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Kuczynski‘s Erben<br />

wurden bis zuletzt nur interpretiert. Dafür, und damit<br />

für die reine Lehre, war die Akademie für Gesellschaftswissenschaften<br />

beim ZK der SED (AfG)<br />

zuständig. Bis zum Mauerfall war Otto Reinhold ihr<br />

Direktor, ZK-Mitglied, Professor und hoch dekoriert.<br />

An seiner Seite als Stellvertreter Rolf Reißig.<br />

Nach Reinhold wurde Reißig bis zur Abwicklung im<br />

Jahr 1992 Direktor der AfG.<br />

Neben Otto Reinhold und seiner ideologischen<br />

Akademie war Kurt Hager, Mitglied des Zentralkomitees<br />

(ZK) und des Politbüros des ZK der SED,<br />

entscheidend für die ideologische Ausrichtung der<br />

DDR verantwortlich. Unter diesem Dach aber existierten<br />

unübersichtlich viele „Gewi“-Institute an<br />

Hoch- und Fachschulen, in der Industrie und auch<br />

direkt im Staatsapparat, die nur eine Aufgabe hatten:<br />

Die ideologische Gleichschaltung der gesamten<br />

DDR-Gesellschaft. Es ging in diesen gesellschafts-<br />

“wissenschaftlichen“ Instituten nicht um Wissenschaft<br />

und Forschung, sondern ausschliesslich um<br />

Ideologie, um die Durchsetzung der SED-Direktiven,<br />

um Agitation und Propaganda.<br />

Nach dem Mauerfall waren alle diese Gesellschaftswissenschaftler<br />

spätestens 1992 arbeitslos. Niemand<br />

brauchte mehr Parteisekretäre, Politkommissare,<br />

Akademiepräsidenten, Institutsdirektoren, Gewi-<br />

Professoren und jede Menge „wissenschaftliche“<br />

Mitarbeiter. Was tun mit so vielen Menschen, die<br />

nichts anderes gelernt hatten, als Marx und Lenin zu<br />

zitieren und Befehle von oben auszuführen? Leute,<br />

die zwar akademisch gebildet, aber nie gezwungen<br />

waren, sich eigene Gedanken zu machen?<br />

Für alle ist ihr Weltbild zusammengebrochen. Die<br />

cleversten von ihnen, beschäftigt im Aussenhandel,<br />

haben sich mit volkseigenem Geld selbstständig gemacht.<br />

Oder sie haben die Seiten gewechselt und<br />

ihr Wissen dem ehemaligen Klassenfeind verkauft.<br />

Ein exemplarischer Fall: Schalck-Golodkowski. Seit<br />

1990 lebt das Ehepaar mit Hilfe der Bundesregierung<br />

unbehelligt in Rottach-Egern am Tegernsee<br />

und erfreut sich einer umfangreichen Sammlung<br />

Meißener Porzellans ...<br />

Die meisten Gesellschaftswissenschaftler haben<br />

nach einer Schockstarre zwangsläufig den Beruf gewechselt,<br />

denn wie sollten sie sonst unter den neuen<br />

Bedingungen überleben? Einige haben das nicht<br />

geschafft und sich in die innere Emigration zurückgezogen.<br />

Ihre Vergangenheit verdrängen sie mit<br />

Fernsehgerät und Alkohol, so wie Otto Reinhold.<br />

Viele haben schon im Dezember 1989 ihre Auf- und<br />

Umstiegschance in der mehrfach gewendeten SED/<br />

PDS/DIE LINKE gesucht und gefunden.<br />

Nur wenige Gewi-Genossen haben schnell genug<br />

die Zeichen der Zeit erkannt und sich mit den neuen<br />

politischen Verhältnissen arrangiert. Sie haben (auch<br />

mit SED-Geldern) Organisationen und PDS-nahe<br />

Stiftungen gegründet und es schnell gelernt, Drittmittel<br />

zu beantragen. Auf diese Weise wurden aus<br />

staatstragenden SED-Politikern und marxistischen<br />

Gesellschaftswissenschaftlern „Geisteswissenschaftler“.<br />

Hier sind die Erben Kuczynski‘s zu finden. Sie haben<br />

zwar ihr gesamtes Umfeld auswechseln müssen,<br />

aber das pluralistische System der Bundesrepublik<br />

und die <strong>hier</strong> geltenden Menschenrechte und bürgerlichen<br />

Freiheiten haben es ihnen ermöglicht, am<br />

alten Weltbild festzuhalten und sich weiter mit gesellschaftswissenschaftlicher<br />

Forschung (die heute<br />

„sozialwissenschaftlich“ genannt wird) einen gehobenen<br />

Lebensstandard zu sichern.<br />

Drängende Fragen ...<br />

Nichts liegt näher, sollte man meinen, als dass sich<br />

diese Wissenschaftler jetzt sofort und mit aller Energie<br />

auf die Erforschung des Untergangs des „Sozialistischen<br />

Lagers“ und die philosophischen Schwachstellen<br />

des Marxismus gestürzt hätten. Weit gefehlt.<br />

Genau dieses riesige Arbeitsfeld ist bis heute unbearbeitet<br />

geblieben. Die Garde dieser Wissenschaftler<br />

wird das vielleicht vehement bestreiten, aber es gibt<br />

sie nicht, die Analyse des Scheiterns des realen Sozialismus<br />

aus marxistischer Sicht. Nichts findet man<br />

dazu im Internet.<br />

Das hat mich dazu gebracht, im Februar 2008 Briefe<br />

an die SPD und Die Linke zu schreiben. Ich bat darum,<br />

mir ein paar ganz einfache Fragen klar zu beantworten:<br />

• Wo ist die wissenschaftliche Analyse des<br />

Untergangs des sozialistischen Lagers aus<br />

marxistischer (oder SPD-) Sicht?<br />

• Wo ist die Schwachstellenanalyse für die<br />

Werke von Marx und Engels?<br />

• Wo ist das Konzept für den (neuen, deutschen)<br />

‚Demokratischen Sozialismus‘, das<br />

wissenschaftlichen Ansprüchen genügt?<br />

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