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JAHRBUCH - Glowfish

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8 E. Bleuler.<br />

Analysierenden ein Zeichen schlechter Moral, wenn wir die<br />

Sexualität<br />

mit ihren Perversitäten regelmäßig im Autismus finden^). Es ist aucli<br />

Tatsache, daß in der Regel bestimmte Triebrichtungen im Vordergrund<br />

stehen und die anderen überwuchern und ins Schlepptau nehmen,<br />

und daß besonders oft erotische Komplexe und in zweiter Linie andere,<br />

deren Erfüllung aus inneren und äußeren Gründen am unmöglichsten ist,<br />

und die im realen Leben am wenigsten abreagiert werden können,<br />

das<br />

Übergewicht bekommen.<br />

Da im autistischen Denken nicht wie im realistischen eine dominierende<br />

Idee die anderen unterdrückt oder doch sich völlig unterordnet,<br />

so können bei der Produktion einer und derselben autistischen Vorstellung<br />

viel leichter als sonst verschiedene Strebungen mitwirken.<br />

So ist manches Traumbild, manche Wahnidee ein mixtum compositum,<br />

nicht nur wegen der Menge und Verschiedenheit ihrer Bestandteile<br />

(,,Verdichtung"), sondern auch insofern, als sie zugleich verschiedene<br />

Komplexe ausdrücken. Die Hyperdeterminierung, wie Freud<br />

das letztere Phänomen genannt hat, wird hier zu einer selbstverständlichen<br />

Erscheinung. Auch sie ist aber nicht etwas, das bloß<br />

dem autistischen Denken angehörte. Auch das realistische Denken<br />

ist unendlich viel komplizierter, als es nach den psychologischen<br />

Lehrbüchern scheinen möchte; durch eine kleine Anzahl von<br />

Determinanten ist eine Assoziation höchstens dann eindeutig<br />

bestimmt, wenn ;,wir die Möglichkeiten künstlich beschränken, wie<br />

etwa durch Stellung einer mathematischen Aufgabe. Aber auch<br />

hier sind bekanntlich Entgleisungen viel häufiger, als uns angenehm<br />

ist.<br />

Die zweite Konsequenz der Ignorierung der Realität ist die,<br />

daß die logischen Gesetze auch im Denkmaterial nur insoweit Geltung<br />

haben, als sie dem Hauptzwecke, der Darstellung unerfüllter Wünsche<br />

als erfüllter, dienen können. Die inhalthchen Widersprüche sind noch<br />

viel krasser und zahlreicher als die affektiven, die wir ja in geringerem<br />

Grade schon vom normalen Leben aus kennen. Der nämhche Patient<br />

kann Mann imd Weib sein, er ist der Sohn imd der Mann und der Vater<br />

seiner Mutter und identifiziert sich schließlich noch mit dieser selbst;<br />

eine Patientin ist die Frau ihres irdischen Geliebten, zugleich aber auch<br />

die des Heilandes und wieder der Heiland selbst, der zur Rechten Gottes<br />

sitzt, und auch Gott selbst. Wemi solche Widersprüche nebeneinander<br />

^) Die „homosexuelle Komponente" hat in den meisten Fällen von Schizophrenie,<br />

die ich genauer (analytisch) kenne, eine große Wichtigkeit.

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