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Text (pdf) - von Katharina Mommsen

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Treue und Untreue in Hofmannsthals Frühwerk 309<br />

große Zahl <strong>von</strong> Fällen der Treulosigkeit in seinem Werk besser verstehen.<br />

Sehr oft deutet da Treulosigkeit auf solche Verwandlung, oder doch etwas<br />

dem nahe Verwandtes. Genauer gibt Hofmannsthal nochmals Aufschluß darüber,<br />

was er in diesem Sinne unter Verwandlung versteht, in der 1912 veröffentlichten<br />

Fassung des Briefes an Richard Strauss. Hier heißt es 6 : "Verwandlung<br />

ist Leben des Lebens, ist das eigentliche Mysterium der schöpfenden<br />

Natur; Beharren ist Erstarren und Tod. Wer leben will, der muß über<br />

sich selber hinwegkommen, muß sich verwandeln: er muß vergessen. Und<br />

dennoch ist ans Beharren, ans Nichtvergessen, an die Treue alle menschliche<br />

Würde geknüpft. Dies ist einer <strong>von</strong> den abgrundtiefen Widersprüchen, über<br />

denen das Dasein aufgeba~t ist wie der delphische Tempel über seinem bodenlosen<br />

Erdspalt. Man hat mir nachgewiesen, daß ich mein ganzes Leben<br />

lang über das ewige Geheimnis dieses Widerspruches mich zu erstaunen<br />

nicht aufhöre."<br />

Diese Sätze lassen gar keinen Zweifel mehr zu, daß Hofmannsthals Dichten<br />

<strong>von</strong> der Treue, aber auch <strong>von</strong> der Untreue, etwas mit dem Leben zu tun hat,<br />

und zwar auch mit dem Leben des Dichters selbst. Offenbar hat Hofmannsthai<br />

mehr als irgend ein anderer die Notwendigkeit der " Verwandlung" als<br />

problematisch empfunden, insofern sie Untreue bedeutet. Bekannt ist, wie<br />

ganz anders z. B. Goethe mit dem Problem fertig wurde, das auch ihm <strong>von</strong><br />

Grund auf vertraut war. Zu heftigen Krisen führte es ihn nur in der Jugend,<br />

vor allem im Falle des Friederike-Erlebnisses. In späteren Jahren war es ihm<br />

etwas Selbstverständliches, daß man bei innerem Fortschreiten auch im<br />

Äußeren wechselt, sich wandelt. Er sprach dann feierlich vom "Stirb und<br />

Werde" oder ironisch <strong>von</strong> den zurückgelassenen "Schlangenhäuten" - aber<br />

Verwandlungen dieser Art waren ihm nicht mehr Gegenstand des Selbstvorwurfs.<br />

Anders Hofmannsthai, für den zeitlebens - wie wir hörten - hier ein<br />

delphisches Geheimnis lag, das er "anzustaunen nicht aufhörte". Sein dichterisches<br />

Schaffen bezeugt uns, daß ihn ganz offensichtlich die Gewissensnot<br />

immer wieder auf dies Problem zurückführte. Daraufhin sollten alle Dichtungen<br />

<strong>von</strong> Treue und Untreue untersucht werden - dies wäre die Aufgabe.<br />

Wenn sie durchgeführt ist, wird Hofmannsthai - man kann das mit Sicherheit<br />

voraussagen - nicht weniger liebens- und achtenswert erscheinen. Es würden<br />

sich vielmehr gerade seine eigensten Vorzüge besser erkennen lassen.<br />

Wenn ich in meinen folgenden Ausführungen einige der frühesten Dichtungen<br />

des jungen Hofmannsthal etwas näher betrachte, so geschieht das im<br />

Rahmen jener gekennzeichneten Aufgabe 7 • Bereits im Frühwerk Hofmannsthais<br />

zeigen sich ja schon alle Formen, in denen er später das Treue- und<br />

Untreue-Problem zu behandeln liebte, mindestens im Keime angelegt. Das<br />

Frühwerk hat weiter den Vorzug, daß hier die Kühnheit der Jugend den Dichter<br />

vieles noch offener aussprechen läßt, was er später mehr zu umschreiben,<br />

8 Prosa III (1952) , S. 138.<br />

7 Eine vollständigere Behandlung gedenke ich in einer größeren Publikation vorzulegen.

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