06.11.2013 Aufrufe

Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in ...

Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in ...

Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8<br />

strebter völkischer Symbolgehalt" o<strong>der</strong> "schmerzlich vermißter politisch-völkischer Roman"<br />

noch im Tonfall ernsten Referierens Verwendung fänden. 43 Für die Geschichtswissenschaft<br />

und ihr Bild bis <strong>in</strong> die 1960er Jahre ist im übrigen zu erwägen, daß die "Historismus"-Schelte<br />

im "Dritten Reich", <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Walter Franks Feldzug gegen Hermann<br />

Oncken und die ganze "Historiker-Bourgeoisie <strong>in</strong> Rankes Hermel<strong>in</strong>" 44 , nach 1945 als<br />

Rechtfertigung ersche<strong>in</strong>en mochte, und zwar beson<strong>der</strong>s, weil eher auf die universitäre, weniger<br />

auf die außeruniversitäre Geschichtswissenschaft <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Zeit geblickt wurde 45 . Ihr<br />

Konservatismus hatte sich <strong>in</strong> den Augen <strong>der</strong> Zunftgrößen bewährt. 46<br />

Drei weitere Gründe für die Vorrangstellung von Literaturbetrieb und Literaturwissenschaft<br />

seien angeführt:<br />

- Das Fach Germanistik stand <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen Debatten über die nicht vollzogene <strong>in</strong>haltliche<br />

und personelle Entnazifizierung im Mittelpunkt öffentlichen Interesses; die Debatten<br />

über die Rolle <strong>der</strong> Germanistik als Mitarchitekt<strong>in</strong> und Nutznießer<strong>in</strong> des völkischen<br />

und nationalsozialistischen Denkens erreichten auf dem 1966er Germanistentag ihren Zenit;<br />

sie hatten bereits 1945 begonnen, als <strong>mit</strong> Josef Nadler <strong>in</strong>s Gericht gegangen wurde,<br />

dem Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> stammesorientierten Literaturgeschichtsschreibung 47 . Wer vom Faschismus<br />

sprach, so könnte variiert werden, durfte von <strong>der</strong> Germanistik als Ideologie-<br />

43<br />

Ernst Loewy, Literatur unterm Hakenkreuz, a.a.O., S.311.<br />

44<br />

Siehe: Helmut Heiber, Liberale und nationale Geschichtsschreibung, <strong>in</strong>: Universitätstage 1966. Nationalsozialismus<br />

und die deutsche Universität, Bln. 1966 (Veröffentlichung <strong>der</strong> Freien Universität Berl<strong>in</strong>),<br />

S.109-125, S.110; zu Walter Frank allgeme<strong>in</strong> natürlich: <strong>Der</strong>s., Walter Frank und das Reichs<strong>in</strong>stitut für Geschichte<br />

des neuen Deutschland, Mnchn. 1966 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 13). Zur Geschichtswissenschaft<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Zeit und ihrer Verarbeitung nach 1945 siehe: W<strong>in</strong>fried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft<br />

nach 1945, Mnchn. 1993 (zuerst: HZ, Beiheft 10/1989; Schulze betrachtet die Entwicklung<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur bis 1958 ); Hans-Erich Volkmann, Deutsche Historiker im Banne des Nationalsozialismus,<br />

<strong>in</strong>: Wilfried Loth, Bernd-A. Rus<strong>in</strong>ek (Hg.), Verwandlungspolitik. Nationalsozialistische Eliten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Ffm., New York 1998, S.285-311.<br />

45<br />

Dieser Gesichtspunkt gilt auch für die Universität als Institution allgeme<strong>in</strong>: Sie g<strong>in</strong>g konservativ, zu Teilen<br />

reaktionär <strong>in</strong> das "Dritte Reich", wurde vielfach von nationalsozialistischen Heißspornen angegriffen und<br />

konnte sich daher nach 1945 als verfolgt und da<strong>mit</strong> <strong>in</strong> den Strukturen gerechtfertigt sehen. Musterbeispiel e<strong>in</strong>es<br />

nationalsozialistischen Angriffs auf die Universität als Institution von studentischer Seite wäre: Andreas<br />

Feickert, Studenten greifen an. Nationalsozialistische Hochschulrevolution, Hamburg 1934. In <strong>der</strong> traditionellen<br />

Universität sah Feickert 1934 e<strong>in</strong>en "Staat im Staate", den es zu "vernichten" gelte (S.8); schon wüchsen<br />

neben den traditionellen Hochschulen "e<strong>in</strong>e Unmenge" nationalsozialistischer "Führerschulen" heran<br />

(S.9); man sei sich klar, "daß e<strong>in</strong>e Reihe <strong>der</strong> Alten (<strong>der</strong> Professor/ B.-A.R. ) zu übernehmen s<strong>in</strong>d, daß wir aber<br />

endgültig erst gesiegt haben werden, wenn unsere Generation (...) die Lehrstühle dieser Hochschule besetzt<br />

haben wird" (S.11); die Hochschule sei e<strong>in</strong> "Rattennest <strong>in</strong>nerer Querverb<strong>in</strong>dungen (S.18). (Feickert war <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> SPD-Mitglied, pädagogischer Mitarbeiter <strong>der</strong> Heimvolkshochschule Jagdschloß Göhrde<br />

und Veranstalter vielbeachteter "Europa"-Sem<strong>in</strong>are; siehe: Lutz Hachmeister, <strong>Der</strong> Gegnerforscher, a.a.O.,<br />

S.50).<br />

46<br />

Siehe: Hans Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, <strong>in</strong>: Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur<br />

'Geistigen Situation unserer Zeit', 2. Bd.: Politik und Kultur, Ffm. 1979, S.709-753, S.709.<br />

47<br />

Siehe: Otto Nickel, Literaturgeschichte h<strong>in</strong>tenherum o<strong>der</strong> Dichter, Menschen und Nadler, <strong>in</strong>: Die Wandlung,<br />

1. Jg. 1945/46, S.383-397, sowie: Auditur et altera pars. Leserbriefe und Bemerkungen des Herausgebers<br />

zur Polemik gegen Nadlers Literaturgeschichte, <strong>in</strong>: Ebd., 1. Jg. 1945/46, S.866-884. Zu Nadler siehe aktuell:<br />

Wendel<strong>in</strong> Schmidt-Dengler, Nadler und die Folgen. Germanistik <strong>in</strong> Wien 1945 bis 1957, <strong>in</strong>: Wilfried<br />

Barner, Christoph König (Hg.), Zeitenwechsel, a.a.O., S.35-46.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!