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JAHRBUCH - Glowfish

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2 E. Bleuler.<br />

scliizophrenc Traiinilebou liat nun eine bis jetzt ungenügoml bokannto<br />

Form des Gedankenganges, ich möclite fast sagen, besondere Denkgesetze<br />

lind bei genauerem Zusehen ergibt sich, daß die nämliche Abweichung<br />

vom GewöhnKchen die meisten schizophrenen Denkfehk^r überliaupt<br />

bedingt und namentUch die Wahnideen entstehen Kißt. Wir finden diese<br />

Mechanismen außerdem tätig im gewöhnlichen Schlafträume, im<br />

Tagtraume des Hysterischen wie des Gesunden, in der Mythologie und<br />

dem dazu gehörenden Aberglauben und in anderen Abweichungen<br />

des Denkens von der Realität.<br />

Vom Traume des Jungen, der auf dem<br />

Steckenpferde General spielt, durch den Dichter, der im Kunstwerk<br />

seine unglückliche Liebe abreagiert oder in eine glückliche verwandelt,<br />

bis zum dämmerigen Hysterischen und zum Schizophrenen, der halluzinatorisch<br />

sehie unmöglichsten Wünsche erfüllt sieht, gibt es alle<br />

Übergänge auf einer Skala, die im wesentlichen nur quantitative<br />

Unterschiede zeigt.<br />

Die paranoide Patientin B. S. in Ju ngs Dementia praecox^) ist die<br />

Schweiz, sie ist auch die Kraniche des Ibykus ; sie ist Besitzerin der ganzen<br />

Welt und einer siebenstöckigen Banlmotenfabrik ; sie ist auch Doppelpolytechnikum<br />

und Sokratesvertretimg. Einem Exploranden erklären<br />

wir bei jeder Gelegenheit so deutlich als möglich, daß wir ihn für geisteski'ank<br />

halten und unser Gutachten in diesem Sinne abgegeben haben.<br />

Er aber behauptet bei jeder Gelegenheit ebenso bestimmt, wir hätten<br />

ihn als gesund begutachtet und ihm dies auf jeder Visite gesagt, folglich<br />

müssen wir ihn entlassen.<br />

Ein Coiffeurlehrling hat das Telephon und<br />

den Telegraphen und die Dampfmaschine und eine Menge anderer<br />

Dinge erfunden, die schon lange vor ihm auf der Welt waren. Eine<br />

Frau empfängt die Besuche ihres Bräutigams, Jesu Christi, und ist<br />

zugleich der liebe<br />

Gott.<br />

Das alles erscheint zunächst als voller Unsinn und ist es auch<br />

vom Standpunkt der Logik aus. Sehen wir aber genauer zu, so finden<br />

wir in jedem Falle verständHche Zusammenhänge: die wesentlichen<br />

Gedanken ordnen sich affektiven Bedürfnissen, d. h. Wünschen und<br />

eventuell auch Befürchtungen unter, die Patientin ist die Kraniche<br />

des Ibykus, weil sie als frei von Schuld und Fehle gelten möchte; sie<br />

ist die Schweiz, weil sie frei sein sollte. Die Ideen des Querulanten,<br />

des Erfinders, der Braut Christi, drücken erfüllte Wünsche direkt aus.<br />

So bilden die Wahnideen des Schizophrenen nicht einen zufällig zu-<br />

^) Jung, Die Psychologie der Dementia praecox. Halle, 1907, Marhold.

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