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Mai 2006<br />
Palast der Republik contra Stadtschloss<br />
Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am<br />
4. Juli 2002 den Abriss des Palastes der Republik beschlossen.<br />
Der Abriss war eine hoch politische Angelegenheit<br />
und weil man sich auf der kommunalen<br />
Ebene von Berlin nicht einigen konnte, wurde der<br />
Bundestag bemüht. Der Palast war bei allen DDR-<br />
Bürgern beliebt. Hier konnte man Essen gehen und<br />
Kaffee trinken. Es gab Ausstellungen, Konzerte und<br />
Theater. Helga Hahnemann und der ‚Kessel Buntes‘<br />
sind Legende, genau so wie Udo Lindenbergs Konzert<br />
mit dem Sonderzug nach Pankow. Dass im Palast<br />
auch die Volkskammer tagte, war Nebensache.<br />
Aber immerhin wurde <strong>hier</strong> der Beitritt der DDR<br />
zur Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Den<br />
westdeutschen Politikern war der Palast von Anfang<br />
an ein Dorn im Auge, so wie das Aussenministerium,<br />
das Lenindenkmal und die Karl-Marx-Allee.<br />
Diese DDR-Symbole mussten aus dem Stadtbild so<br />
schnell wie möglich verschwinden. Archaische Riten<br />
der Sieger: Die Besiegten werden ausgeraubt, ihre<br />
Frauen geschändet und ihre Hütten abgebrannt.<br />
Das Aussenministerium am Schlossplatz wurde bereits<br />
1995 abgerissen. Viele Strassen bekamen gleich<br />
nach der Wende neue Namen. Gegen den Abriss des<br />
Palastes der Republik aber regte sich massiver Widerstand<br />
der ehemaligen DDR-Bürger, denn es gab<br />
keinen vernünftigen Grund, den Palast abzureissen.<br />
Das Gebäude war in bestem Zustand, es war angenommen<br />
und hatte in der Mitte von Berlin eine sinnvolle<br />
Funktion. Vor allen Dingen gab (und gibt!) es<br />
kein architektonisches Konzept zur Neugestaltung<br />
der östlichen Stadtmitte zwischen Friedrichwerderscher<br />
Kirche und Alexanderplatz.<br />
Gleich nach der Wende wurde der Palast wegen angeblich<br />
starker Asbestbelastung geschlossen. Unter<br />
diesem Vorwand wurde fast zehn Jahre der Asbest<br />
entfernt und das Gebäude offiziell saniert. Tatsächlich<br />
aber wurde in dieser Zeit der Palast vollständig<br />
bis hinunter auf das Stahlskelett entkernt. Bürgerinitiativen,<br />
Demonstrationen und Unterschriftensammlungen<br />
für den Erhalt des Palastes blieben<br />
wirkungslos und konnten den Abriss nur verzögern.<br />
Erst mit dem Bundestagsbeschluss von 2002 war<br />
das Ende des Palastes besiegelt. Der Abriss begann<br />
unter dem Motto ‚Kein Abriss, sondern Demontage‘.<br />
Lachhaft.<br />
Inzwischen hatte sich eine Gegenbewegung für den<br />
Wiederaufbau des kaiserlichen Stadtschlosses formiert.<br />
Die Gesellschaft Berliner Schloss e.V. besitzt<br />
deutlich mehr Geld und Einfluss als die Palast-Verteidiger.<br />
Bereits im Jahr 1993 erregte die Fassade des<br />
Stadtschlosses als Attrappe auf dem Schlossplatz<br />
Aufsehen und lockte viele Touristen nach Berlin.<br />
Denn das Berliner Stadtschloss ist historisch interessant<br />
und hat eine 500-jährige Geschichte. Im Zweiten<br />
Weltkrieg wurde es schwer beschädigt. Die Ruine<br />
wurde trotz westlicher Proteste 1950 vom Ulbricht-<br />
Regime gesprengt, um Raum für einen grossen Aufmarschplatz<br />
zu schaffen. Der Bundestag beschliesst<br />
deshalb auch im Jahre 2002 nicht direkt den Abriss<br />
des Palastes, sondern vornehm die Wiedererrichtung<br />
des Berliner Stadtschlosses als Humboldt-Forum<br />
unter Berücksichtigung der historischen Fassade des<br />
Stadtschlosses. Voraussetzung dafür aber ist der Abriss<br />
des Palastes. Der Abriss des Palastes war damit<br />
besiegelt. Ob jemals ein Humboldt-Forum gebaut<br />
wird, steht in den Sternen.<br />
Ich bin gegen den Wiederaufbau des kaiserlichen<br />
Schlosses und der Schinkelschen Bauakademie, die<br />
inzwischen auch als Attrappe wiedererstanden ist.<br />
Man kann Geschichte nicht zurückdrehen. Was sollen<br />
die Fassaden dieser Bauwerke in der heutigen<br />
Zeit, wenn der Inhalt nicht mehr existiert? Niemand<br />
will doch allen Ernstes der heutigen Gesellschaft das<br />
erzkonservative deutsche Kaiserreich als Vorbild<br />
empfehlen?! Warum dann dessen Statussymbole restaurieren,<br />
die Statussymbole der DDR aber abreissen?!<br />
Haben wir heute keine Ideen mehr? Es ist ein<br />
Armutszeugnis für die Architektur der Gegenwart,<br />
dass sie nicht in der Lage ist, die riesige Fläche zwischen<br />
Bauakademie und Alex in der Mitte von Berlin<br />
dem Zeitgeist entsprechend zu bebauen. Könnte es<br />
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