Zum Material - Martina Steinkühler
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Religion und Gesellschaft<br />
Fall G<br />
„Papa, woher kommen die Äpfel?“, fragt Paul, als er in den Apfel beißt. „Hast du die gemacht?“<br />
Papa sagt: „Ich nicht. Das war Gott.“ Paul fragt: „Wer ist Gott?“ Papa sagt: „Gott<br />
ist im Himmel und passt auf uns auf.“ „Und er macht die Äpfel“, sagt Paul. Er überlegt.<br />
„Auch die Birnen?“ Papa nickt. „Und das Brot?“ Papa nickt wieder. „Und die Blumen und<br />
die Hunde und die Sonne?“ Papa nickt. „Und die Autos und die Häuser … aber, Papa: Die<br />
Fenster von den Häusern machst doch du!“ (Pauls Papa ist Glasermeister!) Papa überlegt.<br />
Dann sagt er: „Manchmal benutzt Gott unsere Hände.“<br />
Was Sie hier lesen, ist vielleicht noch nicht Religionspädagogik. Der Vater scheint ganz<br />
spontan zu antworten, als sein kleiner Junge ihn fragt. Er scheint zu sagen, was er selbst<br />
denkt, weiß und glaubt. Und der Junge nimmt ihm das ab und baut es in sein Weltbild ein.<br />
Religionspädagogik kommt ins Spiel, wenn der Vater selbst keine Antwort hat. Wenn er<br />
nicht sicher ist, wenn er sich überlegt, was er dem Jungen zur Antwort geben könnte, und<br />
wenn er damit eine Absicht verbindet, ein Erziehungsziel, ein Vermittlungsziel. Er könnte<br />
darüber reflektieren, wie man heute den Gedanken der Schöpfung vermittelt, er könnte den<br />
Pfarrer danach fragen oder andere Experten.<br />
Je weniger selbstverständlich Religion zum Leben und Alltag gehört, desto mehr Raum gewinnt<br />
das Reden über, das Reflektieren und Ziele Formulieren, desto mehr besteht Bedarf an Religionspädagogik<br />
– an einer erfahrungs- und empiriegesättigten Theorie der Frage: Wie, aus welchem<br />
Grund und mit welchem Ziel kommt (christliche) Religion zum Menschen?<br />
Eine dritte denkbare Option – neben dem selbstverständlichen und dem reflektierten Weitergeben<br />
von Religion – wäre: sich gar nicht an religiösen Antworten zu versuchen, sondern<br />
schlicht zu sagen: „Niemand hat den Apfel gemacht. Der wächst einfach am Baum.“<br />
Signaturen der Gegenwart<br />
Man könnte vielleicht sagen: Die Bedeutung der Religionspädagogik korreliert reziprok mit<br />
der Bedeutung von Religion in der Gesellschaft.<br />
o Religiöse Binnenwelt<br />
In einem Dorfverband, für den eine bestimmte materiale Religion Verbindlichkeit besitzt,<br />
wachsen Kinder in die Religion ihrer Umwelt hinein. Nichts anderes wird von ihnen erwartet.<br />
o Multikulturalität