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Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in ...

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26<br />

<strong>Der</strong> Alt-Germanist und Volkskundler Hugo Moser, geb. 1909, Mitautor <strong>in</strong> Burgers bereits<br />

genanntem "Annalen"-Band, hatte 1937 über e<strong>in</strong> zeitgemäßes Stammes- und Volksgruppen-Thema<br />

promoviert, die Mundart und Sitte <strong>der</strong> Sathmarer Schwaben 125 , und 1949 über<br />

"Uhlands Schwäbische Sagenkunde und die germanistische volkskundliche Forschung <strong>der</strong><br />

Romantik" habilitiert; das Stammesthema beschäftigte Moser auch nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg 126 . Dieser Gelehrte wurde im W<strong>in</strong>tersemester 1964 Rektor <strong>der</strong> Bonner Universität.<br />

Wie 1959 war auch das Jahr 1964 e<strong>in</strong> Quellpunkt <strong>in</strong> den Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um die<br />

Entnazifizierung <strong>der</strong> Universitäten. Das Panorama <strong>der</strong> nicht enden wollenden Affären um<br />

nationalsozialistische Verstrickungen und 'Strukturnazis' verdient, <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>igen Strichen<br />

skizziert zu werden, bevor wir dem Fall Moser näher betrachten.<br />

1964 begannen Studentenzeitschriften wie die "notizen" <strong>der</strong> Universität Tüb<strong>in</strong>gen und "5<br />

vor 12" <strong>der</strong> Universität Marburg da<strong>mit</strong>, die <strong>NS</strong>-<strong>Vergangenheit</strong> e<strong>in</strong>zelner Hochschullehrer<br />

herauszustellen 127 , woraufh<strong>in</strong> es im W<strong>in</strong>tersemester 1964/65 <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen zu <strong>der</strong> legendären<br />

"R<strong>in</strong>gvorlesung" über die Hochschulen im Nationalsozialismus und <strong>in</strong> Marburg zu e<strong>in</strong>er<br />

Podiumsdiskussion zwischen Professoren <strong>der</strong> verschiedenen Fakultäten über das Verhalten<br />

<strong>der</strong> Universitäten im "Dritten Reich" kam 128 ; zugleich erschien <strong>der</strong> erste Band von<br />

Rolf Seeligers "Braune Universität" 129 . Währenddessen schwelte seit Januar 1964 <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen<br />

die Affäre um den Ord<strong>in</strong>arius für Mediz<strong>in</strong>geschichte Prof. Dr. Alexan<strong>der</strong> Berg 130 :<br />

Dieser, als SS-Obersturmführer von Himmler für die Leitung e<strong>in</strong>er Abteilung "Volksmediz<strong>in</strong>"<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> SS-Lehr- und Forschungsgeme<strong>in</strong>schaft "Das Ahnenerbe" vorgesehen 131 , hatte<br />

1942 habilitiert und <strong>in</strong> demselben Jahr geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> dem SS-Hauptsturmführer Bernward<br />

Gottlieb e<strong>in</strong> rassistisches mediz<strong>in</strong>historisches Machwerk über den germanischen Arzt<br />

<strong>in</strong> vier Jahrhun<strong>der</strong>ten 132 verfaßt. War Bernward Gottlieb 1960 apl. Professor für Mediz<strong>in</strong>geschichte<br />

an <strong>der</strong> Saar-Universität geworden, so ließ sich Berg 1963 von Berl<strong>in</strong> nach Gött<strong>in</strong>gen<br />

umhabilitieren. Ihm sollte "wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e aktive Mitarbeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fachwissenschaft"<br />

125<br />

Sathmarer Schwaben: Deutsche Volksgruppe im Nordwesten Rumäniens, überwiegend kath., überwiegend<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft tätig, zwischen 1712 und 1815 e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>t.<br />

126<br />

Z.B.: "<strong>Der</strong> Stammesgedanke im Schrifttum <strong>der</strong> Romantik und bei Ludwig Uhland", 1948; Stammescharakter<br />

und Volkssage, 1953.<br />

127<br />

Hans-Ulrich Thamer, Die <strong>NS</strong>-<strong>Vergangenheit</strong>, a.a.O., S.47.<br />

128<br />

Siehe: Rolf Seeliger, Braune Universität. Deutsche Hochschullehrer gestern und heute. E<strong>in</strong>e Dokumentation,<br />

Heft 1, Mnchn. 1964, S.7 f.<br />

129<br />

Siehe dazu unten.<br />

130<br />

Siehe: Die Zeit, 13.2.1965, "Affäre Berg". O<strong>der</strong>: E<strong>in</strong> deutscher Ord<strong>in</strong>arius kann sich nicht irren. Dort,<br />

wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben, auch das Folgende.<br />

131<br />

Michael H. Kater, Das "Ahnenerbe" <strong>der</strong> SS 1935 - 1945. E<strong>in</strong> Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches,<br />

Mnchn. 2 1997, S.258. Berg war auch Mitarbeiter <strong>in</strong> dem von Gör<strong>in</strong>g und Himmlers "Ahnenerbe" getragenen<br />

"Wald und Baum"-Projekt. (Siehe: Bernd-A. Rus<strong>in</strong>ek, "Wald und Baum <strong>in</strong> <strong>der</strong> arisch-germanischen<br />

Geistes- und Kulturgeschichte" - E<strong>in</strong> Forschungsprojekt des "Ahnenerbe" <strong>der</strong> SS .)<br />

132<br />

Bernward Gottlieb, Alexan<strong>der</strong> Berg, Das Antlitz des germanischen Arztes <strong>in</strong> vier Jahrhun<strong>der</strong>ten. Mit e<strong>in</strong>em<br />

Geleitwort von Reicharzt-SS E. R. Grawitz, Bln. 1942.

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