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Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in ...

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40<br />

32,7 Prozent aller Zeitungen und Zeitschriften. 186 Inhaltlich geht das Haßverhältnis zur<br />

Manipulationsmacht Spr<strong>in</strong>ger erstens auf Vergleiche <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Spätphase <strong>der</strong> Weimarer Republik<br />

zurück, als die reaktionäre Hugenbergpresse die "Machtergreifung" vorbereiten<br />

half; zweitens wurde <strong>der</strong> Spr<strong>in</strong>ger-Presse vorgeworfen, sie untergrabe durch Manipulation<br />

die Möglichkeit e<strong>in</strong>er freien Diskussion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er liberalen Öffentlichkeit und so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong> Essential<br />

aller "1968er"-For<strong>der</strong>ungen; drittens wurde Spr<strong>in</strong>gers Macht <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Spiegel-Affäre<br />

von 1962 zusammengesehen: gegen kritische Berichterstattung schritt die Polizei e<strong>in</strong>, die<br />

reaktionäre Presse, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Spr<strong>in</strong>gers "Bild-Zeitung", wiegelte die Polizei gegen kritische<br />

Studierende auf.<br />

Es <strong>in</strong>dizierte für die "1968er"-Studenten "Faschismus", wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demonstrationsberichterstattung<br />

<strong>der</strong> "Bild-Zeitung" von "Polizeihiebe(n) auf Krawallköpfe" die<br />

Rede war, "um den möglicherweise doch vorhandenen Grips locker zu machen" 187 -<br />

aber es wurde doch berichtet, so daß wir von e<strong>in</strong>em nutznießenden Fe<strong>in</strong>dschaftsverhältnis<br />

zwischen Spr<strong>in</strong>ger-Presse und Studentenbewegung reden können. Die Spr<strong>in</strong>ger-Presse trug<br />

<strong>mit</strong> dazu bei, daß noch nie e<strong>in</strong>e Protestbewegung so sehr im Zentrum <strong>der</strong> Medien-<br />

Aufmerksamkeit gestanden hatte wie die <strong>der</strong> kritischen Studierenden von "1968". 188<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich kann man sagen, daß Rudi Dutschke, Ra<strong>in</strong>er Langhans, Benno Ohnesorg<br />

und Fritz Teufel die ersten deutschen Studenten seit Carl Ludwig Sand gewesen s<strong>in</strong>d 189 ,<br />

die den un<strong>mit</strong>telbaren Zeitgenossen als Personen e<strong>in</strong> Begriff waren 190 . Die führenden studentischen<br />

Akteure waren Medienstars und <strong>mit</strong> ihren Aktivitäten <strong>in</strong> Funk, Fernsehen und<br />

Zeitungen präsent. Flotte Sprüche wurden zu geflügelten Worten; Provokationsrituale<br />

machten die Runde und diffundierten <strong>in</strong> die Trivialkultur. 191 Die Studentenrevolte war die<br />

erste Revolte <strong>in</strong> <strong>der</strong> entwickelten Mediengesellschaft, und sie <strong>in</strong>szenierte sich mediengerecht<br />

und ästhetisch vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es politischen Ästhetikbegriffs - wurde <strong>der</strong><br />

186<br />

Ebd., S.123.<br />

187<br />

Zit.n.: Peter Mosler, Was wir wollten, was wir wurden. Studentenrevolte - zehn Jahre danach, Re<strong>in</strong>bek<br />

1977, S.26.<br />

188<br />

Es ist trivial, daß dieses Medien-Echo die Wahrnehmung des Demonstrationsgeschehens stärker bestimmte<br />

als die pure Statistik <strong>der</strong> Demonstrationen selbst. Ke<strong>in</strong>eswegs war die numerische Demonstrationsfrequenz<br />

so dramatisch wie zeitgenössische Wahrnehmung und nachträgliche Mythologisierung suggerierten.<br />

(Zur Statistik <strong>der</strong> Demonstrationen siehe: Dieter Rucht, Die Ereignisse von 1968 als soziale Bewegung.<br />

Methodologische Überlegungen und e<strong>in</strong>ige empirische Befunde, <strong>in</strong>: Ingrid Gilcher-Holtey ,<br />

1968, a.a.O., S.116-130.)<br />

189<br />

<strong>Der</strong> Theologie-Student Sand hatte den "Vaterlandsverräter" und "russischen Agenten" Kotzebue ermordet,<br />

was zu den "Karlsba<strong>der</strong> Beschlüssen" führte.<br />

190<br />

Das gilt nicht für die 1943 h<strong>in</strong>gerichteten Studenten <strong>der</strong> "Weißen Rose", <strong>der</strong>en Wi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> den 1950er<br />

Jahren Norm- und Vorbildcharakter erhielt. "Weiße Rose" und "20. Juli" wurden dem von <strong>der</strong> DDR auf den<br />

Schild erhobenen kommunistischen und Arbeiterjugend-Wi<strong>der</strong>stand gegenübergestellt. In <strong>der</strong> offiziellen Proklamierung<br />

von Wi<strong>der</strong>stand rettete die "Weiße Rose" das Bild <strong>der</strong> Studierenden im "Dritten Reich" ebenso<br />

wie <strong>der</strong> "20. Juli" das Bild des Wehrmachtssoldaten des Zweiten Weltkrieges retten sollte.<br />

191<br />

So etwa <strong>in</strong> dem Film "Zur Sache Schätzchen" von May Spils und Werner Enke <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em heute schwer<br />

erträglichen Gag über den Reichstagsbrand 1933. Zu Film und (Trivial-)Kultur <strong>in</strong> den 1960er Jahren siehe:<br />

The Roar<strong>in</strong>g Sixties. <strong>Der</strong> Aufbruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Zeit, Amsterdam 1992 (Time-Life-Books; ohne Herausgebernamen).

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