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Zum Material - Martina Steinkühler

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22<br />

Nachtrag von besonderer Reichweite<br />

Wir haben ein wichtiges Lernfeld übersprungen, das heute an die erste Stelle der Liste gehört,<br />

in seiner Bedeutung aber erst spät entdeckt worden ist. Es kann hier am Ende stehen,<br />

weil es für alle weiteren Überlegungen von hoher Bedeutsamkeit ist. Es zielt auf den phänomenologischen<br />

Aspekt von Religion und überschreitet die inhaltlichen Grenzen materialer<br />

Religion.<br />

o Wahrnehmen<br />

Wo finde ich Ruhe? Wohin wende ich mich, wenn ich nicht weiter weiß? Was gibt mir Trost? Wie<br />

fühlt sich Wut an, wie Angst, wie Freude? Was heißt das: „Ich werfe meine Freude wie Vögel an<br />

den Himmel?“ Welche Glücksmomente fallen mir ein? Wie kann ich die beschreiben? Was empfindet<br />

jemand, wenn er singt: „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer …“? Was empfindet jemand,<br />

der ruft: „Allahu akbar – Gott ist größer“ und was bedeutet es für ihn, zu festgesetzten<br />

Zeiten in eine festgelegte Richtung zu beten? Was empfindet jemand, wenn er schreibt: „Scheiß<br />

auf die Welt – ich hab’s satt?“ Und was für eine Sehnsucht spricht die Versicherungswerbung an,<br />

wenn sie titelt: „Was auch geschieht – bei uns sind Sie sicher“ oder ein Sportschuhhersteller, der<br />

verspricht: „No limits!“<br />

Solche Aufgaben werden subjektiv beantwortet – selbstreflexiv oder in empathischem Perspektivwechsel.<br />

Sie fördern und fordern emotionales Wissen und Können und initiieren<br />

Gespräche über das Eigentliche: über Gefühle, Grenzerfahrungen, Glück und Schmerz,<br />

über Transzendenz und das Heilige (im Alltag).<br />

Hier wird es ähnlich persönlich wie beim „Prüfen und Bewerten“ und ähnlich sensibel wie<br />

beim „Aneignen und Bekennen“. Formuliert werden spontane, momentane, subjektive<br />

Standortbeschreibungen, mehr oder weniger religiös, mehr oder weniger nah einer materialen<br />

Gestalt von Religion.<br />

Religiöse Momente zu entdecken und in Worte zu fassen, bedarf hoher Wahrnehmungsund<br />

Sprachkompetenz. Es geht nicht von selbst, muss angeregt, geübt, begleitet werden.<br />

Insofern kann und soll es unterrichtet – gelernt – werden.<br />

Wir stoßen hier auf etwas sehr Spezifisches, das auch und gerade „Religion“ ist und, wie wir<br />

sehen werden, am Lernort Schule großes Potenzial hat. Die Religionspädagogik weiß von diesem<br />

„Lernstoff“ durch ihre Studien bezüglich der „Kinder“ und ihrer Lebenswelten.<br />

Fall F<br />

Dieses Licht – ich vergesse nie dieses Licht … Ich sehe mich noch als Kind in dem<br />

Pflaumenbaum sitzen, im Garten meiner Großeltern, wo ich gern war, ganz bei mir war.<br />

Mein Mund voll des süßen Saftes der reifen Früchte sah ich den Sonnenstrahlen zu, die<br />

sich durch die grünen Blätter sickerten. Sie flimmerten geheimnisvoll. Sie trafen mein<br />

emporgerichtetes Gesicht. Sie wärmten, streichelten. Und dann: dieses Licht. Ich weiß

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