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Text (pdf) - von Katharina Mommsen

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314 <strong>Katharina</strong> <strong>Mommsen</strong><br />

Wechsel, Unbeständigkeit Hand in Hand ging. Hierauf deuten die besprochenen<br />

Zeugnisse, wie auch manches andere Wort des Dichters, beispielsweise<br />

in "Ad me ipsum".<br />

Dem Brief an Stephan Gruss dürfen wir die eindeutige Bestätigung entnehmen:<br />

es gab beim jungen Hofmannsthai tatsächlich stark ausgeprägte Züge<br />

der Treulosigkeit, Züge die ihn quälten, gewiß auch entsprechende Handlungen<br />

- so wurde z. B. Stephan Gruss selbst damals <strong>von</strong> ihm verletzt. übrigens<br />

berichtet auch Jakob Wassermann gelegentlich über die Jugendzeit des Dichters:<br />

es habe Hofmannsthai damals "ein Ruf <strong>von</strong> Treulosigkeit umgeben"16.<br />

Richten wir uns ern Blick zurück auf "Gestern", so kann es jetzt nicht mehr<br />

zweifelhaft sein: das Stück nimmt Bezug auf jene "Lieblosigkeit und Treulosigkeit"<br />

der Jünglingsjahre; es stellt eine Auseinandersetzung des Dichters<br />

mit ganz persönlichen, <strong>von</strong> ihm lebhaft empfundenen Schwächen dar. Daher<br />

erklärt sich noch viel <strong>von</strong> dem provokatorischen Charakter des Stücks. Die<br />

Vorstellung ist uns vertraut, daß Hofmannsthai überhaupt die Tendenz hatte,<br />

als Dichter seine Schwächen zu bekennen und sich dadurch als Mensch zu steigern.<br />

Hier zeigt es sich nun, daß schon das Erstlingswerk "Gestern" aus solchen<br />

Impulsen heraus geschrieben wurde. Damit erscheint auch der Zusammenhang<br />

dieses Werks mit späteren Darstellungen der Treulosigkeit in<br />

neuem Licht. Viele der Hofmannsthalschen Treulosen, unter ihnen gerade die<br />

extremsten Gestalten, weisen ja - wiederholt deutet der Dichter selbst darauf<br />

hin 17 - spürbare Verwandtschaft mit dem Andrea in "Gestern" auf. Offenbar<br />

haben sie alle noch etwas zu tun mit jenen menschlichen Problemen, die in<br />

"Gestern" Gegenstand der Selbstanklage wurden.<br />

3.<br />

Ein interessantes Beispiel für derartige Zusammenhänge zwischen "Gestern"<br />

und einem späteren Werk findet sich in den Skizzen zu Hofmannsthais<br />

Romanfragment "Andreas". Hier bemerkt der Dichter einmal, das<br />

Grundproblem des Andreas-Romans sei das gleiche wie das <strong>von</strong> "Gestern",<br />

nämlich: "Treue, Beharren und Wechsel "18. Es lohnt sich, bei dieser Formulierung<br />

zu verweilen, denn in ihr liegt auch ein bisher unverstandenes<br />

Problem des "Andreas"-Romans beschlossen. Was mit den Worten "Treue,<br />

Be h a r ren und We c h seI" gemeint ist, erklärt sich zunächst aus einigen<br />

Parallel äußerungen Hofmannsthais über "Gestern". So sagt Hofmannsthai<br />

einmal in einer Tagebuchaufzeichnung <strong>von</strong> 1915: in "Gestern" handele es<br />

sich um das "Problem des Seins und Werdens"19. Es sei darin "das Sein als<br />

Beharrendes dem Wechsel entgegengestellt". Nun ist damit natürlich<br />

16 Vgl. H. A. Fiechtner, Hugo <strong>von</strong> HofmannsthaI. Die Gestalt des Dichters im Spiegel<br />

der Freunde. Wien 1949. S. 101.<br />

17 Vgl. Aufzeichnungen (1959) S.173, 216, 221, 223. - Erzählungen (1953) S.207.<br />

18 Erzählungen (1953) S. 207.<br />

19 Aufzeichnungen (1959) S. 173.

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