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Text (pdf) - von Katharina Mommsen

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Treue und Untreue in Hofmannsthais Frühwerk 333<br />

Hiermit stimmt ebenfalls der Hinweis auf Shakespeares "Timon <strong>von</strong> Athen"<br />

zusammen. Timon verschwendet aus übergroßer Menschenliebe "zuviel", und<br />

zwar sind es Geld und Juwelen, die man ihn im übermaß austeilen sieht.<br />

Hier werden wir daran erinnert, daß dieser für die Hofmannsthalschen<br />

Verschwender so typische Zug natürlich seine Vorbilder in der Weltliteratur<br />

hatte, die dem Dichter durchaus gegenwärtig waren.<br />

Wir sprachen da<strong>von</strong>, wie die "verschwenderische" Menschenliebe Hofmannsthals,<br />

auf die all die genannten Werke und Pläne letztlich hindeuten,<br />

den Dichter zugleich gefährdete, was ihn vielfach in die Haltung des Sichentziehenden,<br />

"Treulosen" hineintrieb. Von den in "Ad me ipsum" genannten<br />

" Verschwendern" weisen die ersten beiden durchweg auf diesen<br />

Zug hin, ähnliches mag <strong>von</strong> Florindo gesagt werden. Im "Schwierigen" ist<br />

der Zug nur noch angedeutet, es folgt dann eine harmonisierende Auflösung,<br />

wie sie HofmannsthaI in seinem Spätwerk öfter liebte 56 • Engstens verbunden<br />

sind auch in dieser Hinsicht das "Märchen" und das "Kleine Welttheater".<br />

Der Kaufmannssohn zeigt die Katastrophe dessen, der zugrunde geht, weil er<br />

sich nicht zu entziehen versteht. Der Wahnsinnige hat gelernt, sich so radikal<br />

<strong>von</strong> allen Banden freizuhalten, daß er noch im Augenblick des Selbstmordversuches<br />

denen, die ihn halten wollen, "mit leisem Spott" zuruft - damit<br />

endet das Stück -:<br />

Bacchus, Bacchus, auch dich fing einer ein<br />

Und band dich fest, doch nicht für lange!<br />

Es gibt eine briefliche Äußerung HofmannsthaIs, in der er, anschließend<br />

an eine Erwähnung des "Märchens", eindringlich darauf hinweist, wie notwendig<br />

es ihm erschien, beides zu vereinen: Engagement und Sichentziehen.<br />

Nochmals fällt damit ein Licht auf den Gehalt dieser Dichtung, zugleich ist<br />

schon die thematische Weiterführung im "Kleinen Welttheater" zu ahnen.<br />

Hofmannsthai bringt hier sein "Märchen" in Zusammenhang mit Leopold<br />

Andrians "Garten der Erkenntnis" und sagt 57 : "Ein Reich haben wie Alexander,<br />

geradeso groß und so voll Ereignis, daß es das ganze Denken erfüllt,<br />

und mit dem Tod fällt es nichtig auseinander, denn es war nur ein Reich für<br />

diesen einen König. So sieht das Wünschenswerte <strong>von</strong> der einen Seite aus.<br />

Auf der andern aber steht eindringlich unser gemeinsames: il faut glisser la<br />

viel Und wer bei des versteht, kann es vereinen. Nur eins, glaub' ich, muß<br />

man bis zu einem dämonischen Grad lernen: sich um unendlich viel Angelegenheiten<br />

und Dinge nicht zu bekümmern."<br />

58 Als Sich-Entziehender wird Kari Bühl des öfteren charakterisiert. "Du fixierst nicht,<br />

weil du nicht genug Herz hast", sagt Stani, der damit aber fehlinterpretiert (Lustspiele<br />

II, S.181). Richtiger sieht Helene: "Wer sich einfallen ließe, Sie fixieren<br />

zu wollen, wäre schon verloren. Aber wer glaubt, daß Sie ihm für immer adieu<br />

gesagt haben, dem könnte passieren, daß Sie ihm wieder guten Tag sagen" (259).<br />

Kari Bühl selbst gesteht gegenüber Helene: "Ich bin so unstet, nichts kann mich<br />

fesseln" (300). Auch das stimmt nicht ganz, denn er handelt schließlich dem entgegen<br />

- damit allein schon ist die Problematik heiter aufgelöst.<br />

57 An Richard Beer-Hofmann, 15. Mai 1895 (Briefe I, S. 131).

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