AUFHEBUNGEN - Fachgebiet
AUFHEBUNGEN - Fachgebiet
AUFHEBUNGEN - Fachgebiet
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nen werden. Sie überspringen die Probleme, die die Relevanz der Lehrveranstaltung<br />
verständlich und Theoriearbeit verständig machen würde, nämlich den<br />
Diskurs, der diese Theorien hervorbrachte. Deshalb können sie nur so (formal)<br />
gerechtfertigt werden, wie sie zustande kommen: als das neueste Angebot auf<br />
dem Markt der Schnäppchen für die Bescheidwisser.<br />
Stattdessen müsste man lernen (und dem Lehrpersonal abverlangen), dass<br />
es in gewissem Sinne keine überholten Theorien gibt. Man kann jederzeit von<br />
Aristoteles, Leibniz oder auch Le Corbusier etwas lernen. Dazu muss man aber<br />
verstehen, in welchem ideengeschichtlichen Horizont die Aussagen formuliert<br />
wurden; welche Alternativen sie aus dem Felde schlagen sollten und aus welcher<br />
geistes- und realgeschichtlichen Situation sie erwuchsen. Diese ideellen und materiellen<br />
Bedingungen kann man dann in jedem der Fälle mit der eigenen aktuellen<br />
Problemwahl vergleichen und die veränderten Ausprägungen der gleichen<br />
Problemlage feststellen. Dann wird schnell klar, welche Theorie einem in diesem<br />
Fall „etwas sagt“ und welche nicht. Demgegenüber habe ich die Erfahrung gemacht,<br />
dass die Geschichte des abendländischen (und sonstigen) Denkens wie<br />
die Entwicklung der Automobilindustrie gesehen wird: Die Autos werden immer<br />
besser, schneller, komfortabler und sicherer. Wer das neueste Modell kauft, hat<br />
das derzeit beste Gebrauchswerkzeug im Besitz. Etwa auf diese Weise versucht<br />
man die jeweils neueste und beste Erklärung der Welt an Land zu ziehen bzw.<br />
zu verkaufen. (Ähnlichkeiten gibt es auch mit dem vorherrschenden Geist in der<br />
Politik oder bei Fußballclubs in der Abstiegszone: Wenn einer die Probleme im<br />
bisherigen Horizont des Geschehens und Denkens ausspricht, wird entgegnet,<br />
man müsse jetzt mutig nach vorn schauen und Neues wagen; aber jeder weiß,<br />
wie sich dabei in die eigene Tasche gelogen wird.)<br />
Dass diese abstrakten Übersprungshandlungen nichts nützen, wird dann –<br />
nach einigen Fehlschlägen – dem Phänomen Theorie selbst angelastet, nicht aber<br />
dem eigenen Unvermögen, überhaupt die Ebene zu registrieren, auf der kreative<br />
Denkarbeit funktioniert.<br />
Was folgt daraus? Wenn man nicht eine langjährige eigene Erfahrung in<br />
der Theorieproduktion hat und die metatheoretische Einbindung der meisten<br />
Theorien der Gesellschaftswissenschaften, d. h. die Entwicklung der Erkenntnis-<br />
und Wissenschaftstheorie, professionell beherrscht, lässt man es besser sein.<br />
Es kommt sonst völlig abstraktes, blutleeres, unverdautes Zeug dabei heraus.<br />
Ebenso wenig nützt es in der Regel, die Studierenden parallel zu ihren Fachveranstaltungen<br />
per Studienplan oder informell in Vorlesungen und Seminare<br />
der zuständigen Gesellschaftswissenschaften bzw. Philosophie zu schicken. Dort<br />
wird unter ganz anderen Anwendungsbedingungen des Wissens argumentiert.<br />
Die Kontexte passen nie. Sie müssten – wie oben angedeutet – im eigenen Fach<br />
erstellt werden. Das heißt, es müssten vorhandene theoretische Implikationen<br />
des Faches „nach außen gewendet“, neu gedacht und umgeschrieben werden<br />
(ähnlich wie sich Theoretische Physiker oftmals „ihre“ Mathematik vom Fall her<br />
geschrieben haben). Theorie kann erfolgreich nur konkret vermittelt werden. Im<br />
Jargon heißt das: die Studierenden „bei sich abholen“. Danach können die Studierenden<br />
sich auch Theoriewissen ganz gezielt außerhalb besorgen.<br />
13