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September 1997<br />

Ein neuer Staubsauger<br />

Heute habe ich mir einen neuen Staubsauger gekauft.<br />

Der alte aus der DDR machte es zwar noch, aber die<br />

DDR-Filtertüten sind ausgegangen und die neuen<br />

passen nicht in den alten Staubsauger. Ausserdem<br />

hatte ich den Eindruck, ich könnte einen neuen Entstauber<br />

gebrauchen, der stärker, komfortabler und<br />

mit einer besseren Filtertechnik ausgestattet ist.<br />

Ich sah mich um: Es gibt Staubsauger in Hülle und<br />

Fülle, mindestens 35 verschiedene Typen. Schon das<br />

ist ein Problem: Warum müssen 35 Typen entwickelt<br />

werden, die alle fast ähnlich konstruiert sind und<br />

auch ähnlich gut funktionieren? Aber daran habe ich<br />

mich ja inzwischen gewöhnt, auch das ist eben Pluralismus.<br />

Nur sinnvoll und ökologisch ist es nicht. Der<br />

teuerste Staubsauger kostet fast 500 DM. In meinem<br />

Supermarkt habe ich mir die Staubsauger angesehen<br />

und den billigsten gekauft. Er kostete 149,95 DM.<br />

Da ist alles dran, Saugkraftregelung, spezielle Düsen<br />

als Zubehör, sechsfache Luftfilterung, Räder,<br />

Schlauch, Kabeleinrollung, 1200 Watt.<br />

Nachdem ich das Gerät ausgepackt und ausprobiert<br />

hatte stellte ich fest, dass nur ein Staubbeutel mitgeliefert<br />

wurde, ein weiterer war schon im Staubsauger<br />

eingesetzt. Bei der Bedienungsanleitung lag<br />

eine Karte: Bestellen Sie Staubbeutel! Alles war zu<br />

bestellen, aber alles ohne Preise. So nicht mit mir.<br />

Also ging ich noch mal runter, um mir einige Reservebeutel<br />

zuzulegen. Ein ganzes Regal nur voller<br />

Staubbeutel, denn natürlich herrscht <strong>hier</strong> auch Pluralismus.<br />

Jeder erfindet seinen speziellen Beutel für<br />

seinen speziellen Sauger. Mein Staubsauger hat zwar<br />

einen Namen: EIO morphy richards (Made in Sonneberg,<br />

früher DDR), aber keine Typenbezeichnung<br />

und keine Nummer. Den Staubsaugerbeuteln aber<br />

sind Nummern, Namen und Typenbezeichnungen<br />

zugeordnet. Hier war also mehr als das Abitur nötig,<br />

wollte man den Beutel dem richtigen Staubsauger<br />

zuordnen. Ich war mir nicht sicher, deshalb liess<br />

ich mir meine Auswahl von der Dame an der Kasse<br />

bestätigen (sie öffnete, um ganz sicher zu gehen, die<br />

Verpackung ...!).<br />

Beim Bezahlen dann der Hammer: Fünf Staubbeutel<br />

kosten 16.95 DM. Das heisst, jede volle Tüte aus<br />

dem Staubsauger kostet rund 3,50 Deutsche Mark.<br />

Anders herum gerechnet, nach 44 Tüten hat man<br />

genau so viel Geld für Staubbeutel ausgegeben, wie<br />

für den ganzen Staubsauger. Mich beschleicht die<br />

Vermutung, auch der Staubbeutel kennzeichnet den<br />

problematischen Standort Deutschland:<br />

Alles, was sich industriell herstellen lässt, ist durch<br />

hohe Stückzahlen und Automatisierung extrem billig.<br />

Es ist so billig, dass man sich fragt, ob z.B. der Preis<br />

eines Staubsaugers eigentlich nicht schon für das<br />

unbearbeitete Material erforderlich ist. Der Einkauf<br />

der Rohstoffe in der Dritten Welt zu Dumpingpreisen<br />

und die hoch automatisierte Produktion ermöglichen<br />

so niedrige Preise, die in keinem vernünftigen<br />

Verhältnis mehr zum Gebrauchswert stehen. Das<br />

gilt für die meisten technischen Geräte.<br />

Auf der anderen Seite sind alle Produkte extrem<br />

teuer, wenn Automatisierung nicht möglich ist. Die<br />

Kosten für die menschliche Arbeitskraft in Deutschland<br />

sind dafür verantwortlich. Das leuchtet mir sogar<br />

ein. Beim Staubbeutel aber kann es nur Geldschneiderei<br />

sein, denn auch <strong>hier</strong> ist mit Sicherheit<br />

alles automatisiert und rationalisiert. Ein Ingenieur<br />

kann sich da ein Urteil erlauben. Aber wenn es um<br />

wirkliche Dienstleistungen geht, die nur von realen<br />

Menschen zu erbringen sind, gehen die Preise in<br />

schwindelerregende Höhen: TV-Reparatur, egal was<br />

kaputt ist, unter 200 DM ist nichts zu machen. Ein<br />

Monat Unterbringung im Pflegeheim zwischen 6<br />

und 10.000 DM. Autodurchsicht ab 500 DM. Ein<br />

neues Karosserieteil ist billig, weil hochproduktiv<br />

hergestellt, aber der Ausbau des alten Teils, der Einbau<br />

des neuen und das Lackieren ... kein Blechschaden<br />

geht unter 1.000 DM ab.<br />

Die Deutschen verdienen zu viel. Davon aber gehen<br />

mehr als 50 Prozent als Steuern an den Staat. Der<br />

Pluralismus, die ‚grosse Steuerreform‘ und der Reformstau<br />

stecken im Staubbeutel.<br />

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