Umschau - Europäische Sicherheit & Technik
Umschau - Europäische Sicherheit & Technik
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Inhalt<br />
Seite 21 Seite 23<br />
<strong>Sicherheit</strong>spolitik im Wahlkampf<br />
2013 wird ein neuer Bundestag gewählt. Welche Rolle sollte<br />
die <strong>Sicherheit</strong>spolitik in den Wahlprogrammen spielen?<br />
Luftmacht und Aufstandsbekämpfung<br />
Die Bedeutung von Luftstreitkräften mit ihren Sensoren<br />
und Wirkmitteln für COIN-Operationen wächst.<br />
SICHERHEIT & POLITIK<br />
10 Die Rolle des Westens in einer Welt im Wandel<br />
Hans-Ulrich Klose<br />
12 NATO-Erweiterung in der Diskussion<br />
Karl-Heinz Kamp<br />
18 Die <strong>Sicherheit</strong>spolitik der EU auf dem Prüfstand<br />
Johannes Varwick<br />
21 Welche Rolle muss <strong>Sicherheit</strong>spolitik in den<br />
Wahlprogrammen spielen?<br />
Rolf Clement<br />
BUNDESWEHR & STREITKRÄFTE International<br />
23 Einsatz von Luftmacht im Rahmen von COIN<br />
Richard Offinger und Guido Plörer<br />
In eigener Sache<br />
Für das Jahr 2012 wurden den Beziehern der neuen „<strong>Europäische</strong>n<br />
<strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong>“ jene Bezugspreise in Rechnung gestellt,<br />
die sie jeweils als Abonnenten der Vorgängerzeitschriften<br />
„<strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong>“ und „Strategie & <strong>Technik</strong>“ für 2011<br />
zu entrichten hatten. Diese Bezugspreise waren zuvor über<br />
lange Jahre hinweg konstant geblieben.<br />
Mit Beginn des neuen Jahrgangs 2013 werden die Bezugspreise<br />
vereinheitlicht und moderat angehoben, um der allgemeinen<br />
Preisentwicklung Rechnung zu tragen.<br />
Der neue reguläre Jahresbezugspreis beläuft sich auf 78,00<br />
Euro (zzgl. Versandkosten in Höhe von 11,50 Euro bei Inlandsbzw.<br />
26,50 Euro bei Auslandsbeziehern).<br />
Der ermäßigte Jahresbezugspreis beläuft sich auf 58,00 Euro<br />
(zzgl. Versandkosten in Höhe von 11,50 Euro bei Inlands- bzw.<br />
26,50 Euro bei Auslandsbeziehern).<br />
Im Handel wird das Heft ab Januar 2013 für 8,30 Euro erhältlich<br />
sein.<br />
Das neue BAAINBw<br />
ES&T Spezial<br />
27 Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik<br />
und Nutzung der Bundeswehr<br />
30 Eindeutige Verantwortlichkeiten und<br />
klare Strukturen<br />
Interview mit Thomas Wardecki, Vizepräsident des BAAINBw<br />
32 Abteilung Ausrüstungsmanagement und Strategie (P)<br />
37 Abteilung Kampf (K)<br />
46 Abteilung See (S)<br />
53 Abteilung Land-Unterstützung (U)<br />
61 Abteilung Informationstechnik (I)<br />
67 Abteilung Informationstechnik-Unterstützung (G)<br />
73 Sonderorganisation HERKULES (H)<br />
75 Abteilung Einkauf (E)<br />
78 Abteilung Luft (L)<br />
84 Abteilung Qualität/Logistik (Q)<br />
87 Abteilung Zentrale Angelegenheiten (Z)<br />
89 Die Dienststellen des BAAINBw<br />
4 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ES&T Spezial<br />
Seite 27 bis 91<br />
Seite 116<br />
Neu aufgestellt<br />
Das neue BAAINBw hat seine Arbeit aufgenommen: Wie<br />
ist es aufgestellt und mit welchen Projekten ist es befasst?<br />
Nuklearer Notfallschutz<br />
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossen. Für den<br />
Schutz der Bevölkerung ist weiterhin zu sorgen.<br />
WIRTSCHAFT & INDUSTRIE<br />
101 „Diehl Defence verfolgt eine nachhaltige<br />
Stabilisierungs-Strategie“<br />
Interview mit Claus Günther, Mitglied des Vorstandes<br />
der Diehl Stiftung & Co. KG, Sprecher Bereichsvorstand<br />
Diehl Defence<br />
106 Das Beschaffungswesen der NATO<br />
Jürgen Hensel<br />
107 Green Blade – Hubschraubereinsatz joint<br />
und combined<br />
Gerhard Heiming<br />
108 Jetzt zeigt HERKULES seine ganze Stärke<br />
Peter Blaschke<br />
ÄUSSERE & ZIVILE SICHERHEIT<br />
110 GMES<br />
Das europäische Erdbeobachtungsprogramm<br />
Thomas Beer<br />
RUBRIKEN<br />
3 Kommentar<br />
6 <strong>Umschau</strong><br />
16 Impressum<br />
92 Informationen – Nachrichten – Neuigkeiten aus aller Welt<br />
96 Blick nach Amerika<br />
98 Fraunhofer INT: Neue Technologien<br />
99 Typenblatt<br />
104 Unternehmen & Personen<br />
114 Nachrichten aus Brüssel<br />
122 Clausewitz-Gesellschaft<br />
126 Gesellschaft für Wehr- und <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
128 Bücher<br />
130 Gastkommentar<br />
116 Nuklearer Notfallschutz in Zeiten des Ausstiegs<br />
Hans-Peter Weinheimer<br />
„Deutschland dürfe nicht zu einem Land der „Neinsager" werden, das bei keinem der<br />
drängenden Probleme bereit sei, eine führende Rolle zu übernehmen – so oder so<br />
ähnlich hört man es von unterschiedlichen Seiten in Washington. Ich finde, wir sollten<br />
solche mahnenden Worte ernst nehmen. Die Politik der Zurückhaltung, die wir über<br />
Jahrzehnte verkündet und praktiziert haben, passt nicht mehr in die heutige Zeit. Sie<br />
war historisch begründet; an der Richtigkeit dieser Gründe war und ist nicht zu zweifeln.<br />
Die Schlussfolgerungen müssen aber überdacht und den Realitäten der heutigen<br />
Zeit angepasst werden.“<br />
Hans-Ulrich Klose MdB: „Die Rolle des Westens<br />
in einer Welt in Wandel“, Seite 10
Kommentar<br />
Auch nach Afghanistan gibt es<br />
keine Friedensdividende<br />
Mit dem Jahreswechsel bricht das vorletzte Jahr<br />
der ISAF-Mission an. Das Ende des Einsatzes<br />
der Bundeswehr am Hindukusch unter diesem<br />
Mandat rückt damit in Sicht, die Vorbereitungen<br />
für eine schrittweise Reduzierung des Personals<br />
und eine geordnete Rückführung des Materials<br />
sind bereits angelaufen. Noch ist nicht klar erkennbar,<br />
in welchem Umfang und mit welchen<br />
Aufgaben deutsche Soldaten auch über 2014<br />
hinaus die afghanischen <strong>Sicherheit</strong>skräfte unterstützen<br />
werden. Fest scheint jedoch zu stehen,<br />
dass sie nicht mehr die Verantwortung für die<br />
Stabilität von Teilen des Landes tragen werden<br />
und ihr Auftrag ein weniger robustes Mandat<br />
erfordern dürfte.<br />
Die im Zeichen strikter Einsatzorientierung stehende<br />
Neuausrichtung der Bundeswehr wird in<br />
Afghanistan nicht mehr voll zum Tragen kommen.<br />
Dies ist allerdings auch nicht der Anspruch<br />
der Reform. Die Bundeswehr zieht ihre militärischen<br />
Lehren aus dem ISAF-Einsatz. Sie weiß<br />
dabei aber ganz genau, dass dieser keine Blaupause<br />
für Szenarien, in denen sie sich in Zukunft<br />
zu bewähren hat, sein kann. Da vielfältige Szenarien<br />
vorstellbar sind, stellt sie sich hinsichtlich<br />
ihrer Fähigkeiten nach dem Grundsatz „Breite<br />
geht vor Tiefe“ auf. Anderes wäre, solange über<br />
Pooling und Sharing in Europa vor allem philosophiert<br />
wird, unverantwortlich.<br />
Die politischen Lehren aus dem ISAF-Einsatz<br />
haben hingegen Regierung und Parlament<br />
zu ziehen. Eine wird sicherlich sein, ohne dass<br />
daraus ein Vorwurf an die unter dem Eindruck<br />
der Ereignisse des 11. September stehenden<br />
Entscheidungsträger des Jahres 2001 erwachsen<br />
sollte: Die Ziele, die man sich zu Beginn der<br />
ISAF-Mission setzte, waren in ihrer Mehrzahl<br />
realitätsfern. Das Ende der Taliban-Gewaltherrschaft<br />
brachte kein Ende der Gewalt. Die<br />
Ambitionen, Afghanistan durch Nation Building<br />
zu einem großen Sprung in die Moderne nach<br />
westlichem Verständnis zu verhelfen, haben<br />
sich nicht erfüllt. Dabei wurde nicht zuletzt die<br />
Attraktivität unserer zivilisatorischen Werte für<br />
eine von jahrzehntelangen Kriegen erschütterte<br />
und in ganz anderen Traditionen stehende Gesellschaft<br />
überschätzt.<br />
Eine weitere Lehre dürfte sein, dass der Einsatz<br />
militärischer Mittel zur Prävention oder Bewältigung<br />
von Konflikten ultima ratio bleiben muss<br />
und politische Lösungen nicht ersetzen und<br />
mitunter nicht einmal erleichtern kann. Diese<br />
Erkenntnis ist eigentlich nicht neu, wurde aber<br />
immer wieder hintangestellt, weil man darauf<br />
vertraute, die Dinge würden sich schon irgendwie<br />
regeln lassen, sofern erst einmal für Stabilität<br />
gesorgt sei. Die militärischen Interventionen,<br />
die von Angehörigen der westlichen Staatengemeinschaft<br />
seit dem Ende des Kalten Krieges<br />
unternommen wurden, haben nirgendwo zu Ergebnissen<br />
geführt, die zufriedenstellen können.<br />
Mitunter lösten sie, wie insbesondere im Irak,<br />
lediglich alte Probleme, um sich neue, vielleicht<br />
weitaus gravierendere einzuhandeln.<br />
Diese ernüchternde Bilanz darf jedoch nicht<br />
zu Attentismus verleiten. Die Tatsache, dass<br />
Deutschland, Europa und der Westen insgesamt<br />
ein Interesse an Frieden und Stabilität weltweit<br />
haben, ist unabweislich. Die vielfältigen Bedrohungen,<br />
denen unsere <strong>Sicherheit</strong> und unser<br />
Wohlstand ausgesetzt sind oder sein könnten,<br />
sind nicht herbeigeredet. Es mag unterdessen<br />
wie eine Binsenweisheit klingen, dass im Zeitalter<br />
der Globalisierung Instabilitäten auch in weit<br />
entfernten Weltregionen fatale Auswirkungen<br />
auf uns zeitigen können. Am Wahrheitsgehalt<br />
dieser Feststellung ist gleichwohl nicht zu rütteln.<br />
Auch nach Afghanistan wird es daher keine<br />
Friedensdividende geben. Ebenso wenig ist<br />
es den Europäern vergönnt, sich eine sicherheitspolitische<br />
Auszeit zu nehmen, bis sie ihre<br />
Schuldenkrise gelöst und vielleicht wieder mehr<br />
finanzielle Handlungsspielräume erschlossen<br />
haben. Die Herausforderungen werden nicht ruhen,<br />
bloß weil man auf unserem Kontinent nicht<br />
die Muße und Entschlossenheit besitzt, sich mit<br />
ihnen auseinanderzusetzen. Es ist richtig, dass<br />
die Europäer auch auf militärischem Gebiet nach<br />
mehr Gemeinsamkeit streben. Dies darf jedoch<br />
nicht in einen fiskalisch getriebenen Wettlauf<br />
des Personalabbaus und der Fähigkeitsreduzierung<br />
münden, ohne dass die viel beschworenen<br />
Synergien zugleich endlich erschlossen würden.<br />
<strong>Sicherheit</strong> wird weiterhin nicht umsonst zu haben<br />
sein, und zu ihren Kosten zählt gewiss nicht<br />
allein der Unterhalt von Streitkräften. Für deren<br />
zeitgemäße Aufstellung und Ausrüstung ist<br />
jedoch zu sorgen, um politisch handlungsfähig<br />
zu sein. Das sich abzeichnende Ende von ISAF<br />
sollte daher nicht als eine Atempause empfunden<br />
werden. Die technische Modernisierung der<br />
Streitkräfte darf nicht zum Stillstand kommen,<br />
um jenen Soldaten gegenüber verantwortungsvoll<br />
zu handeln, die die Last der Einsätze von<br />
morgen zu tragen haben. Peter Boßdorf<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
3
<strong>Umschau</strong><br />
SeaFox-Drohne für<br />
U.S. Navy<br />
Die U.S. Navy hat von ATLAS ELEKTRONIK<br />
GmbH, Bremen, Minenvernichtungsdrohnen<br />
vom Typ See Fuchs (SeaFox) bestellt,<br />
um die Minenabwehrfähigkeit in der U.S.<br />
Navy zu modernisieren. Die Drohnen sollen<br />
vor allem auf den US-Minensuchbooten<br />
der AVANGER-Klasse und den Minenjagdhubschraubern<br />
vom Typ MH-53 Sea<br />
Dragon eingesetzt werden. Die U.S. Navy<br />
hatte bereits vor einem Jahr die SeaFox-<br />
Drohne für den Einsatz vom Sea Dragon-<br />
Hubschrauber aus getestet, für effektiv und<br />
zukunftsfähig befunden und sich nunmehr<br />
entschieden, den SeaFox für ihre Minenabwehreinheiten<br />
zügig zu beschaffen. Der<br />
SeaFox ist eine über ein Glasfaserkabel<br />
gelenkte Einwegdrohne, die zur Entdeckung<br />
und Vernichtung von Ankertau- und<br />
Grundminen oder im Wasser befindlichen<br />
Sprengkörpern eingesetzt wird. Mit einem<br />
Sonar und einer Videokamera spürt<br />
(Foto: ATLAS ELEKTRONIK)<br />
der SeaFox Minen bzw. Sprengkörper auf<br />
und sendet die Daten an eine Kontrollstation<br />
(Multifunktionskonsole) an Bord des<br />
Minensuchers bzw. Hubschraubers, um<br />
sie anschließend mit seiner mitgeführten<br />
Sprengladung zu vernichten. (ds)<br />
Deutsche Marine erhält<br />
127-mm-Geschütz<br />
Die Finmeccanica Tochtergesellschaft Oto<br />
Melara hat das erste von fünf Marinegeschützen<br />
127/64 Vulcano für die vier im<br />
Bau befindlichen Fregatten der Klasse 125<br />
ausgeliefert. Das fünfte Geschütz dient der<br />
Ausbildung. Das 127-mm-Geschütz stellt<br />
jetzt das größte Rohrwaffenkaliber in der<br />
Marine dar, denn das Standardgeschütz<br />
in der Marine war und ist das 76-mm-<br />
(Foto: Finmeccanica)<br />
Geschütz von Oto Melara. Das 127-mm-<br />
Geschütz wiegt ca. 30 t und besitzt ein<br />
auf 64 Kaliberlängen verlängertes Rohr,<br />
damit werden Reichweiten von 120 km<br />
erzielt. Das Geschütz eignet sich u.a. auch<br />
zur maritimen Feuerunterstützung gegen<br />
Land- und Küstenziele. Das Geschütz<br />
kann ungelenkte Mehrzweckmunition bis<br />
70 km, endphasengelenkte Munition mit<br />
IR-Sensor bis 70 km und gelenkte Langstreckenmunition<br />
mit GPS-Lenkung bis<br />
120 km verschießen. Die gelenkte Langstreckenmunition<br />
(Vulcano-Geschoss) ist<br />
eine Gemeinschaftsproduktion mit Diehl<br />
Defence. Die Treffgenauigkeit liegt bei 20<br />
m, mit Laserlenkung bei 3 m. Das erste<br />
Geschütz wird auf der Fregatte BADEN-<br />
WÜRTTEMBERG eingebaut, die 2016 an<br />
die Deutsche Marine ausgeliefert wird. (ds)<br />
Logistische Unterstützung COBRA<br />
Für das Artillerie-Aufklärungssystem COBRA (COunter Battery RAdar) hat die Occar<br />
die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH in einem Dreijahresvertrag mit der<br />
Betreuung des COBRA-Systems beauftragt. COBRA wird in Deutschland, Frankreich<br />
und Großbritannien für die Lokalisierung von Feuerstellungen, zur Vermeidung<br />
des Beschusses eigener Kräfte, zur Erstellung einer Gefechtsfeldübersicht und zur<br />
Kommunikation mit Gefechtseinheiten eingesetzt. Das trilateral betriebene weit<br />
reichende Radarsystem ist seit 2005 im Einsatz. Mit einer Erkennungsreichweite von<br />
40 km und einer Geländeabdeckung von 1.600 km² kann COBRA bis zu 40 Batterien<br />
in zwei Minuten entdecken und klassifizieren. Der Betreuungsvertrag mit der ESG<br />
enthält eine Option zur Verlängerung um zwei Jahre. <br />
(gwh)<br />
(Foto: Radar 4587)<br />
MTU steigert Motorleistung<br />
Das Tognum-Tochterunternehmen MTU<br />
Friedrichshafen GmbH bietet die Baureihe<br />
8000 mit einer Leistung von zehn Megawatt<br />
an. Bislang lag die Höchstleistung des<br />
20-Zylindermotors bei 9.100 Kilowatt. Die<br />
Baureihe 8000 deckt nun ein Leistungsspektrum<br />
von 7.200 bis 10.000 Kilowatt ab.<br />
MTU kann jetzt wirtschaftliche Antriebslösungen<br />
von Dieselmotoren bis zu 40 MW<br />
pro Schiff anbieten. Auf der Marinemesse<br />
Euronaval 2012 stellte MTU einen Hauptantriebsmotor<br />
der Baureihe 1163 vor, der<br />
ein Leistungsspektrum von 4.440 bis 7.400<br />
Kilowatt abdeckt und der auf Fregatten und<br />
Küstenwachschiffen zum Einsatz kommt.<br />
Zudem stellte MTU ein Marineschiffsmodell<br />
mit CODAG-Antrieb sowie neue Ladeaggregate<br />
für U-Boote vor. Das weiterentwickelte<br />
Dieselaggregat für U-Boote der<br />
Baureihe 4000 mit 1.300 Kilowatt Leistung<br />
wird 2016 verfügbar sein. <br />
(ds)<br />
NEOSS-Sensorsystem<br />
Rheinmetall Defence hat ein neues allwetter-<br />
sowie Tag- und Nacht-fähiges und 360°<br />
abdeckendes Sensorsystem NEOSS (Naval<br />
Electro-Optical Stabilized Sensor System)<br />
für kleinere Marineschiffe als Stand-alone<br />
System entwickelt, das schnell und einfach<br />
am Schiffsmast installiert werden kann.<br />
Das voll digitale elektro-optische System<br />
dient der Seegebiets- und Küstenüberwachung,<br />
der Navigation, der Zielidentifikation,<br />
Klassifizierung und der Zielzuweisung<br />
(fire-control). NEOSS kann auf externe<br />
(Foto: MTU)<br />
6 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
Sensor- und Effektorsysteme wie Radar<br />
oder Geschütze aufgeschaltet werden.<br />
Das System besteht aus dem Sensorkopf<br />
mit hochauflösender IR-Kamera, Video-<br />
Kamera/Tracker, automatischer Zielerkennung,<br />
integriertem BITE-System und einem<br />
Laser-Entfernungsmesser mit 3D-Tracking<br />
Data-Fähigkeit, dem stabilisiertem Gehäuse<br />
und der Operator/Kontrollstation. Das<br />
System kann zur Zielentdeckung und Seeraum-<br />
bzw. Küstenüberwachung gezielt<br />
auf bestimmte Gebietssektoren vorprogrammiert<br />
werden, um eine automatische<br />
Überwachung zu generieren. (ds)<br />
UAS Tanan 300<br />
Cassidian hat auf der Euronaval 2012 sein<br />
neu entwickeltes UAS (Unmanned Aerial<br />
System), die Drohne Tanan 300, für den<br />
See- und Landeinsatz präsentiert. Die<br />
Sensorausstattung umfasst: EO/IR-und<br />
Video-Kameras, Radar, AIS und IFF oder<br />
Daten-Link. Der Antrieb ist ein starker Dieselmotor.<br />
Die Drohne ist allwetterfähig und<br />
erträgt Temperaturen von -20°C bis +50°C.<br />
Tanan 300 wiegt 300 kg mit einer Payload<br />
von 50 kg. Die Drohne ist 4,30 m lang, 1,20<br />
m breit mit einem Rotordurchmesser von<br />
5,00 m, ihre maximale Einsatzhöhe beträgt<br />
2.000 m, die höchste Geschwindigkeit 150<br />
km/h, die Marschgeschwindigkeit 100<br />
km/h. Sie kann über acht Stunden operieren<br />
und hat eine Reichweite von über 180<br />
km bzw. 100 sm. (ds)<br />
Full Warship Trainer<br />
Thales Deutschland und Transas Marine<br />
International haben einen Kooperationsvertrag<br />
zur Entwicklung und Vermarktung Full<br />
Warship Trainer (FWST) vereinbart. Diese<br />
modulare Simulationslösung ermöglicht es<br />
erstmals, ein komplettes Kriegsschiff zu Trainingszwecken<br />
virtuell abzubilden: Von der<br />
(Foto: Rheinmetall Defence)<br />
(Foto: Cassidian)<br />
Luna elektronisch sichtbar<br />
Das taktische, unbemannte Flugzeugsystem LUNA hat Anfang Oktober seinen<br />
50. operationellen Flug mit einem ADS-B (Automatic dependent surveillancebroadcast)-Transponder<br />
in Afghanistan durchgeführt. Der neue, von der EASA zertifizierte<br />
ADS-B-Transponder stellt die „elektronische Sichtbarkeit“ von LUNA für<br />
die Luftverkehrskontrolle sicher. Dies ermöglicht eine bessere Koordinierung von<br />
unbemannten und bemannten Flugzeugen im Luftraum. Mit ADS-B hat die Bundeswehr<br />
die Nase vorn bei den Voraussetzungen für Flüge von UAS im kontrollierten<br />
Luftraum. LUNA leistet bereits seit der ersten Mission im Kosovo am 27. März 2000<br />
mit einer Vielzahl unterschiedlicher Nutzlasten wertvolle Unterstützung bei der<br />
Nachrichtengewinnung und Aufklärung in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr.<br />
Integriert auf geschützte Fahrzeuge erlaubt das System sehr flexible Operationen in<br />
Konfliktregionen. Durch die direkte Integration in die Einsatzverbände des Heeres<br />
ist eine zeitnahe Verfügbarkeit der Überwachungsergebnisse für den taktischen<br />
Einsatzführer vor Ort gewährleistet. <br />
(gwh)<br />
Steuerung des Schiffs auf der Brücke und<br />
der Arbeit im Maschinenraum über CMS<br />
(Combat Management System)- Training<br />
bis zu realistischen Doorgunner-Übungen<br />
für Bordhubschrauber oder der Schießausbildung<br />
von Boarding-Teams. Mit diesem<br />
innovativen Trainingssystem wird es künftig<br />
möglich sein, in parallel unterschiedlichen<br />
Szenarien Einzelteams, z.B. in der klassischen<br />
Navigationsausbildung oder dem<br />
klassischen Gefecht aus einer Operationszentrale<br />
heraus, zu trainieren. Der FWST-Ansatz<br />
bietet zudem die Möglichkeit, aktuelle<br />
und zukünftige Szenarien einzuüben. Sein<br />
insgesamt modularer Ansatz ermöglicht es,<br />
flexibel Erweiterungen einzelner Trainingselemente<br />
vorzunehmen und damit spezifischen<br />
Anforderungen nachzukommen. (ds)<br />
MASS-System erweitert<br />
Rheinmetall Defence hat sein MASS (Multi<br />
Ammunition Softkill System)-Täuschkörpersystem<br />
(decoy) zur Abwehr von Anti-Ship-<br />
Missiles mit zwei Varianten (MASS DUERAS<br />
und MASS ISS) weiterentwickelt. Das System<br />
verschießt programmierbare Täuschkörper,<br />
die das gesamte Bedrohungsspektrum<br />
anfliegender Flugkörper in allen Wellenlängen<br />
des elektromagnetischen Spektrums<br />
(Radar, Infrarot, Laser, Elekro-Optisch,<br />
Ultraviolett) abdecken. MASS DUERAS ist<br />
eine „Huckepack“-Lösung, die Startbehälter<br />
für Ablenkungsraketen (distraction rockets)<br />
enthält, aus denen auch Anti-Torpedo-<br />
Täuschkörper verschossen werden können.<br />
(Foto: EMT)<br />
Die kanadische Marine hat das System für<br />
ihre HALIFAX-Fregatten bestellt. Das MASS<br />
ISS (Integrated Sensor Suite), das Radar-,<br />
Laser- und Elektro-Optische Bedrohungen<br />
entdeckt, wurde mit dem „NavGuard“-System<br />
erweitert. „NavGuard“ ist ein aktives<br />
Warnsystem gegen anfliegende Flugkörper.<br />
Es vermag, anfliegende Lenkflugkörper wie<br />
Milan, Sagger oder Fagott zu entdecken und<br />
abzulenken. <br />
(ds)<br />
Rheinmetall montiert und<br />
prüft TAPV<br />
Rheinmetall Canada, Tochter des Rheinmetall-Konzerns,<br />
ist vom Hauptauftragnehmer<br />
für das kanadische geschützte<br />
taktische Patrouillenfahrzeug (Tactical<br />
Armoured Patrol Vehicle, TAPV) Textron<br />
Systems mit der Teilmontage und Prüfung<br />
von 500 TAPV beauftragt worden. In dem<br />
Auftrag mit einem Gesamtvolumen von<br />
160 Millionen Euro sind 120 Millionen Euro<br />
für Fertigungsleistungen im Zeitraum Juli<br />
2014 bis März 2016 und 40 Millionen Euro<br />
für Serviceleistungen in der anschließen-<br />
(Foto: Rheinmetall Defence)<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
7
<strong>Umschau</strong><br />
den Nutzungsphase enthalten. Rheinmetall<br />
Canada übernimmt einen Großteil der<br />
Fertigungs- und Integrationsarbeiten sowie<br />
die Endmontage mit abschließenden Tests<br />
der Panzerfahrzeuge. Der ISS beginnt mit<br />
Auslieferung der ersten 47 Fahrzeuge 2014<br />
und endet 2021, fünf Jahre nach Auslieferung<br />
des letzten Fahrzeugs. An dem Auftrag<br />
für 470 Millionen Euro plus 82 Millionen<br />
Euro für ISS ist neben Rheinmetall<br />
mit EODC (Engineering Office Deisenroth<br />
Canada) ein weiteres Unternehmen mit<br />
Wurzeln in Deutschland beteiligt. (gwh)<br />
(Foto: Rheinmetall)<br />
Vier Galileo-Satelliten im Orbit<br />
Mit dem gelungenen Start der Sojus-Rakete in Französisch Guyana am 12. Oktober<br />
wurden der dritte und vierte Satellit für die In-Orbit Validation (IOV) des Galileo-<br />
Systems auf ihre Umlaufbahnen gebracht. Die von einem Konsortium mit dem<br />
Hauptauftragnehmer Astrium gebauten Satelliten dienen der Überprüfung wesentlicher<br />
Funktionen und Services des europäischen Navigationssystems Galileo.<br />
Nach den ersten Checks wurden die Satelliten an die Galileo-Kontrollzentren in<br />
Oberpfaffenhofen und Fucino (Italien) übergeben. Die vier IOV-Satelliten verfügen<br />
über die gleiche Leistungsfähigkeit wie die späteren 14 „Produktions“-Satelliten, die<br />
von OHB-System in Bremen gebaut werden und ab 2014 die volle Raumabdeckung<br />
gewährleisten werden. Diese vier Satelliten bilden die Mini-Konfiguration, die für die<br />
Validierung des Systems und das Feintuning notwendig ist. <br />
(gwh)<br />
(Foto: ESA)<br />
(Foto: Airbus Military)<br />
Luftbetankung mit A400M<br />
getestet<br />
Die Fähigkeit der A400M zur Luftbetankung<br />
wird mit verschiedenen Tankflugzeugen<br />
wie VC10 der Royal Air Force und<br />
A330 MRTT, die von mehreren Luftwaffen<br />
genutzt wird, überprüft. Bei dem jüngsten<br />
Test musste der Veteran Transall C-160 –<br />
der von der A400M abgelöst werden soll<br />
– beweisen, dass er Betriebsstoff an den<br />
A400M abgeben kann. Zwanzig Trockenkontakte<br />
(dry contacts) wurden zwischen<br />
beiden Flugzeugen hergestellt, bei denen<br />
kein Treibstoff übergeben wurde. Mit<br />
zwölf Minuten dauerte der letzte Kontakt<br />
so lange, dass eine komplette Tankfüllung<br />
hätte übergeben werden können. (gwh)<br />
Engineering Support<br />
System für Eurofighter<br />
Cassidian entwickelt im Auftrag des Bundesamtes<br />
für Ausrüstung, Informationstechnik<br />
und Nutzung der Bundeswehr<br />
(BAAINBw) ein neues Bodenbetreuungssystem<br />
(Engineering Support System, ESS)<br />
für die Eurofighter der deutschen Luftwaffe.<br />
Das ESS ist Schnittstelle für den Austausch<br />
von Wartungsdaten mit dem Flugzeug,<br />
der Analyse von Luftfahrzeug- und<br />
Triebswerksdaten sowie Strukturbelastun-<br />
gen und der Interpretation von Fehlerinformationen<br />
der Bordelektronik des Eurofighters.<br />
Eine Nachfolge des bisherigen viernational<br />
eingesetzten ESS wird erforderlich,<br />
um zukünftige Rüststände des Eurofighters<br />
ab der Software-Version SRP12 (P1E) optimal<br />
zu unterstützen und die vollständige<br />
Anbindung an das Logistische Informationssystem<br />
der Bundeswehr (SASPF) zu<br />
schaffen. Das Cassidian ESS wird zudem die<br />
Einsatzfähigkeit der deutschen Eurofighter-<br />
Flotte verbessern. So verkürzen sich beispielsweise<br />
die Inspektionszeiten zwischen<br />
aufeinanderfolgenden Einsätzen. Das ESS<br />
ist modular aufgebaut und enthält eine<br />
Standardschnittstelle zur Anbindung an<br />
verschiedene Logistiksysteme. Somit kann<br />
(Foto: Cassidian)<br />
das System nicht nur als Grundlage für Unterstützungssysteme<br />
anderer Waffensysteme<br />
dienen, sondern auch auf den Bedarf<br />
anderer Nationen zugeschnitten werden.<br />
Das neue System wird im militärischen Luftfahrtzentrum<br />
in Manching in Kooperation<br />
mit der deutschen Luftwaffe entwickelt<br />
und ab 2014 ausgeliefert. (gwh)<br />
Tragflächenbespannung<br />
A400M<br />
Airbus Military hat Alliant Techsystems<br />
(ATK) beauftragt, Holme für die Tragfläche<br />
zu liefern, an denen die Außenhaut befestigt<br />
wird. Für jedes Fugzeug sind 122 Holme<br />
zu liefern. Der Auftragswert für die 180<br />
(Foto: Airbus Military)<br />
8 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
Flugzeuge beträgt 78 Mio. Euro. Die Lieferungen<br />
beginnen 2013. ATK hatte Mitte<br />
2011 das „Aircraft Commercial Center<br />
of Excellence” (ACCE) in Utah eröffnet, in<br />
dem u. a. Composit-Werkstücke für Airbus<br />
(Zelle und Triebwerke A350) und die Triebwerke<br />
von General Electric und Rolls-Royce<br />
produziert werden. <br />
(gwh)<br />
Gesamtfahrzeug-Crashanlage<br />
im EMI<br />
Das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,<br />
Ernst-Mach-Institut EMI, hat im baden-württembergischen<br />
Efringen-Kirchen<br />
eine neue Gesamtfahrzeug-Crashanlage<br />
in Betrieb genommen. Sie ermöglicht Tests<br />
mit einer Geschwindigkeit von maximal 80<br />
km/h an Fahrzeugen mit bis zu drei Tonnen<br />
(Foto:EMI)<br />
Double-Face-Materialien mit einer hydrophoben<br />
(wasserabweisenden) Innen- und<br />
einer hydrophilen (wasseranziehenden)<br />
Außenseite kombiniert. Eine zweite Materialvariante<br />
wurde komplett hydrophob<br />
ausgestattet. Die nächste Kleidungsschicht<br />
muss Schweiß aufnehmen und vom Körper<br />
weg transportieren. Außerdem dient diese<br />
Kleidungsschicht auch der Wärmeisolation.<br />
Beim Löscheinsatz ist sie eine zusätzliche<br />
Barriere gegenüber der Hitze des Brandherdes.<br />
Bei sonstigen Rettungseinsätzen<br />
wirkt sie als Kälteschutz. Die Wirksamkeit<br />
der neuen Bekleidung wurde in Vergleichsuntersuchungen<br />
mit Laborverfahren und<br />
mit Testpersonen nachgewiesen. (gwh)<br />
(Foto: Hohenstein/Fotolia)<br />
Marine-Aufklärungssystem<br />
Erstmals hat die Firma PLATH GmbH,<br />
Hamburg auf der Euronaval 2012 in Paris<br />
ihr neu entwickeltes Aufklärungssystem<br />
für Marineanwendungen präsentiert.<br />
Basierend auf dem automatischen<br />
Aufklärungssystem ACOS hat PLATH ein<br />
Kommunikationsaufklärungssystem für<br />
das maritime Umfeld konzipiert. Dieses<br />
System kombiniert bereits in der Einstieglösung<br />
COMMS ESM- und RADAR ESM-<br />
Daten und fügt sie in ein gemeinsames,<br />
umfassendes Lagebild des betroffenen<br />
Seegebietes zusammen. Damit gewinnen<br />
Trägerschiffe die Fähigkeit, sowohl<br />
konventionelle als auch nicht-konventionelle<br />
oder asymmetrische Bedrohungen<br />
rechtzeitig zu erfassen. Als international<br />
anerkannter Lösungsanbieter für<br />
Kommunikationsaufklärung fügt PLATH<br />
Kernelemente des Systems aus eigener<br />
Entwicklung und Produktion zusammen<br />
mit Komponenten von qualifizierten Partnern<br />
und bietet damit eine optimale Lösung<br />
aus einer Hand. <br />
(ds)<br />
Gewicht in einer 500 m² großen Testhalle.<br />
Fahrzeugelemente wie Airbag, Stoßstange<br />
und Instrumententafel bis hin zum gesamten<br />
Fahrzeug „crashen“ die EMI-Forscher.<br />
Crashtests sind trotz Computer-Simulationen<br />
nach wie vor die zuverlässigste Methode,<br />
um PKW auf ihre <strong>Sicherheit</strong> zu überprüfen.<br />
Daneben soll mit den gewonnenen Erkenntnissen<br />
und Analysen die Entwicklung<br />
im Bereich der energiesparenden Verbrennungsmotoren<br />
vorangetrieben werden.<br />
Die Besonderheit der neuen Anlage ist eine<br />
Spezial-Messtechnik. Die Experten setzen<br />
beispielsweise sieben spezielle Hochgeschwindigkeitskameras<br />
ein sowie eigens<br />
entwickelte Beschleunigungsaufnehmer<br />
und erfassen die dynamischen Verformungen<br />
der Materialien dreidimensional. (co)<br />
Hightech-Textilien gegen<br />
Hitzestress<br />
Wissenschaftler der Hohenstein Institute<br />
in Bönnigheim haben im Rahmen eines<br />
Forschungsprojekts gemeinsam mit neun<br />
Industriepartnern spezielle Funktionsunterwäsche<br />
für Einsatzkräfte bei der Feuerwehr<br />
entwickelt. Ziel war, die körpereigene<br />
Kühlfunktion durch einen schnellen<br />
Abtransport des Schweißes optimal zu<br />
unterstützen und gleichzeitig eine gute<br />
Wärmeisolation zu erreichen. Für den<br />
schnellen Schweißtransport in der hautnah<br />
getragenen Kleidungsschicht wurden<br />
Laser gegen C-RAM<br />
Die MBDA Deutschland hat erstmals mit ihrem Hochenergie-Laserdemonstrator<br />
die komplette Funktionskette zur Abwehr von Raketen, Granaten und Mörsern<br />
(C-RAM, Counter Rocket, Artillery, and Mortar) nachgewiesen. Mit einer 40-kW-<br />
Laserleistung wirkte der Laserdemonstrator erfolgreich gegen fliegende Ziele auf eine<br />
Distanz von über 2.000 m. Die Versuche fanden auf dem Gelände der WTD 52 in<br />
Oberjettenberg vor einem hochkarätigen Fachpublikum aus Ministerien, Behörden<br />
und Unternehmen statt. Für die Tests wurde der Laserdemonstrator mit einer neuen,<br />
leistungsfähigeren und deutlich kompakteren sowie leichteren Optik ausgestattet<br />
und in einen verlegbaren Container integriert. Der Beleuchtungs- und Wirklaser<br />
wurde bei den Tests durch ein Radar (SPEXER 2000) und ein IR-Optroniksystem<br />
(MEOS II) von Cassidian voreingewiesen und im Feinbereich durch ein mehrstufiges<br />
Regelungssystem mit eigenentwickelter Bildverarbeitung auf dem Ziel gehalten. Als<br />
Ziele wurden Granaten-Modelle verwendet, die in einer Höhe von 1.600 m über<br />
Grund auf verschiedenen Flugbahnen geschleppt wurden. Mit den guten Ergebnissen<br />
in diesem Jahr knüpft die MBDA Deutschland an die erfolgreichen Lasertests in<br />
den Jahren 2010 und 2011 an. <br />
(gwh)<br />
(Foto: MBDA)<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
9
<strong>Sicherheit</strong> & Politik<br />
Die Rolle des Westens in einer Welt<br />
im Wandel<br />
Hans-Ulrich Klose<br />
Das „Forum <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2012“, das der Mittler Report Verlag im<br />
Oktober in Berlin durchgeführt hat, wurde durch eine viel beachtete Rede von<br />
Hans-Ulrich Klose MdB eröffnet, die wir nachfolgend wiedergeben.<br />
Es ist nicht ganz einfach, aber dringend<br />
notwendig, über die künftige Rolle<br />
des Westens zu sprechen. Die Zeiten<br />
westlicher Dominanz gehen zu Ende. Der<br />
Anteil westlicher Länder an der Weltbevölkerung<br />
nimmt ab, auf bald nur noch 12 bis<br />
13 Prozent. Die westliche Führungsmacht<br />
Amerika – die „indispensible nation“ –<br />
steckt in einer politischen Krise. In den USA<br />
ist nicht nur vereinzelt die Rede von „decline“.<br />
Der Glaube, dass Demokratie und<br />
Marktwirtschaft einander bedingen, dass<br />
wirtschaftlicher Erfolg nur in einer Demokratie<br />
möglich sei, ist durch China erschüttert.<br />
China ist erfolgreich, ist aber ganz<br />
sicher keine Demokratie. Das verursacht<br />
hier und da ideologische Kopfschmerzen.<br />
Manch einer erwartet, befürchtet sogar,<br />
dass die westliche Führungsmacht von<br />
China eingeholt, auf längere Frist überholt<br />
werden könnte.<br />
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich teile<br />
diese Besorgnis nicht. Ich kenne mich ein<br />
wenig in der amerikanischen Geschichte<br />
aus und weiß von daher, dass es Amerika<br />
mehr als einmal geschafft hat, Zeiten von<br />
Schwäche und Konflikten zu überwinden.<br />
Und jedenfalls hat Amerika (nicht nur aus<br />
meiner Sicht) die besseren Chancen, seine<br />
Führungsposition zu behaupten.<br />
• Amerika ist ein großes Land und verfügt<br />
– anders als China – über reichhaltige<br />
Bodenschätze, vor allem über ausreichend<br />
Energievorräte,<br />
• Amerika ist – anders als China – in der<br />
Lage, seine wachsende Bevölkerung aus<br />
eigener Kraft zu ernähren und produziert<br />
dazu noch ausreichend Nahrungsmittel,<br />
um davon an andere abzugeben,<br />
Autor<br />
Hans-Ulrich Klose MdB ist Vorsitzender<br />
der Parlamentariergruppe<br />
USA im Deutschen Bundestag und<br />
war bis 2011 Koordinator für die<br />
deutsch-amerikanische Zusammenarbeit<br />
im Auswärtigen Amt.<br />
Der Leiter der Veranstaltung, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, begrüßt<br />
Hans-Ulrich Klose MdB, der das „Forum <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong><br />
2012“ mit seinem Vortrag eröffnete<br />
• Amerika hat in seiner Nachbarschaft<br />
keine Feinde,<br />
• Amerika ist ein attraktives Land mit hohem<br />
Innovationspotenzial,<br />
• Amerika ist ein Land mit freiheitlicher<br />
Verfassung, ein freies Land, in dem jede<br />
und jeder Chancen für persönlichen<br />
Aufstieg hat. Nicht zuletzt deshalb ist<br />
Amerika ein Zuwanderungsland, attraktiv<br />
vor allem auch für junge Menschen<br />
aus aller Welt,<br />
• Amerika wird noch lange Zeit die stärkste<br />
Militärmacht bleiben.<br />
Ich glaube deshalb, um es noch einmal zu<br />
sagen, dass Amerika mit den neuen Herausforderungen<br />
fertig werden kann. Aber<br />
es bleibt auch richtig: Amerika und der<br />
Westen sind herausgefordert. Wir müssen<br />
uns den neuen Herausforderungen stellen.<br />
Amerika hat diese neuen Herausforderungen<br />
lange vor Europa erkannt und<br />
angenommen. Es hat sich, nach der Zeitenwende<br />
1989/90 strategisch neu aufgestellt<br />
und schrittweise, aber konsequent in<br />
Richtung Asien/Pazifik orientiert. Amerika<br />
folgt damit seinen Interessen. „Pivot to<br />
Asia“ – so lautete die Arbeitshypothese<br />
am Anfang, und in manchen europäischen<br />
Ohren klang das nach Abkehr von Europa<br />
und löste rundum europäische Besorgnisse<br />
aus. Übertriebene Besorgnisse, die jedoch<br />
durch die eine oder andere Politiker-Aussage<br />
befeuert wurden. Zu nennen ist hier vor<br />
allem die Abschiedsrede des scheidenden<br />
US-Verteidigungsministers Robert Gates<br />
vom Juni 2011.<br />
Ich muss diese Rede hier nicht noch einmal<br />
zitieren, sie werden sich erinnern. Es könne,<br />
so Gates, der Zeitpunkt kommen, zu dem<br />
in den USA die Zweifel an der Relevanz der<br />
Europäer und der NATO übermächtig werden.<br />
Das klang harsch, sollte wohl auch so<br />
verstanden werden; denn richtig war und<br />
ist ja, dass die Europäer derzeit nur vergleichsweise<br />
wenig zur Stärke und Einsatzbereitschaft<br />
der NATO beitragen; alle miteinander<br />
nur etwa 30 Prozent, während 70<br />
Prozent von den USA beigesteuert werden.<br />
Das, so Gates, könne so nicht bleiben. Der<br />
fordernde Gestus der Rede war unüberhörbar.<br />
Unüberhörbar auch das irritierte<br />
Schweigen der Europäer.<br />
Inzwischen hat sich die Sprache verändert;<br />
aus dem „pivot to Asia“ ist ein „rebalancing“<br />
geworden, verbunden mit der Forderung<br />
nach „burdensharing“; letzteres aber<br />
(Foto: Schindler/BAKS)<br />
10 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
<strong>Sicherheit</strong> & Politik <br />
nicht mehr nur auf mehr Geld und Fähigkeiten<br />
zielend, sondern auf strategisches<br />
„burdensharing“. Im Klartext: Amerika<br />
wird seinen Interessen als pazifische Macht<br />
folgend einen größeren Teil seiner strategischen<br />
Potenziale in den Pazifik verlagern,<br />
bleibt aber in Europa präsent. Europa kann<br />
und soll sich an der politischen Neuaufstellung<br />
im Pazifik beteiligen, muss sich aber<br />
zuerst und aus eigener Kraft um die Probleme<br />
und Konflikte in der europäischen<br />
Peripherie kümmern. Dabei wird Amerika<br />
helfen, aber nicht führen. Das ist – knapp<br />
zusammengefasst – gemeint, wenn in<br />
Amerika von „rebalancing“ die Rede ist.<br />
Auffällig ist dabei, dass die Politik in den<br />
USA sich in dieser strategischen Ausrichtung<br />
weitgehend einig ist, egal wer dort<br />
die Wahlen gewinnt. Anders Europa. Dort<br />
stehen die Dinge nicht zum Besten. Europa<br />
– so die amerikanische Sicht – ist viel zu sehr<br />
auf die Krise der EU und des Euro konzentriert<br />
und nur begrenzt handlungsfähig. In<br />
anderen Worten: Amerika ist besorgt, dass<br />
Europa, der strategische Partner der USA,<br />
die strategischen Notwendigkeiten falsch<br />
einschätzt und als strategischer Partner<br />
aus- bzw. zurückfallen könnte.<br />
Größeres Engagement der<br />
Deutschen wird erwartet<br />
Mein Eindruck ist, dass die Amerikaner vor<br />
allem ein größeres Engagement der Deutschen<br />
erwarten. Sie sehen Deutschland als<br />
das „powerhouse“ Europas. Sie erwarten,<br />
dass Deutschland seine ökonomischen Stärken<br />
politisch/strategisch nutzt, zum Vorteil<br />
Europas und des gesamten Westens.<br />
Deutschland dürfe nicht zu einem Land<br />
der „Neinsager“ werden,<br />
das bei keinem der drängenden<br />
Probleme bereit<br />
sei, eine führende Rolle zu<br />
übernehmen – so oder so<br />
ähnlich hört man es von<br />
unterschiedlichen Seiten<br />
in Washington.<br />
Ich finde, wir sollten solche<br />
mahnenden Worte<br />
ernst nehmen. Die Politik<br />
der Zurückhaltung,<br />
die wir über Jahrzehnte<br />
verkündet und praktiziert<br />
haben, passt nicht<br />
mehr in die heutige Zeit. Sie war historisch<br />
begründet; an der Richtigkeit dieser<br />
Gründe war und ist nicht zu zweifeln. Die<br />
Schlussfolgerungen müssen aber überdacht<br />
und den Realitäten der heutigen<br />
Zeit angepasst werden. Für Europa und<br />
für Deutschland in Europa gilt die Formel<br />
„pivot to reality“. Mir ist klar, dass diese<br />
Aussage Missverständnisse auslösen<br />
„Die Politik der<br />
Zurückhaltung,<br />
die wir über Jahrzehnte<br />
verkündet<br />
und praktiziert<br />
haben, passt nicht<br />
mehr in die heutige<br />
Zeit.“<br />
kann. Nein, es geht nicht um die Abkehr<br />
von einer wertorientierten Außenpolitik.<br />
Freiheit, Menschenrechte, rule of law und<br />
Marktwirtschaft – die westlichen Werte<br />
sind und bleiben für uns verbindlich. Es ist<br />
aber eben auch richtig, dass eine wertorientierte<br />
Außenpolitik an den oft widrigen<br />
Realitäten nicht vorbeidiskutieren kann.<br />
Wir müssen sie zur Kenntnis nehmen,<br />
nicht resignierend oder zynisch, sondern<br />
auf gute Weise pragmatisch.<br />
Was bedeutet das für die praktisch-politische<br />
Arbeit der nächsten Jahre, vielleicht<br />
Jahrzehnte? Folgendes:<br />
1. Die strategische Neuorientierung der US-<br />
Außenpolitik in Richtung Pazifik liegt nicht<br />
nur im amerikanischen Interesse. Auch<br />
Europa muss die geostrategischen Veränderungen<br />
in Richtung Pazifik zur Kenntnis<br />
nehmen. Vor allem das exportorientierte<br />
Deutschland ist an berechenbar stabilen<br />
Verhältnissen in Ostasien, in und rund um<br />
China, in besonderer Weise interessiert. Da<br />
es für die EU und einzelne Mitgliedstaaten<br />
der EU eine pazifische Machtprojektion<br />
nicht gibt, muss sie sich einmal mehr auf<br />
das stabilisierende Potenzial der USA verlassen;<br />
insbesondere darauf, dass die USA wie<br />
auch China auf ein kooperatives Miteinander<br />
hinarbeiten und Konflikte vermeiden.<br />
2. Deutschland hat Einfluss in den USA. Die<br />
USA sind an fortgesetzter Partnerschaft mit<br />
Deutschland und Europa interessiert. Diese<br />
Partnerschaft hat sich bewährt; sie ist solide<br />
begründet und ökonomisch für beide<br />
Seiten profitabel. Sie zu pflegen und auszubauen<br />
hat für Amerika und mehr noch für<br />
Europa hohe Priorität. Eine transatlantische<br />
Freihandelszone, über die seit Jahren geredet<br />
wird, wäre ein wichtiger und richtiger<br />
Schritt in Richtung „Transatlantika“;<br />
John Kornblum<br />
hat das kürzlich so formuliert.<br />
Ich stimme ihm zu.<br />
3. Mit China verbindet uns<br />
eine – wie es heißt – strategische<br />
Partnerschaft. Strategisch<br />
oder nicht – richtig<br />
ist, dass Deutschland aus<br />
chinesischer Sicht ein wichtiger<br />
Akteur ist, politisch<br />
und ökonomisch. Die deutsche<br />
Stimme hat in China<br />
Gewicht. Das sollten wir in<br />
Abstimmung mit unseren<br />
europäischen Partnern nutzen, um unsere<br />
europäische Perspektive positiv zu Gehör zu<br />
bringen, in China und darüber hinaus.<br />
4. Politisch müsste es unser Ziel sein, die<br />
europäischen Lehren aus den Katastrophen<br />
des zwanzigsten Jahrhunderts global<br />
auszuwerten; will sagen: der europäische<br />
Gedanke von gemeinsamer <strong>Sicherheit</strong> und<br />
<strong>Sicherheit</strong>spartnerschaft könnte auch in<br />
(Foto: NATO)<br />
Bei seiner Abschiedsrede hatte der<br />
scheidende US-Verteidigungsminister<br />
Robert Gates im Juni 2011 die Europäer<br />
zu mehr Engagement in der NATO aufgefordert<br />
anderen Weltregionen an Bedeutung und<br />
Zustimmung gewinnen. ASEAN und die<br />
ASEAN- Staaten sind Ansprechpartner, um<br />
die sich Europäer und auch Deutschland<br />
intensiv (und hochrangiger als bisher!) bemühen<br />
sollten.<br />
5. Deutschland ist ein „partner in leadership“<br />
zuerst und vor allem in Europa.<br />
Europa ist heute in Schwierigkeiten; auch<br />
wegen der, wie wir heute wissen, überhasteten<br />
Einführung des Euro. Das eigentliche<br />
Problem ist aber nicht der Euro, sondern<br />
das mangelnde Bewusstsein von europäischer<br />
Zusammengehörigkeit und Identität.<br />
Wechselseitige Vorurteile und Ressentiments<br />
sind im Verlauf der Eurokrise überdeutlich<br />
zutage getreten. Es wird schwer<br />
sein, neuerliche wechselseitige Verwundungen<br />
zu heilen.<br />
6. Die Erfahrung eigener Unzulänglichkeit<br />
sollte uns im Auftreten bescheidener machen,<br />
wenn wir international agieren. Europäer,<br />
zumal wir Deutsche, haben eine<br />
Neigung zu missionarischen Auftritten. Vor<br />
allem im Umgang mit den neuen Akteuren<br />
in Asien wird uns das immer wieder<br />
vorgehalten und angekreidet. Wir sollten<br />
das überdenken. Die Welt ist nicht so, dass<br />
alle Staaten und Völker sich an gleichen<br />
universellen Werten orientieren. China z.B.<br />
lehnt das ausdrücklich und mit chinesischphilosophischer<br />
Begründung ab („Kommt<br />
uns nicht mit Immanuel Kant“). Gleichwohl<br />
müssen wir mit China wie auch mit<br />
Russland oder mit Staaten der islamischen<br />
Welt kooperieren, deren Wertvorstellungen<br />
und Verhalten in Sachen Menschenrechte<br />
unseren europäischen Vorstellungen nicht<br />
entsprechen. Es geht nicht anders, wissen<br />
wir, auch wenn wir es gerne anders hätten.<br />
Miteinander leben, miteinander kooperieren,<br />
in guter Weise, pragmatisch und verantwortungsbewusst<br />
darum geht es! L<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
11
ES&T Spezial: das neue BAAINBw <br />
Das Bundesamt für Ausrüstung,<br />
Informationstechnik und Nutzung<br />
der Bundeswehr<br />
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) wurde<br />
am 1. Oktober 2012 im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr gegründet. In dem neuen Amt werden<br />
die Aufgaben des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB), des Bundesamtes für Informationsmanagement<br />
und Informationstechnik der Bundeswehr (IT-AmtBw) und Nutzungsaufgaben, die bisher von<br />
anderen zivilen und militärischen Organisationsbereichen wahrgenommen wurden, zusammengeführt.<br />
Im Bereich des neuen Bundesamtes<br />
einschließlich seiner nachgeordneten<br />
Dienststellen werden künftig 9.600<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig<br />
sein, davon rund 1.400 Soldatinnen<br />
und Soldaten. Seinen Dienstsitz hat<br />
das BAAINBw am Standort Koblenz/<br />
Lahnstein mit insgesamt 4.500 Angehörigen.<br />
Hauptaufgabe des BAAINBw<br />
ist die Ausstattung der Bundeswehr mit<br />
leistungsfähigem und sicherem Gerät.<br />
Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen die<br />
Entwicklung, die Erprobung, die Beschaffung<br />
und das Nutzungsmanagement von<br />
Wehrmaterial. Das Spektrum reicht von<br />
hochkomplexen Waffen- und IT-Systemen<br />
über Panzer, Flugzeuge und Schiffe<br />
bis zu persönlichen Ausrüstungsartikeln<br />
unserer Soldatinnen und Soldaten.<br />
Das BAAINBw schafft eine Aufbauorganisation<br />
im Organisationsbereich<br />
AIN (Ausrüstung, Informationstechnik<br />
und Nutzung), in der die Beschaffung<br />
und die Materialverantwortung für die<br />
Einsatzreife (MatV ER) in einem zentralen<br />
Ausrüstungs- und Nutzungsamt<br />
zusammengeführt werden. Ziel war es,<br />
die bestehenden Beschaffungsorganisationen<br />
insgesamt und nachhaltig zu<br />
optimieren sowie vorhandene Doppelstrukturen<br />
zu beseitigen. So werden<br />
eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten<br />
geschaffen. Zugleich wird<br />
die Straffung der Organisation zu deutlich<br />
effektiveren und kürzeren Beschaffungswegen<br />
führen.<br />
Die Grobstruktur des neuen Bundesamtes<br />
und seines Geschäftsbereichs sieht<br />
eine homogene Organisation vor, in die<br />
alle Beschäftigten unabhängig von ihrer<br />
bisherigen Zugehörigkeit und ihrem Status<br />
in gemischt zivil-militärischen Strukturen<br />
integriert sind. Es wurde insoweit<br />
ein integrativer Ansatz gewählt, der eine<br />
enge Verzahnung der Aufgaben des<br />
BAAINBw feierlich in Dienst gestellt<br />
Mit einem feierlichen Festakt stellte der Bundesminister der Verteidigung,<br />
Dr. Thomas de Maizière, am 2. Oktober 2012 in Koblenz das Bundesamt<br />
für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz<br />
BAAINBw, in Dienst.<br />
Im Anschluss an die Rede von Dr. Thomas de Maizière zur Indienststellung<br />
des BAAIN am 2. Oktober 2012 enthüllte der durch den<br />
Minister gesteuerte Roboter tEODor das Emblem des neuen Amtes<br />
Zu der öffentlichen Veranstaltung waren neben geladenen Gästen und Mitarbeitern<br />
des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) und des Bundesamtes für<br />
Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr (IT-AmtBw) die<br />
Bevölkerung eingeladen. Nach der Begrüßung durch den Präsidenten Harald Stein und<br />
dem Grußwort durch die Bürgermeisterin der Stadt Koblenz, Marie-Theres Hammes-<br />
Rosenstein, hatte de Maizière in seiner Festrede die Bedeutung des neuen Amtes für<br />
die Bundeswehr und den Standort hervorgehoben. In dem neuen Amt werden die<br />
Aufgaben des BWB, des IT-AmtBw und Nutzungsaufgaben, die bisher von anderen<br />
militärischen und zivilen Organisationsbereichen wahrgenommen wurden, zusammengeführt.<br />
Durch die Bündelung der bestehenden Kompetenzen und der Anwendung<br />
eines neuen Beschaffungsprozesses werden effektivere und kürzere Beschaffungswege<br />
erwartet. <br />
(wb)<br />
(Foto: BAAINBw)<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
27
ES&T Spezial: das neue BAAINBw<br />
Präsident<br />
Vizepräsidenten<br />
ZC<br />
Zentralcontrolling<br />
SekrLtg/PIZ<br />
Sekretariat Leitung/<br />
PIZ AIN<br />
Innere Revision<br />
FAS<br />
Fachkraft für<br />
Arbeitssicherheit<br />
GleiB ziv<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
zivil<br />
GleiB mil<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
militärisch<br />
P<br />
Ausrüstungsmanagement<br />
& Strategie<br />
K<br />
Kampf<br />
S<br />
See<br />
I<br />
U<br />
Land-<br />
Unterstützung<br />
Informationstechnik<br />
G<br />
IT-Unter<br />
stützung<br />
H<br />
Sonderorganisation<br />
HERKULES<br />
E<br />
Einkauf*<br />
L<br />
Luft<br />
Q<br />
Qualität/<br />
Logistik<br />
Z<br />
Zentrale<br />
Angelegenheiten<br />
* zugleich Beauftragte/-er für die Verwertung von Wehrmaterial im BAAINBw (BVW-BAAINBw)<br />
---- temporäre Organisationseinheit des BAAINBw bis zur Übernahme der Aufgaben durch aufnehmenden Organisationsbereich<br />
(Fotos: BAAINBw)<br />
Projekt- und Nutzungsmanagements,<br />
verbunden mit querschnittlichen Unterstützungsaufgaben<br />
vorsieht. Aspekte<br />
und Erfahrungen aus dem Einsatz und<br />
der Nutzung können so direkt bei der<br />
Beschaffung und Entwicklung berücksichtigt<br />
werden.<br />
Das BAAINBw wird zukünftig durch acht<br />
Wehrtechnische und Wehrwissenschaftliche<br />
Dienststellen sowie das Zentrum<br />
für Informationstechnik der Bundeswehr<br />
(IT-ZentrumBw) unterstützt. Das Marinearsenal<br />
stellt als weitere Dienststelle die<br />
Einsatzbereitschaft der deutschen Flotte<br />
sicher. Die Verbindungsstelle in Reston,<br />
USA, vertritt die wehrtechnischen und<br />
rüstungswirtschaftlichen Interessen gegenüber<br />
amerikanischen und kanadischen<br />
Stellen des Amts- und Industriebereichs.<br />
Die Organisationsstruktur<br />
Die Leitung des Amtes, bestehend aus<br />
einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten,<br />
wird durch das Sekretariat der<br />
Leitung und das neu gebildete Presseund<br />
Informationszentrum AIN (PIZ AIN)<br />
unterstützt. Das Zentralcontrolling (ZC)<br />
bleibt auf der Grundlage des bisherigen<br />
Controllingverständnisses im Bereich AIN<br />
als Stabsstelle des BAAINBw erhalten. Die<br />
Fachkraft für Arbeitssicherheit (FAS) ist<br />
gemäß den gesetzlichen Vorgaben ebenfalls<br />
als Stabsstelle ausgebracht. Es gibt<br />
neben einer zivilen Gleichstellungsbeauftragten<br />
auch eine militärische Gleichstellungsbeauftragte.<br />
Bild oben: Die Rheinliegenschaft<br />
mit dem Bundesbehördenhaus;<br />
Bild unten: Die Liegenschaft des<br />
BAAINBw im Rauental<br />
28 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ES&T Spezial: das neue BAAINBw <br />
Unterhalb der Leitung bilden zehn Abteilungen<br />
und eine Sonderorganisation<br />
jeweils verwandte Geschäftsfelder ab. In<br />
sechs Abteilungen des BAAINBw werden<br />
Aufgaben des Projekt- und Nutzungsmanagements<br />
wahrgenommen. Dies sind<br />
die Abteilungen:<br />
• Kampf (K),<br />
• Luft (L),<br />
• See (S),<br />
• Land-Unterstützung (U),<br />
• Informationstechnik (I) sowie<br />
• Informationstechnik-Unterstützung<br />
(G).<br />
Die von den militärischen Ämtern und<br />
Kommandobehörden übernommenen<br />
Nutzungsaufgaben wurden dazu produktbezogen<br />
in die in den Abteilungen<br />
ausgebrachten Projekte integriert.<br />
Der Abteilung (P) obliegen die abteilungsübergreifende<br />
Projektkoordination,<br />
sowie strategische und einsatzbezogene<br />
Aufgaben. Drei weitere Abteilungen sind<br />
für zentrale administrative, querschnittlich<br />
technisch-wirtschaftliche Aufgaben<br />
zuständig. Es handelt sich um die Abteilungen<br />
Einkauf (E), Qualität/Logistik (Q)<br />
und Zentrale Angelegenheiten (Z). L<br />
Zentralcontrolling<br />
Das Zentralcontrolling (ZC) ist das abteilungs- und dienststellenübergreifende Controlling<br />
im BAAINBw, das die Leitung unterstützt sowie eine einheitliche Anwendung<br />
der Controllingverfahren in den Abteilungen und Dienststellen sicherstellt.<br />
Im Rahmen des Projektcontrollings nimmt ZC eine periodische bzw. ereignisbezogene<br />
Analyse und Bewertung des Fortschritts von Rüstungsprojekten des BAAIN-<br />
Bw vor. Es begleitet den gesamten Führungskreislauf bei Zielsetzung, Planung,<br />
Realisierung, Steuerung und Überwachung eines Projekts sowie die Erstellung von<br />
Projektreviews und verfasst Stellungnahmen zu projektrelevanten Vorlagen. Auf<br />
Basis der Bewertungsergebnisse werden der Leitung des BAAINBw Handlungsempfehlungen<br />
unterbreitet.<br />
Ferner ist ZC für das Controlling in den Bereichen Forschung und Technologie (F&T)<br />
sowie für das Ressourcencontrolling BAAINBw und das Dienststellencontrolling<br />
zuständig. Grundlage des Ressourcen- und Dienststellencontrollings ist die quantitative<br />
Abbildung der Leistungserstellung in einem periodischen bzw. ereignisorientierten<br />
Berichtswesen. Daraus abgeleitete Bewertungen und Empfehlungen<br />
zielen auf die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Prozessen und Leistungen.<br />
Darüber hinaus führt ZC das Strategische Controlling durch. Das Strategische Controlling<br />
unterstützt den auf mittel- und langfristige Ziele ausgerichteten Führungsprozess<br />
der Leitung BAAINBw. Hierbei berät ZC im Rahmen seiner Zuständigkeit<br />
für die Durchführung der Zielprozesse die Leitung bei der Erstellung, Verfolgung<br />
und Nachhaltung von Zielvereinbarungen.<br />
Schließlich gehört die fachliche Betreuung und Beratung der Abteilungs- und<br />
Dienststellencontrollerinnen und -controller zu den Aufgaben des ZC.<br />
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Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
29
ES&T Spezial: das neue BAAINBw<br />
Eindeutige Verantwortlichkeiten<br />
und klare Strukturen<br />
Interview mit Thomas Wardecki, Vizepräsident des BAAINBw<br />
ES&T: Wo steht das neue<br />
BAAINBw in der Kontinuität<br />
seiner Vorgänger BWB und<br />
IT-AmtBw und wo wird Neuland<br />
betreten?<br />
Wardecki: Das BAAINBw<br />
wird in der Kontinuität mit<br />
seinen Vorgängerämtern<br />
auch zukünftig die Aufgaben<br />
im Rahmen des Ausrüstungs-<br />
und Nutzungsprozesses,<br />
insbesondere im<br />
Bereich des Projektmanagements und<br />
der Vergabe bzw. Vertragsabschließung,<br />
wahrnehmen. Darüber hinaus werden<br />
weiterhin Aufgaben im Bereich Forschung<br />
& Technologie (F&T) bearbeitet und die<br />
Mitarbeit in internationalen Kooperationen<br />
sichergestellt. Das Amt wird für die<br />
Verwertung von Wehrmaterial zuständig<br />
sein sowie die zentrale Beschaffung von<br />
Produkten und Dienstleistungen für die<br />
Bundeswehr einschließlich der strategischen<br />
Steuerung des Einkaufs wahrnehmen.<br />
Im Bereich der IT wird unser Amt für<br />
die Umsetzung der aus der IT-Strategie des<br />
BMVg abgeleiteten Maßnahmen verantwortlich<br />
sein und IT-<strong>Sicherheit</strong>saufgaben<br />
umsetzen. Neuland werden wir zum Teil<br />
bei der Wahrnehmung der Aufgaben der<br />
Nutzungssteuerung betreten. Neuland<br />
nur teilweise, da das IT-AmtBw bereits in<br />
der Vergangenheit stark in der Nutzungsphase<br />
des Wehrmaterials aktiv war und<br />
wir somit von dessen Erfahrungen profitieren<br />
können. Darüber hinaus werden wir<br />
das für die Nutzungsaufgaben notwendige<br />
militärische und zivile Fachpersonal aus<br />
den jeweiligen Ämtern und Kommandos<br />
übernehmen, um diese umfänglich bearbeiten<br />
zu können.<br />
ES&T: Das verschlankte BMVg wird sich in<br />
Zukunft auf strategische Vorgaben konzentrieren.<br />
Dem nachgeordneten Bereich wird<br />
mehr Verantwortung in deren Umsetzung<br />
übertragen. Was heißt dies für die Aufgabenwahrnehmung<br />
des BAAINBw?<br />
Wardecki: Für die Projektleitung im<br />
BAAINBw bedeutet dies mehr Eigenverantwortung<br />
hinsichtlich der Realisierung<br />
eines Projekts. Um jedoch<br />
eigenverantwortlich<br />
handeln zu können,<br />
muss ich den Rahmen<br />
kennen, in dem ich<br />
selbstständig agieren<br />
kann. Dies erfolgt gemäß<br />
den Vorgaben des<br />
novellierten Ausrüstungs-<br />
und Nutzungsprozesses<br />
CPM durch<br />
die Formulierung einer<br />
sogenannten Zielvereinbarung, die zwischen<br />
dem Abteilungsleiter AIN (Ausrüstung,<br />
Informationstechnik und Nutzung)<br />
im BMVg und dem Präsidenten BAAINBw<br />
geschlossen wird. Darin werden einvernehmlich<br />
für ein Projekt bzw. Vorhaben<br />
der Zeit- und Kostenrahmen sowie Vorgaben<br />
für das Life Cycle Cost Management<br />
festgelegt. Darüber hinaus soll dieses neue<br />
Instrument ein „Design Freeze“ des vorgesehenen<br />
Produkts ermöglichen und damit<br />
fortlaufende Änderungen unterbinden.<br />
Die eigentliche Umsetzung der Vorgaben<br />
soll dann eigenständig durch die Projektleitung<br />
erfolgen. Für mich ein wichtiger<br />
Schritt hin zu klaren Verantwortlichkeiten<br />
und Entscheidungskompetenzen, die über<br />
den gesamten Lebenszyklus des Wehrmaterials<br />
reichen.<br />
(Foto: BAAINBw)<br />
ES&T: Das neue BAAINBw hat nicht erst<br />
am 1. Januar 2013, sondern bereits drei<br />
Monate zuvor seine Arbeit aufgenommen?<br />
Warum wurde dieser Termin vorverlegt?<br />
Wardecki: Nach meiner Einschätzung<br />
diente die Vorverlegung der Gründung des<br />
BAAINBw durch Staatssekretär Stéphane<br />
Beemelmans in erster Linie der Entzerrung<br />
der mit der Aufstellung des BAAINBw<br />
vorgesehenen Aufgaben. Dies bedeutet,<br />
dass in einem ersten Schritt die beiden<br />
bisherigen Bundesoberbehörden BWB<br />
und IT-AmtBw zum 1. Oktober 2012 zusammengelegt<br />
wurden, um dann in einem<br />
zweiten Schritt Nutzungsaufgaben aus<br />
den anderen Bereichen zu übernehmen.<br />
Diese Vorverlegung ist uns in einer großen<br />
Kraftanstrengung erfolgreich gelungen.<br />
Das neue Amt ist arbeitsfähig und hat den<br />
Grundstein gelegt, um die Materialverantwortung<br />
für die Einsatzreife ab dem 1. Januar<br />
2013 wahrzunehmen.<br />
ES&T: Wie wird die Aufnahme der Nutzungsanteile<br />
aus der militärischen Ämterebene<br />
realisiert?<br />
Wardecki: Hinsichtlich der Integration der<br />
Nutzungsanteile aus den anderen Organisationsbereichen<br />
gab es grundsätzlich<br />
zwei Möglichkeiten. Ich kann zum einen<br />
die Nutzungsanteile nehmen und in einem<br />
speziellen Referat oder einer speziellen<br />
Gruppe organisatorisch in jeder Abteilung<br />
abbilden. Dies hätte jedoch dem Selbstverständnis<br />
der Bundeswehr, dem durchgehenden<br />
Prinzip von zivil-militärischen Strukturen,<br />
widersprochen und eine zusätzliche<br />
Schnittstelle zwischen dem Projektleiter<br />
und Nutzer geschaffen. Wir haben uns daher<br />
dazu entschieden, die Nutzungsanteile<br />
in die jeweiligen Projektreferate zu integrieren.<br />
Dadurch wird ein enger Kontakt<br />
und Austausch zwischen Projektleiter und<br />
Nutzer im Sinne des Projekts gewährleistet.<br />
ES&T: Wie sind die militärischen Bedarfsträger<br />
im neuen Amt verankert bzw. repräsentiert?<br />
Wardecki: Die Soldatinnen und Soldaten<br />
sind direkt dem Präsidenten BAAINBw<br />
unterstellt. Dies ist ein großer Fortschritt<br />
hinsichtlich der Führung des militärischen<br />
Personals gegenüber der Struktur des IT-<br />
Amts, wo die Soldaten der Streitkräftebasis<br />
unterstellt waren. Darüber hinaus<br />
hat der militärische Vizepräsident, Brigadegeneral<br />
Klaus Veit, in seiner Funktion<br />
als „Beauftragter für Angelegenheiten<br />
des militärischen Personals“ die Befehlsbefugnis<br />
gegenüber den im BAAINBw<br />
und dessen nachgeordneten Bereich eingesetzten<br />
Soldaten. Die Koordinierung<br />
der militärischen Personalangelegenheiten<br />
erfolgt durch ein eigens hierfür eingerichtetes<br />
Referat. Unsere Soldatinnen<br />
und Soldaten sind also fachlich und organisatorisch<br />
voll integriert und nehmen<br />
ihre Aufgaben ganz im Sinne von klaren<br />
Entscheidungskompetenzen als Angehörige<br />
des Bereichs AIN wahr.<br />
30 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ES&T Spezial: das neue BAAINBw <br />
ES&T: Haben sich durch die Zusammenführung<br />
der personellen und materiellen<br />
Ressourcen von BWB und IT-Amt neue Zuständigkeiten<br />
in den Projekten ergeben?<br />
Wardecki: Die Zuständigkeiten in den Projekten<br />
des BWB und des IT-Amtes waren<br />
in der Vergangenheit klar geregelt und<br />
wurden entsprechend in die neue Struktur<br />
überführt. So hat sich auf Projektleiterebene<br />
eigentlich nichts geändert. Was neu geregelt<br />
wurde, ist die fachliche Zuständigkeit<br />
der beiden Vizepräsidenten hinsichtlich der<br />
Abteilungen und somit auch der Dienststellen.<br />
Brigadegeneral Veit ist fachlich<br />
zuständig für die Abteilungen Informationstechnik<br />
(I), IT-Unterstützung (G), Einkauf<br />
(E), Land-Unterstützung (U) sowie die<br />
Sonderorganisation Herkules (H), während<br />
die Abteilungen Ausrüstungsmanagement<br />
und Strategie (P), Kampf (K), See (S), Luft<br />
(L), Qualität/Logistik (Q) und Zentrale Angelegenheiten<br />
(Z) in meiner Zuständigkeit<br />
liegen. Damit sind die Verantwortlichkeiten<br />
im BAAINBw klar geregelt.<br />
ES&T: Welche Erwartungen verbinden Sie<br />
mit dem novellierten CPM?<br />
Wardecki: Ich bin davon überzeugt, dass<br />
der novellierte CPM einen wesentlichen<br />
Beitrag dazu leisten wird, ein durchgängiges<br />
Fähigkeitsmanagement im Verantwortungsbereich<br />
der Streitkräfte und ein<br />
durchgehendes Risikomanagement über<br />
den gesamten Beschaffungs- und Nutzungsprozess<br />
im Verantwortungsbereich<br />
AIN zu ermöglichen. Der Verzicht auf langwierige<br />
konsensuale Abstimmungs- und<br />
Entscheidungsprozesse im Rahmen von<br />
Mitzeichnungen wird zu einem spürbaren<br />
Zeitgewinn im Prozessablauf führen. In der<br />
Analysephase erwarte ich die Erarbeitung<br />
„echter“ Lösungsalternativen, die dem<br />
Generalinspekteur den Handlungsspielraum<br />
eröffnet, die beste Lösung für die<br />
strategischen Ziele der Bundeswehr auszuwählen.<br />
Der neue Prozess schafft zudem<br />
eindeutige Verantwortlichkeiten und klare<br />
Strukturen. Insgesamt stellen die Maßnahmen<br />
und Verfahren des novellierten CPM<br />
im Verbund mit der neuen Rüstungs- und<br />
Nutzungsorganisation eine deutliche Optimierung<br />
des aktuellen Prozesses dar. Wir<br />
sind erst am Anfang eines langen Weges,<br />
aber die Grundlagen sind hiermit gelegt.<br />
Sie müssen nun mit Leben gefüllt werden.<br />
Dies erfordert auch ein Umdenken<br />
in den Köpfen bei allen Prozessbeteiligten<br />
hin zu Übernahme von Verantwortung<br />
und gegenseitigem Vertrauen. Insofern<br />
ist der Erfolg des neuen Prozesses eng<br />
mit einer „Kultur der Verantwortung und<br />
des Vertrauens“ verknüpft. Durch die Zusammenführung<br />
der Verantwortung für<br />
Ausrüstung, IT und Nutzung in einer Hand<br />
im BAAINBw und den novellierten CPM<br />
beschleunigen und verbessern wir das Projektmanagement<br />
und erhöhen damit den<br />
Nutzen für die Truppe.<br />
ES&T: Welche Auswirkungen hat das neue<br />
(europäische) Vergaberecht für die Bereiche<br />
<strong>Sicherheit</strong> und Verteidigung auf die<br />
praktische Arbeit des BAAINBw?<br />
Wardecki: Die größte Änderung liegt darin,<br />
dass die Ausnahmen von der Anwendung<br />
des europäischen Vergaberechts<br />
wegen Berührung von „wesentlichen<br />
<strong>Sicherheit</strong>sinteressen“ weit weniger zur<br />
Anwendung kommen. Die betroffenen<br />
Vergabeverfahren werden<br />
damit nicht mehr nach nationalem<br />
Haushaltsvergaberecht<br />
geführt, sondern europaweit<br />
ausgeschrieben.<br />
Unverändert können aber<br />
technische Besonderheiten<br />
(z.B. bei erforderlicher Systemintegration)<br />
oder bestehende<br />
Schutzrechte dazu<br />
führen, dass ein Auftrag<br />
nur von einem bestimmten<br />
Unternehmen durchgeführt<br />
werden kann. Dies kommt<br />
im Bereich des BAAINBw,<br />
auch bei volumenstarken<br />
Aufträgen, vor. Bei insgesamt<br />
über 8.000 Vergabeverfahren,<br />
die das BWB<br />
seit dem Inkrafttreten des<br />
neuen europäischen Vergaberechts<br />
für die Bereiche<br />
<strong>Sicherheit</strong> und Verteidigung am 21. August<br />
2011 bis Ende September 2012 durchgeführt<br />
hat, war die beobachtete Beteiligung<br />
ausländischer Bieter etwa auf dem<br />
Niveau der Zeit vor dem 21. August 2011.<br />
Bei Auftragswerten unter dem Schwellenwert<br />
von 400.000 € zeichnet sich sogar<br />
eine abnehmende Tendenz ab. Insgesamt<br />
lässt sich feststellen, dass Vergaben zu bereits<br />
eingeführten Waffensystemen in der<br />
Regel ein ausgeprägtes Know-how und<br />
Systemkenntnisse der Auftragnehmer erfordern.<br />
Für bisher nicht etablierte Bieter,<br />
auch solche aus dem Ausland, besteht daher<br />
oft nur ein geringes Interesse an den<br />
Ausschreibungen. Eine deutlich stärkere<br />
Beteiligung ausländischer Bieter als bisher<br />
könnte sich dagegen bei Vergaben zu neuen,<br />
eigenständigen Systemen einstellen.<br />
ES&T: Welche Wege in der Personalgewinnung<br />
wird das BAAINBw gehen, um weiterhin<br />
hoch qualifizierte Nachwuchskräfte<br />
für sich zu interessieren?<br />
Wardecki: Ab dem 1. Dezember 2012 ist<br />
das Bundesamt für Personalmanagement<br />
der Bundeswehr (BAPersBw) für die Perso-<br />
nalgewinnung der Bundeswehr zuständig.<br />
Das BAAINBw wird sich in enger Abstimmung<br />
mit dem BAPersBw weiterhin intensiv<br />
um hoch qualifizierte Nachwuchskräfte<br />
bemühen. Insbesondere wird die<br />
Nachwuchsgewinnung für die technischen<br />
Laufbahnen, die für das BAAINBw als größter<br />
technischer Oberbehörde Deutschlands<br />
von grundlegender Bedeutung ist, vor dem<br />
Hintergrund der starken Nachfrage nach<br />
Ingenieuren, Wissenschaftlern und Technischen<br />
Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt<br />
sowie dem gleichzeitig stattfindenden<br />
demografischen Wandel eine große Herausforderung<br />
bleiben. Es gilt, die äußerst<br />
vielfältigen Arbeits-<br />
„Durch die Zusammenführung<br />
der<br />
Verantwortung für<br />
Ausrüstung, IT und<br />
Nutzung in einer<br />
Hand im BAAINBw<br />
und den novellierten<br />
CPM beschleunigen<br />
und verbessern wir<br />
das Projektmanagement<br />
und erhöhen<br />
damit den Nutzen<br />
für die Truppe.“<br />
und Einsatzmöglichkeiten<br />
in den technischen<br />
Verwendungen<br />
im BAAINBw und seinen<br />
Wehrtechnischen<br />
Dienststellen, die kaum<br />
ein anderer Arbeitgeber<br />
seinen Mitarbeitern<br />
bieten kann, einem<br />
breiten Interessentenkreis<br />
darzustellen<br />
und zu präsentieren.<br />
Absolventen einer geeigneten<br />
technischen<br />
Berufsausbildung oder<br />
eines technischen Fachhochschul-<br />
bzw. Hochschulstudiums<br />
werden<br />
im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes<br />
–<br />
bereits im Beamtenstatus<br />
– vertiefte Spezialkenntnisse in sechs<br />
wehrtechnischen Fachgebieten aus den<br />
Bereichen Informationstechnik, Nachrichtentechnik,<br />
Luft- und Raumfahrttechnik,<br />
Maschinenbau, Schiffbau, Schiffsmaschinenbau,<br />
Energieversorgung und Waffen-<br />
bzw. Schutztechnologien vermittelt.<br />
Theoretisch erworbenes Wissen wird in<br />
sich unmittelbar anschließenden praktischen<br />
Ausbildungsphasen in Teamarbeit<br />
mit erfahrenen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern direkt am wehrtechnischen<br />
Projekt vertieft. Zur Darstellung dieser interessanten<br />
Berufsbilder im BAAINBw und<br />
seinen Dienststellen wird der persönliche<br />
Kontakt von erfahrenen Ingenieuren und<br />
<strong>Technik</strong>ern mit Interessenten, die aufgrund<br />
der angehobenen Einstellungsaltershöchstgrenze<br />
von 50 Jahren vielfach<br />
über einen großen Erfahrungsschatz aus<br />
dem Projektmanagement verfügen, in<br />
den Vordergrund rücken. Die authentische<br />
Darstellung des Arbeitsplatzes in der<br />
Wehrtechnik mit seinen vielfältigen Tätigkeitsfeldern<br />
ist die Basis für das Interesse<br />
von hoch qualifizierten Bewerbern.<br />
Die Fragen stellte Peter Boßdorf<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
31
Unternehmen & Personen<br />
(Foto: RUAG)<br />
Urs Breitmeier neuer CEO<br />
Urs Breitmeier, der<br />
heutige Leiter der Division<br />
RUAG Defence,<br />
wird neuer CEO der<br />
RUAG Holding AG.<br />
Der Verwaltungsrat<br />
setzt damit nach<br />
sorgfältiger Auswahl<br />
auf eine interne Führungspersönlichkeit,<br />
die seit elf Jahren bei<br />
RUAG tätig ist, davon<br />
sechs Jahre als Mitglied<br />
der Konzernleitung. Er tritt sein Amt<br />
am 1. April 2013 an, bis die Leitung der Division<br />
RUAG Defence geregelt ist. Zwischenzeitlich<br />
stellt Executive Chairman Konrad Peter<br />
die Führung des Konzerns sicher. (gwh)<br />
HDW und SENER produzieren<br />
AIP-Antrieb<br />
Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW)<br />
und der europäische Technologie-Entwickler<br />
SENER haben ein Abkommen für<br />
die gemeinsame Produktion von AIP (Air-<br />
Independent Propulsion)-Antrieben für<br />
konventionelle U-Boote geschlossen. Die<br />
AIP-Systeme basieren auf einem Methanol-<br />
Reformer. Methanol-Reformer produzieren<br />
Wasserstoff, indem sie Wasser und Methanol<br />
in einem komplexen technischen Prozess<br />
vereinigen. Wasserstoff ist der Treibstoff<br />
für AIP-Antriebe. Bereits 2006 haben<br />
HDW und SENER bei der Entwicklung von<br />
AIP-Antrieben zusammengearbeitet. HDWs<br />
jüngster Methanol-Reformer besitzt einen<br />
Wirkungsgrad von über 90 Prozent. Heute<br />
sind alle technischen Risiken in der Entwicklung<br />
eines neuen AIP-Systems auf Methanol-Basis<br />
überwunden. Ein erstes voll entwickeltes<br />
AIP-System kann Ende 2013 für eine<br />
Serienproduktion fertig gestellt sein. Ein AIP-<br />
Antrieb verleiht konventionellen U-Booten<br />
enorme Einsatzvorteile, sie brauchen nicht<br />
mehr zu Schnorcheln, um die Batterien aufzuladen,<br />
können über lange Zeiten getaucht<br />
in flachen wie auch in tiefen Seegebieten<br />
operieren und besitzen nur eine sehr geringe<br />
Signaturabstrahlung. <br />
(ds)<br />
SFC Energy: Auslieferung des<br />
Großauftrages abgeschlossen<br />
Die SFC Energy AG hat den Ende März<br />
2012 erhaltenen Großauftrag der Deutschen<br />
Bundeswehr ausgeliefert. Nach<br />
der Einführung 2010 hatte die Deutsche<br />
Bundeswehr einen Auftrag zur Ausstattung<br />
weiterer Soldaten mit der tragbaren<br />
JENNY-Brennstoffzelle von SFC Energy im<br />
Rahmen eines neuen Energienetzwerkes<br />
erteilt. Die bei diesem Auftrag bestellte<br />
104 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
Systemlösung besteht aus der portablen<br />
JENNY-Brennstoffzelle, dem SFC Power<br />
Manager, einer speziell auf das System abgestimmten<br />
Hybridbatterie, einem Solarpanel<br />
zur alternativen Energieversorgung<br />
sowie umfangreichem Zubehör. Als leistungsstarke<br />
und flexible Stromversorgung<br />
ermöglicht das Energienetzwerk den Betrieb<br />
verschiedenster Verbraucher – z.B.<br />
Funkgeräte, Navigationsgeräte, Nachtsichtgeräte,<br />
Laserentfernungsmesser, tragbare<br />
Computer und PDAs – sowohl stationär als<br />
auch auf dem Marsch. Das Auftragsvolumen<br />
beläuft sich auf netto knapp 5 Millionen.<br />
Euro. <br />
(wb)<br />
Mertin Präsident von Photonics21<br />
Der Jenoptik-Vorstandsvorsitzende, Dr. Michael<br />
Mertin, wird in den kommenden Jahren<br />
die europäische Technologieplattform<br />
der Photonik-Branche repräsentieren. Er<br />
folgt in dieser Funktion auf Martin Goetzeler<br />
von Osram. Der Jenoptik-Chef wird den<br />
Photonik-Verbund in einer entscheidenden<br />
Phase für die Entwicklung der optischen<br />
Technologien leiten. Die Photonik gilt als<br />
Schlüsseltechnologie und wurde von der<br />
<strong>Europäische</strong>n Kommission als eine der fünf<br />
„Key Enabling Technologies“ (KET) mit hohem<br />
Wachstumspotenzial definiert. Photonik-Forschung<br />
wird ab 2014 Teil des neuen<br />
Rahmenprogramms der <strong>Europäische</strong>n<br />
Kommission – „Horizont 2020“. (gwh)<br />
Weltmarkt für militärische Landfahrzeuge<br />
im Wandel<br />
Der globale Markt für militärische Landfahrzeuge<br />
befindet sich im Wandel. Viele<br />
Länder sind gezwungen, ihre Verteidigungsausgaben<br />
zu kürzen, was bei westlichen<br />
Fahrzeugprogammen in der Folge<br />
zu Verspätungen oder aber reduzierten<br />
Auftragszahlen geführt hat. Die Zukunft ist<br />
ungewiss, auch wenn sich derzeit einige beachtenswerte<br />
Modernisierungsprogramme<br />
für Landfahrzeuge in der Entwicklung be-<br />
4. Wehrtechnischer Kongress der CSU<br />
Mit der Vorstellung des Bavarian International Campus Aerospace and Security<br />
(BICAS) als herausragendes Beispiel bayerischer Innovationsförderung eröffnete der<br />
Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Christian<br />
Schmidt, am 2. November 2012 den 4.<br />
Wehrtechnischen Kongress der CSU in<br />
Unterschleißheim. BICAS soll am Standort<br />
Ottobrunn mit Unterstützung des<br />
Freistaats Bayern als Drehscheibe für Innovationen,<br />
neue Denkansätze und Ausbildung<br />
auf dem Gebiet der Luft- und<br />
Raumfahrt sowie der <strong>Sicherheit</strong>s- und<br />
Wehrtechnik eingerichtet werden und<br />
industrielle, universitäre und angewandte<br />
wissenschaftliche Kompetenzen und Kapazitäten bündeln. In einer Zeit, in der<br />
der wirtschaftliche Bestand der Wehrindustrie durch den Bedarf der Bundeswehr<br />
allein nicht mehr gegeben ist, so Staatssekretär Schmidt, muss die Orientierung auf<br />
diesem speziellen Markt vermehrt durch EU-konforme, öffentlich-private Partnerschaften<br />
definiert werden. Die Podiumsdiskussion „Bayern – Technologiestandort<br />
der Zukunft“, moderiert von Thomas M. Wandinger (IAP), vertiefte mit Statements<br />
des Vorsitzenden der CSU-Wirtschaftskommission, Markus Blume MdL, des Vorsitzenden<br />
des Fraunhofer-Verbunds Verteidigungs- und <strong>Sicherheit</strong>sforschung, Prof. Dr.<br />
Klaus Thoma, des Geschäftsführers der Rohde & Schwarz Vertriebs GmbH, Achim<br />
Klein, und des Abteilungsleiters AIN im BMVg, Detlef Selhausen, die Notwendigkeit,<br />
definierte wehrtechnische Kapazitäten zu erhalten und wehrtechnische Forschung<br />
als Spitzenforschung auf der Grundlage einer strategischen Industriepolitik zu betreiben.<br />
Die zweite Podiumsdiskussion zum Thema „Innovation und <strong>Technik</strong> am Beispiel<br />
der Neuausrichtung der Luftwaffe“, moderiert von Peter Boßdorf (Mittler Report<br />
Verlag), leitete eine umfassende Lagebestimmung des Inspekteurs der Luftwaffe,<br />
Generalleutnant Karl Müllner, ein, in der insbesondere Veränderungsziele auf den<br />
Gebieten Aufklärung, Führung, Wirkung und Unterstützung dargestellt wurden. Die<br />
Statements von Thomas Homberg, Geschäftsführer MBDA Deutschland, und Andreas<br />
Hammer, Chief of Staff Cassidian, wiesen darauf hin, dass der Erhalt industrieller<br />
Fähigkeiten von entsprechenden Aufträgen abhängt. Homberg stellte am Beispiel<br />
der bodengebundenen Luftverteidigung (MEADS-Programm) und der durch sein<br />
Unternehmen entwickelten Lasertechnologie Felder vor, auf denen die Industrie<br />
bereits heute wesentliche Beiträge zum Schließen von Fähigkeitslücken liefern kann.<br />
Hammer betonte die Notwendigkeit, heute Weichenstellungen vorzunehmen, um<br />
eine europäische Abhängigkeit auf dem Gebiet Unbemannter Systeme (HALE und<br />
MALE) zu verhindern. Florian Hahn MdB als Mitglied des Verteidigungsausschusses<br />
ergänzte die Ausführungen aus politischer Sicht und betonte die Notwendigkeit<br />
europäischer Kooperationen. <br />
(hgb)<br />
(Foto: CSU)
finden oder bereits in Anwendung sind. Die<br />
fortlaufenden Trends im Markt zu erkennen<br />
und sich an die verändernden Marktbedingungen<br />
anzupassen, ist daher essentiell,<br />
um auch in Zukunft weiterhin erfolgreich im<br />
Markt zu sein. Laut einer aktuellen Studie<br />
von Frost & Sullivan wird der globale Markt<br />
für militärische Landfahrzeuge lediglich bei<br />
einer durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstumsrate<br />
(CAGR) von 0,7 Prozent im<br />
Zeitraum von 2012 bis 2021 wachsen. (wb)<br />
Vereinbarung von OHB und IABG<br />
Die OHB System AG, ein Unternehmen der<br />
europäischen Raumfahrt- und Technologiegruppe,<br />
hat mit der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft<br />
mbH (IABG) in Ottobrunn<br />
eine Langzeitvereinbarung für Umwelttests<br />
von Satelliten unterzeichnet. Jedes Raumfahrtsystem<br />
muss, um die Startfreigabe zu<br />
erhalten, sogenannten Umwelttests unterzogen<br />
werden. Während dieser Testkampagnen<br />
wird beispielsweise ein Satellit in<br />
einer Thermal-Vakuum-Kammer sowohl<br />
unter Hitze und Kälte als auch im luftleeren<br />
Raum auf seine Funktionsfähigkeit unter<br />
Weltraumbedingungen hin überprüft.<br />
Weitere Funktionstests umfassen sowohl<br />
die Simulation mechanischer als auch elektromagnetischer<br />
Belastungen des Satelliten.<br />
Die IABG bietet in Deutschland einzigartige<br />
Anlagen und Fähigkeiten zur umfassenden<br />
Qualifizierung von Raumfahrtsystemen.<br />
Der Fokus der Vereinbarung liegt auf den<br />
OHB-Satellitenprojekten im Bereich Telekommunikation.<br />
<br />
(wb)<br />
Reparatur von Minenjagdbooten<br />
bei P+S-Werften<br />
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik<br />
und Nutzung der Bundeswehr<br />
hat die Peene-Werft in Wolgast mit dem<br />
Umbau und der Modernisierung von vier<br />
Minenjagdbooten beauftragt. Außerdem<br />
soll noch ein Auftrag für die Reparatur eines<br />
Schnellbootes hinzugekommen sein,<br />
wie der NDR berichtet. Die Werft ist Teil der<br />
insolventen P+S-Werften, die zum Verkauf<br />
stehen. Die 10-Millionen-Euro-Aufträge<br />
der Bundeswehr setzen einen wichtigen<br />
Akzent bei den Verkaufsverhandlungen<br />
zugunsten der Peene-Werft mit 1.800 Beschäftigten.<br />
<br />
(gwh)<br />
Saab übernimmt MEDAV<br />
Saab AB, der schwedische Konzern für Verteidigungs-<br />
und <strong>Sicherheit</strong>stechnologien<br />
hat die Medav GmbH, den deutschen Spezialisten<br />
für Signalverarbeitung, Mustererkennung<br />
und Informationstechnologie, für<br />
rund 27 Mio. Euro übernommen. Medav<br />
wird mit seinen 75 Mitarbeitern und einem<br />
Cyber War-Konferenz der<br />
AFCEA München<br />
Im 25. Jahr ihres Bestehens führte die<br />
AFCEA München zum dritten Mal eine<br />
Konferenz zum Komplex Cyber War<br />
durch. Die in jüngster Zeit bekanntgewordenen<br />
Vorfälle massiver Störungen<br />
in IT-Systemen und die drastisch gewachsene<br />
Bedrohung durch Schadsoftware<br />
aller Art haben offensichtlich die<br />
Qualität eines asymmetrischen Krieges<br />
erlangt; dementsprechend aktuell war<br />
das Interesse der ca. 160 Kongressteilnehmer<br />
an den Vorträgen und Demonstrationen,<br />
die im Hause Rohde &<br />
Schwarz stattfanden. Die Beiträge des<br />
Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz<br />
und des Bundesnachrichtendienstes<br />
führten zahlreiche Beispiele<br />
an, in denen Unternehmen und Behörden<br />
Opfer elektronischer Angriffe geworden<br />
sind, und zeigten auf, dass die<br />
Beratung der Dienste zum Schutz der<br />
Unternehmen und zur Abwehr weitreichender<br />
Schäden beitragen kann. Die<br />
Angriffsmethoden professioneller Angreifer<br />
waren das Thema von Toralv Dirro,<br />
McAfee Labs Hamburg, der anhand<br />
aktueller Beispiele die Vorgehensweise<br />
der Angreifer darstellte und Konsequenzen<br />
für die Verteidigung ableitete. Die<br />
endrucksvolle Demonstration der technischen<br />
und praktischen Möglichkeiten<br />
von Hackern und kriminellen Eindringlingen<br />
in IT-Geräte, Netze und Systeme<br />
von S. Schreiber, Firma SySS Tübingen,<br />
machte plakativ deutlich, dass nur die<br />
zielgerichtete Zusammenfassung technischer,<br />
organisatorischer und personeller<br />
Schutzmaßnahmen das gesteckte<br />
Ziel einer hinreichenden <strong>Sicherheit</strong> erreichen<br />
lässt, wie Thorsten Delbrouck aus<br />
seiner Tätigkeit als Security Officer bei<br />
Giesecke & Devrient vertiefte. Die Verwundbarkeit<br />
kritischer Infrastrukturen<br />
hat auch europäische und nationale Behörden<br />
veranlasst, normative Ansätze<br />
zur Entwicklung resistenter <strong>Technik</strong>en<br />
zu diskutieren und durch Richtlinien und<br />
Normung zu konkretisieren, wie Markus<br />
Reigl aus dem Hause Siemens darstellte.<br />
Sein Appell war, die Industrie möge sich<br />
aktiv, ggf. über die jeweiligen Verbände,<br />
in die Ausarbeitung der Konzepte einbringen.<br />
<br />
(hgb)<br />
erwarteten Jahresumsatz 2012 in Höhe<br />
von 22 Mio. Euro seine Geschäftstätigkeit<br />
in Deutschland als Tochtergesellschaft der<br />
Saab-Gruppe fortsetzen. Mit der Übernahme<br />
will Saab seine Marktpräsenz in der<br />
Funküberwachung sowie in der Auswertung<br />
für Aufklärungszwecke in Europa und<br />
weltweit stärken. Die Übernahme soll noch<br />
2012 abgeschlossen werden, wenn die notwendige<br />
Zustimmung – u.a. der deutschen<br />
Wettbewerbsbehörden – vorliegt. (gwh)<br />
Rheinmetall Simulation<br />
Australia Pty Ltd<br />
Rheinmetall Defence<br />
hat in Australien die<br />
Tochterfirma Rheinmetall<br />
Simulation Australia<br />
Pty Ltd gegründet.<br />
Zum Geschäftsführer<br />
in Adelaide wurde Adrian<br />
Smith berufen,<br />
vormaliger Geschäftsführer<br />
der Sydac Pty<br />
Ltd. Rheinmetall baut damit seine Position<br />
in Schlüsselmärkten systematisch aus<br />
und ist jetzt mit Produktionsstätten und<br />
Vertretungen auf allen Kontinenten vertreten.<br />
Der Geschäftsbereich Simulation<br />
und Training des Rheinmetall-Konzerns ist<br />
weltweit der zweitgrößte Anbieter seiner<br />
Art und der größte Lieferant militärischer<br />
Simulationsgeräte für bodengebundene<br />
Operationen. <br />
(co)<br />
DATAGROUP BGS GmbH<br />
Seit dem 1. Oktober<br />
trägt die BGS Beratungsgesellschaft<br />
Software<br />
Systemplanung AG den<br />
neuen Namen DATA-<br />
GROUP BGS GmbH.<br />
Mit der Umbenennung<br />
wurde Holger Martin<br />
zum neuen Leiter des<br />
Geschäftsbereichs Defence<br />
berufen. Sein<br />
Aufgabenbereich umfasst Beratungs- und<br />
Softwareentwicklungsleistungen zu den<br />
Themen SASPF, SAP, GIS, Prozessberatung,<br />
SinN und logistische Systeme in Verbindung<br />
mit Führungsinformationssystemen. (ds)<br />
Grundsteinlegung<br />
Für den neuen Hauptsitz von Thales<br />
Deutschland wurde in Ditzingen bei Stuttgart<br />
der Grundstein gelegt. FOM Real Estate<br />
GmbH konzipiert, erstellt und vermietet<br />
den Büroneubau sowie ein Parkhaus auf<br />
einem rund 50.000 m² großen Grundstück<br />
am Rande des bestehenden Gewerbegebiets<br />
Ditzingen an der A 81. Die<br />
neue Thales-Hauptverwaltung mit ca.<br />
60.000 m² Nutzfläche wird mit modernster<br />
<strong>Technik</strong> ausgestattet. Das fertig gestellte<br />
Objekt wird Raum für rund 1.800 Beschäftigte<br />
bieten.<br />
(gwh)<br />
(Foto: Rheinmetall)<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
105
ÄuSSere & zivile <strong>Sicherheit</strong><br />
Nuklearer Notfallschutz in Zeiten<br />
des Ausstiegs<br />
Hans-Peter Weinheimer<br />
Harrisburg 1979 und Tschernobyl 1986 waren die Wegmarken einer<br />
Entwicklung, die mit den Ereignissen von Fukushima im März 2011<br />
ihren vorläufigen Höhepunkt und möglicherweise, zumindest für<br />
Deutschland, mit dem Ausstiegsbeschluss des Deutschen Bundestages<br />
vom 30. Juni 2011, einen Abschluss gefunden hat.<br />
Die Euphorie in aller Welt gegenüber<br />
der zivilen Nutzung der Kernkraft als<br />
geradezu einem Perpetuum mobile<br />
der Energiebereitstellung, wie sie noch<br />
in den 1950er und 1960er Jahren vorherrschte,<br />
wich zunehmend tiefer Skepsis<br />
bis hin zu den durchaus berechtigten<br />
Ängsten gegenüber den für die menschlichen<br />
Sinne kaum wahrnehmbaren Gefahren<br />
der Radioaktivität. Diese Ängste, wie<br />
auch die Ereignisse im 9.000 Kilometer<br />
bolcharakter für den damit verbundenen<br />
zunehmenden Zweifel an der <strong>Sicherheit</strong><br />
von Anlagen der Kernenergie. Da spielte<br />
es auch bei den politischen Endscheidern<br />
und bei der Mehrheit der Bevölkerung keine<br />
Rolle mehr, dass gerade Deutschland<br />
über einen weltweit anerkannt vorbildlichen<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstandard seiner Anlagen<br />
verfügt und auch Motor internationaler<br />
Bemühungen um die Weiterentwicklung<br />
in diesem Bereich war und (noch) ist.<br />
(Foto: Archiv ES&T)<br />
Wasserstoffexplosion in Block 1 des Kernkraftwerks Fukushima<br />
Der Atomkonsens aus dem Jahre 2000<br />
und die noch im Herbst 2010 beschlossene<br />
Laufzeitverlängerung veränderte sich so<br />
zu einem, in dieser Rasanz unerwarteten<br />
Ausstiegsbeschluss, der durch die Bundeskanzlerin<br />
wie folgt begründet wurde: „Wir<br />
haben doch in einem hoch entwickelten Industrieland<br />
gesehen, dass Risiken aufgetreten<br />
sind, die wir nicht für möglich gehalten<br />
hätten. Das hat mich davon überzeugt, dass<br />
wir den Ausstieg beschleunigen sollten“.<br />
Die von der Regierung unmittelbar nach<br />
der Katastrophe eingesetzte Ethikkommission<br />
„Sichere Energieversorgung“ stellte in<br />
ihrem Abschlussbericht fest: „Die Risiken<br />
der Kernenergie haben sich mit Fukushima<br />
nicht verändert, wohl aber die Risikowahrnehmung.<br />
Mehr Menschen ist bewusst<br />
entfernten Japan wieder gezeigt haben,<br />
beruhen bei den Menschen häufig auch<br />
auf eher diffusen Vorstellungen über die<br />
Wirkungen ionisierender Strahlung. Dies<br />
macht deutlich, dass es immer noch nicht<br />
gelungen ist, das Wesen von Radioaktivität<br />
wirklich zu vermitteln. So ist auch<br />
nachvollziehbar, dass nicht zuletzt unter<br />
dem Eindruck der für alle Welt sichtbaren<br />
„Sprengung“ des Daches eines der<br />
Reaktorgebäude in der Anlage von Fukushima<br />
Daiichi am 12. März 2011 durch<br />
eine Wasserstoffexplosion (!), sich auch in<br />
der deutschen Öffentlichkeit und in der<br />
Politik die Haltung zur Kernenergie geradezu<br />
über Nacht dramatisch veränderte.<br />
Die Wirkung dieser Fernsehbilder war<br />
enorm, und sie hatten tatsächlich Symgeworden,<br />
dass die Risiken eines großen<br />
Unfalls nicht nur hypothetisch vorhanden<br />
sind, sondern dass sich solche großen Unfälle<br />
auch konkret ereignen können. Somit<br />
hat sich die Wahrnehmung eines relevanten<br />
Teils der Gesellschaft an die Realität<br />
der Risiken angepasst.“ Eine Feststellung,<br />
die darauf hinweist, dass man in der Politik<br />
und den Fachgremien offensichtlich diese<br />
Risiken immer schon grundsätzlich erkannt<br />
und auch anerkannt hat, allerdings dem<br />
Faktor geringer Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
einen ungerechtfertigten Stellenwert zugemessen<br />
hat.<br />
Mit der 13. Änderung zum Atomgesetz<br />
vom 30. Juni 2011 wurde die Kernenergienutzung<br />
tatsächlich früher als geplant<br />
beendet und die Beschleunigung der Energiewende<br />
zumindest gesetzlich geregelt.<br />
Bis zum Jahre 2022 werden zeitlich gestaffelt<br />
auch die restlichen neun Kraftwerke<br />
abgeschaltet. Inwieweit diese Zielvorgabe<br />
Bestand haben kann, angesichts der sehr<br />
schleppend anlaufenden Energiewende, ist<br />
nicht Gegenstand dieses Artikels, gleichwohl<br />
aber auch eine Begründung für die<br />
Forderung nicht nachzulassen in den Bemühungen<br />
um einen funktionierenden<br />
Notfallschutz und einen geordneten Betrieb.<br />
Dies verlangt darüber hinaus, auch<br />
künftig Vorkehrungen zu organisieren, die<br />
den Schutz der Bevölkerung in Deutschland,<br />
im Falle einer Freisetzung radioaktiver<br />
Stoffe aus Anlagen der Kernenergie<br />
sicherstellt. Hierzu gehört ganz zentral die<br />
Gewinnung und Ausbildung von Fachpersonal<br />
im Bereich der kerntechnischen<br />
Forschung und in den kerntechnischen Be-<br />
116 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ÄuSSere & zivile <strong>Sicherheit</strong><br />
(Foto: Bundesregierung)<br />
(Grafik: Mawibo)<br />
Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“<br />
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass<br />
mit dem nationalen Ausstiegsbeschluss<br />
keineswegs – auch vermutlich langfristig<br />
– die Gefahren einer radiologischen<br />
Großschadenslage gebannt sind, ist Notfallschutz<br />
notwendig. Er bedarf weiterhin<br />
der Anpassung an neue Erkenntnisse und<br />
Rahmenbedingungen, da über die unfallbedingte<br />
Freisetzung von radioaktiven<br />
Stoffen aus Kernanlagen noch weitere radiologische<br />
und nukleare Gefahren in einem<br />
modernen Schutzsystem berücksichtigt<br />
werden müssen. Neben möglichen<br />
Anschlägen auf kerntechnische Anlagen<br />
sind auch die folgenden Szenarien denkbar<br />
und damit Grundlage für Maßnahmen<br />
des Notfallschutzes im Rahmen der nichtpolizeilichen<br />
Gefahrenabwehr, aber auch<br />
der sogenannten nuklearspezifischen<br />
Gefahrenabwehr im Rahmen polizeilicher<br />
Maßnahmen:<br />
• Ausbringung radiologischer Quellen<br />
(Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive<br />
Stoffe [N/R]),<br />
• unfallbedingte Freisetzung oder vorsätzliche<br />
Freisetzung von N/R-Stoffen<br />
(Transport radioaktiver Stoffe, „Schmutzige<br />
Bombe“ (Radiological dispersal device)<br />
und<br />
• nicht zuletzt auch der Anschlag mit einer<br />
improvisierten oder entwendeten<br />
Kernwaffe.<br />
Bevor die grundlegenden Vorkehrungen<br />
staatlicher Stellen, insbesondere im Lichte<br />
der Erfahrungen von Fukushima, bewertet<br />
werden, gilt es zunächst das bestehende<br />
Schutzsystem in seinen Grundzügen zu erläutern,<br />
um auf dieser Grundlage Ansatzpunkte<br />
für eine notwendige Anpassung<br />
bzw. Weiterentwicklung darzulegen.<br />
Das deutsche System des<br />
nuklearen Notfallschutzes<br />
Kernkraftwerke in Deutschland und in Europa<br />
rufen und damit in den Anlagen, in den<br />
Verwaltungen und in den staatlichen und<br />
privatwirtschaftlichen Organisationen, die<br />
sowohl im Katastrophenschutz als auch im<br />
Strahlenschutz tätig sind.<br />
Radiologische (R) und nukleare<br />
(N) Gefahren<br />
Man ist sich in der Politik, in den Fachgremien<br />
und in der Öffentlichkeit zweifellos<br />
klar darüber, dass der nationale Ausstiegsbeschluss,<br />
der erst im Jahre 2022<br />
zum Abschalten aller Kernkraftwerke<br />
führt und darüber hinaus das Problem<br />
der Endlagerung keineswegs löst, nicht<br />
das Ende radiologischer und nuklearer<br />
Risiken in unserem Land darstellt. Zumal<br />
der gesicherte Rückbau solcher Anlagen<br />
durchaus noch Gefahren birgt und neben<br />
großen finanziellen Anstrengungen erhebliche<br />
Zeit in Anspruch nehmen wird.<br />
Ganz wesentlich für die Verpflichtung<br />
zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung<br />
von Maßnahmen des Katastrophenschutzes<br />
und der Strahlenschutzvorsorge<br />
ist natürlich auch die Tatsache,<br />
dass in Europa in unserer unmittelbaren<br />
Nähe auf unabsehbare Zeit Energie über<br />
die Atomkraft bereitgestellt werden wird<br />
und von daher, insbesondere die grenznahen<br />
Atomkraftwerke, Notfallschutzmaßnahmen<br />
auch weiterhin begründen,<br />
einschließlich einer grenzüberschreitenden<br />
Kooperation mit unseren Nachbarstaaten.<br />
Der Notfallschutz in Deutschland bei kerntechnischen<br />
Ereignissen oder anderen nuklearen<br />
oder radiologischen Gefahren- und<br />
Schadenslagen unterliegt – wie bereits angedeutet<br />
– einem komplexen gesetzlichen<br />
und untergesetzlichen Regelwerk.<br />
Unter dem Begriff „Nuklearer Notfallschutz“<br />
kann man in Deutschland den gesamten<br />
Bereich des Schutzes der Bevölkerung<br />
vor den Auswirkungen von nuklearen<br />
und radiologischen Ereignissen verstehen.<br />
Speziell im Zusammenhang mit kerntechnischen<br />
Anlagen unterscheidet man in den<br />
„anlageninternen“ Notfallschutz (Betreiber/<br />
Aufsichtsbehörde) und den „anlagenexternen“<br />
Notfallschutz (Katastrophenschutz/<br />
Strahlenschutzvorsorge). Die anlageninterne<br />
Notfallschutzplanung der Betreiber von<br />
Kernkraftwerken in Deutschland ist darauf<br />
ausgerichtet, bei auslegungsüberschreiten-<br />
118 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ÄuSSere & zivile <strong>Sicherheit</strong> <br />
den Ereignissen (Notfällen) Auswirkungen<br />
auf die Umgebung zu verhindern oder, falls<br />
dies nicht mehr möglich ist, zu verringern.<br />
In der Folge soll vor allem der Katastrophenschutz<br />
als Teil des anlageexternen Notfallschutzes<br />
dargestellt und bewertet werden.<br />
Zu diesem Bereich liegen in einer aktuellen<br />
Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz<br />
(BfS) „Analyse der Vorkehrungen für den<br />
anlagenexternen Notfallschutz für deutsche<br />
Kernkraftwerke basierend auf den<br />
Erfahrungen aus dem Unfall in Fukushima“<br />
vom April 2012 neue Erkenntnisse, insbesondere<br />
für den Katastrophenschutz vor,<br />
die derzeit auch Gegenstand einer intensiven<br />
Prüfung durch die entsprechenden<br />
Fachgremien sind.<br />
(Grafik: BMU)<br />
Anlagenexterner<br />
Notfallschutz<br />
Um den Schutz der Bevölkerung sicherzustellen,<br />
arbeiten aufgrund der föderalen<br />
Struktur der Bundesrepublik Deutschland<br />
bei einem nuklearen oder radiologischen<br />
Notfall bzw. Katastrophenfall Behörden<br />
und Organisationen aus unterschiedlichen<br />
Fachbereichen von Bund und Ländern und<br />
der Industrie zusammen. Die Zuständigkeiten<br />
sind grundsätzlich aufgeteilt in Bundesund<br />
Länderzuständigkeiten und in Zuständigkeiten<br />
der industriellen Betreiber. Dabei<br />
ist zu beachten, dass der normative Rahmen<br />
und die Verfahrensregelungen des<br />
anlagenexternen Notfallschutzes in zwei<br />
getrennten Bereichen betrachtet werden<br />
muss. Dies sind der fachspezifische Bereich<br />
der Strahlenschutzvorsorge und der Bereich<br />
des Katastrophenschutzes.<br />
Der friedensmäßige Katastrophenschutz in<br />
Deutschland liegt in der ausschließlichen<br />
Anlageninterner<br />
Notfallschutz<br />
Struktur des Notfallschutzes<br />
Nuklearer<br />
Notfallschutz<br />
Verantwortung der Länder, die hierzu auch<br />
eigene Katastrophenschutzgesetze erlassen.<br />
Der Bund unterstützt die Länder im<br />
Rahmen der sogenannten Katastrophenhilfe<br />
durch Ausbildungsunterstützung,<br />
durch zusätzliche, Zivilschutz-relevante<br />
Ausstattungen (Ausstattungskonzept des<br />
Bundes von 2007) und durch die Bundesanstalt<br />
Technisches Hilfswerk.<br />
Für Katastrophenschutzplanungen und<br />
-maßnahmen haben Bund und Länder gemeinsam<br />
Regelwerke erarbeitet, um eine<br />
möglichst einheitliche Vorgehensweise in<br />
den einzelnen Ländern zu gewährleisten.<br />
Grundlegende Dokumente sind hier:<br />
• „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz<br />
in der Umgebung kerntechnischer<br />
Anlagen“ und<br />
• „Radiologische Grundlagen für Entscheidungen<br />
über Maßnahmen zum Schutz<br />
der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen<br />
von Radionukliden“.<br />
Diagramm zur Organisation des Notfallschutzes in Deutschland<br />
Katastrophenschutz<br />
Anlagenexterner<br />
Notfallschutz<br />
Strahlenschutzvorsorge<br />
Hinzu kommen eine große Anzahl Richtlinien<br />
und Empfehlungen insbesondere der<br />
Strahlenschutzkommission (SSK).<br />
Die Struktur des Katastrophenschutzes in<br />
Deutschland – so auch für den speziellen<br />
Bereich des nuklearen und radiologischen<br />
Schutzes – ist ein abgestuftes System von<br />
Fähigkeiten auf allen staatlichen Ebenen<br />
(Bund, Länder und Kommunen). Dieses<br />
System sieht auch den Rückgriff auf nichtstaatliche<br />
Organisationen und die Einbeziehung<br />
der – allerdings immer noch sehr<br />
gering ausgeprägten – Selbsthilfefähigkeiten<br />
der Bürger vor.<br />
Grundlegende Maßnahmen des Katastrophenschutzes<br />
sind:<br />
• die Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden<br />
zum Schutz gegen radioaktive<br />
Strahlung,<br />
• die Verteilung und Einnahme von Jodtabletten<br />
zur Minderung der Strahlenbelastung<br />
der Schilddrüse,<br />
• die Evakuierung nach vorbereiteten<br />
Plänen zum einen als vorsorgliche Maßnahme<br />
und zum anderen als Schutz<br />
der Bevölkerung, wenn sich eine große<br />
Menge radioaktiver Stoffe am Wohnort<br />
abgesetzt hat sowie<br />
• die Warnung der Bevölkerung vor dem<br />
Verzehr frisch geernteter Lebensmittel<br />
und von Frischmilch.<br />
Die Strahlenschutzvorsorge umfasst alle<br />
Maßnahmen zur Verringerung stochastischer<br />
Schäden, d.h. der Verringerung des<br />
Individual- und Kollektivrisikos der Bevölkerung<br />
unterhalb der sogenannten Eingreifrichtwerte<br />
(z.B. 100 Millisievert bei<br />
Evakuierungen) für Katastrophenschutzmaßnahmen.<br />
Letztlich zielen die Maßnahmen der Strahlenschutzvorsorge<br />
auf einen vorbeugenden<br />
Gesundheitsschutz der Bevölkerung.<br />
Die Maßnahmen des Katastrophenschutzes<br />
dienen hingegen der Vermeidung von<br />
deterministischen Strahlenschäden und der<br />
(Grafik: Autor)<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
119
ÄuSSere & zivile <strong>Sicherheit</strong><br />
Verringerung von stochastischen Schäden.<br />
Sie sind Teil der unmittelbaren Gefahrenabwehr<br />
im Ereignisfall.<br />
Dieses hier nur in seinen Grundzügen<br />
dargestellte System des nuklearen Notfallschutzes<br />
ist außerordentlich komplex und<br />
geprägt von unserer föderalen Ordnung.<br />
Also Aufwuchs von unten nach oben:<br />
Kommunen – Länder und unter bestimmten<br />
Umständen auch der Bund, allerdings<br />
ohne die Möglichkeit uneingeschränkte<br />
Verantwortung übernehmen zu können.<br />
Und zwar unabhängig von der Größe<br />
des Schadens bzw. der gesellschaftlichen<br />
Wahrnehmung und Erwartung. Dem Bund<br />
bleibt lediglich eine koordinierende Funktion,<br />
allerdings nur dann, wenn ein Land<br />
oder die Länder diese Koordinierung einfordern.<br />
Ein national bedeutsames<br />
Katastrophengeschehen<br />
dass „die bisherigen Planungen … nicht<br />
in allen Belangen ausreichend sind“. Insgesamt<br />
wird festgestellt, dass man bei den<br />
zentralen Katastrophenschutzmaßnahmen<br />
„Aufenthalt in Gebäuden“, „Evakuierung“<br />
und „Einnahme von Jodtabletten“ deutlich<br />
größere Gebiete erfassen muss.<br />
So stellt sich in solchen Szenarien mit großflächigen<br />
Auswirkungen die Frage: Haben wir<br />
ein System, das in der Lage ist, sein durchaus<br />
eindrucksvolles Potenzial tatsächlich in<br />
(Grafik: RWE)<br />
Dass ein Unfall wie in Fukushima, würde<br />
er sich in unserem Land ereignen, das<br />
Schutzsystem umfassend fordern würde,<br />
steht außer Zweifel. Dies zeigt aktuell auch<br />
die bereits angesprochene Studie des BfS<br />
vom April 2012. Dieser Studie liegen lang<br />
andauernde und schwerwiegende Freisetzungsszenarien<br />
zugrunde, wie sie sich in<br />
Japan ereignet haben. Die Ergebnisse wurden<br />
exemplarisch auf Deutschland übertragen.<br />
Allerdings wird ausdrücklich festgestellt,<br />
dass „es jedoch keinen direkten<br />
anlagentechnischen Hintergrund für diese<br />
Quellterme in einem deutschen Kernkraftwerk<br />
gibt. Die Studie eignet sich daher<br />
nicht zur Ableitung von Schlüssen über die<br />
Wahrscheinlichkeit schwerer Unfallabläufe<br />
oder zu anderen Fragestellungen über das<br />
<strong>Sicherheit</strong>sniveau der in Betrieb befindlichen<br />
Kernkraftwerke in Deutschland“.<br />
Diese Fragestellungen wurden im Übrigen<br />
durch die „Reaktorsicherheitskommission“<br />
in Bezug auf deutsche Kernkraftwerke untersucht<br />
(Erste Stellungnahme vom 16. Mai<br />
2011), mit dem Ergebnis, dass für deutsche<br />
Anlagen hinsichtlich der Stromversorgung<br />
und der Berücksichtigung von Hochwasserereignissen<br />
„eine höhere Vorsorge“ festgestellt<br />
wurde. Darüber hinaus erhielt die<br />
SSK den Auftrag, das fachliche Regelwerk<br />
zum anlagenexternen nuklearen Notfallschutz<br />
zu überprüfen. Auch im laufenden<br />
Prozess der Erarbeitung von Risikoanalysen<br />
im Bevölkerungsschutz sind radiologische<br />
Szenarien mit sogenannter „Bundesrelevanz“<br />
Gegenstand der Untersuchungen<br />
(Deutscher Bundestag – Drucksache<br />
17.8250 vom 21.12.2011 „Bericht zur Risikoanalyse<br />
im Bevölkerungsschutz 2011“).<br />
Mit Blick auf den anlagenexternen Notfallschutz<br />
macht die BfS-Studie deutlich,<br />
Evakuierungsrouten für das KKW Biblis<br />
Gänze geordnet und operativ wirksam zur<br />
Schadensminimierung einzusetzen? Das<br />
Bewältigungspotenzial ist grundsätzlich vorhanden,<br />
allerdings liegen ihm – wie dargestellt<br />
– komplexe Zuständigkeitsregelungen<br />
zugrunde. Die unterschiedlichen Akteure<br />
orientieren sich neben den normativen Rahmenbedingungen<br />
bzw. einfachgesetzlichen<br />
Regelungen vorrangig an zentral vorgegebenen<br />
und gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen.<br />
Gleichwohl stellt sich die Frage,<br />
ob man ohne immer wieder eingeübte<br />
und akzeptierte zentrale Führung operative<br />
Wirksamkeit in einer übergreifenden Lage<br />
wirklich erzeugen kann. Katastrophen wie<br />
in Fukushima würden große Teile der Bundesrepublik<br />
in einem Maße betreffen, bei<br />
der man schwerlich die Öffentlichkeit mit<br />
einer ausschließlichen Länderzuständigkeit<br />
überzeugen könnte.<br />
Deutschland verfügt also über ein grundsätzlich<br />
ausgereiftes und leistungsfähiges<br />
Notfallschutzsystem, dessen strukturelle<br />
und materielle Möglichkeiten beeindruckend<br />
sind. Dies gilt ausdrücklich für die<br />
Vorhaltungen der Länder und Kommunen.<br />
Die Grundannahme, dass operative Verantwortung<br />
für den Schutz der Bevölkerung<br />
möglichst – unabhängig vom Ausmaß des<br />
Schadens – dezentral zu gestalten sei, ist<br />
angesichts solcher Katastrophen, wie in Fukushima,<br />
allerdings in Frage zu stellen. Der<br />
rasche Ausstieg aus der Kernenergie zeigt,<br />
dass man ganz offensichtlich der Auffassung<br />
ist, dass solche Großschadenslagen<br />
von zweifellos nationaler Bedeutung nicht<br />
ausgeschlossen werden können und der<br />
Hinweis auf die Unwahrscheinlichkeit ihres<br />
Eintretens nun in der Gesellschaft keine Akzeptanz<br />
mehr findet.<br />
Ganz wesentlich wird es darüber hinaus<br />
sein, dass man die Erwartungen der Öffentlichkeit<br />
richtig einschätzt. Insbesondere<br />
in einer Lage, in der der Staat und die involvierten<br />
Verwaltungen gegebenenfalls<br />
massiv in das Leben der Bürger eingreifen<br />
müssen. Die Organisation der Einnahme<br />
von Jodtabletten und die geordnete Evakuierung<br />
einer großen Zahl von Menschen<br />
unter dem Druck einer radiologischen Lage<br />
werden nur gelingen, wenn die Bürger<br />
120 <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong> · Dezember 2012
ÄuSSere & zivile <strong>Sicherheit</strong> <br />
in ihren Erwartungen an die Problemlösungsfähigkeit<br />
staatlicher Stellen nicht<br />
enttäuscht werden. Hier werden auch<br />
an den Bund und seine Repräsentanten<br />
Fragen gestellt werden, die keinesfalls mit<br />
dem Hinweis auf eine Länderzuständigkeit<br />
unbeantwortet bleiben dürfen. In solchen<br />
Katastrophenlagen kommt es dann zu Begegnungen<br />
zwischen Behörden und einer<br />
Öffentlichkeit, mit der man im Übrigen auf<br />
keiner Ebene staatlichen Handelns bisher<br />
weder hinreichend Risiken anlassunabhängig<br />
kommuniziert (Risikokommuni-<br />
(Foto: Dieker/BBK)<br />
kation) noch sie an den Planungen von<br />
Notfallschutzmaßnahmen ausreichend<br />
beteiligt hat. Dies wird in der Krisenkommunikation<br />
zu Friktionen führen und die<br />
Durchsetzung von Notfallmaßnahmen<br />
erschweren.<br />
Operative Wirksamkeit und<br />
Weiterentwicklung<br />
Die Frage nach zentraler Führung in Verbindung<br />
mit uneingeschränkter Verantwortung<br />
ist eine Schlüsselfrage mit Blick<br />
Modulares Warnsystem (MoWaS) vorgestellt<br />
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) informierte am<br />
12. September 2012 in der Zivilschutzverbindungsstelle Kalkar in Uedem gemeinsam<br />
mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
und der Berufsfeuerwehr Köln über die Entwicklung des Modularen Warnsystems<br />
(MoWaS) von Bund und Ländern. MoWaS soll bei regionalen Gefahren wie Sturm,<br />
Hochwasser oder Chemieunfällen zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden.<br />
MoWaS basiert auf dem 2001 eingeführten Satellitengestützte Warnsystem (Sat-<br />
WaS) zur Warnung der Bevölkerung bei Luftkriegsgefahren im Spannungs- und<br />
Verteidigungsfall. Mit SatWas werden mehr als 160 Rundfunkanstalten, Internetanbieter<br />
und Paging-Dienste erreicht. Warnmeldungen können so mit sehr kurzer<br />
Übertragungszeit und hoher Priorität versendet werden. MoWaS soll es ermöglichen,<br />
dass ein im Bevölkerungsschutz Verantwortlicher unmittelbar und ohne<br />
Medienbruch alle in seinem Verantwortungsbereich vorhandenen Warnsysteme<br />
auslösen kann. Bestimmende Parameter sind dabei vor allem eine zentrale und<br />
dezentrale Auslösung, die flexible Adressierbarkeit, eine räumliche Skalierbarkeit,<br />
eine bundeseinheitliche Nutzeroberfläche, die Berücksichtigung der spezifischen<br />
Länder- (und Gemeinde-)Bedarfe und eine Abbildung der beim Bund und in den<br />
Ländern vorhandenen Strukturen und Zuständigkeiten. Neben dem Rundfunk sollen<br />
zusätzliche Warnelemente geschaffen werden, die über geeignete Signale die Bevölkerung<br />
frühzeitig auf drohende Gefahren aufmerksam machen und – wie früher<br />
die Sirenen – über einen Weckeffekt verfügen. Derzeit sind mehrere Technologien<br />
in Betracht, um jeweils optimierte Warnmedien einsetzen zu können:<br />
z.B. Sirenen zur outdoor-Warnung in Stadt- und Industriegebieten, Brandrauchmelder<br />
zur indoor-Warnung, Mobilfunkdienste zur Individual-Warnung.<br />
Zudem soll in Gefahrensituationen die Mitnutzung einer Vielzahl in der Fläche<br />
vorhandener moderner Kommunikations- und Informationsdienste gewährleisten,<br />
rasche und lageangepasste Warnungen und Informationen an die Bevölkerung zu<br />
übermitteln. <br />
(ww)<br />
auf operative Wirksamkeit des nationalen<br />
Hilfeleistungssystems, das im Falle<br />
einer bedeutsamen Gefahren- und Schadenslage<br />
beachtliche Größenordnungen<br />
an Personal und Material zielgerichtet<br />
und geordnet bewegen können muss.<br />
Führung in solchen Lagen wird geprägt<br />
sein von einem gesamtstaatlichen und<br />
gesamtgesellschaftlichen Anspruch. Die<br />
Reduzierung von uneingeschränkter<br />
Verantwortung auf die Bundesländer<br />
wird voraussichtlich durch die Medien<br />
befördert von der betroffenen Bürgerschaft<br />
– betroffen werden sich hier auch<br />
die fühlen, die sich nicht unmittelbar im<br />
Gefährdungsbereich befinden – nicht<br />
verstanden werden. Die durchaus außerordentlich<br />
begrenzten Szenarien der<br />
Vogelgrippe 2006 und der Schweinegrippe<br />
2009/2010 haben bereits deutlich<br />
gemacht, dass der kollektive Ruf nach<br />
gesamtstaatlicher Verantwortung und<br />
Handlungsfähigkeit unmissverständlich<br />
artikuliert werden wird.<br />
Darüber hinaus werden in einer radiologischen<br />
Katastrophe schnelle Entscheidungsabläufe<br />
erforderlich sein,<br />
verbunden mit einem anspruchsvollen<br />
Ressourcenmanagement, das nur funktionieren<br />
wird, wenn auf der Grundlage<br />
eines Gesamtüberblicks des potenziell<br />
Verfügbaren entschieden und gehandelt<br />
werden kann. Langwierige Entscheidungsprozeduren<br />
über den Abgleich von<br />
erforderlichem Personal, Material und<br />
Versorgungsgütern zwischen einzelnen<br />
Bundesländern, gegebenenfalls noch mit<br />
einer vielleicht zu spät eingeforderten<br />
Koordinierungsleistung des Bundes, wird<br />
man sich auf keinen Fall leisten können.<br />
Das Aufwachsen von Kräften und Mitteln<br />
von unten nach oben und die grundsätzliche<br />
Dezentralisierung und Regionalisierung<br />
von staatlichen Schutzleistungen,<br />
die unterhalb von national bedeutsamen<br />
Großkatastrophen sehr effektiv und<br />
hocheffizient wirken kann, finden in<br />
Katastrophen von der Größenordnung<br />
„Fukushima“ ihre Grenzen. Dies gilt es<br />
in einem Weiterentwicklungsprozess des<br />
Bevölkerungsschutzes und seiner Teilaufgabe<br />
„Nuklearer Notfallschutz“, der derzeit<br />
in Deutschland durchaus in Gang gesetzt<br />
ist, zu berücksichtigen. Behördliche<br />
Risikokommunikation in Verbindung mit<br />
einer ehrlichen und transparenten Bürgerbeteiligung<br />
und die konsequent und<br />
umfassend eingeübte Möglichkeit der<br />
Inanspruchnahme zentraler Verantwortung<br />
und Führungsleistung, auch durch<br />
den Bund, sind die herausragenden Problembereiche,<br />
deren Lösung die Gestaltung<br />
eines zeitgemäßen Notfallschutzes<br />
kennzeichnen muss.<br />
L<br />
Dezember 2012 · <strong>Europäische</strong> <strong>Sicherheit</strong> & <strong>Technik</strong><br />
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