Sommermorgen<br />
2005 – ein wahrer Gefühlssturm auf: das Es-kannnicht-sein-was-nicht-sein-darf-Gefühl<br />
der Ungläubigkeit,<br />
die namenlose Wut auf den Unbekannten,<br />
der mir das „antut“, aber auch auf mich selbst, die ich<br />
in unverzeihlicher Nachlässigkeit das Fahrrad am<br />
Vorabend nicht abgesperrt hatte, und schließlich<br />
echte Trauer. Denn mein durch viele schöne Fahr -<br />
erlebnisse mir innig verbundenes Rad war weg.<br />
Und dies drei Wochen vor dem geplanten Radurlaub<br />
in Dänemark, für den es gerade erst generalstabsmäßig<br />
überholt und mit Kilometerzähler, Lenkergriffen<br />
und neuem Sattel ausgerüstet worden war. Eine<br />
Tragödie!<br />
Leider war dieser Ver<strong>lu</strong>st keineswegs einzigartig;<br />
die Erfahrungen mit Raddiebstahl in unserer Familie<br />
können sich sehen lassen. Einige Jahre zuvor wurde<br />
der Kinderroller aus dem Vorgarten entwendet. Er<br />
tauchte im Stadtviertel wieder auf – farblich und durch<br />
das Nutzungsverhalten Jugendlicher leider auch im<br />
Aussehen stark verändert. Dann stahl man meinem<br />
Mann das Fahrrad in der Avenue de la Liberté. Wir<br />
mussten einige Tage später hand<strong>lu</strong>ngsunfähig von<br />
einem Linienbus aus zusehen, wie der neue Eigner<br />
damit keck durchs Bahnhofsviertel rollte! Als das Rad<br />
Ein netter Dieb: Bei diesem Diebstahl wurde das Fahrrad<br />
nicht einfach entwendet, sondern durch das auf dem Bild<br />
zu sehende ersetzt. Allerdings war es auch gestohlen …
237<br />
Monique Goldschmit<br />
Das Projekt „Vélo en ville“<br />
Fahrradverleih mit sozialer Note<br />
In der Stadt Luxemburg gibt es seit zwanzig Jahren einen Fahrradverleih mit eigener Werkstatt.<br />
Auf diese Weise sind mehrere Arbeitsplätze entstanden.<br />
Im Mai 1990 wurde auf Nummer 8 im „Biisserwee“ im<br />
Stadtviertel Grund ein einmaliges Ausbildungsprojekt<br />
rund ums Fahrrad gegründet. Privatpersonen sowie ein<br />
Fahrradhändler taten sich zusammen und gründeten<br />
mit Unterstützung der Stadt Luxemburg, des Tourismus -<br />
ministeriums, des Arbeitsministeriums sowie des<br />
Unterrichtsministeriums, die Delta a.s.b.l. Das Ziel des<br />
Projektes lag darin, jungen Menschen, die weder eine<br />
Arbeit haben noch über eine abgeschlossene Schulausbildung<br />
verfügen, eine sinnvolle Beschäftigung zu geben.<br />
Die Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren sammeln<br />
hier Erfahrung im Bereich der Fahrradmechanik,<br />
Verwaltung und im Umgang mit Kunden. Gleichzeitig<br />
gibt es mit der Delta a.s.b.l. seitdem in der Stadt<br />
Luxemburg endlich einen Fahrradverleih. Dieser war von<br />
Anfang an von März bis Oktober täglich geöffnet. Seit<br />
2009 steht er wochentags auch in den Wintermonaten<br />
zur Verfügung.<br />
Die damalige Bürgermeisterin<br />
Lydie Polfer,<br />
der zuständige Schöffe<br />
Willy Bourg und andere<br />
Persönlichkeiten wohnten<br />
der Eröffnung von Vélo en<br />
Ville 1990 bei.
240
241<br />
Christiane Wagner<br />
Einzigartig in seiner Art<br />
Das Erlebnis- und Kulturzentrum „VéloParc“ in Luxemburg<br />
Ein Fahrraderlebniszentrum für Luxemburg? Spätestens bei der Diskussion um die zukünftige Nutzung der<br />
Bahnhofsrotunden sind die Adepten einer solchen Valorisierung des Fahrrads auf den Plan getreten. Der<br />
Wunschtraum eines kulturellen Anziehungspunktes, in dem sich alles ums Velo dreht, wird von einem Mitglied<br />
der Vereinigung „Centre du Cycle“ in schillernden Farben dargestellt.<br />
Kutschen, Autos, Motorräder, Züge, F<strong>lu</strong>gzeuge, ja<br />
sogar Raketen: Alle haben sie ihre Museen, wo man<br />
sowohl alte Modelle in Augenschein nehmen als auch<br />
die Entwick<strong>lu</strong>ng dieser Transportmittel über die Jahre<br />
hinaus verfolgen kann.<br />
Doch eines der gebräuchlichsten und populärsten<br />
erfährt in dieser Hinsicht stiefmütterliche Behand<strong>lu</strong>ng:<br />
das Fahrrad, das als praktisches, schnelles, billiges<br />
und für alle erschwingliches individuelles Fortbewegungsmittel<br />
die Gewohnheiten unserer Vorfahren<br />
radikal veränderte. Wohl gibt es private Sammler, die<br />
erstaunlich komplette Kollektionen zusammengestellt<br />
haben und eigene kleine Museen betreiben, auch findet<br />
man weltweit einige <strong>Initiativ</strong>en von Gemeinden und<br />
mancherorts sogar von öffentlicher Hand, <strong>do</strong>ch fristen<br />
sie meist ein von der großen Öffentlichkeit unbeachtetes<br />
Dasein. Wenn Auto-, F<strong>lu</strong>gzeug- und Weltallmuseen<br />
jährlich Tausende von Besuchern anlocken,<br />
so hat das oft mit einem attraktiven Rahmenprogramm<br />
zu tun, das weit über gut konzipierte Ausstel<strong>lu</strong>ngen<br />
hinausgeht.<br />
Et geet drëm, endlech aus dem Suedel ze kommen<br />
Dass sich das Fahrrad hierzulande größter Beliebtheit<br />
als Fortbewegungsmittel erfreute und oftmals die<br />
einzige Möglichkeit bot von A nach B zu gelangen, geht<br />
aus anderen Artikeln in diesem Buch klar hervor. Mit<br />
der Demokratisierung des Autos und demzufolge seiner<br />
Verbreitung im Alltag verschwand das Velo nach und<br />
nach in der Versenkung. Die Autos verdrängten die<br />
Drahtesel von den Straßen, Autofahrer schauten mit<br />
bitterbösem Blick auf die langsamen und sperrigen<br />
Störenfriede und so mussten die Fahrradfahrer oft auf<br />
die Bürgersteige ausweichen, wo sie natürlich nicht<br />
besser angenommen wurden.<br />
Seit einiger Zeit kommt das Fahrrad dank des neuen<br />
Umweltbewusstseins und der damit verbundenen<br />
sanften Mobilität zu neuen Ehren. Auch die Politik<br />
unterstützt den Boom durch den Ausbau eines zusam-