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ARCHITEKTEN<br />

8<br />

IM SCHADENSFALL WIRD'S SCHWIERIG –<br />

ZUM AUFTRAGSVERHÄLTNIS VON ARCHITEKTEN<br />

UND VERMESSUNGSINGENIEUREN<br />

Die Frage nach dem Tätigkeitsfeld, für das ein Berufsvertreter<br />

haftet, stellt sich immer wieder neu. Bei Architekten und<br />

Vermessungsingenieuren kommt erschwerend hinzu, dass sich<br />

diese häufig in einem Auftragsverhältnis zueinander bewegen.<br />

Dies kann in direkter Form ausgebildet sein, indem also<br />

beispielsweise der Architekt dem Vermessungsingenieur in<br />

eigenem Namen einen Auftrag zur Erstellung einer Planungsgrundlage<br />

erteilt. Wenn das Auftragsverhältnis als Werkvertrag<br />

ausgeformt ist, lassen sich die Verantwortungsbereiche<br />

hierbei regelmäßig deutlich beschreiben und voneinander abgrenzen.<br />

Häufig wird der Architekt für den Bauherrn aber<br />

auch treuhänderisch tätig. Der Architekt hat dann nicht nur<br />

im Namen des Bauherrn das Recht der Auftragserteilung.<br />

Aufgrund der Rechtskonstruktion obliegt ihm auch die Gestaltung<br />

der Auftragsinhalte und damit auch der Arbeitsergebnisse<br />

der Fachingenieure. Er haftet dann gegenüber<br />

dem Bauherrn nicht nur für seine eigene Leistung, sondern<br />

auch für die Koordination der für die Planung erforderlichen<br />

Einzelleistungen. Eine weitere Variante stellt die Auftragsvergabe<br />

an Architekten und Fachingenieure durch den Bauherrn<br />

dar. Obwohl diese dann nur fachlich eine Gestaltungsgemeinschaft<br />

bilden, verbleibt dem Architekten doch ein Verantwortungsbereich,<br />

wie er sich üblicherweise aus der fachlichen<br />

Aufteilung am Bauvorhaben ergibt. Wie wichtig hier eine<br />

präzise Auftragsbeschreibung ist, zeigt folgendes Beispiel:<br />

Im Rahmen eines Bauvorhabens wurde ein Vermessungsingenieur<br />

vom Bauherrn mit Vermessungsleistungen beauftragt,<br />

u. a. auch mit der Berechnung der Abstandsflächen zum<br />

Nachbargrundstück. Nach Erbringung seiner Leistungen stellt<br />

der Vermessungsingenieur seine Honorarrechnung. Der Bauherr<br />

wendet u. a. gegen die Honorarforderung ein, der Vermessungsingenieur<br />

habe bei den Abstandsflächen fehlerhaft das<br />

so genannte Schmalseitenprivileg zugrunde gelegt und ihm –<br />

Baurecht und Nachbarrecht gründen sich auf eine verantwortungsvolle<br />

Katastervermessung und dienen nicht selten ganz<br />

pragmatisch dem bürgerschaftlichen Frieden. Im Zusammenhang<br />

mit der Kartierung von Bewuchs, aber auch topographischen<br />

Verwerfungen, mäandrierenden Bachläufen und Naturdenkmalen<br />

auf bebauten und unbebauten Grundstücken entstehen<br />

Vermessungsingenieuren ebenfalls verantwortungsvolle<br />

Aufgaben, die für uns Architekten Ausgangspunkt sind für den<br />

sensiblen Umgang mit landschaftlichen Charakteristiken.<br />

1<br />

dem Bauherrn – sei hierdurch ein Schaden entstanden. Das<br />

OLG Hamm (Urt. v. 09. Juni 1999 – 12 U 152/98 – NJW-RR<br />

200, 22) bestätigte den Honoraranspruch des Vermessungsingenieurs<br />

und kam zu der Auffassung, dass ein mit der Berechnung<br />

von Abstandsflächen beauftragter Vermessungsingenieur<br />

nicht verpflichtet ist, die Frage der Anwendbarkeit<br />

des so genannten Schmalseitenprivilegs zu prüfen; diese<br />

Prüfung obliegt dem Architekten. Dem Bauherrn stünden<br />

aufrechenbare Gegenforderungen nicht zu. Der Vermessungsingenieur<br />

sei gegenüber dem Bauherrn nicht zum Schadenersatz<br />

verpflichtet. Insbesondere lasse sich eine Schadenersatzpflicht<br />

des Ingenieurs nicht daraus ableiten, dass er bei der<br />

Berechnung der Abstandsflächen zum Nachbargrundstück<br />

das so genannte Schmalseitenprivileg zugrunde gelegt habe,<br />

obwohl dies nach der in der Folgezeit von der Stadtverwaltung<br />

vertretenen Ansicht im vorliegenden Fall nicht anwendbar<br />

war. Denn der dem Vermessungsingenieur erteilte Auftrag<br />

erstreckte sich nicht auf die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen<br />

der Anwendbarkeit des Schmalseitenprivilegs.<br />

Diese rechtliche Prüfung der Zulässigkeit der Anwendung des<br />

Schmalseitenprivilegs verblieb beim Architekten, der diese<br />

Frage im Einzelfall mit der zuständigen Bauordnungsbehörde<br />

abzuklären hätte. Ein mit der Berechnung von Abstandsflächen<br />

beauftragter Vermessungsingenieur ist nicht verpflichtet,<br />

die Frage der Anwendbarkeit des so genannten<br />

Schmalseitenprivilegs zu prüfen; diese Prüfung obliegt dem<br />

Architekten.<br />

Wenn der Bauherr dem Vermessungsingenieur außer der<br />

rein rechnerischen Ermittlung der Abstandsflächen ausnahmsweise<br />

auch die Verantwortlichkeit für die Prüfung der<br />

Anwendbarkeit des Schmalseitenprivilegs hätte übertragen<br />

wollen, hätte dies im Auftragsschreiben deutlich zum Ausdruck<br />

gebracht werden müssen. Auch wenn heute in vielen<br />

Bundesländern das Schmalseitenprivileg zur Vergangenheit<br />

gehört. Die Problematik der Abgrenzung ihrer fachlichen Verantwortungsräume<br />

bleibt Architekten und Vermessungsingenieuren<br />

erhalten.<br />

Auszug aus einem Artikel der Internetseite www.baunetz.de<br />

Die wirtschaftliche Optimierung von Hoch- und Tiefbaumaßnahmen<br />

ist abhängig von einer sorgfältigen Einfügung der<br />

Baukörper in eine vorgegebene Topographie.<br />

Umgekehrt kann die Einhaltung von Vorgaben in Bebauungsplänen<br />

ohne Hilfe der Vermessungsingenieure nicht gelingen.<br />

Im Benehmen mit Garten- und Landschaftsarchitekten<br />

und Verkehrsplanern ist z. B. die Bilanzierung von Aushubmassen<br />

und deren sorgfältig modellierter Wiedereinbau im<br />

jeweiligen Sachzusammenhang geboten. Nur so lassen sich<br />

degebank Berlin<br />

energieintensive Transportwege und wahrnehmbare Landschaftsverformung<br />

durch Erddeponien vermeiden.<br />

Einst waren Landkarten die einzige sichtbare Form der Arbeit<br />

von Vermessungsingenieuren. Heute werden Geoinformationen<br />

mittels computergestützter Verfahren erfasst, verarbeitet,<br />

analysiert und multimedial präsentiert. Während die<br />

Schweizer ihre Bauvorhaben noch mit Leergerüsten ganz pragmatisch<br />

und sehr anschaulich auf bauliche Verträglichkeit<br />

prüfen, werden hierzulande dreidimensionale Geländemodelle<br />

und andere rechnergestützte Visualisierungen für diese Zwecke<br />

eingesetzt – Hightech!<br />

Früher erschöpfte sich die Zusammenarbeit von Vermessungsingenieuren<br />

und Architekten mit der Erstellung des Lageplans<br />

zum Baugesuch, dem Auspflocken des Baukörpers und dem Einschneiden<br />

des Schnurgerüsts. Mittlerweile sind sie zu Partnern<br />

über den ganzen Planungs- und Bauprozess geworden.<br />

Kühne Architekturen wie das neue Mercedes-Benz Museum in<br />

Stuttgart mit polygonalen Grundrissen, geschweiften Wandverläufen,<br />

konkav oder konvex gewölbten oder in sich verzogenen<br />

Wänden und Deckenflächen sind in der baulichen Umsetzung<br />

selbst durch spezialisierte Bauunternehmungen nur<br />

mit Hilfe modernster Vermessungsmethoden während der Ausführung<br />

möglich.<br />

Die Anforderungen an Architekten und Ingenieure sind stetig<br />

gewachsen und stehen im Übrigen jeweils in einem unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen,<br />

sei es im Bereich des Rechts, der Wirtschaftlichkeit, der erwarteten<br />

Präzision oder der Wertigkeit wie z. B. im Umgang mit<br />

dem baulichen Erbe.<br />

Zu den Gemeinsamkeiten gehört aber auch die Honorarordnung<br />

für Architekten und Ingenieure (HOAI), die die Vergütung<br />

der Leistungen beider Berufsstände regelt. Der Kampf um<br />

deren Erhalt sollte verbinden!<br />

Generell ist mit zunehmender Komplexität unserer Aufgaben<br />

die Beziehung beider Berufsgruppen notwendigerweise enger<br />

geworden. Der Einsatz von Vermessungsingenieuren sollte so<br />

früh wie möglich erfolgen und er sollte den Bauprozess kontinuierlich<br />

begleiten. Nur eine gelebte Interdisziplinarität kann<br />

wirtschaftliche Optimierung gewährleisten. Architekten und<br />

Vermessungsingenieure müssen gegenüber dem ohnehin regelmäßig<br />

überforderten Verbraucher, unser beider Auftraggeber,<br />

gemeinsam Verantwortung übernehmen. Auch aus berufspolitischer<br />

Sicht scheint deshalb ein engeres Miteinander sinnvoll.<br />

Wolfgang Riehle | Reutlingen | Freier Architekt BDA |<br />

Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg<br />

E-Mail riehle@akbw.de | mail@riehle-partner.de<br />

ZUSAMMENARBEIT VON INGENIEUR UND ARCHITEKT<br />

Der Bauingenieur Gustav E. Kruck beklagt in einem Beitrag<br />

zur Schweizerischen Bauzeitung ganz allgemein das Verhältnis<br />

zwischen Ingenieuren und Architekten. Es ist ein<br />

Thema, das, obwohl die Publikation schon über 50 Jahre<br />

zurückliegt, heute immer noch aktuell ist.<br />

Zwei Aspekte stehen beim Text von Kruck im Zentrum:<br />

zum einen die ungenügende ästhetische Ausbildung des Ingenieurs,<br />

zum anderen die fehlende Zusammenarbeit von Architekten<br />

und Ingenieuren. Gerade diese beiden Punkte<br />

scheinen immer noch ungelöst und sind auch ein Thema der<br />

Ausbildung. Die Fragen nach der Entwurfskompetenz und der<br />

ästhetischen Qualifikation erhitzen weiterhin die Gemüter.<br />

Diese Diskussion spiegelt sich bereits im Text von 1953 wider,<br />

denn als Beispiel führt Kruck seinen eigenen, unrealisiert gebliebenen<br />

Vorschlag für das Vordach des Flughafens Zürich<br />

an, das, obwohl von der Bauherrschaft zur Ausführung bestimmt,<br />

vom Architekten vehement abgelehnt worden war,<br />

der ein Glasdach konzipiert hatte.<br />

ARCHTITEKTEN<br />

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