Download der aktuellen Ausgabe als pdf - Kunsthalle Bremen
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Jochen Mühlenbrink<br />
Fragil – Bil<strong>der</strong> einer Ausstellung 2003 – 13<br />
Wilhelmshaven<br />
30. Juni – 25. August 2013<br />
<strong>Kunsthalle</strong> Wilhelmshaven<br />
Jochen Mühlenbrink, Zentrum II, 2012–13, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm<br />
Courtesy Gerhard Hofland Gallery, Amsterdam<br />
Jochen Mühlenbrink, geboren 1980<br />
in Freiburg im Breisgau, zählt zu den<br />
wichtigen Vertretern <strong>der</strong> jungen Malerei<br />
in Deutschland. Seit 2006 zeigen seine<br />
Arbeiten exemplarisch eine inhaltliche<br />
Weichenstellung in <strong>der</strong> Malerei <strong>der</strong> letzten<br />
30 Jahre auf, die mit dem verschwen<strong>der</strong>ischen<br />
Umgang mit Bil<strong>der</strong>n aufräumt. Mit<br />
Blick auf die neo-expressive Malerei <strong>der</strong><br />
1980er Jahre (Mühlheimer Freiheit, Neue<br />
Wilde) hatte Wolfgang Max Faust noch<br />
einen lustvollen „Hunger nach Bil<strong>der</strong>n“<br />
ausgemacht. Angesichts <strong>der</strong> <strong>aktuellen</strong><br />
Malerei erhält <strong>der</strong> Betrachter dagegen<br />
den Eindruck, dass parallel zum unbekümmerten<br />
Umgang mit medialen Bil<strong>der</strong>n<br />
eine sehr ernsthafte ästhetische Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
über die grundlegende Frage,<br />
was heute überhaupt noch ein gemaltes<br />
Bild sein kann, entstanden ist, und das<br />
Verhältnis von Abbild und Wirklichkeit<br />
erneut auf dem Prüfstein steht.<br />
Bekannt wurde Mühlenbrink, <strong>der</strong> an <strong>der</strong><br />
Kunstakademie Düsseldorf bei Markus Lüpertz<br />
studierte, durch seine irritierenden<br />
Darstellungen brennen<strong>der</strong> ICE-Züge, im<br />
Schnee versunkener Dörfer o<strong>der</strong> zusammenstürzen<strong>der</strong><br />
Hochhäuser. Siegfried<br />
Gohr bemerkte dazu: „Ziel ist nicht eine<br />
Erzählung o<strong>der</strong> ein verborgener Symbolsinn.<br />
Und doch schimmert durch die<br />
scheinbar heile Motivwelt die Möglichkeit<br />
einer Katastrophe hindurch. Ganz unauffällig,<br />
<strong>als</strong> Unfall, <strong>als</strong> Fehler im System, <strong>als</strong><br />
eine Stimmung, die vom Bewusstsein des<br />
Katastrophischen grundiert ist...“ (aus: Jochen<br />
Mühlenbrink. Laster, Stuttgart 2010).<br />
Häuser, Container o<strong>der</strong> Landschaften ver-<br />
schwinden dabei in <strong>der</strong> breiten Malmasse,<br />
so dass die dazugewonnenen Farbflächen<br />
zum Resonanzraum einer latenten<br />
Verän<strong>der</strong>ung werden. Seit 2011 verschiebt<br />
sich dieser Moment des Verschwindens in<br />
Mühlenbrinks Bildsprache auf die Ebene<br />
des Mediums <strong>der</strong> Malerei, indem nun das<br />
Spiel zwischen dessen Vor<strong>der</strong>- und Rückseite<br />
ästhetisch ins Werk tritt und dieses<br />
<strong>als</strong> räumliches Objekt erscheint.<br />
In Mühlenbrinks neuer Werkgruppe<br />
sehen wir auf die rückwärtigen Flächen<br />
scheinbar gerade weggestellter Werke,<br />
auf mit Klebestreifen verpackte, im<br />
Raum abgestellte Kartons o<strong>der</strong> auf Bil<strong>der</strong><br />
mit versehrten Oberflächen, an denen<br />
(scheinbar) noch Spuren vorheriger Bil<strong>der</strong><br />
kleben (siehe Abbildung). Inhaltlich vage<br />
Brechungen in <strong>der</strong> vorherigen Werkgruppe,<br />
die stets ein spektakuläres Moment<br />
enthielten, weichen nun Bil<strong>der</strong>n <strong>als</strong> Doppelgänger<br />
ihrer selbst, die im Teufelskreis<br />
einer unausweichlichen Bildwie<strong>der</strong>holung<br />
gefangen erscheinen.<br />
Mühlenbrink greift dabei auf den realistischen<br />
Topos des Trompe l’oiel zurück, <strong>der</strong><br />
seit dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t immer wie<strong>der</strong><br />
<strong>als</strong> selbstkritisches Instrument in <strong>der</strong> Kunst<br />
eingesetzt wird. Ausstellungen in Emden,<br />
Hamburg und Wilhelmshaven verdeutlichten<br />
bereits 2010, wie aktuell dieser<br />
malerische Diskurs über das Spannungsverhältnis<br />
von Wirklichkeit und Abbild in<br />
<strong>der</strong> Gegenwartskunst geblieben ist. 1<br />
In <strong>der</strong> <strong>Kunsthalle</strong> Wilhelmshaven wird<br />
mit etwa 20 Ölgemälden aus zehn Jahren<br />
– darunter auch die Serie <strong>der</strong> so genannten<br />
Malerkoffer, von denen sich zwei<br />
Exemplare in Oldenburger Besitz befinden<br />
– ein erster Überblick seines Werks<br />
gegeben. Kooperationspartner ist das<br />
Freiburger Morat-Institut für Kunst und<br />
Kunstwissenschaft.<br />
Viola Weigel<br />
Ein 150-seitiger Katalog mit Beiträgen von Christian<br />
Malycha, Franz Morat und Viola Weigel und zahlreichen<br />
Abbildungen erscheint zur Ausstellung im<br />
Radius-Verlag, Stuttgart.<br />
1 „Augentäuschung. Special Effects in <strong>der</strong> Gegenwartskunst“,<br />
Ausst.-Kat. <strong>Kunsthalle</strong> Wilhelmshaven, Bielefeld<br />
2010. „Täuschend echt. Illusion und Wirklichkeit in <strong>der</strong><br />
Kunst“, Ausst.-Kat. Bucerius Kunst Forum, München<br />
2010. „Realismus“, Ausst.-Kat. <strong>Kunsthalle</strong> Emden, München<br />
2010.<br />
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