Lösung Fall 21 - überarbeitet - Zivilrecht VI
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<strong>Lösung</strong> <strong>Fall</strong> <strong>21</strong><br />
<strong>Lösung</strong> Ausgangsfall:<br />
Anspruch der S gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung, §1147 BGB<br />
Als Grundlage für den Zugriff der S auf das Getreide, den Mähdrescher und den Traktor<br />
kommt ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung, §1147 BGB, in Betracht.<br />
I) Dazu müsste zunächst eine Gesamthypothek für S an den Grundstücken des E bestellt<br />
worden sein.<br />
1. Eine Einigung über die Bestellung einer Gesamthypothek (§1132 Abs.1 S.1,2 BGB)<br />
zwischen E und S liegt vor (§§873 Abs.1, 1113 Abs.1 BGB).<br />
2. Die Gesamthypothek wurde in das Grundbuch eingetragen (§§873 Abs.1,<br />
1115 Abs.1 BGB).<br />
3. Bei Eintragung der Hypothek bestand die Einigung noch fort (873 Abs.2 BGB).<br />
Anmerkung: Wenn die Einigung über die Bestellung der Hypothek notariell beurkundet<br />
wird, die Erklärung vor dem Grundbuchamt abgegeben oder dort eingereicht wird, braucht<br />
gem. §873 Abs.2 BGB die dingliche Einigung nicht bis zur Eintragung fortbestehen. Schildert<br />
der Sachverhalt einen der genannten Fälle, entfällt daher dieser Prüfungspunkt.<br />
4. E handelte als Berechtigter.<br />
5. Die zu sichernde Forderung auf Rückzahlung des Darlehens ist entstanden.<br />
Anmerkung: Aus §1113 Abs.1 BGB („wegen einer ihm zustehenden Forderung“) folgt, dass<br />
die Hypothek immer der Sicherung einer bestimmten Forderung dient. Gem.<br />
§1163 Abs.1 S.1 BGB steht das Grundpfandrecht so lange dem Eigentümer zu, bis die zu<br />
sichernde Forderung entstanden ist. Aus §1177 Abs.1 S.1 BGB folgt, dass vor Entstehung der<br />
Forderung anstelle der Hypothek eine Grundschuld besteht, so lange die Forderung nicht<br />
entstanden ist. Die Hypothek ist daher eine akzessorische Sicherheit, die in ihrem Bestand von<br />
der Hauptforderung abhängt.<br />
Der Zweck der Regelungen in §§1163, 1177 BGB besteht darin, die Rangstelle im Grundbuch<br />
auch dann zu wahren, wenn die Forderung nicht zur Entstehung gelangt, und es dem<br />
Eigentümer zu ermöglichen, die ihm zustehende Grundschuld bis zur Entstehung der<br />
Forderung als Sicherheit, zum Beispiel für einen Zwischenkredit, zu verwenden.<br />
6. E hat den Hypothekenbrief an S übergeben (§1117 Abs.1 S.1 BGB).<br />
Anmerkung: Vor der Übergabe des Briefes besteht gem. §§1163 Abs.2, 1177 Abs.1 S.1 BGB<br />
eine Eigentümergrundschuld. Die Briefhypothek ist gem. §1117 Abs.1 S.1 BGB der Regelfall.<br />
Das ausnahmsweise vorliegende Gegenstück stellt die Buchhypothek (§1116 Abs.2 BGB) dar.<br />
Der Hypothekenbrief wird nicht gem. §929 S.1 BGB übereignet, sondern gem.<br />
§952 Abs.2 BGB folgt das Eigentum an ihm der Inhaberschaft an der Hypothek. Wird also die<br />
Hypothek übertragen, geht auch das Eigentum am Hypothekenbrief mit über.<br />
PÜ Sachenrecht <strong>Lösung</strong>shinweise 1
Somit ist die Hypothek entstanden.<br />
II) Getreide, Traktor und Mähdrescher müssten sich im Haftungsverband der Hypothek<br />
befinden. Dies ist der <strong>Fall</strong>, wenn sie jeweils vom Umfang des Haftungsverbands gem.<br />
§1120 BGB und der Beschlagnahme gem. §<strong>21</strong> Abs.1 ZVG erfasst sind und keine Enthaftung<br />
stattgefunden hat.<br />
1. Fraglich ist zunächst, ob die Gegenstände vom Haftungsumfang erfasst sind.<br />
a) Solange das Getreide mit dem Boden verbunden ist, ist es gem. §§93,<br />
94 Abs.1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und gem. §<strong>21</strong> Abs.1 ZVG<br />
von einer etwaigen Beschlagnahme erfasst.<br />
aa) Nach der Trennung vom Boden sind landwirtschaftliche Erzeugnisse gehören die<br />
Erzeugnisse gem. §1120 BGB grundsätzlich weiterhin zum Haftungsverband der<br />
Hypothek.<br />
bb) Sie sind aber gem. §<strong>21</strong> Abs.1 ZVG nicht mehr von einer Beschlagnahme erfasst.<br />
In diesem <strong>Fall</strong> erfolgte die Beschlagnahme im Dezember, das Getreide wurde aber<br />
bereits im August geerntet. Daher ist das Getreide nicht von der Beschlagnahme<br />
erfasst. §<strong>21</strong> Abs.1 ZVG stellt daher eine faktische Einschränkung von §1120 BGB dar.<br />
Da das Getreide nicht von der Beschlagnahme erfasst ist, kann S darauf nicht<br />
zugreifen.<br />
Anmerkung: Eine Pfändung des Getreides durch den Gerichtsvollzieher aufgrund des<br />
dinglichen Titels des Hypothekars gem. §§808ff. ZPO ist aber möglich. Die Beschlagnahme<br />
erfolgt nur nicht automatisch mit Eintragung des Versteigerungsvermerks, sondern muss<br />
gesondert herbeigeführt werden. Dies ist aber wiederum nur möglich, wenn keine Enthaftung<br />
eingetreten ist. Laut Sachverhalt ist aber kein Pfändungsversuch unternommen worden,<br />
daher ist dieser Themenkomplex hier nicht zu erörtern.<br />
b) Der Traktor ist gem. §§97 Abs.1 S.1, 98 Nr.2 BGB Zubehör des Grundstücks und<br />
daher gem. §1120 3.Var. BGB vom Haftungsverband der Hypothek umfasst. Da in<br />
§<strong>21</strong> ZVG diesbezüglich keine Ausnahme normiert ist, kann sich die Beschlagnahme<br />
darauf erstrecken.<br />
c) Auch der Mähdrescher ist wie der Traktor Zubehör (s.o.). Auch auf ihn kann sich<br />
die Beschlagnahme erstrecken.<br />
2. Möglicherweise ist aber Enthaftung eingetreten.<br />
a) Der Traktor wurde bisher nicht veräußert. Daher scheidet eine Enthaftung gem.<br />
§11<strong>21</strong> Abs.1 oder Abs.2 aus.<br />
Für ihn kommt aber §1122 Abs.2 BGB in Betracht. Dazu müsste im Rahmen einer<br />
ordnungsgemäßen Wirtschaft die Zubehöreigenschaft aufgehoben worden sein.<br />
α) Indem E den Traktor bei B in Verkaufskommission gab, machte er deutlich,<br />
dass der Traktor von nun an nicht mehr dem landwirtschaftlichen Grundstück<br />
zu dienen bestimmt ist. Daher ist die Zubehöreigenschaft aufgehoben.<br />
PÜ Sachenrecht <strong>Lösung</strong>shinweise 2
Anmerkung: Auf eine räumliche Trennung vom Grundstück kommt es nicht an.<br />
β) Da E den Traktor gegen ein günstigeres Modell austauschen wollte,<br />
entsprach die Aufhebung der Zubehöreigenschaft einer ordnungsgemäßen<br />
Wirtschaft.<br />
γ) Die Aufhebung geschah im September, also auch vor der Beschlagnahme<br />
des Grundstücks.<br />
Daher greift §1122 Abs.2 BGB ein, der Traktor ist enthaftet, auch auf ihn kann S nicht<br />
zugreifen.<br />
b) Bezüglich des Mähdreschers kommt zunächst §11<strong>21</strong> Abs.1 BGB in Betracht.<br />
aa) Allerdings soll W den Mähdrescher erst Mitte Dezember bei E abholen. Daher<br />
erfolgte vor der Beschlagnahme Anfang Dezember keine Entfernung des<br />
Mähdreschers vom Grundstück des E. §11<strong>21</strong> Abs.1 BGB scheidet aus. Der<br />
Mähdrescher ist nicht enthaftet.<br />
bb) In Betracht kommt aber eine Unwirksamkeit der Beschlagnahme für W nach<br />
§11<strong>21</strong> Abs.2 S.2 BGB.<br />
α) Eine Veräußerung des Mähdreschers an W ist gem. §§929 S.1, 930 BGB<br />
erfolgt.<br />
β) Der Sachverhalt schildert aber nicht, dass der Mähdrescher vom Grundstück<br />
entfernt worden ist.<br />
γ) Selbst wenn W ihn entfernen würde, müsste er gutgläubig<br />
(§932 Abs.2 BGB) bezüglich der Beschlagnahme sein. Allerdings gilt die<br />
Beschlagnahme gem. §23 Abs.2 S.2 ZVG in Ansehung einer mithaftenden<br />
Sache als bekannt, sobald ein Versteigerungsvermerk ins Grundbuch<br />
eingetragen ist. Laut Sachverhalt wurde ein solcher Versteigerungsvermerk in<br />
das Grundbuch eingetragen. Daher wird positive Kenntnis des W fingiert.<br />
§11<strong>21</strong> Abs.2 BGB scheidet auch aus.<br />
cc) Es könnte aber §1122 Abs.2 BGB eingreifen. Die ersatzlose Veräußerung eines<br />
Mähdreschers führt aber dazu, dass das, was dieser leistet, künftig von Hand erledigt<br />
werden müsste. Die Veräußerung entspricht daher nicht einer ordnungsgemäßen<br />
Wirtschaft.<br />
Daher kann S auf den Mähdrescher zugreifen.<br />
Somit ergibt sich, dass S auf das Getreide nicht zugreifen kann, weil es von der<br />
Beschlagnahme nicht erfasst ist. Auch auf den Traktor kann S nicht zugreifen, weil er<br />
enthaftet ist. S kann nur auf den Mähdrescher zugreifen.<br />
PÜ Sachenrecht <strong>Lösung</strong>shinweise 3
<strong>Lösung</strong> Abwandlung 1:<br />
Änderungen bezüglich des Getreides im Rahmen des Anspruchs aus §1147 BGB:<br />
I) Eine Änderung könnte sich bezüglich des Haftungsumfangs ergeben. Das Getreide ist gem.<br />
§1120 BGB vom Haftungsverband der Hypothek erfasst.<br />
Im Rahmen des ZVG gelten aber nun die §§146ff. Gem. §148 Abs.1 S.1 ZVG werden auch<br />
die in §<strong>21</strong> Abs.1 ZVG genannten Gegenstände erfasst, also auch das Getreide nach der<br />
Trennung. Daher erfasst die Beschlagnahme grundsätzlich auch das Getreide.<br />
Anmerkung: Grund für die abweichende Behandlung ist die strukturelle Unterscheidung<br />
zwischen Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung: Wenn der Gläubiger auf getrennte<br />
Erzeugnisse zugreifen möchte, so soll er sich der Zwangsverwaltung bedienen, da diese einer<br />
Nutzung und keiner Verwertung des Grundstückes entspricht. (vgl. Baur/Stürner, 17. Aufl.,<br />
§39 Rn 7, 13 ff.).<br />
II) Es dürfte aber keine Enthaftung eingetreten sein. In Betracht kommt §1122 Abs.1 BGB.<br />
1. Das Getreide wurde bei der Ernte vom Grundstück getrennt. Das Ernten entsprach<br />
auch einer ordnungsgemäßen Wirtschaft.<br />
2. Das Getreide wurde bei H eingelagert, also vom Grundstück entfernt. Dies geschah im<br />
August, also vor der Beschlagnahme.<br />
3. Das bei H eingelagerte Getreide ist zum Verkauf bestimmt, soll also nicht zum<br />
Grundstück des E zurückgebracht werden. Daher erfolgte die Entfernung auch nicht zu<br />
einem vorübergehenden Zweck.<br />
Somit ist Enthaftung eingetreten.<br />
Daher kann S auch in dieser <strong>Fall</strong>konstellation wegen der Enthaftung nicht auf das<br />
Getreide zugreifen.<br />
<strong>Lösung</strong> Abwandlung 2:<br />
A) Anspruch der S gegen E auf sofortige Duldung der Zwangsvollstreckung in das<br />
Grundstück und das Zubehör, §§1133 S.2, 1135, 1147 BGB<br />
In Betracht kommt ein Anspruch auf sofortige Duldung der Zwangsvollstreckung in<br />
Grundstück und Zubehör gem. §§1133 S.2, 1135, 1147 BGB.<br />
I) Das Verschenken von Zubehörstücken stellt eine Entfernung der Stücke von Grundstück<br />
dar, die den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zuwiderläuft. Dies steht gem.<br />
§1135 BGB einer die Hypothek gefährdenden Verschlechterung des Grundstücks gem.<br />
§1133 S.1 BGB gleich.<br />
II) S müsste allerdings eine Frist zur Beseitigung der Gefährdung setzen (§1133 S.1 BGB).<br />
Während der Frist müsste E entsprechende andere Gegenstände zukaufen oder die<br />
Gefährdung anderweitig beseitigen.<br />
PÜ Sachenrecht <strong>Lösung</strong>shinweise 4
Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner, vorliegend also E, sich endgültig<br />
weigert, die Lage zu beseitigen (vgl. Palandt, 68. Aufl. §§1133-1135 Rn2). Allein das<br />
Verschenken stellt aber keine endgültige Weigerung dar, die Lage zu beseitigen (a.A.<br />
vertretbar).<br />
III) Wenn E dem nicht innerhalb der von S zu setzenden Frist nachkommt, kann S Duldung<br />
der Zwangsvollstreckung verlangen.<br />
S muss also eine Frist zur Beseitigung der Gefährdung setzen und kann nach deren<br />
Ablauf Duldung der Zwangsvollstreckung verlangen.<br />
B) Anspruch auf Unterlassung und Erlass eines Veräußerungsverbots, §§1133 S.1,<br />
1134 Abs.1, Abs.2 S.1, 1135 BGB<br />
Da die Voraussetzungen von §1133 S.1 BGB vorliegen, hat S außerdem einen Anspruch<br />
gegen E auf Unterlassung weiterer Veräußerungen gem. §§1133 S.1, 1134 Abs.1, 1135 BGB.<br />
Ergänzend hat das Gericht ein Veräußerungsverbot gem. §1134 Abs.2 S.1 BGB anzuordnen,<br />
wenn S dies beantragt.<br />
Anmerkung: Dingliche Rechte hängen in ihrem Wert entscheidend davon ab, ob der Inhaber<br />
sie schützen kann. Beim Eigentum sind die Schutzansprüche allen geläufig (insbes. §§ 985 ff.,<br />
1004). Solche Schutzansprüche bestehen jedoch auch bei anderen dinglichen Rechten, wenn<br />
auch naturgemäß in geringerer Ausprägung. Hätte der Gesetzgeber diese vergessen, käme<br />
eine analoge Anwendung der Schutzvorschriften zu Gunsten des ET in Betracht, jedoch nur<br />
soweit es der Inhalt des Rechts erfordert.<br />
Hinweis: Fragen um den Haftungsverband der Hypothek im Bereich der §§ 1120 ff. gehören<br />
zu den klassischen Problemen, mit denen Sie sich weiter beschäftigen sollten; u.a. auch das<br />
Problem, ob Anwartschaftsrechte unter § 1120 fallen können (h.M. (+)).<br />
Zum System der §§ 1120 ff. im Zusammenspiel mit dem ZVG sehr anschaulich Baur/Stürner,<br />
17. Aufl., § 39 Rn. 1 ff.<br />
PÜ Sachenrecht <strong>Lösung</strong>shinweise 5