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Silvester am Brandenburger Tor<br />
auch die Zeit der Auflösung der Stasi-Zentralen und<br />
der Enttarnung der vielen Inoffiziellen Mitarbeiter<br />
(IM). In Halle geht das so weit, dass die gesamte<br />
entschlüsselte Liste aller inoffiziellen Mitarbeiter der<br />
Stasi des Bezirks Halle in der Zeitung veröffentlicht<br />
wird. Ausserdem gibt es andere Kanäle, über die<br />
publik wird, wer als Zuträger für die Stasi gearbeitet<br />
hat. Täglich sind Abgänge zu verzeichnen, allen IM‘s<br />
wird sofort fristlos gekündigt. Sie müssen die Hochschule<br />
sofort verlassen, wenn sie nicht schon selber<br />
gegangen sind, wie Kormann zum Beispiel.<br />
Berlin ist nach dem Mauerfall eine euphorische Stadt.<br />
Ost- und Westberliner strömen über die offenen<br />
Grenzübergänge. Die Mauerspechte sind Tag und<br />
Nacht mit Hammer und Meissel an der Mauer beschäftigt.<br />
Sie hacken Souvenirs aus den Betonwänden.<br />
Die East Side Gallery, gestaltet von Künstlern<br />
vieler Länder, wird zur Attraktion. Wir haben sogar<br />
ein bisschen Westgeld, weil die Bundesrepublik jedem<br />
DDR-Bürger, der die Bundesrepublik besucht,<br />
100 DM spendiert. Die Menschen lachen sich auf<br />
der Strasse an, völlig unbekannte Leute begrüssen<br />
sich an der durchlässigen Mauer und freuen sich<br />
über die gewonnene Freiheit. Nie habe ich so eine<br />
Hochstimmung in Deutschland erlebt und sie hält in<br />
Berlin über Monate an.<br />
Die Euphorie des Mauerfalls kulminiert in der Silvesterparty<br />
am Pariser Platz. Das Brandenburger Tor<br />
wird kurz vor Weihnachten mit einem offiziellen Akt<br />
wieder eröffnet. Ich bin dabei. Am Silvesterabend ist<br />
ganz Berlin in Partylaune. Das Zentrum dieser Party<br />
aber ist das Brandenburger Tor. Am Abend treffe ich<br />
mich mit Helga in ihrer neuen Wohnung in der Voßstrasse<br />
(direkt neben Hitlers Bunker!). Von <strong>hier</strong> aus<br />
kann man schon sehen, was am Brandenburger Tor<br />
los ist. Gegen 22 Uhr nehmen wir eine Flasche Sekt<br />
und ein paar Gläser und laufen mit Helgas Mutter<br />
zum Brandenburger Tor. Ein irres Getümmel und<br />
Gedränge! Nie vorher habe ich so viele Menschen<br />
in ekstatischer Stimmung auf so engem Raum erlebt.<br />
Helgas Mutter bekommt Platzangst und droht aus<br />
den Latschen zu kippen. Kein Wunder, bei dem Gewühl.<br />
Wir wollen raus aus dem Trubel, werden aber<br />
in verschiedene Richtungen abgedrängt und verlieren<br />
uns aus den Augen. Ich bin mitten in der Menge, als<br />
um Mitternacht das Feuerwerk beginnt. Sekt überall<br />
und Leute, die das Deutschlandlied anstimmen,<br />
werden ausgebuht! Die Masse denkt nicht in Richtung<br />
Wiedervereinigung. Aber die Nationalhymmne<br />
der DDR will jetzt auch niemand singen. Hier sind<br />
offensichtlich DDR-Bürger versammelt, die ihre<br />
Perspektive (wie ich) in einer gründlich reformierten<br />
DDR sehen. Eine unbeschreibliche Stimmung. Erst<br />
weit nach Mitternacht frage ich bei Helga nach, wie<br />
es ihrer Mutter geht. Die Mutter hat überlebt.<br />
Seitdem bin ich nie wieder zu Silvester am Brandenburger<br />
Tor gewesen. So eine Silvesterfeier ist einfach<br />
nicht zu wiederholen. Wie schnell daraus Kommerz<br />
geworden ist, zeigt die Story ‚Fünf Jahre nach dem<br />
Fall der Mauer‘ (Seite 38): Die DDR ist zur Bundesrepublik<br />
konvertiert.<br />
In den ersten Monaten des Jahres 1990 propagiert<br />
die Regierung der Bundesrepublik die schnellstmögliche<br />
Wiedervereinigung Deutschlands: Die DDR<br />
Bilder an der East Side Gallery<br />
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