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Theatermagazin ZeitSchrift 1 10/11 - Druschba-Spezial

Programmheft "Romeo und Julia" Spezialausgabe der Theaterzeitschrift des LTT

Programmheft "Romeo und Julia"
Spezialausgabe der Theaterzeitschrift des LTT

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ein deutsch-russisches märchen<br />

zwei wochen »KALTE HERZEN«<br />

Eine deutsch-russische Jugendbegegnung // von Volker Schubert<br />

30<br />

Neben der Theaterpartnerschaft DRUSCHBA gab es dieses<br />

Jahr auch eine bemerkenswerte internationale Zusammenarbeit<br />

zwischen Jugendlichen, initiiert vom Internationalen<br />

Forum Burg Liebenzell in Zusammenarbeit mit der russischen<br />

Jugendorganisation Doroga und dem LTT: Vom 23.–28. August<br />

20<strong>10</strong>, in fünf Tagen also, entwickelten 14 Jugendliche<br />

aus Baden-Württemberg und <strong>10</strong> aus Petrozavodsk eine Aufführung<br />

nach Wilhelm Hauffs Märchen DAS KALTE HERZ, die<br />

zweisprachig im Sudhaus Tübingen aufgeführt wurde. Anschließend<br />

reiste die Gruppe nach Petrozavodsk, um neben<br />

vielen anderen Aktivitäten auch noch ein russisches Märchen<br />

einzustudieren und mit dem Hauffs aufzuführen.<br />

Nicht nur für die deutschen Jugendlichen eine unvergessliche<br />

Erfahrung. Das verbindende Element dort, wie in<br />

Deutschland: das gemeinsame Theaterspielen, die Erfahrung,<br />

Vorurteile zu überwinden in der Begegnung, im<br />

fremden Land, das eine Heimat ist, und auf der Bühne.<br />

In einer ehemaligen Datschensiedlung, 30 Kilometer außerhalb<br />

von Petrozavodsk, wurde ein Haus bezogen, das<br />

die Jugendlichen der Jugendorganisation Doroga mit EU-<br />

Geldern selbst gebaut haben. Die Stromleitung war gekappt,<br />

egal, wenn der Generator mal wieder ausfiel, egal,<br />

dass es nur eine kalte Dusche gab für 30 Leute und immerhin<br />

zwei Klos, sei’s drum. Der Freude tat das keinen Abbruch.<br />

Dann wurde eben bei Kerzenschein weiter geprobt<br />

an dem karelischen Märchen, das die Jugendlichen dort<br />

einstudierten. Und dann gab es da noch die Autobemalaktion,<br />

die Raftingreise, wo Luca über Bord ging, die Theaterführung,<br />

der Erlebnisparcours im Camp, Moskau…<br />

Julia Reiche, eine Teilnehmerin des Workshops, berichtet:<br />

DIE eindrücklichste Erfahrung gab es nicht; vielmehr einen<br />

ganzen Strauß davon. Zuerst einmal die Zeitlosigkeit<br />

des Stückes. Dann meine eigene Bewunderung für Wilhelm<br />

Hauff, der noch so unglaublich jung war, als er dieses<br />

Stück schrieb (genau genommen so alt wie ich jetzt).<br />

Unsere Ideen zur Umsetzung und die gemeinsame Arbeit<br />

in den Gruppen. Dass wir zwar Dolmetscher brauchten,<br />

aber auch mit Händen und Füßen gut kommunizieren<br />

konnten. Dass wir alle immer gemeinsam auf der Bühne<br />

standen (eine Vorstellung, die ich anfangs als problematisch<br />

empfand) und jeder mit einbezogen wurde. Schließlich:<br />

Dass wir alle unglaublich WARME HERZEN sind.<br />

Ich kannte vor dem Projekt weder Russland noch Russen.<br />

Mein Bild von ihnen war daher (fast zwangsläufig) von<br />

den üblichen Vorurteilen gefärbt.<br />

Beim Kennenlernen war ich dann<br />

aber vor allem davon überrascht, dass wir<br />

uns doch in so vielen Dingen so ähnlich sind: aufgeschlossen,<br />

interessiert, hilfsbereit und vor allem: nicht<br />

von der schrecklichen Geschichte beeinflusst, in der wir<br />

vor wenigen Jahrzehnten noch Feinde waren. In Russland<br />

wurden wir unglaublich warmherzig und freudig empfangen<br />

und versorgt. Ein ganzes Paket voller Erlebnisse wurde<br />

für uns geschnürt und wir durften hinter viele verschlossene<br />

Türen spicken.<br />

Das gemeinsame Theaterspielen hat uns in Transrapid-<br />

Tempo einander näher gebracht, wie ich es noch nie vorher<br />

erlebt habe. Die Sprachbarriere wurde nach kürzester<br />

Zeit völlig unwichtig. Und genau das haben wir auch in<br />

den Theaterstücken umgesetzt.<br />

Der andere Theater-Stil in Russland war für uns zwar erst<br />

einmal befremdlich, fast militärisch. Aber genau so, wie<br />

sich die russischen Jugendlichen auf unsere (Volkers) Arbeitsweise<br />

eingelassen haben, haben wir uns auf Wassilijs<br />

Stil eingelassen – und beide Märchen wurden wunderbar,<br />

wenngleich auch völlig verschieden.<br />

Die Dauer dieses Projektes kommt mir im Nachhinein<br />

viel länger vor, dabei waren es »nur« zwei Wochen. Wir<br />

haben echte neue Freunde gefunden und eine sehr intensive<br />

Zeit miteinander erlebt. Für mich persönlich war es<br />

eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens.<br />

Bei der zweisprachigen Inszenierung von ROMEO UND<br />

JULIA freue ich mich darauf, dass sie es genau so machen<br />

wie wir (oder wir wie sie?): Sie spielen auf Russisch und<br />

auf Deutsch, und jeder wird verstehen, worum es geht.<br />

Und schlussendlich bleibt doch die Botschaft: Auch wenn<br />

die Obrigkeiten lieber ihre Konflikte schüren, kann zwischen<br />

unterschiedlichen Familien (Ländern) viel Freundschaft<br />

und Liebe sein.<br />

Ach ja, und nach so viel pathetischen Worten: Ich freue<br />

mich darauf, die schöne russische Sprache wieder hören zu<br />

dürfen. Zu Poetischem wie ROMEO UND JULIA passt<br />

sie sicher ganz wunderbar.<br />

Das Projekt ist eine Kooperation zwischen dem Internationalen Forum<br />

Burg Liebenzell e.V. (Deutschland) und der Jugendorganisation Doroga<br />

(Russland). Gertrud Gandenberger und Denis Rogatkin sind für die Organisation,<br />

Gesamtleitung und die Durchführung des Kooperationsprojektes<br />

verantwortlich. Das Theaterprojekt KALTE HERZEN wurde von unserem<br />

Theaterpädagogen Volker Schubert entwickelt und einstudiert, Svetlana<br />

Nachinova und Vasily Serebrov waren die Theaterpädagogen der Partnerorganisation<br />

Doroga.<br />

Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Deutsch-Russischer<br />

Jugendaustausch, dem Kulturamt der Stadt Tübingen, dem Kultusministerium,<br />

dem Verein Europa Morgen, der Gedat-Stiftung und der Stiftungen<br />

Landesbank Baden-Württemberg.<br />

Spielzeit <strong>10</strong>/<strong>11</strong> // <strong>Druschba</strong>-<strong>Spezial</strong>

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