Walther Mann (Hg.) Erinnerungen an Odrau Band I - Alte Heimat
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Schinderpl<strong>an</strong> hinüber, um der sicheren Tracht Prügel zu entkommen.<br />
Meistens kamen wir mit leeren Händen von der Pirsch zurück.<br />
Wurde in den frühen Abendstunden das Lärmen bei den „B<strong>an</strong>klen“ für<br />
die Anwohner unerträglich, drohten sie uns im schönsten <strong>Odrau</strong>erisch:<br />
„Wenn etz nie bald a Ruh wird, hol mer die Sch<strong>an</strong>darme!“ D<strong>an</strong>n wurde es<br />
still bei den „B<strong>an</strong>klen“. Mein Heimweg führte mich über die Hofbrücke.<br />
Hier st<strong>an</strong>d ich d<strong>an</strong>n noch, bis sich am Abendhimmel die ersten Sterne<br />
zeigten und der aufgehende Mond Silber streute ins Oderwasser.<br />
Eines Tages fehlte der Kurt. Uns wurde gesagt, er sei zur Wehrmacht<br />
eingezogen worden. Es vergingen Wochen, bis wir ein Lebenszeichen von<br />
ihm erhielten, einen Feldpostbrief aus Rußl<strong>an</strong>d. Sogleich schrieben wir<br />
ihm auf den „B<strong>an</strong>klen“ einen lieben, l<strong>an</strong>gen Brief. Bald darauf kam dieser<br />
Brief zurück mit dem Vermerk: „Vermißt“. Da faßten wir uns <strong>an</strong> den<br />
Händen, bildeten eine Kette um die „B<strong>an</strong>klen“ und gelobten, unseren Kurt<br />
niemals zu vergessen - er war doch erst siebzehn Jahre alt gewesen!<br />
Es war im letzten Kriegssommer, als Inge verstört <strong>an</strong>ger<strong>an</strong>nt kam und<br />
berichtete, daß sie nur noch mit viel Glück lebe! Seit die Schule in <strong>Odrau</strong><br />
zum Lazarett umfunktioniert war, traf m<strong>an</strong> auf allen Straßen verwundete<br />
Soldaten. Einer von ihnen hatte Inge <strong>an</strong>gesprochen und zu einem Abendspazierg<strong>an</strong>g<br />
eingeladen. Inge, lieb und nett, traf sich mit ihm am Bahnsteig<br />
und sie gingen zu einer B<strong>an</strong>k. Der Soldat wollte sich mit ihr setzen, sie<br />
aber wollte weitergehen. Da drückte der Soldat sie <strong>an</strong> einen Zaun, wollte<br />
sie küssen und noch mehr von ihr. Inge, nicht schüchtern, wehrte sich und<br />
sagte, er solle seinen Mut besser <strong>an</strong> der Front beweisen, nicht <strong>an</strong> wehrlosen<br />
Mädchen. Daraufhin zog der Soldat seine Pistole und drohte ihr, sie sofort<br />
zu erschießen, denn sie habe seine Soldatenehre verletzt. Er zw<strong>an</strong>g sie, zur<br />
B<strong>an</strong>k zurückzugehen, doch inzwischen war diese mit einem Liebespärchen<br />
besetzt. Ehe der Soldat begriff, r<strong>an</strong>nte Inge davon - zu den „B<strong>an</strong>klen“.<br />
Ausgeträumt waren plötzlich die unbeschwerten Jugendjahre. Der Krieg<br />
ging verloren, die Kinder wurden erwachsen und leben heute in alle Winde<br />
zerstreut. Nur die Oder blieb so jung wie sie damals war, doch die Trauerweiden<br />
sind gewachsen Jahr für Jahr. Die wuchtigen Zweige hängen tief<br />
im Gewässer, ein Murmeln und Gurgeln, ewiges Geplätscher erzählt von<br />
Kindern, die einst hier glücklich waren.<br />
<strong>Walther</strong> <strong>M<strong>an</strong>n</strong> (<strong>Hg</strong>.) <strong>Erinnerungen</strong> <strong>an</strong> <strong>Odrau</strong> B<strong>an</strong>d I