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liebe leserinnen, liebe leser, Heimweh ist die ... - Christina Bacher

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und um <strong>die</strong> welt<br />

Verkäufer weltweit im Rampenlicht<br />

Name: Hiroaki Sugiura<br />

Alter: 42<br />

Stadt: Osaka<br />

Land: Japan<br />

Straßenzeitung: The Big Issue<br />

Ein Sozialarbeiter hat mal zu mir<br />

gesagt „Du b<strong>ist</strong> kein Marathon-Läufer,<br />

sondern ein Sprinter.“<br />

Ich neige dazu unbedingt arbeiten<br />

zu wollen. Allerdings, durch <strong>die</strong> Krankheiten,<br />

unter denen ich mein ganzes<br />

Leben lang gelitten habe, konnte ich<br />

nie für längere Zeit am Stück arbeiten.<br />

Als ich 19 Jahre alt war <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Firma<br />

meines Vaters bankrott gegangen und<br />

meine ganze Familie <strong>ist</strong> von Kobe nach<br />

Osaka gezogen. Ich bin aber geb<strong>liebe</strong>n<br />

und habe angefangen in einem Pachinko<br />

Spielsalon zu arbeiten und zu wohnen.<br />

Die Arbeit war sehr anstrengend.<br />

Ich hatte nur ein paar freie Tage im<br />

Monat und musste oft von 9 Uhr morgens<br />

bis Mitternacht arbeiten. Ich war<br />

so überarbeitet, dass ich unter starken<br />

Depressionen litt. Daraufhin kam ich<br />

ins Krankenhaus, aber kurz darauf<br />

arbeitete ich in einem Eisenwerk. Aber<br />

wieder konnte ich nicht lange arbeiten,<br />

weil meine Gesundheit zu schlecht war.<br />

Als ich aus dem Krankenhaus kam, fing<br />

ich an als Zeitungsbote zu arbeiten. Ich<br />

kam nie zu spät und vergaß nicht einmal<br />

eine Zeitung auszuteilen. Aber <strong>die</strong><br />

Medikamente machten mich rastlos<br />

und da ich keinen Schaden anrichten<br />

wollte, ging ich. Seit <strong>die</strong>ser Zeit bin ich<br />

in Behandlung und nehme Medikamente.<br />

Eines Tages erzählte mir eine<br />

Kundin, dass sie auch psychisch krank<br />

sei. Ich sagte zu ihr, „Du b<strong>ist</strong> nicht faul<br />

oder so. Du musst einsehen, dass<br />

es eine Krankheit <strong>ist</strong> und aufhören<br />

so hart mit dir selbst zu sein.“ Meine<br />

Bemerkung rührte sie zu Tränen. Jetzt<br />

kann ich ehrlich sagen, dass ich froh<br />

bin depressiv gewesen zu sein. Denn<br />

nun kann ich besser verstehen, was<br />

es heißt zu leiden. Zur Zeit wohne ich<br />

in einem Übergangsheim. Hier habe<br />

ich einen Schlafplatz, drei Mahlzeiten<br />

und ein Bad. Diesen Luxus verdanke<br />

ich meinen Kunden. Ich bin dankbar für<br />

alles, was sie mir geben. Hier zu wohnen<br />

heißt ich habe Zeit meinem Hobby<br />

nachzugehen – lesen. Meine Lieblingsautoren<br />

sind Masuji Ibuse und Osamu<br />

Dazai. Ich finde ihre Werke zeigen Güte<br />

gegenüber den Schwächeren. Ich mag<br />

vor allem Fugaku Hyakkei von Osamu<br />

Dazai. Lesen zu können gibt meiner<br />

Seele den Frieden, den ich nach meiner<br />

Krankheit brauche. Jeden Tag,<br />

wenn ich zu meinem Verkaufsstandort<br />

komme, sorge ich erstmal dafür, dass<br />

<strong>die</strong> Umgebung sauber <strong>ist</strong>. Ich finde ein<br />

Verkäufer sollte das tun. Seit Oktober<br />

verkaufe ich Zeitungen in Osaka. Allerdings<br />

<strong>ist</strong> es schon das vierte mal, dass<br />

ich als Verkäufer für <strong>die</strong> Straßenzeitung<br />

arbeite. Nachdem ich gekündigt hatte,<br />

wohnte ich in einer Notunterkunft,<br />

konnte aber The Big Issue nicht vergessen.<br />

Ich habe entschieden <strong>die</strong>sen<br />

Job so lange wie möglich weiterzumachen.<br />

Ich glaube, dass ich wieder ein<br />

normales Leben führen kann. Mein<br />

momentanes Ziel <strong>ist</strong> für <strong>die</strong> nächsten<br />

sechs Monate bis ein Jahr weiter Zeitungen<br />

zu verkaufen. Hoffentlich wird<br />

irgendwann meine Familie erkennen,<br />

dass ich hier ehrliche Arbeit le<strong>ist</strong>e und<br />

Zeitungen verkaufe und dass ich meine<br />

Familie dann wiedersehe.<br />

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