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Walther Mann (Hg.) Erinnerungen an Odrau Band I - Alte Heimat

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schon auf mich wartete und auch im Wald verschwinden wollte. In den<br />

Abendstunden schlichen wir in der Deckung von Sträuchern bis gegen das<br />

Eiserne Tor. Es herrschte eine sehr gesp<strong>an</strong>nte Stimmung. Überall auf den<br />

Feldern liefen Männer davon, nur wenige waren bereit, einzurücken. Mit<br />

großer Vorsicht überquerten wir die Straßen, auf denen immer wieder<br />

tschechische Militär-Kolonnen marschierten.<br />

Der Wald war mir vertraut, da er zum Jagdrevier meines Vaters gehörte.<br />

Wir krochen etwa 20 Meter in eine Fichtenschonung hinein, schnitten Äste<br />

ab und bereiteten unser Nachtlager. Mit meinem Vater hatte ich vereinbart,<br />

daß wir unter einem Stein am Eing<strong>an</strong>g zu einem Fuchsbau in der Nähe von<br />

einem unserer Felder Nachrichten austauschen wollten. Das klappte gut.<br />

Nach drei Tagen hörten meine Eltern, daß die tschechische Polizei die<br />

Wälder mit Hunden nach versteckten Deutschen durchkämmen wollte.<br />

Unsere Familie bat uns deshalb dringend, den Wald zu verlassen. So<br />

wechselten wir in ein Versteck innerhalb unseres großen Hofes, in einen<br />

kleinen Raum hinter dem Hühnerstall, dessen Zug<strong>an</strong>g gut getarnt werden<br />

konnte. Wir trafen da auf einen unserer Nachbarn, Heinrich Urb<strong>an</strong>. Er<br />

besaß ein Gasthaus in <strong>Odrau</strong> und war ein Jagdfreund meines Vaters. Auch<br />

er hatte sich hinter dem Hühnerstall versteckt, um nicht einrücken zu<br />

müssen.<br />

Wir gehörten zu den wenigen, die Nachrichten empf<strong>an</strong>gen konnten.<br />

Alle Deutschen mußten nämlich Anf<strong>an</strong>g September 1938 ihr Radio-Gerät<br />

auf dem Postamt in Groß Petersdorf abgeben und waren dadurch ohne<br />

Nachrichten. Meine Eltern hatten aber kurz vorher ein neues Gerät gekauft.<br />

Wir gaben das alte Gerät ab und versteckten das neue Gerät im Pferdestall<br />

bei einem besonders bissigen Pferd. Von Zeit zu Zeit hörten meine Eltern<br />

daraus Nachrichten und informierten uns in unserem Versteck.<br />

Bald darauf einigten sich die Staatsmänner im Münchner Abkommen<br />

auf den Anschluß des Sudetenl<strong>an</strong>des <strong>an</strong> das Deutsche Reich. Dadurch war<br />

auch für uns die Zeit der Gefahr vorüber. Anf<strong>an</strong>g Oktober kehrte auch<br />

mein älterer Bruder Alois nachhause zurück. Er leistete gerade den Wehrdienst<br />

in der tschechischen Armee ab und hatte zu diesem Zeitpunkt schon<br />

zwei Jahre hinter sich. Er wäre in eine schwierige Lage gekommen, hätte<br />

die Krise nicht friedlich geendet. Wir ahnten beide nicht, daß wir sehr bald<br />

in einen großen Krieg ziehen mußten.<br />

<strong>Walther</strong> <strong>M<strong>an</strong>n</strong> (<strong>Hg</strong>.) <strong>Erinnerungen</strong> <strong>an</strong> <strong>Odrau</strong> B<strong>an</strong>d I

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