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RECHT BERUFSRECHT RECHT<br />

46<br />

AB 1. JANUAR 2007<br />

NEUREGELUNGEN DER STEUERLICHEN<br />

BEDARFSBEWERTUNG<br />

Bis zum 31. Dezember 2007 geltendes Recht<br />

ist verfassungswidrig<br />

Mit dem lange erwarteten Beschluss vom 7. November 2006 –<br />

1 BvL 10/02 |1| hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die<br />

der Erbschafts- und Schenkungssteuerveranlagung zugrunde<br />

liegenden Bewertungsverfahren u. a. für Immobilien als mit<br />

Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber<br />

verpflichtet, eine Neuregelung bis spätestens zum<br />

31. Dezember 2008 zu treffen.<br />

Das bisherige Recht |2| ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar.<br />

Die Entscheidungsformel aus dem BVerfG-Beschluss<br />

ist im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil I Nr. 6 vom 28.<br />

Juli 2007 veröffentlicht.<br />

Unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz ist demnach zusammengefasst<br />

die Erhebung einheitlicher Steuersätze auf<br />

Werte, die für wesentliche Gruppen von Vermögensgegenständen<br />

aufgrund der erbschaftssteuerlichen Bewertungsvorschriften<br />

nicht genähert dem gemeinen Wert entsprechen.<br />

Gewollte Lenkungseffekte bzw. Verschonungsregelungen für<br />

bestimmte Vermögensarten seien gesetzgeberisch nicht im<br />

Rahmen der Bewertung, sondern bei der darauf basierenden<br />

Bestimmung der Steuerbelastung auszugestalten.<br />

Im Einzelnen bemängelt das BVerfG im Hinblick auf die Bewertung<br />

von Grundvermögen den starren Einheitsvervielfältiger<br />

von 12,5 im vereinfachten Ertragswertverfahren bei<br />

bebauten Grundstücken (§ 143 BewG), die Übernahme von<br />

Steuerbilanzwerten bei der Sonderbewertung für bebaute<br />

Grundstücke, für die keine übliche Miete ermittelt werden kann<br />

(§ 147 BewG), die Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten<br />

belasteten Grundstücken (§ 148 BewG) und<br />

schließlich die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den<br />

1. Januar 1996 bei der Wertermittlung für die unbebauten<br />

Grundstücke (§ 145 BewG).<br />

Die bisherigen Bewertungsvorschriften für Grundvermögen<br />

genügen damit in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des<br />

Gleichheitssatzes und bewirken deshalb bereits auf der Bewertungsebene<br />

verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse.<br />

1<br />

HOLGER JÜRGENS | BERLIN<br />

Eine Übergangslösung:<br />

Neue Bewertungsvorschriften ab 1. Januar 2007<br />

In großer zeitlicher Nähe zu dem BVerfG-Beschluss wurde das<br />

Jahressteuergesetz 2007 |3| verkündet, dessen Artikel 18 die<br />

Änderung des Bewertungsgesetzes bildet. Diese Vorschriften<br />

treten gemäß JStG 2007 Artikel 20 Abs. 6 am 1. Januar 2007<br />

in Kraft.<br />

Darin werden die Bewertungsvorschriften für das Grundvermögen<br />

mit Ausnahme des § 147 BewG (Sonderfälle) recht umfangreich<br />

geändert und teilweise völlig neu gefasst. Dabei<br />

lassen sich folgende wesentliche Änderungen ausmachen:<br />

§ 145 Unbebaute Grundstücke<br />

Ausgangswert bei der Wertbestimmung ist nun stets der<br />

Bodenrichtwert, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln<br />

war, und nicht mehr der zum 1. Januar 1996 ermittelte<br />

Bodenrichtwert. Der Wert des unbebauten Grundstücks<br />

bestimmt sich dann wie gehabt nach seiner Fläche<br />

und dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert.<br />

§ 146 Bebaute Grundstücke<br />

Ausgangswert ist das 12,5-fache der im Besteuerungszeitpunkt<br />

vereinbarten (nicht mehr: der im Durchschnitt der<br />

letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten)<br />

Jahresmiete. Es folgt wie gehabt die Wertminderung<br />

wegen Alters des Gebäudes. Auch der Zuschlag bei Grundstücken<br />

mit nicht mehr als zwei Wohnungen gemäß Abs. 5<br />

bleibt bestehen.<br />

Die Bestimmungen für den Ansatz der üblichen Miete an<br />

Stelle der Jahresmiete, wie er insbesondere bei Eigennutzung<br />

erforderlich ist, wird auf ungenutzte Grundstücke oder<br />

Grundstücksteile und solche Mietverhältnisse, bei denen die<br />

Überlassung zu einer um mehr als 20 % von der üblichen<br />

Miete abweichenden tatsächlichen Miete erfolgt ist, ausgedehnt.<br />

Bei derartigen Abweichungen wird offenbar pauschal<br />

unterstellt, dass ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse<br />

vorliegen. Die Vermietung an Angehörige oder<br />

Angestellte als bisheriger gesonderter Anknüpfungstatbestand<br />

konnte vor diesem Hintergrund entfallen.<br />

Nach wie vor gilt für bebaute Grundstücke der Wert, mit<br />

dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück<br />

nach § 145 Abs. 3 BewG bestimmt wird, als Mindestwert.<br />

§ 148 Erbbaurecht<br />

Das 18,6-fache des im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden<br />

jährlichen Erbbauzinses entfällt als Bemessungsgrundlage<br />

völlig.<br />

Ausgangswert sowohl für das belastete Grundstück wie für<br />

das Erbbaurecht ist zunächst der ungerundete Gesamtwert<br />

für den Grund und Boden und die Gebäude, der so zu bestimmen<br />

ist, als bestünde die Belastung nicht. Die Bewertung<br />

der Bestandteile erfolgt dabei pauschaliert wie folgt:<br />

Bei bebauten Grundstücken wird der Gebäudewert zu<br />

80 % des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG (also ohne Berücksichtigung<br />

des Bodenwertes als Mindestansatz) ermittelten<br />

Werts bestimmt; der verbleibende Teil des Gesamtwerts<br />

entspricht dem Wert des Grund und Bodens.<br />

Während der Wert des Grund und Bodens dem belasteten<br />

Grundstück zugerechnet wird, wird der Gebäudewert bei<br />

mindestens 40 Jahren Dauer des Rechts im Besteuerungszeitpunkt<br />

oder einer Gebäudewert-Entschädigungspflicht<br />

des Grundstückseigentümers voll dem Erbbaurecht zugerechnet<br />

und ansonsten in Abhängigkeit von der Dauer des<br />

Rechts nach gestaffelten Prozentsätzen verteilt. Eine ähnliche<br />

Vorgehensweise ist aus der steuerlichen Einheitsbewertung<br />

bekannt.<br />

Das Recht auf den Erbbauzins bzw. die Verpflichtung zur<br />

Zahlung des Erbbauzinses werden in diesem Bewertungsmodell<br />

nicht gesondert in Ansatz gebracht, wie überhaupt<br />

die konkreten Verzinsungsverhältnisse gänzlich unberücksichtigt<br />

bleiben.<br />

Für Gebäude auf fremdem Grund und Boden wurde ein gesonderter<br />

§ 148a mit analogen Regelungen geschaffen.<br />

Nachweismöglichkeiten des niedrigeren<br />

gemeinen Wertes<br />

Diese Regelung wurde jetzt in § 138 Abs. 4 BewG gebündelt<br />

und ist nunmehr auf alle nach den §§ 145 bis 149 zu<br />

ermittelnden Werte anwendbar. Bislang war ein solcher<br />

Nachweis teilweise unzulässig, insbesondere bei Erbbaurechtsfällen.<br />

Als Nachweismöglichkeiten sind ein Gutachten des örtlich<br />

zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen<br />

für die Bewertung von Grundstücken oder ein<br />

innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeit-<br />

punkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommener<br />

Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück<br />

anerkannt |4| . Das Gutachten unterliegt der Beweiswürdigung<br />

durch das Finanzamt und ist auf seine inhaltliche Richtigkeit<br />

und Schlüssigkeit zu prüfen.<br />

Im Ergebnis ist festzustellen, dass mit den durch das Jahressteuergesetz<br />

2007 vorgenommenen Änderungen des Bewertungsgesetzes<br />

die Grundbesitzbewertung so, wie sie die Finanzämter<br />

nun durchzuführen haben, nur teilweise eine verbesserte<br />

Marktnähe erzielen wird.<br />

Umso wichtiger ist im Interesse der Steuerzahler die durch die<br />

erweiterte Öffnungsklausel nunmehr umfassende und steuerwirksame<br />

Nachweismöglichkeit für Immobilienwerte, die tatsächlich<br />

unter den pauschalisiert ermittelten Werten liegen.<br />

Die »Mängelliste« des BVerfG zu dem bisherigen Recht kann<br />

durch die jetzt in Kraft getretenen Änderungen allenfalls partiell<br />

als in weiser Voraussicht abgearbeitet angesehen werden,<br />

so dass bis zum 31. Dezember 2008 mit einer weiteren Änderung<br />

der erbschaftssteuerlichen Bewertungsvorschriften<br />

für Immobilien zu rechnen ist.<br />

Dipl.-Ing. Holger Jürgens<br />

Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur<br />

Bergmannstraße 70 | 10961 Berlin<br />

E-Mail daten@geometer-juergens.de<br />

www.geometer-juergens.de<br />

|1| NJW 2007, 573 = DS 2007, 66<br />

|2| Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz vom<br />

17. April 1974 (BGBl. I S. 933) in der Fassung der Bekanntmachung<br />

vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 378) in allen seinen<br />

seitherigen Fassungen in Verbindung mit den von § 12<br />

in Bezug genommenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes<br />

(BewG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar<br />

1991 (BGBl. I S. 230), zuletzt geändert durch Gesetz vom<br />

20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794)<br />

|3| Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember<br />

2006 (BGBl. I S. 2878)<br />

|4| Erbschaftssteuer-Richtlinien 2003 – ErbStR 2003,<br />

Rn. 163<br />

1<br />

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