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Unverkäufliche Leseprobe des Propyläen Verlages

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Neue Welt sind die Jahresringe europäischer Krisen abzulesen.<br />

An ihnen wiederum setzen sich Schichten amerikanischer<br />

Erinnerung ab, die über Europa wenig Gutes zu verbreiten<br />

hat. Die amerikanische Freiheit war schließlich nicht<br />

zuletzt die räumlich verschobene Reaktion auf die europäische<br />

Unfreiheit. Und die in steter Reihung aufeinander folgenden<br />

europäischen Katastrophen schienen das Prinzip<br />

Amerika immer wieder aufs Neue zu bestätigen. Die Distanz<br />

wurde immer größer. Thomas Jefferson wünschte sich jedenfalls<br />

nicht weniger als einen »Ozean aus Feuer« zwischen beide<br />

Kontinente gelegt. Das sich von Amerika abgrenzende europäische<br />

Bewusstsein wiederum sah die Neue Welt als einen<br />

schwelenden Herd der Bedrohung und Zersetzung eigener<br />

Werte. Von dort schien nichts Geringeres als Verfall und Dekadenz<br />

auszugehen – und zum Schrecken <strong>des</strong> erlauchten Publikums<br />

griff diese Seuche zunehmend auf Europa über.<br />

Zur Zeit der Aufklärung richteten sich Phantasiegebilde eines<br />

von Amerika ausgehenden Niedergangs vornehmlich auf<br />

vermeintliche Naturphänomene. Ohne die Neue Welt jemals<br />

zu Gesicht bekommen zu haben, vertrat der hoch angesehene<br />

Gelehrte Comte de Buffon selbstgewiss die Auffassung, in<br />

Amerika träten physiologische und psychologische Rückbildungen<br />

von Lebewesen ein. Siedler und aus Europa eingeführte<br />

Haustiere wiesen dort nach einiger Zeit Degenerationserscheinungen<br />

erheblichen Ausmaßes auf. Als Anhaltspunkt<br />

wurde das äußere Erscheinungsbild der Indianer herangezogen,<br />

die – verglichen mit den Europäern – in der Tat nur spärlichen<br />

Körperhaarwuchs aufweisen. 14 Auch der bereits erwähnte<br />

Abbé de Pauw erachtete die Lebensbedingungen, die<br />

Europäer in der Neuen Welt erwarteten, als bedrohlich, einer<br />

gedeihlichen zivilisierten Existenz jedenfalls abträglich. Neben<br />

Furcht und Entsetzen auslösenden Phänomenen der<br />

Dekadenz bei Tieren, die ihre Schwänze verlören, Hunden,<br />

denen das Bellen abhanden komme, und Menschen, deren<br />

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