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Die Optical-Art entwickelte sich mit Beginn der sechziger Jahre<br />

<strong>als</strong> internationale Stilrichtung. Künstler beschäftigen sich<br />

vermehrt mit der optischen Wirkung abstrakter, meinst<br />

geometrisch-serieller Farb- und Formschöpfung. Am Anfang war<br />

es mehr eine Reaktion auf die dam<strong>als</strong> vorherrschende Kunst<br />

(Abstrakter Expressionismus, Tachismus, Action Painting), doch<br />

das Ziel von jüngeren Künstlern war Präzision. Sie wollten die<br />

optische Wirkung eines Kunstwerkes unabhängig von allen<br />

zufälligen Gegebenheiten der persönlichen Konstitution ausfindig<br />

und in einem wissenschaftlich-methodischen Sinne anwendbar<br />

machen. Wichtig wurde dabei vor allem die optische Täuschung.<br />

Die Gruppe ,,De Stijl“ war so präzise, wie man es sich nur hätte<br />

wünschen können, doch die Nachkriegsgeneration wollte nicht<br />

mehr zur geometrischen Abstraktion der Zeit vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg zurückkehren. Sie wollte etwas Präzises und Neues.<br />

Der „bewegte Betrachter“<br />

Der direkte Appell an den Betrachter war das Neue an der Op-<br />

Art. Sie verlangte keinerlei Vorkenntnisse an klassischer,<br />

biblischer oder sonstiger Ikonografie, sondern nur nach einen<br />

offenem ,,geistigen“ Auge. Das sollte nicht nur durch eine<br />

gezielte optische Irritation geöffnet werden, sondern auch durch<br />

die Möglichkeit, die Rezeption, <strong>als</strong>o die Wahrnehmung gleich mit<br />

zu animieren.<br />

Das wichtigste Merkmal der Op-Art liegt somit wohl in ihrer<br />

Wirkung auf bestimmte physiologische Prozesse in Auge und<br />

Gehirn, deren wir uns normalerweise nicht bewußt sind. Die Op-<br />

Art gibt keinen Hinweis auf die Individualität eines Künstlers<br />

beispielsweise durch den Pinselduktus. Sie erreicht einen sehr<br />

viel höheren Grad von Abstraktheit <strong>als</strong> die plastische Kinetik, weil<br />

sie auf eine systematische Stimulation des Auges und die<br />

dadurch hervorgerufene Intensivierung des Sehens abzielt.<br />

Die Bilder der Op-Art bedienen sich geometrischer Formmuster<br />

und Farbkontraste, welche im Auge des Betrachters Bewegungsund<br />

Vibrationseffekte auslösen. Noch steigern lassen sich diese<br />

irritierenden Wirkungen durch die Verwendung von komplementären<br />

Farbpaaren oder äußerst schmaler Farbdifferenzen, die<br />

eine Scharfstellung des Auges fast unmöglich machen.<br />

Heute ist die Op-Art auch im Alltag vertreten. Beispielsweise<br />

konfrontieren 3D-Bilder den Betrachter ebenso wie die Bilder der<br />

Op-Art mit einer ständig wechselnden Wahrnehmung. Selbst die<br />

Modeindustrie hat wesentliche Elemente der Op-Art längst<br />

aufgegriffen und für effektvolle Kreationen genutzt.<br />

Das Kunstwerk <strong>als</strong> Nebensache<br />

Im Grunde ist kaum noch das Kunstwerk selbst die Hauptsache,<br />

sondern seine Wirkung auf den Betrachter. Die Op-Art ist mehr<br />

oder weniger irritierend, weil unsere Wahrnehmung getäuscht<br />

oder behindert wird und weil es nicht gelingt, sie für längere Zeit<br />

zu stabilisieren, auch dann nicht, wenn man sich bemüht, von<br />

einem Detail zum anderen fortzuschreiten und den Zusammenhang<br />

zu analysieren. Hier zählt allein die Totalität. Doch genau<br />

diese Totalität verharrt in der Mehrdeutigkeit. Ein herrlicher<br />

Genuss.<br />

Die Entstehung der Op-Art<br />

Über die Entstehung der Op-Art gibt es unterschiedliche Ansichten.<br />

Das künstlerische Selbstverständnis der Op-Art entstand<br />

schon Mitte der 1950er Jahre und prägte sich um 1960 erstm<strong>als</strong><br />

voll aus, die Bezeichnung ist seit 1964 geläufig. Eine Vorläuferrolle<br />

haben Futurismus, Dadaismus und Konstruktivismus inne,<br />

die schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit derartigen Effekten<br />

experimentierten. Selbst in den 1930er und 1940er Jahren sind<br />

erste Vorstufen der Op-Art auszumachen. Bestimmende Ausprägungen<br />

wurden von Victor Vasarely (1908-97) und Josef Albers<br />

(1888-1976) getragen, die beide Einflüsse des Bauhauses<br />

verarbeiteten, insbesondere den effektvollen Konstruktivismus<br />

von László Moholy-Nagy. Beide Schulen errichteten demnach<br />

zwischen den Phänomenen Licht und Farbe eine strenge<br />

Trennungslinie, die mit der jeweils unterschiedlichen Rezeption<br />

begründet wird. Licht könne im Raum <strong>als</strong> ein immaterieller Bewegungszustand<br />

wahrgenommen werden; Farbe habe jedoch<br />

eine materielle Bindung an eine Fläche und benötige zur Wahrnehmung<br />

das Licht. Aus dieser grundsätzlichen Unterscheidung<br />

von räumlichem Licht und flächiger Farbe ergeben sich zwei<br />

Formen einer optischen Kunst: eine kinetische (im dreidimensionalen<br />

Raum) und eine statische (auf zweidimensionaler<br />

Ebene).<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Victor Vasarely seine<br />

Farbvibrationskunst aus den chromatischen Experimenten der<br />

Bauhausschule entwickelt. Eine solche aus Farbkontrasten<br />

abgeleitete Op-Art benutzt für ihren Effekt zusätzlich die seriellen<br />

Strukturen einer geometrischen Abstraktion und verweist dabei<br />

auch auf das Ornament.<br />

Die Betonung des Optischen veranlasste Josef Albers übrigens<br />

zu der Äußerung, dass alle Malerei optisch sei. Er formulierte<br />

seine Kritik in dem Satz: „Die Benennung irgendwelcher<br />

Bildkunst <strong>als</strong> ‘Optische Kunst’ ist ebenso sinnlos, wie die, von<br />

akustischer Musik zu sprechen oder haptischer Skulptur.“<br />

Durchbruch in New York<br />

Die 1965 von William C. Seitz kuratierte Ausstellung „The<br />

Responsive Eye“ im New Yorker Museum of Modern Art verhalf<br />

der optischen Kunst zum Durchbruch. Der Ausdruck Op-Art soll<br />

bereits ein Jahr zuvor entstanden sein. Donald Judd wird häufig<br />

<strong>als</strong> Schöpfer des Namens betitelt: er beendete eine Kritik der<br />

Ausstellung Optical Paintings von Julian Stanczak in der Martha<br />

Jackson Gallery mit dem Zweiwortsatz: Op art. In der Diskussion<br />

um die Namensgebung wird immer wieder auch der polnische<br />

Künstler Henryk Berlewi genannt.<br />

Heute bezieht sich bereits eine nachfolgende Maler- und<br />

Bildhauergeneration, motivisch und inhaltlich reflektierend, auf<br />

die „historische“ Op-Art der sechziger Jahre: <strong>als</strong> wegweisend<br />

gelten zu den Vorgenannten Yaacov Agam, Richard<br />

Anuszkiewicz, Carlos Cruz-Diez, Gerhard von Graevenitz, Heinz<br />

Mack, Almir Mavignier, Julio Leparque, Youri Messen-Jaschin,<br />

Bridget Riley, Jesús Rafael Soto, Philip Taaffe, Günther Uecker,<br />

Victor Vasarely, Ludwig Wilding, Victor Vasarelys Sohn Jean-<br />

Pierre Yvaral – und Frank Wackerbarth.<br />

F21 © 3/12<br />

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