Umschau - Europäische Sicherheit & Technik
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<strong>Sicherheit</strong> & Politik<br />
Die Rolle des Westens in einer Welt<br />
im Wandel<br />
Hans-Ulrich Klose<br />
Das „Forum <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2012“, das der Mittler Report Verlag im<br />
Oktober in Berlin durchgeführt hat, wurde durch eine viel beachtete Rede von<br />
Hans-Ulrich Klose MdB eröffnet, die wir nachfolgend wiedergeben.<br />
Es ist nicht ganz einfach, aber dringend<br />
notwendig, über die künftige Rolle<br />
des Westens zu sprechen. Die Zeiten<br />
westlicher Dominanz gehen zu Ende. Der<br />
Anteil westlicher Länder an der Weltbevölkerung<br />
nimmt ab, auf bald nur noch 12 bis<br />
13 Prozent. Die westliche Führungsmacht<br />
Amerika – die „indispensible nation“ –<br />
steckt in einer politischen Krise. In den USA<br />
ist nicht nur vereinzelt die Rede von „decline“.<br />
Der Glaube, dass Demokratie und<br />
Marktwirtschaft einander bedingen, dass<br />
wirtschaftlicher Erfolg nur in einer Demokratie<br />
möglich sei, ist durch China erschüttert.<br />
China ist erfolgreich, ist aber ganz<br />
sicher keine Demokratie. Das verursacht<br />
hier und da ideologische Kopfschmerzen.<br />
Manch einer erwartet, befürchtet sogar,<br />
dass die westliche Führungsmacht von<br />
China eingeholt, auf längere Frist überholt<br />
werden könnte.<br />
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich teile<br />
diese Besorgnis nicht. Ich kenne mich ein<br />
wenig in der amerikanischen Geschichte<br />
aus und weiß von daher, dass es Amerika<br />
mehr als einmal geschafft hat, Zeiten von<br />
Schwäche und Konflikten zu überwinden.<br />
Und jedenfalls hat Amerika (nicht nur aus<br />
meiner Sicht) die besseren Chancen, seine<br />
Führungsposition zu behaupten.<br />
• Amerika ist ein großes Land und verfügt<br />
– anders als China – über reichhaltige<br />
Bodenschätze, vor allem über ausreichend<br />
Energievorräte,<br />
• Amerika ist – anders als China – in der<br />
Lage, seine wachsende Bevölkerung aus<br />
eigener Kraft zu ernähren und produziert<br />
dazu noch ausreichend Nahrungsmittel,<br />
um davon an andere abzugeben,<br />
Autor<br />
Hans-Ulrich Klose MdB ist Vorsitzender<br />
der Parlamentariergruppe<br />
USA im Deutschen Bundestag und<br />
war bis 2011 Koordinator für die<br />
deutsch-amerikanische Zusammenarbeit<br />
im Auswärtigen Amt.<br />
Der Leiter der Veranstaltung, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, begrüßt<br />
Hans-Ulrich Klose MdB, der das „Forum <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong><br />
2012“ mit seinem Vortrag eröffnete<br />
• Amerika hat in seiner Nachbarschaft<br />
keine Feinde,<br />
• Amerika ist ein attraktives Land mit hohem<br />
Innovationspotenzial,<br />
• Amerika ist ein Land mit freiheitlicher<br />
Verfassung, ein freies Land, in dem jede<br />
und jeder Chancen für persönlichen<br />
Aufstieg hat. Nicht zuletzt deshalb ist<br />
Amerika ein Zuwanderungsland, attraktiv<br />
vor allem auch für junge Menschen<br />
aus aller Welt,<br />
• Amerika wird noch lange Zeit die stärkste<br />
Militärmacht bleiben.<br />
Ich glaube deshalb, um es noch einmal zu<br />
sagen, dass Amerika mit den neuen Herausforderungen<br />
fertig werden kann. Aber<br />
es bleibt auch richtig: Amerika und der<br />
Westen sind herausgefordert. Wir müssen<br />
uns den neuen Herausforderungen stellen.<br />
Amerika hat diese neuen Herausforderungen<br />
lange vor Europa erkannt und<br />
angenommen. Es hat sich, nach der Zeitenwende<br />
1989/90 strategisch neu aufgestellt<br />
und schrittweise, aber konsequent in<br />
Richtung Asien/Pazifik orientiert. Amerika<br />
folgt damit seinen Interessen. „Pivot to<br />
Asia“ – so lautete die Arbeitshypothese<br />
am Anfang, und in manchen europäischen<br />
Ohren klang das nach Abkehr von Europa<br />
und löste rundum europäische Besorgnisse<br />
aus. Übertriebene Besorgnisse, die jedoch<br />
durch die eine oder andere Politiker-Aussage<br />
befeuert wurden. Zu nennen ist hier vor<br />
allem die Abschiedsrede des scheidenden<br />
US-Verteidigungsministers Robert Gates<br />
vom Juni 2011.<br />
Ich muss diese Rede hier nicht noch einmal<br />
zitieren, sie werden sich erinnern. Es könne,<br />
so Gates, der Zeitpunkt kommen, zu dem<br />
in den USA die Zweifel an der Relevanz der<br />
Europäer und der NATO übermächtig werden.<br />
Das klang harsch, sollte wohl auch so<br />
verstanden werden; denn richtig war und<br />
ist ja, dass die Europäer derzeit nur vergleichsweise<br />
wenig zur Stärke und Einsatzbereitschaft<br />
der NATO beitragen; alle miteinander<br />
nur etwa 30 Prozent, während 70<br />
Prozent von den USA beigesteuert werden.<br />
Das, so Gates, könne so nicht bleiben. Der<br />
fordernde Gestus der Rede war unüberhörbar.<br />
Unüberhörbar auch das irritierte<br />
Schweigen der Europäer.<br />
Inzwischen hat sich die Sprache verändert;<br />
aus dem „pivot to Asia“ ist ein „rebalancing“<br />
geworden, verbunden mit der Forderung<br />
nach „burdensharing“; letzteres aber<br />
(Foto: Schindler/BAKS)<br />
10 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012