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Fragenkatalog REITER (Privatrechtsgeschichte)

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1.)Quelle: 23<br />

Quelle � Pippini capitulare Aquitancum<br />

<strong>Privatrechtsgeschichte</strong> ( Fragen )<br />

1.Mittelalterliche Rechtsquellen<br />

� Daß alle Menschen ihr eigenes Gesetz haben sollen, sowohl die Römer als auch die<br />

Salfranken, und dass sie nach dem Gesetz der eigenen Heimat leben sollen, wenn sie von<br />

einer anderen Provinz gekommen sind.<br />

a.)Wo findet sich dementsprechend Privatrecht in der fränkischen Zeit?<br />

Charakterisieren Sie die Quellengattungen!<br />

Die Begegnung der germanischen Stämme mit den Römern & deren Rechtskultur veranlasste sie,<br />

ihr bis dahin nur mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Ebenfalls unter<br />

römischem Einfluss trat zur Rfindung eine bewusste Rechtssetzung.<br />

Die Stämme hätten sich in der Völkerwanderungszeit als politische & damit auch als rechtliche<br />

Einheiten gefestigt. Daher geschah die Rechtsaufzeichnung nun stammesweise. Sie erfolgte, häufig<br />

auf Initiative & unter maßgeblichem Einfluss des Königs oder Herzogs, aufgrund von<br />

Rechtsweisung. Der röm. Einfluss auf die Raufzeichnung äußerte sich auch darin, dass dieser in<br />

lateinischer Sprache erfolgte. Allerdings handelte es sich dabei um ein verderbtes Latein, das mit<br />

Brocken aus der Volkssprache durchsetzt war, um Vulgärlatein.<br />

Diese Raufzeichnungen der einzelnen germanischen Stämme bezeichnet man als die<br />

STAMMESRECHTE oder VOLKSRECHTE oder auch als die LEGES BARBARORUM.<br />

Die Volksrechte der germanischen Stämme umfassten aber nicht etwa das gesamte Recht des<br />

jeweiligen Stammes. Sie enthielten nur Ausschnitte aus dem Gewohnheitsrecht wie insbes. Prozess-<br />

& Strafrecht, Familien- & Erbrecht, aber auch verfassungsrechtliche Regelungen. Sie galten daher<br />

neben dem nicht aufgezeichneten Gewohnheitsrecht.<br />

Da die Franken in ihrem Reich durch Unterwerfung eine Reihe germanischer Stämme vereinigt<br />

hatten, gab es im Frankenreich mehrere Volksrechte. In der Spätzeit des fränkischen Reiches<br />

traten zwar Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung auf, die aber nicht zum Erfolg führten. Die<br />

Volksrechte der Stämme des Frankenreiches standen gleichrangig nebeneinander. Sie, aber auch nur<br />

sie & nicht etwa die Rechte anderer, nicht zum Frankenreich gehörender Stämme, wurden<br />

anerkannt, wo auch immer sich einer ihrer Angehörigen im Frankenreich aufhielt.<br />

b.)Wie nennt man dieses Prinzip der Rechtsanwendung?<br />

1 karinaa


Es galt, was wir als PERSONALITÄTSPRINZIP bezeichnen.<br />

Jeder Angehörige eines der im Frankenreich zusammengeschlossenen Stämme unterstand dem<br />

Recht seiner Geburt, seiner LEX ORIGINIS. Der Verwirklichung des Personalitätsprinzips im<br />

Frankenreich diente das von den Angehörigen der Stämme des Reiches vor jeder rechtlich<br />

rechtlichen Handlung abzulegende Bekenntnis zu ihrem Recht: PROFESSIO IURIS. Für Kleriker<br />

galt das röm. Recht.<br />

Die Aufzeichnung des Volksrechtes der Salfranken erfolgte in den Jahren zw. 507 & 511.<br />

2.)Quelle: 647<br />

Quelle� Sachsenspiegel – Landrecht, 1221 – 1224/25<br />

a.)Charakterisieren Sie das mittelalterliche Rechtsverhältnis anhand dieser Stelle!<br />

Ein Merkmal des mittelalterlichen Rechts war, dass es sich dabei nach mittelalterlichem<br />

Verständnis um eine altüberlieferte Ordnung des Lebensverhältnisse handelte, die häufig auf<br />

bedeutende Persönlichkeiten der Vergangenheiten wie Karl den Großen oder Karl Friedrich<br />

Barbarossa zurückgeführt wurde & die letztlich wie alle Dinge dieser Welt von Gott herrührte.<br />

Der Verfasser des Sachsenspiegels identifiziert das Recht geradezu mit Gott („Gott ist selber<br />

Recht“). Der Mensch durfte deshalb auch nach mittelalterlicher Auffassung nicht in die<br />

Rechtsordnung eingreifen. Seine Aufgabe war es nur, das Recht zu finden. Da die Rechtsordnung<br />

somit der staatlichen Ordnung vor- & übergeordnet war, stand auch der mittelalterliche Herrscher<br />

unter dem Recht. Dies galt insbes. Für den dt. König. Der König war begrifflich kein<br />

Willkürherrscher, sondern an Recht und Herkommen gebunden. Verstieß er gegen die RO &<br />

schwang er sich zum Tyrannen auf, bestand ihm gegenüber ein Widerstandsrecht, das auf seine<br />

Absetzung gerichtet war.<br />

Weiteres Merkmal des mittelalterlichen Rechts: Weitgehende RECHTSZERSPLITTERUNG<br />

� Jede rechtliche Gemeinschaft bildete ihr eigenes Recht.<br />

� Das waren zunächst die einzelnen Stämme<br />

� Es gab mehrere Rechtskreise: Nicht nur stand dem Reichsrecht das Landrecht gegenüber,<br />

sondern neben beiden bestand der Rechtskreis des Lehnrechts, & innerhalb der Länder gab es die<br />

Rechtskreise des Stadtrechts, des Dienstrechts & des Hofrechts.<br />

b.)Was bedeutet ein derartiges Rechtsverständnis für die Herrschaftsausübung?<br />

Das Reichsrecht ging vom König aus. Allerdings handelte es sich dabei anfangs nur um Recht, dass<br />

der König im konkreten einzelnen Fällen setzte, sei es, dass er durch Privilegienerteilung<br />

Sonderrecht schuf oder dass von Hoftag & Reichshofgericht Reichsweistümer & Reichssprüche<br />

noch nicht. Es handelte sich dabei noch nicht um generell verpflichtende Reichsgesetze.<br />

Eine eigentliche Reichsgesetzgebung nahm erst mit den Reichslandfrieden ihren Ausgang.<br />

3.) Quelle: 648<br />

a.) Wie unterschied sich dieses Rechtsanwendungsprinzip von dem des<br />

Frühmittelalters?<br />

2 karinaa


� Auch im Mittelalter lebte anfangs aufgrund des Personalitätsprinzips jeder nach seinem<br />

Stammesrecht.<br />

� Durch Aufkommen der Landesherrschaften wurde die geringe Zahl von Stammesrechten durch<br />

die Vielzahl v. Landrechten abgelöst.<br />

� Personalitätsprinzip durch Territorialitätsprinzip abgelöst � nach dem in einem Territorium<br />

das jeweilige Territorialrecht für alle galt, die sich in diesem Lande aufhielten.<br />

b.) Waren damit alle Menschen in allen Rechtsangelegenheiten dem jeweiligen<br />

Landesrecht unterworfen?<br />

Durch die Territorialisierung trat an die Stelle des Personalitätsprinzips das Territorialprinzip,<br />

nach dem in einem Territorium das jeweilige Territorialrecht für alle galt, die sich in diesem Lande<br />

aufhielten.<br />

4.)Quelle: 649<br />

Quelle�Nikolaus Cusanus, Concordantia catholica, 1433/34<br />

a.)Welchen Plan vertritt hier Nikolaus Cusanus? Warum?<br />

Eine Überwindung der mittelalterlichen Rechtszersplitterung gelang nur zum Teil & jedenfalls<br />

unbeabsichtigt. Ihr wirkte einmal die überregionale Bedeutung der Rechtsbücher entgegen, zum<br />

anderen der Umstand, dass es zur Bildung von Stadtrechtsfamilien kam, in deren Mitgliedstädten<br />

ein & dasselbe Stadtrecht galt.<br />

b.)Wieso spricht Cusanus von „Gewohnheitsrechten“?<br />

Er erkannte, dass in den alten Weistümern noch vieles vom alten Gewohnheitsrecht in Gebrauch<br />

stehe, während es in den Städten durch neue Stadtrechte verdrängt worden sei.<br />

c.)Kam es zur Realisierung dieses Plans?<br />

Der auf die Überwindung der Rechtszersplitterung anzielende Plan einer Rechtsvereinheitlichung<br />

im Reich, den Nikolaus Cusanus im 15.Jh. vorlegte, wurde nicht in Angriff genommen.<br />

5.)Quelle: 403<br />

Quelle� Nürnberger Reichslandfrieden gegen die Brandstifter, 29.12.1186<br />

a.)Was wissen Sie über diesen Rechtsquellentyp & seine üblichen Regelungsinhalte?<br />

3 karinaa


Das Kriterium der Zugehörigkeit zum Adel war im MA ursprünglich die Fähigkeit, mit Pferd,<br />

Rüstung & Waffen an militärischen Aktionen teilnehmen zu können. Der Adel als Berufsstand<br />

bestand anfänglich aus Reitern, aus den Rittern. Auch Bauernsöhne gehörten daher, wenn sie die<br />

erforderliche Qualifikation hatten & ritterlich lebten, dem Ritterstand & damit dem Adel an. Im<br />

12.Jh. jedoch schloss sich der Adel als Stand ab � Der Reichslandsfrieden 1152 forderte für die<br />

Zugehörigkeit zum Adel die Abstammung von Rittern, die Ritterbürtigkeit, & der Nürnberger<br />

Reichslandfrieden 1186 verbot Bauernsöhnen ausdrücklich den Eintritt in den Ritterstand.<br />

b.)Inwiefern war diese Regelung privatrechtlich von Bedeutung?<br />

DIE STÄNDE:<br />

Im Mittelalter ging man von der grundsätzlichen Trennung der Gesellschaft in Freie bzw. Unfreie<br />

sowie Herrschende und Dienende aus. Diese Trennung basierte auf dem von Augustinus 1 geprägten<br />

religiösen Ordo-Gedanken, 2 welcher jedem seine Funktion zuwies und so eine soziale<br />

Unterscheidung in Stände rechtfertigte. (Bet-Wehr- Nährstand)<br />

Grundsätzlich waren die Stände bevölkerungsmäßige Großgruppen, die sich durch Geburt / Herkunft<br />

/ Ebenbürtigkeit, Beruf, Besitz sowie Bildung von einander unterschieden und ursprünglich lediglich<br />

sozialen Unterscheidungen, welche sich im Laufe der Zeit verrechtlichten. 3<br />

Der Adel:<br />

Hoher Adel: Er bestand aus dem sog. Geburtsadel/Blutsadel und dem etwas niederen Dienstadel,<br />

welcher sich jedoch erst später herausbildete. Der hohe Adel war reichs-unmittelbar und empfing<br />

somit sein Lehen direkt vom Kaiser.<br />

Niederer Adel: Anfangs war das Zugangskriterium zum Adel war am Beginn des Mittelalters<br />

lediglich die Fähigkeit mit Pferd, Rüstung und Waffen an militärischen Aktionen teilnehmen zu<br />

können. So war es auch möglich, dass Bauernsöhne diese erforderlichen Qualifikationen erfüllten<br />

und ein ,,ritterliches" Leben vorausgesetzt, dem Ritterstand und somit dem Adel angehören<br />

konnten. Dies führte dazu, dass sich der Adel im 12. Jh. als separater Stand abschloss. So forderte<br />

der Reichslandfrieden von 1152 zusätzlich zu den ursprünglichen Qualifikationen noch die<br />

Abstammung von Rittern, die Ritterbürtigkeit, hinzu. Der Nürnberger Reichslandfrieden von 1186<br />

verbot dann ausdrücklich den Eintritt von Bauernsöhnen in den Ritterstand. 4 Im Gegensatz zum<br />

hohen Adel war den niedere Adel nicht reichsunmittelbar.<br />

Ein weiteres Merkmal des Adels waren das Privileg des Tragens von ritterlichen Waffen sowie das<br />

Privileg der Fehde. 5<br />

Der Klerus:<br />

Der Klerus hatte nach christlicher Lehre das Monopol der Weitergabe der religiösen Lehre. Der<br />

Zugang zu den Kirchenämtern war jedoch mit wenigen Ausnahmen Personen adeliger Herkunft<br />

vorbehalten, (Laieninvestitur) was in späterer Zeit zu Spannungen zwischen der Kirche und dem<br />

Kaiser führte. (Investiturstreit) 6 Kleriker waren dem weltlichen Gerichten entzogen, für sie galt<br />

ein eigener Gerichtsstand (privilegium fori). 7 Obwohl nicht kriegspflichtig nahm vor allem der<br />

4 karinaa


adelige Teil des Klerus, abweichend vom ,,aeglesia non sitit sanguinem"-Grundsatz, an<br />

kriegerischen Handlugen teil.<br />

Das Bürgertum:<br />

Kriterium für die Aufnahme in diesen Stand war Hausbesitz 8 , bzw. die Ausübung von handels- oder<br />

handwerkschaftlichen Tätigkeiten 9 . Um das 11 Jh. Bürger rangen die Stadtbürger den Stadtherren<br />

eine Reihe von Rechten ab. So wurde in einer freien Stadt die Rechtssetzung, die Gerichtsbarkeit<br />

und die Verwaltung durch eigene bürgerliche Organe wahrgenommen.<br />

Die Bauern:<br />

Die freien Bauern: Im Gegensatz zu den unteren 2 Gruppen von Bauern besaßen die völlig ,,freien"<br />

Freisassen Eigenbesitz und hatten Anteil an der Allmende. Weiters stand es ihnen frei zu heiraten,<br />

zu erben oder wegzuziehen. Sie unterstanden keinem Grundherrn. 10<br />

Die hörigen Bauern: Verglichen mit den freien Bauern war ihre rechtliche Stellung deutlich<br />

schlechter, da sie nicht ohne weiteres wegziehen durften, (schollengebunden / glebae adscripti)<br />

sowie eine Heiratsabgabe und Besthaupt leisten mussten.<br />

Die unfreien Bauern: Sie hatten mehr oder minder die Stellung von Knechten und waren in sehr<br />

hohen Maße vom ihrem Grundherrn abhängig. Sie waren vermögensunfähig, bedurften der<br />

Erlaubnis zur Heirat und ihr Land, bzw. sie selbst als Zubehör (mancipia) 11 , konnten vom<br />

Grundherren jederzeit verkauft werden.<br />

6.)Quelle: 661 / 664<br />

Quelle� 661: Landesordnung für Kärnten, 14.9.1338<br />

� 664: Kaiser Lugwigs Rechts-Buch, 1346<br />

a.)Um welche Rechtsquellen handelt es sich hier, & an die Stelle welcher<br />

Rechtsquellen traten sie?<br />

Die alten Stammesrechte, die bis in das 12.Jh. galten, wobei im ö Raum die LEX<br />

BAIUVARIORUM & im Westen die LEX ALAMANNORUM im Vordergrund standen, wurden im<br />

Zuge der Territorialisierung durch die Landrechte abgelöst.<br />

b.)Welche derartigen Rechtsquellen auf heutigem ö Boden kennen Sie sonst noch?<br />

In diese Reihe gehören das ö Landrecht, das in der älteren Fassung des Jahres 1237 & einer<br />

jüngeren aus dem Ende des 13.Jh. vorliegt,<br />

die Tiroler Landesordnungen Meinhards II. von 1282 & Ludwigs von Wittelsbach, des Gemahls<br />

der Margarete Maultasch, von 1352 sowie das oberbayerische Landrecht Kaiser Ludwigs des<br />

Bayern von 1335.<br />

7.)Quelle: 665/666 Z.36<br />

Quelle� 665: Wr. Stadtrecht, 18.10.1221<br />

� 666: Erfurter Statuten (genannt Zuchtbrief), 1351<br />

a.)Um welche Art von Rechtsquellen handelt es sich hier?<br />

5 karinaa


Die Rechtsquellen des städtischen Rechtskreises unterscheiden sich nach ihrer Herkunft einerseits<br />

in Stadtprivilegien, in denen der Stadtherr die Rechtsstellung der Stadtbewohner garantierte oder<br />

verbesserte & ihnen mehr oder weniger Autonomie zugestand, andererseits in autonome Satzungen<br />

von Städten im Rechtssinn, die man als Einungen, Willküren oder Statuten bezeichnet.<br />

Die an der Wende vom MA zur Neuzeit in manchen autonomen Städten vorgenommene<br />

Anpassung des Stadtrechts an das röm. Recht sind die Stadtrechtsreformationen wie die von<br />

Nürnberg (1479),<br />

Worms (1498),<br />

Frankfurt a.M. (1509)<br />

& das Freiburger Stadtrecht ( 1520),<br />

das eine bes. gelungene Verbindung einheimischen Rechts mit röm. Rechtsgedanken durch den<br />

Freiburger Stadtschreiber Ulrich Zasius.<br />

b.)Wie entwickelte sich dieser Rechtsquellentypus?<br />

Eine große Zahl von Städten entwickelte kein eigenes Stadtrecht, sondern übernahm aufgrund<br />

einer Stadtrechtsverleihung oder Bewidmung das bewährte & berühmte Recht einer anderen Stadt.<br />

Es kam auf diese Weise zur Bildung von Stadtrechtsfamilien, zu der außer einer Mutterstadt eine<br />

Reihe von Tochterstädten gehörten. Bes. wichtige Mutterstädte waren Lübeck & Magdeburg,<br />

deren Recht im Osten über die Reichsgrenzen hinaus galt.<br />

c.)Warum war gerade diese Quellengattung von bes. Bedeutung für das PR?<br />

Die Bedeutung der Stadtrechtsfamilien bestand nicht nur in der von ihnen in gewissem Grade<br />

bewirkten Rechtsvereinheitlichung, sondern auch darin, dass es im Verhältnis zw. Tochterstädten<br />

& Mutterstadt zur Entwicklung einer Art gerichtlichen Instanzenzuges kam. Das Gericht der<br />

Tochterstadt holte anfangs vom Gericht der Mutterstadt (Oberhof) Rechtsauskünfte ein oder ließ<br />

Prozesse von diesem gar entscheiden , & schließlich bestand die Möglichkeit, die bereits ergangene<br />

Urteile des Gerichts der Tochterstadt durch den Oberhof überprüfen zu lassen.<br />

8.)Quelle: 671<br />

Quelle� Kulmer Handfeste ( für Kuhn & Thron ), 28.12.1233<br />

a.)Wie nennt man den hier genannten Vorgang?<br />

Stadtrechtsreformationen<br />

Die Kulmer Handfeste [4] legte für beide Städte die Übernahme des Magdeburger Rechts fest –<br />

allerdings mit leichten Abänderungen, wie z.B. günstigeren Sätzen für die Bußgelder –, das um<br />

6 karinaa


einige Elemente des flämischen und Freiberger Rechts erweitert wurde. Beide Städte erhielten<br />

umfangreichen Landbesitz und eine großzügige Ausstattung für ihre Pfarreien. Ihren Bürgern wurde<br />

das Recht der freien Wahl von Richtern zugestanden, die jedoch dem Orden und der Gemeinde<br />

unterstehen sollten. Damit verbunden war auch die niedere Gerichtsbarkeit mit einem Anteil von<br />

einem Drittel an den Gerichtsbußen. Kulm sollte dafür – wohl in Anknüpfung an die zentrale<br />

Funktion der alten Kulmer Burg, die von den Prußen 1216 zerstört worden war – als Hauptstadt<br />

und Oberhof fungieren, was bedeutete, dass seine Ratsherren Anfragen zur städtischen<br />

Gerichtsbarkeit beantworten und etwaige Zweifel klären sollten.<br />

Weitere Bestimmungen regelten die Ausübung diverser Herrschaftsrechte, vor allem Boden- und<br />

Wasserrechte, Fährabgaben, aber auch das Erbfolgerecht, Kriegsdienstverpflichtungen sowie die<br />

Abgaben und Dienste der Besitzer von Landgütern. Der Orden behielt sich zwar die Verfügung über<br />

Seen, Erz- und Salzvorkommen vor, gewährte den Stadtbürgern aber umfangreichere Jagd- und<br />

Fischereirechte, als sie im Heiligen Römischen Reich und in den polnischen Herzogtümern üblich<br />

waren, und beteiligte sie auch am Mühlenwesen. Stadtbürger beiderlei Geschlechts verfügten über<br />

ihre Güter nach dem flämischen Erbrecht, was umso bemerkenswerter war, als es Frauen<br />

beispielsweise nach dem Magdeburger und auch dem polnischen Recht nur gestattet war<br />

beweglichen Besitz zu erben. Ferner sicherte der Orden den Bürgern und ihren Gütern Schutz vor<br />

allen ungebührlichen Steuern und Abgaben sowie vor zwangsweisen Einquartierungen zu und<br />

versprach, ihm zugefallene Häuser in den Städten nur so zu nutzen, wie es auch die anderen<br />

Stadtbürger taten. Allerdings verpflichtete der Orden die Land besitzenden Bürger zum<br />

Kriegsdienst, wobei genau festgelegt wurde, wie das Bürgeraufgebot ausgerüstet und bewaffnet zu<br />

sein hatte. Schließlich wurde als Maßeinheit für den Grundbesitz die flämische Hufe (rund 16 ha)<br />

festgelegt und das Land von Zollzahlungen befreit.<br />

Eine wichtige Regelung betraf auch das Münzwesen. Es wurde bestimmt, „dass es im ganzen Gebiet<br />

eine Münze geben soll und dass die Denare aus gutem und reinem Silber hergestellt werden sollen“<br />

(„ut una moneta sit per totam [terram], et ut de puro et mundo argento denarii fabricentur“ ), [5]<br />

wobei 12 Denare bzw. Pfennige einem Schilling und 60 Schillinge einer Mark entsprechen<br />

sollten [6] . Wesentlich günstiger als im Heiligen Römischen Reich waren auch die „Wechselkurse“<br />

beim Umtausch von alten in neue Münzen (14 alte gegen 12 neue Pfennige) bei einer relativ<br />

seltenen, auf alle zehn Jahre beschränkten Münzneuprägung.<br />

b.)Welche Folgen hatten derartige Vorgänge?<br />

Aufgrund des allgemeinen Anspruchs der in der Kulmer Handfeste verbrieften Rechtsnormen bzw.<br />

der vorgenommenen Veränderungen des Magdeburger Stadtrechts, war diese „von Anfang an mehr<br />

... als nur das Lokationsprivileg zweier Städte“ [7] . Mit der Handfeste hatte der Orden die aus dem<br />

Westen gekommenen Neusiedler großzügig an den von ihm erworbenen Rechten partizipieren<br />

lassen, wodurch nicht nur günstige Voraussetzungen für ein relativ rasches Aufblühen der im<br />

Ordensgebiet gegründeten Städte geschaffen, sondern auch zahlreiche weitere Siedler angelockt<br />

wurden, weil diese hier in den Genuss weiter reichender Privilegien kommen konnten als im<br />

Heiligen Römischen Reich. Wegen der Vorbildwirkung ihrer Bestimmungen für das gesamte spätere<br />

Ordensterritorium und sogar noch darüber hinaus, wurde die Kulmer Handfeste schließlich zur<br />

Grundlage des später so bezeichneten Kulmer Rechts. Aus diesem Grund wurde die Kulmer<br />

Handfeste auch als „»d[ie] ›Magna Charta‹ des Ordensgebietes«“ bezeichnet [8] .<br />

9.)Quelle: 675<br />

Quelle�Gefälschtes Dienstrecht der Abtei Erstein im Elsaß, um 1190<br />

a.)Welchem Rechtskreis ist diese Rechtsquelle zuzuordnen?<br />

7 karinaa


Dem Rechtskreis des Dienstrechts. Der Rechtskreis des Dienstrechts bestand aus der<br />

unübersehbaren Vielzahl von Dienstrechten, durch die Dienstherren, meist in Form von ihnen<br />

ausgehender Satzung, jeweils die Rechtsstellung ihrer Dienstmannen ( Ministerialen)regelten. Die<br />

Georgenberger Handfeste mit ihren Bestimmungen über die steirischen Ministerialen gehört zu<br />

dieser Art von Rechtsquellen.<br />

b.)Was waren Ministerialen & welche Rechtsstellung kam ihnen zu?<br />

�Waren im Heiligen Römischen Reich eine Oberschicht ursprünglich unfreier „Dienstmannen“<br />

(Dienstleute) im Hof-, Verwaltungs- und Kriegsdienst<br />

�Ein im (ursprünglich kaiserlichen) Dienst stehender Beamter und gehörte im Mittelalter dem<br />

Stand des Dienst- bzw. Ministerialadels an<br />

10.)Quelle: 676<br />

Quelle�Lex Familiae Wormatiensis ecclesiae ( Hof-& Dienstrecht des Bischofs Burchard von<br />

Worms) Dez 1023-Aug 1025<br />

a.)Welchem Rechtskreis ist diese Rechtsquelle zuzuordnen?<br />

Ein weiterer Rechtskreis war der des Hofrechts, nach dem die hörige & unfreie ländliche<br />

Bevölkerung lebte.<br />

b.) Wie kamen derartige Rechtsquellen also in der Regel zustande?<br />

Jede Grundherrschaft bildete eine Hofgenossenschaft, in der ein HOFRECHT galt.<br />

Dieses kam meist in Weistumsform zustande, indem auf Befragen durch grundherrliche Beamte &<br />

unter deren mehr oder weniger starkem Einfluss die Bauern selbst erklärten, was nach ihrer<br />

Überzeugung altüberliefertes Recht war.<br />

Diese bäuerlichen Weistümer haben nicht nur als Rechtserzeugungs-& Rechtserkenntnisquellen<br />

Bedeutung, sondern sind auch wichtige Erkenntnisquellen für die bäuerliche Sozial- &<br />

Kulturgeschichte.<br />

11.)Quelle: 679<br />

Quelle�Sachsenspiegel – Landrecht, 1221-1224/25(Reimvorrede)<br />

a.)Um welchen Rechtsquellentypus handelt es hier?<br />

Keine Rechtserzeugungsquellen waren ihrem Ursprung nach die später jedoch wie Gesetze<br />

geltenden RECHTSBÜCHER. Rechtsbücher waren private Darstellungen des geltenden Rechts. Je<br />

nach dem von ihnen dargestellten Recht handelt es sich um Landrechtsbücher, Lehnrechtsbücher<br />

oder Stadtrechtsbücher.<br />

Das berühmteste Rechtsbuch des Mittelalters ist der Sachsenspiegel, das Land-&Lehnrechtsbuch<br />

des Eike von Repgow.<br />

8 karinaa


.)Worin lag die Bedeutung dieser konkreten Rechtsquelle?<br />

Verfasser � Lehnsmann des Stiftvogtes von Quedlingburg & Halberstadt, des Grafen Hoyer von<br />

Falkenstein, & er entstammte einer Familie, die in die Ministerialität abgestiegen war & sich dabei<br />

die Qualifikation für das Schöffenamt im Grafengericht vorbehalten hatte.<br />

Der Sachsenspiegel muss in der Zeitspanne zw. Den Jahren 1220 & 1235 entstanden sein.<br />

Denn die Confoederation cum principibus ecclesaiatictis von 1220 ist darin bereits berücksichtigt,<br />

der Mainzer Reichslandfrieden 1235 dagegen nicht mehr.<br />

In der wichtigsten politischen Auseinandersetzung seiner Zeit, der zw. Staat & Kirche, ergriff der<br />

SP die Partei des Kaisers.<br />

Gleich am Anfang seines Rechtsbuches vertritt Eike von Repgow eine koordinierende 2-<br />

Schwerterlehre.<br />

c.) Kennen Sie andere derartige Rechtsquellen?<br />

Nach dem Vorbild des Sachsenspiegel entstand um 1275 in Augsburg von einem unbekannten<br />

Autor des Kaiserlichen Land-&Lehnrechtsbuch, das seit dem 17.Jh. als SCHWABENSPIEGEL<br />

bezeichnet wird.<br />

Wr. STADTRECHTSBUCH ( aus der 2.Hälfte des 14.Jh. )<br />

12.)Quelle: 685<br />

Quelle� Kölner Schreinsbücher, Eintrag im Verpfändungsbuch, 1262<br />

Es sei bekannt, dass Ingebrand & seine Frau Gertrud ihr gegenüber der Kirche zum Hl. Martin<br />

gelegenes Haus für 50 Mark Kölner Pfennige den Kindern was Ulrich & der Elisabeth zu Pfand<br />

gegeben haben, so dass sie jedes Jahr 10 Mark den genannten Kindern anweisen, bis die genannten<br />

50 Mark ausbezahlt sind, unter der Auflage, dass das Haus frei & zur Gänze an die genannten<br />

Kinder fällt, wenn die genannte Summe nicht bis zum letzten Termin bezahlt worden ist.<br />

Geschehen 1262.<br />

a.)Um welche Art von Rechtsquelle handelt es sich hier?<br />

STADTBÜCHER<br />

Diese sind nicht private Darstellungen des geltenden Rechts, sondern öffentliche Aufzeichnungen<br />

rechtserheblicher Tatsachen oder von Rechtsgeschäften.<br />

Zu den Stadtbüchern zählen<br />

� Schöffenbücher<br />

� Urteilsbücher<br />

� Schuldbücher<br />

� Pfandbücher<br />

9 karinaa


� SChreinskarten – später Schreinsbücher ( 1335, in denen Eigentumsverhältnisse an<br />

Liegenschaften verzeichnet wurden.<br />

Diese Bücher, deren Eintragungen anfangs nur Beweiszweck hatten, wurden, seitdem die<br />

Eintragung konstitutiv für den Eigentumsübergang war, die Vorläufer der modernen Grundbücher.<br />

b.)Von welchem Rechtsgeschäft handelt die Stelle ?<br />

Pfand<br />

13.)Quelle: 687<br />

Quelle � Imbreviaturbücher des Notars Jakob Haas, Eintragung vom 1.11.1237<br />

Pferd, 54 Pfund<br />

a.)Was wissen Sie über diese Art von Rechtsquelle?<br />

Notariatsurkunden<br />

Erkenntnisquellen für das mittelalterliche Recht sind schließlich die, einen im MA neuen<br />

Urkundetyp darstellenden Notariatsurkunden. Diese genossen öffentlichen Glauben. Ihre<br />

Bedeutung als Rechtserkenntnisquellen haben sie, weil die Notare den wesentlichen Inhalt der von<br />

ihnen ausgestellten oder beglaubigten Urkunden in Imbreviaturbücher eintrugen.<br />

Das Notariat wurde im 13.Jh. aus Italien über Südtirol im Reich übernommen.<br />

b.)Welchen Rechtsakt beglaubigt dieser Eintrag?<br />

/<br />

KOMMENTATOREN:<br />

2.Mittelalterliche Privatrechtswissenschaft<br />

Kommentatoren ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Rechtsgelehrten, die sich zwischen<br />

dem späten 13. und dem Ende des 15. Jahrhunderts mit der Auslegung der Texte des Corpus Iuris<br />

Civilis beschäftigten. Andere Bezeichnungen für die Angehörigen der Kommentatorenschule sind<br />

Postglossatoren oder Konsiliatoren.<br />

Begriff<br />

Nach der Wiederentdeckung der Digesten im 11. Jahrhundert wurden die römischen Rechtsquellen<br />

zunächst mit kleinen Erläuterungstexten (Glossen) versehen, die am Rand des Textes oder sogar<br />

zwischen den Zeilen notiert wurden und zunächst nur kurze Hinweise zur Bedeutung von einzelnen<br />

Wörtern oder zu parallelen Textstellen enthielten. Ebenso verfuhr man mit den Quellen des<br />

10 karinaa


Kirchenrechts (insbesondere den Texten des Corpus Iuris Canonici), die im Mittelalter und in der<br />

frühen Neuzeit für die Rechtspraxis eine ebenso große Rolle spielten wie die römischen<br />

Rechtstexte. Mit der Zeit kamen immer detailliertere Erläuterungen hinzu. So entstanden<br />

umfangreiche Glossenapparate. Die Verfasser dieser Glossen und Glossenaparate nannte man<br />

Glossatoren. Die Arbeit der Glossatoren fand ihren Abschluss im Glossenapparat des Accursius<br />

(1181/85-1259/63), der in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand. Darin fasste Accursius die<br />

verschiedenen existierenden Glossenapparate zu einem einzigen Erläuterungswerk zusammen.<br />

Die Juristen nach Accursius schrieben keine Glossen mehr, sondern ausführlichere Erläuterungen zu<br />

den einzelnen Gesetzesstellen (leges) des Corpus Iuris bzw. deren Unterabschnitten (Paragraphen).<br />

Diese Erläuterungen, die dem Quellentext weniger eng folgten als die früheren Glossen nannte man<br />

Kommentare. Die Angehörigen der neuen Richtung der Rechtswissenschaft bezeichnet man - weil<br />

sie den Glossatoren zeitlich nachfolgten - als Postglossatoren, im Hinblick auf die von ihnen<br />

hervorgebrachten Texte als Kommentatoren.<br />

Die Kommentatoren waren in weit größerem Umfang als ihre Vorgänger praktisch tätig. Sie<br />

erteilten insbesondere Rechtsgutachten zu schwierigen Fällen. Diese Rechtsgutachten, die oft<br />

gesammelt und veröffentlicht wurden, nennt man consilia oder Konsilien. Von der<br />

Gutachtertätigkeit rührt die Bezeichnung der Kommentatoren als Konsiliatoren her.<br />

Wichtige Vertreter<br />

Die ersten Juristen, die sich zur Kommentatorenschule rechnen lassen, waren - wie Petrus de<br />

Bellaperthica und Jacobus de Ravanis († 1296) - Ende des 13. Jahrhunderts in Südfrankreich tätig.<br />

Insbesondere Cinus de Pistoia (ca. 1270-1336) machte die neue Richtung in Italien bekannt. Zu<br />

den Schülern des Cinus gehört Bartolus de Saxoferrato (1313-1357), der gemeinsam mit seinem<br />

Schüler Baldus de Ubaldis (1327-1400) der bedeutendste Vertreter der Kommentatorenschule sein<br />

dürfte, die Ansichten dieser beiden Juristen erlangte in der gerichtlichen Praxis fast gesetzesgleiche<br />

Wirkung. Aus dem 15. Jahrhundert verdienen Paulus de Castro (†1441) und Iason de Mayno<br />

(1435-1519) Erwähnung.<br />

Iason de Mayno war Lehrer des Andreas Alciatus (1492-1550), des Begründers der neuen<br />

humanistischen Jurisprudenz (auch: mos gallicus), die auf einem exakten philologischen und<br />

historischen Quellenverständnis beruhte und sich weniger um die praktische Anwendung des<br />

rezipierten römischen Rechts sorgte. Auch nach Iason gab es jedoch praktisch orientierte Juristen,<br />

die nach der Methode der Kommentatoren arbeiteten. Diese Anhänger des sogenannten mos<br />

italicus (italienische Methode, weil die wichtigsten Kommentatoren Italienier waren, während die<br />

Hauptvertreter der neuen humanistischen Rechtswissenschaft in Frankreich wirkten) im 16. und<br />

17. Jahrhundert werden aber nicht mehr als Mitglieder der Kommentatorenschule angesehen.<br />

GLOSSATOREN<br />

Als Glossator bezeichnet man den Verfasser einer Glosse, d. h. einer erklärenden Anmerkung zu<br />

einem Text, oder eines Kommentars, der aus mehreren solchen Anmerkungen besteht. In der<br />

engeren Bedeutung bezeichnet man als Glossatoren die Rechtsgelehrten, die im 12. und 13.<br />

Jahrhundert in Italien die Quellen des weltlichen römischen Rechts mit Glossen versahen.<br />

11 karinaa


•<br />

Allgemeine Worterklärung<br />

Das Wort glos(s)ator entstand im mittelalterlichen Latein als Nominalisierung des gleichfalls<br />

mittellateinischen Verbs glos(s)are ("mit einer Glosse versehen") und wurde als fachsprachlicher<br />

Latinismus seit dem Ausgang des Mittelalters in das Deutsche und in mehrere andere europäische<br />

Volkssprachen entlehnt (u.a. franz. glossateur, ital. chiosatore [1] , für Rechtstexte jedoch meist<br />

glossatore, span. glosador). Das Wort ist bis heute ein fachsprachlicher Ausdruck geblieben, der<br />

vornehmlich von Philologen, Historikern und Kodikologen verwendet wird und sich dann in der<br />

Regel auf den Verfasser einer antiken oder mittelalterlichen Glosse zu einem biblischen, antiken<br />

oder mittelalterlichen Text bezieht.<br />

Juristische Glossatoren<br />

In einer engeren, von der lateinischen Fachsprache mittelalterlicher Juristen geprägten Bedeutung,<br />

die auch von modernen Rechtshistorikern beibehalten wurde, bezeichnet man als Glossatoren<br />

speziell die Lehrer des weltlichen Rechts, die im 12. und der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in<br />

Italien, vornehmlich in Bologna, die Texte des Corpus Iuris Civilis (einer Sammlung von Quellen<br />

des antiken römischen Rechts) kommentierten. Sie versahen diese Texte mit Glossen (glossae),<br />

die in der Regel an den Rand (Marginalglosse) oder zwischen die Zeilen (Interlinearglosse) des<br />

Gesetzestextes geschrieben wurden. Daneben beschrieben sie einzelne rechtliche Probleme<br />

(summae) und lösten Widersprüche zwischen verschiedenen Textstellen auf (distinctiones). Eine<br />

den gesamten Regelungsgehalt einer Rechtsvorschrift erläuternde Behandlung war ihnen jedoch<br />

weitgehend fremd und wurde erst bei den Postglossatoren – auch Kommentatoren oder<br />

Consiliatoren genannt – üblich.<br />

Die bedeutendsten Glossatoren dieses Typs waren Irnerius, Azo und Accursius (Zusammenfassung<br />

der bisherigen Glossen zur Glossa ordinaria 1250). Ihr Werk wurde am Ende des 13. und im 14.<br />

Jahrhundert von den Postglossatoren (besonders Cinus de Pistoia, Bartolus de Saxoferrato und<br />

Baldus de Ubaldis) fortgesetzt. Durch die modernisierende Rezeption des römischen Rechts bei den<br />

Glossatoren und Postglossatoren wurde dieses zur Grundlage für das kontinentaleuropäische<br />

Privatrecht.<br />

Auch bei den Kanonisten, den Fachleuten des mittelalterlichen Kirchenrechts, gab es faktisch<br />

Glossatoren, auch wenn sie nicht typischerweise so genannt werden, nämlich einerseits die<br />

Dekretisten, die sich der Kommentierung des Decretum Gratiani widmeten, und die Dekretalisten,<br />

die die päpstlichen Dekretalen kommentierten. Unter den Dekretisten sind besonders Hugutius<br />

von Pisa, Tankred von Bologna, Laurentius Hispanus und Johannes Teutonicus zu nennen; unter<br />

den Dekretalisten verdienen Bernardus von Pavia, Raimund von Penyafort und Johannes Andreae<br />

Erwähnung<br />

1.)Quelle: 848<br />

Quelle�Thomas Diplovatatius ( 1468-1541), De claris iuris consultis<br />

a.)Was ist unter dem hier genannten „Ius civile“ zu verstehen?<br />

Das Ius civile war im römischen Recht die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die ausschließlich auf<br />

die römischen Staatsbürger angewandt wurden, und bestand aus dem Zwölftafelgesetz. Es stand<br />

dabei im Gegensatz zu den Bestimmungen, welche den Umgang mit Ausländern regelten und die als<br />

Ius gentium bezeichnet wurden.<br />

12 karinaa


.)Kennen Sie andere Glossatoren als den hier genannten?<br />

Das röm. Recht des justinianischen Gesetzeswerkes wurde an der Wende vom 11. Zum 12. Jh. Von<br />

Vertretern einer wissenschaftlichen Richtung, deren Haupt der als die Leuchte des Rechts (lucerna<br />

iuris) gefeierte Irnerius war, mit Wort-& Sacherklärungen, den Glossen, versehen.<br />

Dabei schrieb man die Glossen anfangs zw. Die Zeilen des Gesetzestextes (glossae interlinearus),<br />

dann der Übersichtlichkeit halber an den Rand (glossae marginales).<br />

Die Schule des Irnerius wird daher die der Glossatoren genannt.<br />

�quattuor doctores<br />

� Martinus<br />

� Bulgarus<br />

� Hugo<br />

� Jacobus<br />

Die 1158 auf dem Reichstag von Roncaglia auf Geheiß Kaiser Friedrichs I. den für die<br />

Verfassungspraxis bedeutsamen Regalienkatalog aufstellen.<br />

2.)Quelle: 852<br />

Quelle�<br />

a.)Was sind Glossen?<br />

Das röm. Recht des justinianischen Gesetzeswerkes wurde an der Wende vom 11. Zum 12. Jh. Von<br />

Vertretern einer wissenschaftlichen Richtung, deren Haupt der als die Leuchte des Rechts (lucerna<br />

iuris) gefeierte Irnerius war,<br />

mit Wort-& Sacherklärungen, den Glossen, versehen.<br />

b.) Was wissen Sie über die Glosse Accursius?<br />

Das wissenschaftliche Werk der Glossatoren krönte im 13.Jh. die alle vorliegenden Glossen<br />

zusammenfassende, 96.940 Glossen enthaltende GLOSSA ORDINARIA des ACCURSIUS.<br />

Durch sie war die bisherige Glossenliteratur überflüssig geworden, & es orientieren sich später die<br />

Gerichte bei der Anwendung des röm. Rechts allein an der GLOSSA ORDNARIA des ACCURSIUS,<br />

sodass im Hinblick auf diese das Prinzip galt:<br />

Quid-quid non agnoscit glossa, non agnoscit curia. Insbes. Bedeute dies, dass auch die von den<br />

Glossatoren nicht bearbeiteten griechischen Rechtstexte, die sich vor allem in den Novellen<br />

Justinians finden, nicht berücksichtigt wurden.<br />

3.)Quelle: 855<br />

Quelle� Bartolus de Saxoferrato (1313-1357), Commentaria super Codicem<br />

a.)Inwiefern kommt in dieser Stelle ein Unterschied der von Bartolus vertretenen<br />

Schule zu der der Glossatoren zum Ausdruck?<br />

13 karinaa


Allerdings sahen die Glossatoren das Gesetzwerk Justinians, wie es war, als geltendes Recht an,<br />

ohne auf die andersartigen sozialen & wirtschaftlichen Gegebenheiten im damaligen Oberitalien<br />

Rücksicht zu nehmen. Sie vermochten daher dem röm. Recht noch keine große praktische<br />

Bedeutung zu verschaffen. Erst die Vertreter einer späteren wissenschaftlichen Richtung, früher<br />

POSTGLOSSATOREN, heute nach ihrer Tätigkeit KONSILIATOREN oder<br />

KOMMENTATOREN genannt.<br />

b.)Was ist darunter zu verstehen, dass kanonisches Recht angewendet wird, „wenn es<br />

um sündhaftes Verhalten“ geht?<br />

Das kanonische Recht ist das Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche des lateinischen<br />

Ritus sowie der katholischen Ostkirchen. Es regelt die internen Angelegenheiten der kirchlichen<br />

Gemeinschaft und sieht für viele Bereiche eine eigene Gerichtsbarkeit vor. Sein Name leitet sich<br />

von griechisch/lateinisch canon („Richtschnur“) ab, weil die einzelnen Normkomplexe im Codex<br />

des kanonischen Rechtes als Canones bezeichnet werden.<br />

Die Sammlung und Kodifizierung des Kirchenrechts begann im Mittelalter und führte zu der<br />

Sammlung des Corpus Iuris Canonici, das bis 1917 das maßgebliche Gesetzbuch der römischkatholischen<br />

Kirche blieb. 1917 erschien für die lateinische Kirche erstmals der neubearbeitete<br />

Codex Iuris Canonici, der 1983 komplett überarbeitet wurde. Für die katholischen Ostkirchen<br />

wurde 1990 der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium erlassen.<br />

Das Recht der katholischen Kirche trieb die Entwicklung des deutschen Prozessrechtes,<br />

namentlich des Strafprozesses, stark voran. Auch das Schuldrecht ist zum Beispiel durch den aus<br />

dem kanonischen Recht stammenden Grundsatz pacta sunt servanda („Verträge müssen<br />

eingehalten werden“) wesentlich beeinflusst worden, weil damit die strenge Förmlichkeit des<br />

römischen Rechts überwunden werden konnte. Im Eherecht schränkte es die Verwandtenheirat ein<br />

und begründete die gegenseitige eheliche Treuepflicht. Die Kanonistik war bei der Vermittlung des<br />

moraltheologischen Begriffs der Strafe an das weltliche Strafrecht von zentraler Bedeutung.<br />

c.)Teilte die Kirche diese Geltungslehre der Glossatoren?<br />

Auch bei den Kanonisten, den Fachleuten des mittelalterlichen Kirchenrechts, gab es faktisch<br />

Glossatoren, auch wenn sie nicht typischerweise so genannt werden, nämlich einerseits die<br />

Dekretisten, die sich der Kommentierung des Decretum Gratiani widmeten, und die Dekretalisten,<br />

die die päpstlichen Dekretalen kommentierten. Unter den Dekretisten sind besonders Hugutius<br />

von Pisa, Tankred von Bologna, Laurentius Hispanus und Johannes Teutonicus zu nennen; unter<br />

den Dekretalisten verdienen Bernardus von Pavia, Raimund von Penyafort und Johannes Andreae<br />

Erwähnung.<br />

d.)Was sind die angesprochenen „Dekretalen“ ?<br />

Andere Kanonisten machten die seit dem 12.Jh. von den Päpsten erlassenen Gesetze zum<br />

Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Arbeit, die Dekretalen, die anfangs privat gesammelt wurden,<br />

im 13. & 14.Jh. aber von der Kurie offiziell in 3 Sammlungen zusammengefasst wurden.<br />

4.)Quelle: 856, 1.Absatz<br />

Quelle�<br />

a.)Was versteht man unter den hier genannten „Statuten“?<br />

14 karinaa


Im internationalen Privatrecht diejenige Rechtsordnung, die zur Entscheidung in der Sache<br />

heranzuziehen ist,<br />

b.)Welches allgemeine Rechtsproblem wird in dieser Stelle behandelt & wie gingen<br />

die Kommentatoren an dieses Rechtsproblem heran?<br />

Bei dieser Stofferweiterung waren die Kommentatoren von jenem intellektuellen Bedürfnis<br />

geleitet, das für den mittelalterlichen Menschen infolge der damaligen Einheit des Weltbildes<br />

typisch war: Widersprüche, die, weil alle Dinge letztlich von Gott herrühren, nur scheinbar sein<br />

können, durch Harmonisierung zu überwinden.<br />

Die Kommentatoren entwickelten zu diesem Zweck einen Apparat von Rechtsanwendungs-&<br />

Auslegungsregeln, der sie zu den Vätern der europäischen Rechtswissenschaft werden ließ. Für den<br />

Fall der Kollision von Statuten stellten sie mit ihrer Statutentheorie Rechtsanwendungsregeln auf,<br />

mit denen sie die Vorläufer der späteren Wissenschaft des Internationalen Privatrechts wurden.<br />

5.)Quelle: 860<br />

Quelle�Baldus de Ubaldis (1320/27-1400), Codicis libros commentaris<br />

a.)Welches Tätigkeitsfeld der Kommentatoren wird hier bes. hervorgehoben?<br />

/<br />

b.)Welche weiteren Tätigkeitsfelder der Kommentatoren unterscheiden sie von den<br />

Glossatoren?<br />

Allerdings sahen die Glossatoren das Gesetzwerk Justinians, wie es war, als geltendes Recht an,<br />

ohne auf die andersartigen sozialen & wirtschaftlichen Gegebenheiten im damaligen Oberitalien<br />

Rücksicht zu nehmen. Sie vermochten daher dem röm. Recht noch keine große praktische<br />

Bedeutung zu verschaffen. Erst die Vertreter einer späteren wissenschaftlichen Richtung, früher<br />

POSTGLOSSATOREN, heute nach ihrer Tätigkeit KONSILIATOREN oder<br />

KOMMENTATOREN genannt, passten das röm. Recht den Bedürfnissen der Zeit an. Sie<br />

beschränkten sich bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit nicht mehr auf das röm. Recht, sondern<br />

bezogen in diese auch die anderen damals Geltung beanspruchenden Recht ein: das kanonische<br />

Recht & das langobardische Recht, welches letztere sich vielfach in den Statuten der<br />

oberitalienischen Städte niedergeschlagen hatte.<br />

15 karinaa


Bei dieser Stofferweiterung waren die K von jenem intellektuellen Bedürfnis geleitet, das für den<br />

mittelalterlichen Menschen infolge der damaligen Einheit des Weltbildes typisch war:<br />

Widersprüche, die, weil alle Dinge letztlich von Gott herrühren, nur scheinbar sein können, durch<br />

Harmonisierung zu überwinden.<br />

Die Kommentatoren entwickelten zu diesem Zweck einen Apparat von Rechtsanwendungs-&<br />

Auslegungsregeln, der sie zu den Vätern der europäischen Rechtswissenschaft werden ließ. Für den<br />

Fall der Kollision von Statuten stellten sie mit ihrer Statutentheorie Rechtsanwendungsregeln auf,<br />

mit denen sie die Vorläufer der späteren Wissenschaft des Internationalen Privatrechts wurden.<br />

6.)Quelle: 864<br />

Quelle� Burchard von Ursberg, Chronicon, um 1229/30<br />

a.)Was war das genannte „Werk“ Gratians?<br />

Allerdings studierte man an den oberitalienischen Unis das kanonische Recht, Kanonistik. Im<br />

12.Jh. hatte der Mönch GRATIAN in Bologna ein Lehrbuch des Kirchenrechts (Decretum<br />

Gratian) verfasst, in dem er aus jenem dem MA eigenen intellektuellen Bedürfnis nach<br />

Harmonisierung aller nur als scheinbar verstandenen Gegensätzlichkeiten die Widersprüche der<br />

verschiedenen kirchlichen RN durch eine einheitliche Darstellung zu überwinden versuchte & die<br />

daher ursprünglich auch den Titel einer CONCORDANTIA DISCORDANTIUM CANONUM trug.<br />

b.)Was wissen Sie über die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Werk bzw.<br />

mit dem kanonisches Recht?<br />

Das Decretum Gratiani wurde nun nach einer derjenigen der Glossatoren entsprechenden Methode<br />

von Kanonisten wissenschaftlich bearbeitet, die daher die Dekretisten genannt werden. Andere<br />

Kanonisten machten die seit dem 12.Jh. von den Päpsten erlassenen Gesetze zum Gegenstand<br />

ihrer wissenschaftlichen Arbeit, die Dekretalen, die anfangs privat gesammelt wurden, im 13.Jh. &<br />

14.Jh. aber von der Kurie offiziell in 3 Sammlungen zusammengefasst wurden.<br />

c.)Das genannte wissenschaftliche Werk ging schließlich in welchem anderen Werk<br />

auf?<br />

16 karinaa


Diese 3 päpstlichen Dekretalsammlungen wurden schließlich mit dem Decretum Gratiani & 2<br />

weiteren Dekretalensammlungen zum CORPUS IURIS CANONICI vereinigt. Die Kanonisten, die<br />

sich mit den Dekretalen wissenschaftlich beschäftigten, waren die Dekretalisten.<br />

7.)Quelle: 865<br />

Quelle� Wolfgang Adam Lauterbach, Collegium theoretico – practicum ad quinquaginta<br />

pandectarum libros, 1690-1711<br />

a.)Da das andere Werk das CJC ist, welches ist dann das eine?<br />

Das Corpus Iuris Canonici (CIC, CICa oder auch CICan) ist eine Sammlung von römischkatholischem<br />

Kirchenrecht, die im Mittelalter nach und nach geschaffen wurde.<br />

Das CICa besteht aus sechs Teilen:<br />

• Decretum Gratiani, um 1140<br />

• Decretales Gregorii IX. oder Liber Extra, 1234 (Abkürzung: X)<br />

• Liber Sextus Bonifacii, 1298 (Abkürzung: VI.)<br />

• Clementinae, 1314 (Abkürzung: Clem.)<br />

• Extravagantes Johannis XXII. (Abkürzung: Extrav. Joh.XXII.)<br />

• Extravagantes Communes (Abkürzung: Extrav.comm.)<br />

Decretum Gratiani<br />

Am Anfang des Corpus Iuris Canonici stand das Decretum Gratiani oder – wie das Werk von<br />

Gratian selbst genannt wurde – die Concordantia discordantium canonum (frei übersetzt „das<br />

Werk, das die widersprüchlichen Kirchenrechtsquellen in Übereinstimmung bringt“). Bereits der<br />

Titel zeigt Gratians Ziel, Ordnung in die unübersichtliche Vielzahl an verschiedenen, sich teils<br />

widersprechenden kirchenrechtlichen Bestimmungen zu bringen. Gratian gliederte seine<br />

Rechtssammlung nach inhaltlichen Gesichtspunkten, ordnete die verschiedenen bestehenden<br />

Kirchenrechtsquellen wie Konzilsbeschlüsse und Papsterlasse systematisch zu und erklärte, wie die<br />

Rechtsquellen miteinander zusammenhängen. Dadurch schaffte er eine gut handhabbare<br />

Rechtssammlung, die das Kirchenrecht wesentlich übersichtlicher machte.<br />

Vor Gratian gab es auch schon andere Kirchenrechtssammlungen, z. B. den Pseudoisidor und die<br />

Sammlungen von Burchard von Worms und Ivo von Chartres. Allerdings war die Sammlung<br />

Gratians besser als die anderen Sammlungen, sodass das Decretum Gratiani bald alle anderen<br />

Kirchenrechtssammlungen verdrängte und diejenige Kirchenrechtssammlung wurde, die von allen<br />

Juristen angewandt wurde. Bald auch begannen Glossatoren das Decretum Gratiani wissenschaftlich<br />

zu bearbeiten.<br />

Compilationes Antiquae<br />

In der Zeit nach Gratian fand in der der Kirche ein Organisationswandel statt. Das Kirchenrecht<br />

war in der Spätantike und im frühen Mittelalter vor allem durch Bischofsversammlungen, die<br />

Konzilien, geschaffen worden (siehe auch Canones). Seit dem Hochmittelalter hatten aber die<br />

Päpste innerkirchlich so viel Macht erlangt, dass nun sie hauptsächlich die Rechtsetzung<br />

durchführten.Die Weiterentwicklungen des Kirchenrechts nach Gratian sowie die immer wichtiger<br />

werdenden Dekretalen (päpstliche Rechtssprüche) wurden in fünf neuen Gesetzbüchern, den<br />

sogenannten Compilationes Antiquae festgehalten:<br />

17 karinaa


• Breviarium extravagantium (Dekretalen 1187–1191), verfasst von Bernhard von Pavia<br />

• Compilatio secunda, auch Decretales mediæ (Dekretalen 1191–1198), verfasst von<br />

Johann von Wales<br />

• Compilatio tertia (Dekretalen 1198–1210), verfasst von Collivacinus von Benevent im<br />

Auftrag Innozenz III.<br />

• Compilatio quarta (Dekretalen 1210–1215 und Ergebnisse des 4. Laterankonzils 1215),<br />

anonym<br />

• Compilatio quinta, verfasst im Auftrag Honorius III.<br />

Liber Extra<br />

Um 1230 beauftragte Papst Gregor IX. den Dominikaner Raymund von Peñafort mit einer<br />

Sammlung des gesamten bisherigen Kirchenrechts, die die bisherigen Sammlungen ersetzen sollte.<br />

1234 erschien seine in fünf Bücher gegliederte Sammlung, die mit fast 2000 Dekretalen das seit<br />

dem Decretum Gratiani neu geschaffene Recht enthielt. Die neue unbetitelte Sammlung wurde als<br />

Decretales Gregorii IX, manchmal auch in Anklang an die fünf früheren Sammlungen als<br />

Compilatio Sexta, meist jedoch als Collectio seu liber extra oder einfach Liber Extra bezeichnet.<br />

Weitere Ergänzungen<br />

Das nach dem Liber Extra entstandene neue Recht veröffentlichte Papst Bonifaz VIII. 1298 im<br />

Liber Sextus (Das sechste Buch), das als Ergänzung der fünf Bücher des Liber Extra konzipiert war<br />

und dessen Gliederung übernahm.<br />

Wie derLiber Extra und der Liber Sextus versammeln auch die ergänzenden Clementinen (1317)<br />

und Extravaganten (1325–1327) hauptsächlich päpstliche Rechtssprüche (Dekretalen).<br />

Alle Bücher des Corpus Iuris Canonici wurden durch Glossatoren und Kommentatoren<br />

wissenschaftlich bearbeitet (vgl. auch Gemeines Recht).Das Corpus Iuris Canonici wurde im 16.<br />

Jahrhundert durch die sogenannten Correctores Romani einer amtlichen Bearbeitung unterzogen<br />

und 1582 neu veröffentlicht. Erst 1917 wurde es vom Codex Iuris Canonici abgelöst.<br />

Codex Iuris Canonici<br />

Der Codex Iuris Canonici (CIC; zu deutsch: Codex des kanonischen Rechtes) ist das<br />

Gesetzbuch der katholischen Kirche im lateinischen Bereich. Es wurde in seiner jetzigen Fassung<br />

am 25. Januar 1983 von Papst Johannes Paul II. mit der Apostolischen Konstitution Sacrae<br />

Disciplinae Leges promulgiert und ist seit dem Ersten Adventssonntag desselben Jahres in Kraft.<br />

Der Codex von 1983 löste damit seinen Vorgängercodex, den CIC von 1917, ab. Der CIC vom 27.<br />

Mai 1917 stellte die erste Kodifikation des lateinischen Kirchenrechts dar. In Auftrag gegeben von<br />

Papst Pius X. und maßgeblich erarbeitet von Pietro Gasparri, setzte Papst Benedikt XV. dieses<br />

zentralisierende Rechtsbuch in Kraft. Die als Römischer Zentralismus kritisierte Stärkung der<br />

päpstlichen Rechtszuständigkeiten wurde vom Vatikan auch aus den niederschmetternden<br />

Erfahrungen päpstlicher Ohnmacht angesichts des Ersten Weltkriegs vorangetrieben.<br />

Bischofsweihen beispielsweise dürfen seither nicht mehr unter die Kontrolle nationaler Politik<br />

fallen.<br />

Für die auch zur katholischen Kirche gehörenden sog. unierten Ostkirchen existiert ein eigenes<br />

Gesetzbuch, der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO).<br />

Vorgeschichte<br />

Im ersten Jahrtausend bestand kein einheitliches Kirchenrecht, sondern nur die lokalen<br />

kirchenrechtlichen Regelungen der Ortskirchen, ergänzt durch die Dekrete des Papstes. Sie wurden<br />

18 karinaa


erst im Mittelalter nach und nach in Sammlungen zusammengefasst wie z.B. den Liber Extra<br />

(1234), den Liber Sextus (1298) und den Clementinae (Anfang 14. Jahrhundert). Die meisten<br />

Regelungen lehnten sich an die römische Rechtsprechungspraxis des Corpus Iuris Civilis von<br />

Kaiser Justinian I. an und führten zur Schaffung entsprechender Gerichtsverfahren (in Form der<br />

Inquisition) mit kollegial arbeitenden Kirchengerichten.<br />

Die sechs wichtigsten so entstandenen Kompilationen bildeten zusammen das Corpus Iuris<br />

Canonici und (in dessen überarbeiteter Fassung von 1582) somit bis 1917 das in der katholischen<br />

Kirche geltende Kirchenrecht.Das Erste Vatikanische Konzil regte die Schaffung eines einzigen,<br />

einheitlichen katholischen Gesetzbuches an, welches von Papst Pius X. bei der durch ihn<br />

gebildeten Päpstlichen Kommission für Kodifizierung des Kanonischen Rechts in Auftrag gegeben<br />

und 1917 fertiggestellt wurde.<br />

b.)Was ist unter dem hier genannten „gemeinen Recht“ zu verstehen?<br />

Das Ius Utrumque, das man nun als das GEMEINE RECHT ( Ius commune ) bezeichnete.<br />

8.)Quelle: 867<br />

Quelle�Pietro Rebuffo, Tractatus nominationum in forensi iudico frequens, valdeque utilis, 1564<br />

a.)Welchen Titel führten dementsprechend die Absolventen des mittelalterlichen<br />

Rechtsstudium?<br />

Die weitreichende Wirkung der Lehrtätigkeit der Kommentatoren wie der Kanonisten bestand nun<br />

darin, dass die Absolventen des Studiums der Legistik & der Kanonistik als Doktoren beider Rechte<br />

( DOCTORES UTRIUSQUE IURIS) in ihre Heimat zurückkehrten & dort Tätigkeiten in<br />

Rechtssprechung & Verwaltung übernahmen. Es verstand sich von selbst, dass diese gelehrten<br />

Juristen bei ihrer Rechtssprechungs-& Verwaltungstätigkeit dasjenige Recht anwandten, das die<br />

studiert hatten: das Ius Utrumque, das man nun als das GEMEINE RECHT ( Ius commune )<br />

bezeichnete.<br />

b.)Was war die Folge davon, dass die Studierenden in diesen beiden Rechtsgebieten<br />

ausgebildet wurden?<br />

Damit wurde der Vorgang der Übernahme des röm-kanonischen Rechts im Europa nördlich der<br />

Alpen & damit auch im Reich eingeleitet, den man die Rezeption des gemeinen Rechts nennt.<br />

9.)Quelle: 871<br />

Quelle� Konzil von Tours, 1236<br />

a.)Was war der hier genannte Offizial?b.)Wie war die kirchliche GB vorher<br />

organisiert?<br />

Gelehrte Juristen wurden zuerst von den Bischöfen in der kirchlichen GB beschäftigt. Das bis dahin<br />

deutschrechtlich organisierte kirchliche Gericht (Sendgericht) wurde durch den erkennenden<br />

Einzelrichter, den Offizial, ersetzt, der ein gelehrter Jurist war.<br />

c.)Welche Folge hatte die Einsetzung derartiger Offiziale?<br />

Die Offiziale der Bischöfe waren daher die ersten, die auf Reichsboden röm.-kanonisches Recht in<br />

der Rechtssprechung anwandten. Man nennt diese Anwendung röm.-kanonischen Rechts durch<br />

gelehrte Juristen in der kirchlichen GB FRÜHREZEPION, die infolge des damals weiten<br />

19 karinaa


Zuständigkeitsbereiches der kirchlichen Gerichte bereits ein beträchtliches Ausmaß hatte & somit<br />

auch schon eine erhebliche Verdrängung des einheimischen dt. Rechts durch das gemeine Recht<br />

bedeutete.<br />

10.)Quelle: 872<br />

Quelle� Gravamina der bayerischen Ritterschaft, 1499<br />

a.)Was ist unter den „gemeinen Landrechten“ zu verstehen?<br />

Nach dem Vorbild der Bischöfe beschäftigten in weiterer Folge auch weltliche Machthaber, im<br />

Reich der König wie die Reichsfürsten & auch die Reichsstädte, gelehrte Juristen. Als nun auch<br />

diese ihrer Rechtssprechung & ihrer Verwaltungstätigkeit das gemeine Recht statt des dt. Rechts<br />

auf der ganzen Linie statt.<br />

b.)Worüber beschwert sich die bayerische Ritterschaft?<br />

Die bayerische Ritterschaft beschwert sich darüber, dass nun gelehrte Juristen eingesetzt werden<br />

und nicht mehr Adelige.<br />

c.)Wie nennt man dieses Vorgang, der zu diesem kritisierenden Zustand führte?<br />

Man nennt die Tatsache der Anwendung des röm.-kanonischen Rechts durch die in weltlichen<br />

Behörden tätigen gelehrten Juristen die profane oder VOLLREZEPTION. Allerdings fand die<br />

Rezeption des gemeinen Rechts & die Verdrängung der dt. Rechts im Großen & Ganzen nur im<br />

Bereich des PR statt, nicht dagegen in dem des Verfassungsrechts.<br />

11.)Quelle: 874<br />

Quelle�Tholomäus von Luca, Determinatio compendiosa de iurisdictione imperii, nach 1272<br />

a.)Welche mittelalterliche Theorie wird hier vertreten?<br />

Die Rezeption des gemeinen Rechts durch die Praxis, daher auch praktische Rezeption genannt,<br />

wurde von den gelehrten Juristen mit 2 Theorien gerechtfertigt, di e in ihrer Gesamtheit<br />

manchmal mit einem schiefen Ausdruck als theoretische Rezeption bezeichnet wurde. Diese<br />

Theorien waren einmal die der TRANSLATIO IMPERII.<br />

b.) Welche Konsequenzen hatte diese Theorie für die Anwendung des gemeinen<br />

Rechts in Dt.?<br />

c.) Traf dies auch für die Geltung des gemeinen Rechts in Frankreich zu?<br />

Nach dieser Auffassung war das mittelalterliche Hl.Röm.Reich der Rechtsnachfolger des<br />

spätantiken Imperiums & der ma Kaiser der des spätantiken Kaisers. Das Gesetzeswerk des<br />

oström. Kaisers Justinian hatte daher nach dieser Theorie im Reich als Kaiserrecht Anspruch auf<br />

Geltung IN COMPLEXU.<br />

Translatio imperii (lat. Übertragung des Reichs) ist eine Theorie des Mittelalters und der frühen<br />

Neuzeit, derzufolge ein Weltreich das andere ablöst.<br />

Es handelt sich dabei um eine im Mittelalter verbreitete Geschichtsauffassung, derzufolge<br />

Geschichte linear verläuft und eine Herrschaft (eines Fürsten oder eines Landes) stets zu einer<br />

Folgeherrschaft (eines anderen Fürsten oder Landes) führt. Weiterhin trennten mittelalterliche<br />

20 karinaa


Geschichtsschreiber nicht zwischen göttlicher und weltlicher Geschichte, da diese in ihren Augen<br />

zusammenhingen.<br />

Wurzeln der translatio imperii<br />

Die Idee der translatio imperii basiert auf der aus dem Buch Daniel stammenden Vier-Reiche-<br />

Lehre.<br />

Translatio imperii im Mittelalter<br />

In seinem Kommentar zum Buch Daniel ordnete der Kirchenvater Hieronymus von Stridon der<br />

Textstelle andere Reiche zu: Babylon, Persien, Griechenland und Rom. Nach dem letzten Reich<br />

sollte das Weltende folgen. Um den Untergang der Welt hinauszuzögern, wollte man im<br />

Mittelalter den Fortbestand des Römischen Reichs verlängern, indem man ein anderes Reich an<br />

seine Stelle setzte. Diese Lehre konnte aber auch zur Legitimation des eigenen universalen<br />

Machtanspruches herangezogen werden. Zunächst beanspruchte das Byzantinische Reich,<br />

Nachfolger Roms zu sein, anschließend das Frankenreich (Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom<br />

durch Papst Leo III. am 25. Dezember 800) und schließlich das Ostfränkische Reich. Im<br />

ostfränkischen Reich war diese Auffassung seit der Kaiserkrönung Ottos des Großen 962 schon im<br />

Namen ersichtlich: "Heiliges Römisches Reich".<br />

Auch diese Übertragung der römischen Kaiserwürde wird als translatio imperii bezeichnet. Die<br />

Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stützten sich auf ihre römischen Vorgänger und leiteten so<br />

ihre Befugnis ab, selbst Recht zu setzen. Sichtbarer Ausdruck für den Fortbestand römischer<br />

Tradition war die Übernahme des römischen Reichsadlers als Wappenzeichen des mittelalterlichen<br />

Kaisertums. Im Zusammenhang mit dieser Lehre steht auch die Anwendung des Corpus Iuris<br />

Civilis, eines Gesetzeswerkes des oströmischen Kaisers Justinian I. Die Vorschriften wurden zwar<br />

gewohnheitsrechtlich übernommen, im Mittelalter bestand aber das Bedürfnis, die Geltung dieser<br />

Rechtssätze auf eine Autorität zu stützen. So entstand die Legende, Kaiser Lothar habe dieses<br />

Gesetzeswerk wiederentdeckt und zu geltendem Recht erklärt (Lotharische Legende). Auf der<br />

Grundlage der translatio imperii erschien es auch konsequent, römisches Recht fortzuführen.<br />

Gelehrte unterschiedlicher Herkunft versuchten, ihr Land an das Ende einer Herrschaftskette zu<br />

setzen, und entwickelten alternative Interpretationen der translatio imperii:<br />

• Otto von Freising (deutscher Bischof, 12. Jh.): Rom → Byzanz → Frankenreich →<br />

Langobardenreich → Heiliges Römisches Reich<br />

• Chrétien de Troyes (französischer Dichter, 12. Jh.): Griechenland → Rom → Frankreich<br />

[1]<br />

• Richard de Bury (englischer Bischof, 14. Jh.): "Athen" (Griechenland) → Rom → "Paris"<br />

(Frankreich) → Großbritannien<br />

12.)Quelle: 876<br />

Quelle�Chronica Durch M.Johan Carion, vleissig zusamen gezogen, 1544<br />

a.)Welche Theorie vertritt der Autor dieser Chronik in der zitierten Stelle?<br />

b.)Was wissen Sie über den „Fund“ der „Römischen Rechtbücher in<br />

Bibliotheken“ durch Irnerius? c.)Welche Konsequenzen hatte diese Theorie für die<br />

Anwendung des gemeinen Rechts? d.) Was ist unter den genannten<br />

„Regimenten“ zu verstehen?<br />

21 karinaa


Eine andere Theorie führte die Geltung des gemeinen Rechts im Reich darauf zurück, dass von<br />

Kaiser Lothar von Supplinburg im 12.Jh. ausdrücklich eingeführt worden sei. Als der Kaiser 1135<br />

mit militärischer Unterstützung der Bürger von Pisa die Stadt Amalfi erobert hatte, habe er eine<br />

dort gefundene Digestenhandschrift den Pisanern zum Lohn geschenkt & auf Bitte des Irnerius<br />

oder der Markgräfin Mathilde von der Toskana die Anwendung des röm. Rechts im Reich<br />

angeordnet (Lotharische Legende).<br />

Die Lotharische Legende ist eine seit dem frühen 16. Jahrhundert widerlegte Legende, nach der<br />

Kaiser Lothar III. im Jahre 1135 nach der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz das römische Recht<br />

im Heiligen Römischen Reich eingeführt habe und im gleichen Zug alles entgegenstehende Recht<br />

beseitigt sowie zukünftige Rechtsänderungen untersagt habe. Dieser Legende liegt die Frage<br />

zugrunde, wie sich das römische Recht im Spätmittelalter in Deutschland ausgebreitet hat.<br />

Die Einführung des römischen Rechtes durch Lothar hätte bedeutet, dass die Übernahme dieses<br />

Rechts auf einem Gesetzgebungsakt beruhte. Indem der Kaiser ein Gesetz dieser Tragweite erließ,<br />

hätte dies zugleich eine Stärkung der kaiserlichen Macht zur Folge gehabt.<br />

Der Polyhistor Hermann Conring hat im Jahre 1643 in seinem Werk De origine iuris germanici<br />

diese Ansicht als Legende entlarvt. Conring weist erstmals quellennah und historisch zutreffend<br />

nach, dass sich das römische Recht durch die wissenschaftliche Rezeption an den Universitäten<br />

ausgebreitet und durch die praktische Anwendung schrittweise gewohnheitsrechtliche Geltung<br />

erlangt hat.<br />

Außerdem sei das römische Recht nur unvollständig und durch vielerlei Umbildungen übernommen<br />

worden. Hinzu kam, dass keine Urkunde des angeblichen Rechtsaktes aufzufinden war.<br />

13.)Quelle: 878<br />

Quelle� Raimund von Wr.Neustadt, Summa legum brevis et levis atque utilis, 14.Jh.<br />

a.)Wozu dienten also Werke, wie das des Raimund?<br />

Die Verbreitung des neuen Rechts im Reich setzte sich seit dem 14.Jh. eine Reihe von mehr oder<br />

weniger popularisierenden Darstellungen zum Ziel wie die in Wr.Neustadt überarbeitete<br />

� SUMMA LEGUM des Raimund von Neapel.<br />

b.)Kennen Sie andere Werke, die das gleiche Ziel verfolgen?<br />

� Klagspiegel ( 1516 herausgegeben von Sebastian Brant) von Reichserbschank Conrad<br />

von Limpurg<br />

� Laienspiegel ( 1509 ) von Ulrich Tengler<br />

14.)Quelle: 883<br />

Quelle� Johann von Buch, Prolog zur Sachsenspiegelglosse, zw. 1325-1355<br />

a.)Für welche Art von rechtwissenschaftlicher Literatur ist dieses Werk Buchs<br />

beispielhaft?<br />

Konkordanzliteratur<br />

b.)Kennen Sie andere Werke dieser Art?<br />

22 karinaa


Nikolaus Wurm, Brüder Dietrich & Tanno von Bocksdorf, die alle Glossen zum Sachsenspiegel<br />

verfassten. Von Wurm stammt außerdem eine Glossierung des Mainzer Reichslandfriedens & eine<br />

ebenfalls romanisierende Tendenz aufweisende Darstellung des sächsischen Rechts.<br />

3.Rezeption, juristischer Humanismus, frühneuzeitliche Rechtsquellen, Usus<br />

modernus<br />

1.)Quelle: 887<br />

Quelle� Ulrich von Hutten, Dialog Praedones, 1520<br />

a.)Wogegen richtet sich Ulrich von Huttens Kritik allgemein?<br />

Gegen die Verdrängung des einheimischen Rechts & der Rezeption des Gemeinen Rechts.<br />

b.)Wieso richtet sich seine Kritik im Besonderen gegen Maximilian I.?<br />

Er lässt sich leichtgläubig von anderen leiten?<br />

2)Quelle: 888<br />

Quelle�Reichskammergerichtsordnung, 7.8.1495<br />

a.)Wie nennt man die hier getroffene Regelung?<br />

Das rezipierte röm. & kanonische Recht, das Gemeine Recht, trat in Konkurrenz mit dem<br />

einheimischen Recht. Für das Verhältnis von einheimischen & gemeinen Recht galt theoretisch<br />

der alte Grundsatz weiter, dass der engere dem weiteren Rechtskreis, in diesem Falle das engere<br />

einheimische Recht dem weiteren Gemeinen Recht vorgehe.<br />

Diese Rechtsanwendungsregel fand auch in das Organisationsgesetz des obertsen Reichsgerichts, in<br />

die Reichskammergerichtsordnung von 1495, Eingang.<br />

Dort hieß es, dass das Reichskammergericht seiner Rechtssprechung primär das einheimische<br />

Recht zugrundezulegen habe. Gemäß dieser Schutzklausel für das einheimische Recht (<br />

23 karinaa


SALVATORISCHE KLAUSEL) sollte das Gemeine Recht dagegen nur subsidiär, bei Fehlen von<br />

einheimischen Rechts, angewendet werden.<br />

b.)Folgte die Rechtspraxis dieses Rechtsanwendungsregel?<br />

Da die im Gem.R. ausgebildeten gelehrten Juristen das einheimische Recht jedoch nicht kannten,<br />

musste es zwecks Anwendung durch das Gericht diesem bewiesen werden. In Bezug auf das Gem.R.<br />

jedoch konnte mit guten Grund unterstellt werden, dass es dem Gericht bekannt war (Iura novit<br />

curia).<br />

Der Nachweis einheimischen Rechts ließ sich nun aber meist nur führen, wenn diese aufgezeichnet<br />

war. Da Aufzeichnungen des einheimischen Rechts jedoch nur in spärlichen Maße vorhanden<br />

waren, konnte es in vielen Fällen nicht bewiesen werden.<br />

� Die Rechtsanwendungsregel nach der der engere Rechtskreis dem weiteren vorging, wurde<br />

deshalb in der Praxis in der Mehrzahl der Fälle in s Gegenteil verkehrt: Das Gericht wendete<br />

primär das Gem.R. an. Es kam zu einer weitgehenden Verdrängung des einheimischen Rechts und<br />

somit zur Rezeption des Gem.R. !!<br />

3.)Quelle: 890<br />

Quelle� Aus einem Konsilium des Johannes Fichard, 1.9.1565<br />

a.)Welches Verhältnis zwischen Gem.R. & einh.R. kommt in dieser Stelle zum<br />

Ausdruck?<br />

Für das Verhältnis von einheimischen & gemeinen Recht galt theoretisch der alte Grundsatz<br />

weiter, dass der engere dem weiteren Rechtskreis, in diesem Falle das engere einheimische Recht<br />

dem weiteren Gemeinen Recht vorgehe.<br />

b.)Wie konnte eine derartige „Tatsache“ bewiesen werden?<br />

Der Nachweis einheimischen Rechts ließ sich nun aber meist nur führen, wenn diese aufgezeichnet<br />

war. Da Aufzeichnungen des einheimischen Rechts jedoch nur in spärlichen Maße vorhanden<br />

waren, konnte es in vielen Fällen nicht bewiesen werden.<br />

4.)Quelle: 891<br />

Quelle� Bernhard Walther, Aurei tractatus iuris Austriaci, 1522 - 1558<br />

a.)Was wissen Sie über den hier genannten Bernhard Walther?<br />

Im ö Raum wird die Bedeutung der humanistischen RW für die Festigung des einheimischen<br />

Landesbrauches bes. deutlich.<br />

Bernhard Walther stammte aus Leipzig & studierte in Italien bei Alciatus . Er war in seiner<br />

beruflichen Tätigkeit in den habsburgerischen Ländern zuerst Rat, dann Kanzler des nö Regiments,<br />

ab 1565 Kanzler des neu geschaffenen innerösterreichischen Regiments. Walther der als Vater der<br />

ö Jurisprudenz bezeichnet wurde, hat in seinen privat-& prozessrechtlichen Abhandlungen einen<br />

24 karinaa


Teil des einheimischen Landesbrauches festgeschrieben & damit dessen Anwendung durch die<br />

Gerichte anstelle des Gem.R. ermöglicht.<br />

b.)Was ist unter dem „Landsbrauch“, was unter den „geschribenen Rechten“ zu<br />

verstehen?<br />

Landsbrauch � einheimisches Recht<br />

Geschriebenes Recht � Gem. Recht<br />

5.)Quelle: 893<br />

Quelle� Ulrich Zasius, Intellectus iuris singulares, 1526<br />

a.)Was wissen Sie über den hier genannten Ulrich Zasius?<br />

Ulrich Zasius spielte eine bedeutsame Vorläuferrolle des juristischen Humanismus, der die Abkehr<br />

von dem auch in der Jurisprudenz üblichen verknöcherten Wissenschaftsbetrieb der Scholastik<br />

darstellt. In der Rechtswissenschaft wird dieser Umbruch mit dem Schlagwort „mos Gallicus“<br />

(französischer Brauch) in Abgrenzung vom „mos Italicus“ (italienischer Brauch) umschrieben. Als<br />

„mos Italicus“ wird die alte Methode bezeichnet, die oftmals unvollständig und nicht authentisch<br />

überlieferten römischen und kanonischen Rechtstexte durch Anpassung an die italienischen Sitten<br />

und Gebräuche zu interpretieren, wie dies bereits seit dem 12. Jahrhundert durch die Glossatoren<br />

und Kommentatoren geschehen war. Hierzu wurden dann weitschweifige, der praktischen<br />

Rechtsanwendung aber wenig förderliche Überlegungen angestellt.<br />

Das Neue der Methode des „mos Gallicus“ liegt zunächst darin, dass durch Textkritik die<br />

authentischen Rechtsquellen wiederhergestellt werden.<br />

Neu ist vor allem aber auch, dass die Interpretation dieser Texte nicht mehr als lebensfremde l’art<br />

pour l’art wie in der Scholastik vorgenommen wird, sondern mit historischem Verständnis und<br />

orientiert am neuen Menschenbild der Renaissance. Zasius war zwar noch dem „mos Italicus“<br />

verhaftet - auch für ihn waren die Digesten (d.h. das römische Recht) leges sacrae, also heilige und<br />

damit unantastbare Gesetze. Am 14. Februar 1517 schreibt Zasius an seinen Freund Claudius<br />

Cantiuncula:<br />

Zasius war aber einer von denjenigen, die begonnen haben, die römischen Quellen vom<br />

Rankenwerk nutzloser Kontroversen zu befreien und sie für die praktische Rechtsanwendung<br />

nutzbar zu machen. So schreibt er in seinen im Jahr 1518 erschienenen Lucubrationes auch für<br />

heute noch Gültiges:<br />

Zusammen mit dem in gleicher Richtung wirkenden italienischen Juristen Andreas Alciatus (1492 -<br />

1550) und dem französischen Juristen Gulielmus Budaeus (1467 - 1540) bildete Zasius das damals<br />

weithin so benannte juristische „Dreigestirn“ jener Zeit (so Erasmus). Aber auch viele Autoren der<br />

sog. Spanischen Spätscholastik, u.a. Diego de Covarrubias y Leyva, waren dem Geist des<br />

juristischen Humanismus verpflichtet.<br />

Einer seiner bekanntesten Schüler war der Frankfurter Jurist Johann Fichard.<br />

Schöpfer der Freiburger Stadtrechtsreformation von 1520<br />

b.)Welche Zielsetzung der humanistsichen RW ist in dieser Stelle erkennbar?<br />

Recht kein Ansehen wenn es nicht auf den Quellen des Rechts oder der klaren Vernunft beruhen ?<br />

25 karinaa


An die Stelle der exegetischen setzte er die systematische Methode. Vorbild der humanistischen<br />

Jurisprudenz war jenes System des röm. Zivilrechts, das angeblich Cicero in einer verloren<br />

gegangenen Schrift mit dem Titel IURE CIVIL IN ARTEM REDIGENDO aufgestellt hatte. Diese<br />

Schrift wiederzufinden oder zumindest ihr System nachzukonstruieren, war das Ziel der<br />

humanistischen Juristen.<br />

c.)Was sind die hier genannten Konsilien?<br />

Die juristischen Konsilien sind ein Produkt des sog. Instituts der Aktenversendung, das ein<br />

typisches Merkmal des frühneuzeitlichen Strafprozesses darstellt. Zeitgenössisch wurden diese auch<br />

Belehrungen oder Responsa genannt. Den Gesamtbestand von Konsilien eines Spruchkörpers<br />

(Juristenfakultät oder Schöppenstuhl) nennt man Spruchakten.<br />

Bei juristischen Konsilien handelt es sich um von einzelnen Juristen oder einem Kollegium<br />

solcher abgefasste Gutachten, die auf Anfrage an einzelne Gerichte oder Prozessparteien versandt<br />

wurden.<br />

6.)Quelle: 894<br />

Quelle� Aus einem Brief des Ulrich Zasius an Claudius, 14.2.1517<br />

a.)Welche „Barbarei“ meint Zasius?<br />

Neu ist vor allem aber auch, dass die Interpretation dieser Texte nicht mehr als lebensfremde l’art<br />

pour l’art wie in der Scholastik vorgenommen wird, sondern mit historischem Verständnis und<br />

orientiert am neuen Menschenbild der Renaissance. Zasius war zwar noch dem „mos Italicus“<br />

verhaftet - auch für ihn waren die Digesten (d.h. das römische Recht) leges sacrae, also heilige und<br />

damit unantastbare Gesetze. Am 14. Februar 1517 schreibt Zasius an seinen Freund Claudius<br />

Cantiuncula:<br />

„Die Barbarei hat wie ein Schlingengewächs den guten alten Stamm des römischen Rechts<br />

überwuchert und verhüllt ihn so sehr, dass es ihrer Entfernung samt der tiefeingesenkten Wurzeln<br />

bedürfte. Diese aber herauszureißen ohne Verletzung des Stammes selbst, scheue ich mich, um<br />

nicht noch mehr Schaden zu tun.“<br />

Zasius war aber einer von denjenigen, die begonnen haben, die römischen Quellen vom<br />

Rankenwerk nutzloser Kontroversen zu befreien und sie für die praktische Rechtsanwendung<br />

nutzbar zu machen. So schreibt er in seinen im Jahr 1518 erschienenen Lucubrationes auch für<br />

heute noch Gültiges:<br />

b.)Was ist unter dem „wohlgeordneten Unterricht“ zu verstehen?<br />

Zasius praktischer Rechtssinn bewährte sich in besonderer Weise bei der Neugestaltung des<br />

Freiburger Stadtrechts von 1520, das im wesentlichen sein Werk ist. Es gilt als wohlgelungene<br />

26 karinaa


Verschmelzung römischen und deutschen Rechts und wird als gesetzgeberische Meisterleistung<br />

seiner Zeit gerühmt. Es war die bis ins 19. Jahrhundert hineinwirkende Grundlage einer<br />

eigenständigen Ordnung des Rechts- und Gerichtswesens der Stadt Freiburg und damit auch die<br />

maßgebliche Rechtsquelle für die Sprüche des Freiburger Oberhofs, dem Vorläufer des jetzigen<br />

Landgerichts Freiburg. Auch über Freiburg hinaus diente es als Vorbild für andere Stadt- und<br />

Landrechte.<br />

7.)Quelle: 898<br />

Quelle�Aus einem Brief des Ulrich Zasius an Johann Fichard, nach 1530<br />

a.)Was wissen Sie über den genannten JOHANN FICHARD?<br />

J.F., der als Syndikus von Frankfurt a.M. die Frankfurter Stadtrechtsreformation von 1578<br />

verfasste, ist für die gesetzgeberischen Leistungen des Humanismus repräsentativ.<br />

b.)Welche Rolle spielt Cicero für die Methodenfrage der Humanisten?<br />

Von der bisherigen Methode der RW, die in einer Exegese der antiken Rechtsquellen bestanden<br />

hatte, wobei im Großen & Ganzen die Lehrmeinungen der ma juristischen Autoritäten mit<br />

logischen Mitteln immer wieder bewahrheitet wurden, wendete sich der Humanismus deshalb ab:<br />

An die Stelle der exegetischen setzte er die systematische Methode.<br />

Vorbild der humanistischen Jurisprudenz war jenes System des röm. Zivilrechts, das angeblich<br />

Cicero in einer verloren gegangenen Schrift mit dem Titel DE IURE CIVILI IN ARTEM<br />

REDIGENDO aufgestellt hatte.<br />

Diese Schrift wiederzufinden oder zumindest ihr System nachzukonstruieren, war das Ziel der<br />

humanistischen Juristen.<br />

8.)Quelle: 904<br />

Quelle�Johannes Sichard, Leges Riboarium, Baioariorumque…, 1530 (Vorwort)<br />

a.)Was wissen Sie über den Autor?<br />

Von den Schülern des Zasius ist Johannes Sichard für das antiquarische Interesse des Humanismus,<br />

das sich über das antike röm. Recht hinaus auf das alte germanische Recht erstreckte, & dessen<br />

Produkte typisch. Sichard gab sowohl die für die Römer des Westgotenreiches vom<br />

Westgotenkönig ALARICH II. 506 in Kraft gesetzte Gesetzessammlungen heraus als auch eine<br />

Anzahl germanischer Volksrechte.<br />

b.)Kennen Sie andere Schüler des Zasius?<br />

SCHÜLER<br />

� Johannes Sichard<br />

� Johann Fichard ( verfasste Frankfurter Stadtrechtsreformation von 1578 )<br />

� Joachim Mynsinger v. Frundeck, Schweizer ( wurde zum Begründer der<br />

KAMERALJURISPRUDENZ, welche die Rechtssprechung des Reichskammergerichts<br />

wissenschaftlich bearbeitete.<br />

9.)Quelle: 908<br />

27 karinaa


Quelle�Aus einem Brief des Ulrich Zasius an Wilibald Pyrkheimer, 4.5.1530<br />

a.)Inwiefern ist die Arbeit von Haloander typisch für den juristischen Humanismus?<br />

Der Humanist Haloander (Gregor Meltzer) veranstaltete die erste kritische Ausgabe der Digesten.<br />

Gregor Haloander war ein deutscher Jurist des beginnenden 16. Jahrhunderts.<br />

Haloander studierte ab 1521 an der Universität Leipzig, widmete sich in den Jahren der<br />

Bauernkriege 1524/25 den Studien in Zeitz und ging Ende 1525 nach Italien, wo er die Schriften<br />

zum Corpus Juris Justinians studierte.<br />

Noch 1527 kehrte er nach Deutschland zurück und betreute die Drucklegung der von ihm<br />

hergestellten Rezension des Digestentextes (littera Haloandrina), die unter dem Titel „Digestorum<br />

seu Pandectarum libri quinquaginta“ 1529 in Nürnberg in drei Bänden erschien. Haloander zog<br />

1531 mit Zustimmung des ihn finanziell unterstützenden Rats der Stadt Nürnberg und mit<br />

Zustimmung des Rats der Stadt Zwickau, der er Rechenschaft schuldete, nach Venedig, Ferrara und<br />

Bologna und stirbt aufgrund ärztlichen Kunstfehlers am 7. Sept. 1531 in Venedig.<br />

Das Verdienst Haloanders ist die Verbreitung römisch-rechtlicher Texte in Deutschland.<br />

Insbesondere in der Quellenkritik machte sich Haloander einen Namen, indem er die Bedeutung des<br />

Ursprungstextes der Pandekten, des Codex Florentinus (sog. „Littera Florentina“) zur Geltung<br />

brachte, den er selbst allerdings nur aus unzuverlässigen Abschriften kannte.<br />

Haloanders ebenfalls 1529 in Nürnberg erschienene Rezension der „Institutionen“ Justinians wurde<br />

nach seinem Tode im deutschen Gebiet rezipiert. Die justinianischen Novellen wurden von<br />

Haloander in seiner Edition von 1531 jedoch nur unvollständig bearbeitet. Diese Arbeit blieb<br />

schließlich Heinrich Scrimger vorbehalten.<br />

Haloanders Quelleneditionen führten allerdings auch dazu, dass die von ihm angestrebte<br />

Konsolidierung der Textgrundlage des gesamten Corpus Juris Civilis vorläufig nicht erreicht wurde.<br />

Dies geschah erst durch die seit 1583 erscheinenden Ausgaben von Dionysius Gothofredus.<br />

10.)Quelle: 909<br />

Quelle�Bernhard Walther, Aurei tractatus iuris Austriaci, 1552 – 1558<br />

a.)Was wissen Sie über die berufliche Tätigkeit Bernhard Walthers?<br />

Im ö Raum wird die Bedeutung der humanistischen RW für die Festigung des einheimischen<br />

Landesbrauches bes. deutlich.<br />

Bernhard Walther stammte aus Leipzig & studierte in Italien bei Alciatus . Er war in seiner<br />

beruflichen Tätigkeit in den habsburgerischen Ländern zuerst Rat, dann Kanzler des nö Regiments,<br />

ab 1565 Kanzler des neu geschaffenen innerösterreichischen Regiments.<br />

b.)Welche Konsequenzen hatte Walthers rechtswissenschaftliches Wirken?<br />

Walther der als Vater der ö Jurisprudenz bezeichnet wurde, hat in seinen privat-&<br />

prozessrechtlichen Abhandlungen einen Teil des einheimischen Landesbrauches festgeschrieben &<br />

damit dessen Anwendung durch die Gerichte anstelle des Gem.R. ermöglicht.<br />

28 karinaa


c.)Kennen Sie andere ö Juristen der frühen Neuzeit? Was waren die deren wichtigsten<br />

Tätigkeiten?<br />

Eine ähnliche Wirkung hatten die CONSUETUDINES AUSTRIACAE des JOHANN BAPTIST<br />

SUTTINGER aus dem Anfang des 18.Jh. sowie die verschiedenen von humanistischen Juristen<br />

verfassten Entwürfe für Landesordnungen der Herzogtümer Ö unter der Enns & Ö ob der Enns:<br />

� Für Ö unter den Enns der Entwurf von Wolfgang Püdler aus dem 16.Jh. & die, allerdings<br />

das röm. Recht stärker berücksichtigende sogenannte „KOMPILATION DER 4<br />

DOKTOREN“<br />

Johann Baptist Suttinger<br />

Johann Michael Seitz<br />

Johann Georg Hartmann<br />

Johann Leopold, aus dem 17.Jh.<br />

� Für Ö ob der Enns der aus dem Anfang des 17.Jh. stammende Entwurf einer Landtafel<br />

von Abraham Schwarz<br />

11.)Quelle: 914<br />

Quelle�Aus einem Brief des Ulrich Zasius an Bonifacius Amerbach, 1.10.1519<br />

a.)Was wissen Sie über den hier genannten Alciatus?<br />

Alciato studierte an den Universitäten in Mailand, Pavia und Bologna Jura und die klassischen<br />

Sprachen. 1514 erhielt er in Ferrara den Titel eines Doktor beider Rechte. Von 1514 bis 1517<br />

arbeitete er als Jurist in Mailand. Ab 1519 war er Professor der Rechtswissenschaft in Avignon.<br />

Diese Stelle gab er aber bereits 1521 wegen Honorarstreitigkeiten wieder auf. Zwischen 1522 und<br />

1527 lebte er in Mailand, als die Stadt nacheinander von französischen und spanischen Truppen<br />

besetzt und von der Pest heimgesucht wurde. Alcitato beschäftigte sich damals mit historischen<br />

und humanistischen Studien. So übersetzte er griechische Autoren wie Aristophanes und er begann<br />

mit seinen Epigrammen, die er später in seinem berühmten Emblembuch verwendete. Beruflich<br />

bemühte er sich vergeblich um eine Professorenstelle in Padua, so dass er 1527 wieder als<br />

Professor nach Avignon zurückkehrte. 1529 übernahm er auf Einladung von Franz I. eine<br />

Professorenstelle in Bourges, wo er bis 1533 lehrte. 1530 wurden seine Werke De verborum<br />

significatione und Commentarii ad rescripta principum in Lyon gedruckt. 1533 kehrte er nach<br />

Italien zurück und wirkte als Professor in Pavia (1533-37, 1541-43, 1547-50), Bologna (1537-<br />

41) und in Ferrara (1543-47) am Hof des Herzogs Ercole d’Este. Andrea Alciato starb 1550 in<br />

Pavia.<br />

Das 2fache Anliegen der humanistischen RW, das einmal in der Erweiterung & Vertiefung der<br />

Quellenkenntnis & zum anderen in der rationalen Ordnung des antiken Rechtsstoffes bestand, trat<br />

am deutlichsten in der auf die Tätigkeit des Alciatus in Bourges zurückgehenden Richtung in<br />

Frankreich zutage, die wegen der Klarheit ihrer Systeme des röm. Rechts & ihres dem klassischen<br />

Latein nacheifernden Sprachniveaus als die ELEGANTE JURISPRUDENZ bezeichnet wird.<br />

b.)Wie ist die Schule zu charakterisieren, der er angehörte?<br />

Der juristischen Arbeitsweise, wie sie die Bartolisten in Italien gepfekgt hatten, dem MOS<br />

ITALICUS, wurde der humanistische MOS GALLICUS entgegengestellt. Auch konnte in F die<br />

29 karinaa


Rechtfertigung für die Rezeption des röm. Rechts nicht wie im Reich in jenen beiden Theorien<br />

erblickt werden, die man als die theoretische Rezeption bezeichnet hat.<br />

Nach der neuen französischen Auffassung galt röm. Recht nicht deshalb, weil das ma Röm. Reich<br />

Rechtsnachfolger des antiken Imperiums war oder weil Kaiser Lothar im 12.Jh. das röm. Recht als<br />

Reichsrecht eingeführt hatte.<br />

Nach dieser Auffassung galt das röm. Recht nicht ratione imperii, sondern einzig & allein wegen<br />

seiner inneren Vorzüge imperio rationis.<br />

12.)Quelle: 915<br />

Quelle� Aus einem Brief des Franciscus Duarenus an Andres Guillartus, Sept. 1544<br />

a.)Welcher Schule gehörte dieser Autor an?<br />

b.)Welche anderen Vertreter dieser Schule kennen Sie?<br />

c.)Welche allg. Kritik an welcher Schule kommt in dieser Stelle klar zum Ausdruck?<br />

Der Sohn des Richters Johann Duarenus, absolvierte ein Studium an der Universität Paris unter<br />

Guillaume Budé und in Bourges arbeitete Douaren als Advokat für das Parlement von Paris. 1538<br />

wurde er nach Bourges berufen. Nach einem heftigen Disput mit Baro legte er sein Amt nieder und<br />

kehrte erst 1551 nach Baro’s Tode dorthin zurück.<br />

Wie seine Landsleute Jacques Cujas, François Hotman and Hugues Doneau, die auch unter dem<br />

Stichwort der "Eleganten Juristen" bekannt wurden, gilt Douaren als einer der führenden<br />

Repräsentanten der juristisch-humanistischen Denkschule bezüglich des römischen Rechts in<br />

Europa. Diese Rechtsprofessoren aus dem 16. Jahrhundert lehnten sich an die philologischen<br />

Methoden italienischer Humanisten zu Gesetzestexten an. Es war ihr Ziel, ein geschichtlich<br />

besseres Verständnis für das römische „Corpus Iuris Civilis“ (römisches Zivilrecht) herbeizuführen.<br />

Neben zahlreichen Kommentaren zum Corpus schrieb Douaren 1544 einen maßgeblichen<br />

Kommentar zum römischen Schuldrecht, den „Commentarius de pactis“, der die modernen<br />

Theorien zum Schuldrecht nachhaltig beeinflusste. Sein 1544 begonnenes Studienprogramm „De<br />

ratione docendi discendique iuris epistola“ war das erste Unterfangen französischer Humanisten,<br />

gallisches Recht („mos gallicus“) auszubilden. Die Kerninhalte - Sprachenstudien, Einführungskurse<br />

zum Justinianischen Recht, methodische Annäherung an das Corpus - wurden von den meisten<br />

europäischen Rechtsfakultäten übernommen.<br />

13.)Quelle: 923<br />

Quelle�Johann Stephan Pütter, Literatur des Teutschen Staatsrechts, 1776<br />

a.)Wie nennt man das Tätigkeitsfeld der beiden in der Stelle genannten Juristen?<br />

30 karinaa


Die Führung der humanistischen Jurisprudenz ging auf eine niederländische Schule über, die ihr<br />

Zentrum an der Uni Löwen hatte, wo GABRIEL VAN DER MUYDEN (MUDAEUS) lehrte, zu<br />

dessen Schülern wiederum ANDREAS GAIL gehörte, der ein bedeutender Vertreter der<br />

KAMERALJURISPRUDENZ wurde.<br />

Joachim Mynsinger v. Frundeck, Schweizer ( wurde zum Begründer der<br />

KAMERALJURISPRUDENZ, welche die Rechtssprechung des Reichskammergerichts<br />

wissenschaftlich bearbeitete.<br />

14.)Quelle: Reichspolizeiordnung 1577<br />

Quelle�<br />

a.)Was wissen Sie über die Quellengattung?<br />

Das einheimische Gewohnheitsrecht, der Landsbrauch, wurde in Landesordnungen oder Landtafeln<br />

& in Stadtrechtsreformationen aufgezeichnet. Da es sich bei den Regelungsmaterialien dieser<br />

Gesetze des 16.Jh. überwiegend um solche der inneren Verwatlung handelte, die nach dem<br />

Sprachgebrauch der Zeit als „Polizei“ bezeichnet wurde, hießen diese Gesetze häufig auch<br />

Polizeiordnungen.<br />

Polizeiordnung werden landesfürstliche Gesetze der frühen Neuzeit bezeichnet, die sowohl<br />

privatrechtliche als auch strafrechtliche Regelungen kodifizierten.<br />

b.)Welche sonstigen Regelungsinhalte derartiger Polizeiordnungen kennen Sie?<br />

Die Polizeiordnungen haben zum Gegenstand die gute öffentliche Ordnung (Kleidung, Hochzeiten,<br />

Spielleute, Bettler, Wucher) und enthielten auch Regelungen zum Wirtschafts und Arbeitsrecht<br />

(Handel, Masse, Gewichte und Preise). Zum Teil enthielten die Polizeiordnungen auch Gerichts-<br />

und Prozessordnungen. Es wurde zwischen Reichspolizeiordnungen und Stadtpolizeiordnungen<br />

unterschieden, wobei die Reichspolizeiordnungen vom König erlassen wurden, die<br />

Stadtpolizeiordnungen vom Stadtherrn. Der Zweck der Polizeiordnungen war stets die öffentliche<br />

Ordnung des sozialen Lebens und der Wirtschaft. Sie waren in erster Linie Führungsinstrumente<br />

und Ausdruck der Konsolidierung der Staatsmacht und trugen somit zur Formung des Staatswesen<br />

bei. Selbst noch in der Phase des aufgeklärten Absolutismus erschienen sie als Gesetzesbefehl des<br />

Fürsten, der seinen Untertanen den Geist des Gehorsams empfahl.<br />

c.)Welche anderen reichsrechtlichen Quellen des PR kennen Sie?<br />

d.)Welche landesrechtlichen Quellen kennen Sie, die PR beinhalten?<br />

15.)Quelle: 924<br />

31 karinaa


Quelle�Hermann Conring, De origine Iuris Germanici, 1643<br />

a.)Welche neue Sicht der Rezeption brachte Hermann Conring hervor?<br />

Für die weitere Anwendung des gemeinen Rechts einerseits & des einheimischen Rechts<br />

andererseits war das Werk von HERMANN CONRING (1606-1681) richtungsweisend.<br />

Dieser erkannte in seinem Buch über die dt. Rechtsgeschichte (De origine Iuris Germanici) von<br />

1643 als erster den wahren Rezeptionsverlauf:<br />

� Corning entlarvte die angebliche Einführung des röm. Rechts als Reichsrecht durch Kaiser<br />

Lothar von Supplinburg als Legende(sog. Lotharische Legende). Das Gemeine Recht ist vielmehr<br />

gewohnheitsrechtlich von den in der GB & Verw. Tätigen gelehrten Juristen im Reich rezipiert<br />

worden.<br />

b.)Welche Folgen hatte dies für den Geltungsanspruch des gem. Rechts?<br />

Damit war dem röm. Recht die Grundlage für den Anspruch auf Geltung in Complexu entzogen.<br />

Nach dieser neuen Sicht der Rezeption galt das röm. Recht nur Satz für Satz kraft tatsächlicher<br />

historischer Anwendung.<br />

Während bis dahin glossierten röm. Recht, wenn ihm nicht aufgezeichnetes einheimisches Recht<br />

entgegenstand, ohne dass es eines Beweises der Geltung des röm. Rechts bedurft hätte,<br />

Geltungskraft beigemessen wurde, konnte nun auch bei Fehlen von aufgezeichnetem einheimischen<br />

Recht die Geltungskraft röm. Rechtssätze in Frage gestellt & der Beweis der tatsächlichen<br />

Rezeption gefordert werden. Dies bed. auf der anderen Seite, dass für einheimische Rechtssätze &<br />

für Abänderungen des röm. Rechts, auch wenn sie nicht aufgezeichnet waren, als Gewohnheitsrecht<br />

der Anspruch auf Geltung erhoben werden konnte.<br />

16.)Quelle: 925<br />

Quelle�Samuel Stryk, Specimen usus modernus pandectarum, 1690/92<br />

a.)Welches Verhätnis zw. Einheimischen & gem. Recht kommt in dieser Stelle zum<br />

Ausdruck?<br />

Conrings neue Sicht des Rezeptionsverlaufs & die aus ihr gezogenen Folgerungen für die<br />

Rechtsandwendung machte sich die Praxis zu eigen. Das neue emanzipierte Verhältnis, das man<br />

nun zu den Quellen des röm. Rechts hatte, wurde später nach dem Titel eines an der Wende vom<br />

17. Zum 18.Jh. erschienenen Buches von Samuel Stryk als der USUS MODERNUS<br />

PANDECTARUM, als der zeitgemäße Gebrauch der DIgesten, bezeichnet.<br />

Die Vertreter der USUS MODERNUS verbanden die Theorie auf verschiedenen, & viele von ihnen<br />

gleichzeitig auf mehreren Rechtsgebieten mit praktischer juristischer Tätigkeit. Ihre Publikationen<br />

sind dementsprechend Beispiele einer an der Gerichtspraxis orientierten sogenannten forensischen<br />

Jurisprudenz.<br />

Die Abweichungen der geltenden einheimischen positiven wie Gewohnheitsrechts vom röm. Recht<br />

zeigte eine eigene zeitgenössische Literaturgattung, die Differentienliteratur, auf.<br />

b.)Was wissen Sie über die Schule des usus modernus pandectarum & ihre Vertreter?<br />

32 karinaa


Wichtige Vertreter des USUS MODERNUS im 17.Jh. waren<br />

� Benedikt Carpzov<br />

� David Mevius<br />

� Georg Adam Struve<br />

17.)Quelle: 928<br />

Quelle�Nicolaus Beckman, Idea iuris statutarii et consuetudinari Stiriaci es Austriaci cum iure<br />

Romano collati, 1688 (Widmung an den Kaiser)<br />

a.)Welcher Literaturgattung ist das zitierte Werk zuzuordnen?<br />

Differentienliteratur<br />

b.)Inwiefern unterscheidet sich diese von der Konkordanzliteratur?<br />

/<br />

33 karinaa


1.) Quelle: 1392<br />

4.Natur-&Vernunftrecht, Kodifikationen<br />

Quelle�Thomas von Aquin, Summa theologica, 1267-1273<br />

a.)Von welchem Naturrecht spricht der Autor?<br />

Die Lehre von der Existenz eines von Natur aus vorhandenen Rechts über dem von Menschen<br />

gesetzten Recht, gab es in der Rechtsphilosophie seit der Antike. Dieses Naturrecht, wie es ein<br />

ARISTOTELES gelehrt hatte, ergab sich nach der röm. RP aus der menschlichen Vernunft, nach<br />

der christlichen Rechtslehre seit dem Kirchenvater AUGUSTINUS stammte es von Gott & war<br />

GÖTTLICHES NATURRECHT, das, insbesondere in der Ausprägung durch THOMAS VON<br />

AQUIN, als Grundlage jedweden Rechts galt.<br />

b.)Welche Akzentuierung des NR erfolgte in der spanischen Spätscholastik?<br />

Das göttliche NR der ma Scholastik war im 1.Jh. der Neuzeit von der SPANISCHEN<br />

SPÄTSCHOLASTIK neu akzentuiert worden. Die mit der Unterwerfung der nichtchristlichen<br />

Bevölkerung in Übersee unter die spanische Herrschaft verbundenen Ausschreitungen hatten<br />

spanische Moraltheologen des 16.Jh. wie<br />

� Francisco de Vitoria<br />

� Domingo de Soto<br />

� Francisco Suarez<br />

� Covarruvias<br />

� Fernando Vasquez<br />

dazu geführt, von der Moraltheologie her, vereinzelt aber, insbes. bei den beiden letztgenannten,<br />

durchaus auch mit juristischen Konsequenzen , die Geltung der Sätze des göttlichen NR für alle<br />

Menschen, auch für die Nichtchristen, & somit für alle Völker zu betonen. Die spanischen<br />

Spätscholastiker können daher auch als Wegbereiter des modernen Völkerrechts angesehen<br />

werden.<br />

c.)Welchem Einfluss hatte der Cartesianismus auf das NR?<br />

Der Cartesianismus bezeichnet die Lehre von René Descartes (lat. Cartesius) und die seiner<br />

Anhänger.<br />

34 karinaa


Als seine Prinzipien gelten Selbstgewissheit des Ichbewusstseins (siehe Cogito ergo sum), Klarheit<br />

und Deutlichkeit als Kriterium der Wahrheit, Materie als Raumerfüllung, Dualismus,<br />

Korpuskulartheorie, methodischer Zweifel, Rationalismus und die Wertschätzung der Mathematik.<br />

Die bekannteren Cartesianer sind:<br />

Henricus Renerius, Henricus Regius, Johannes de Raey, Adriaan Heerebord, Abraham Heidanus,<br />

Claude de Cleseleir, Antoine Arnauld, Pierre Nicole (1625−1695), François Fénelon , Balthasar<br />

Bekker, Christian Sturm, Antoine Legrand, Johannes Clauberg, Geraud de Cordemoy, viele<br />

Oratorianer und Jansenisten, teilweise Marin Mersenne, Blaise Pascal, Pierre Poiret, Ehrenfried<br />

Walther von Tschirnhaus.<br />

Gegner waren besonders<br />

Thomas Hobbes und Pierre Gassendi. In neuerer Zeit setzte sich Richard Rorty in seiner<br />

Monographie "Philosophy and the Mirror of Nature" von 1979 kritisch mit Descartes<br />

auseinander. Rorty lehnt dessen erkenntnistheoretisches Projekt mit seiner fundamentalistischen<br />

Ausrichtung im Rahmen des von ihm selbst vertretenen Pragmatismus deweyscher Prägung ab.<br />

2.) Quelle: 1395<br />

Quelle� Hugo Grotius, De Jure belli ac pacis, 1625 (Prolegoma)<br />

a.)Welchen Einfluss hatte Grotius auf das NR?<br />

An die überlieferte NRlehre knüpfte im 17.Jh. der Niederländer HUGO GROTIUS, Zeitgenosse des<br />

DESCARTES, an. Grotius jedoch leitete in seinem Hauptwerk De iure belli ac pacis 1625 das NR<br />

aus dem Wesen des Menschen ab. Da der Mensch mit Vernunft & mit dem Drang zur<br />

Gemeinschaftsbildung ausgestattet ist, diktiere die menschliche Vernunft diejenigen Regeln, die ein<br />

friedliches Zusammenleben der Menschen gewährleisten. Ein solches natürliches Recht müsste<br />

nach den Worten Gottes gäbe oder dieser sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht<br />

kümmerte. Grotius hat auf diese Weise das NR aus der jahrhundertelangen Verbindung mit der<br />

Theologie gelöst & es säkularisiert. Er steht, indem er dieses überpositive Recht aus der Vernunft<br />

ableitete, am Anfang des modernen rationalistischen NR, das wir das VERNUNFTRECHT nennen.<br />

b.)Worin bestanden Grotius weitere Leistungen?<br />

Wohl zu Unrecht galt Grotius über lange Zeit hinweg als Säkularisierer des Naturrechts.<br />

Wenngleich er in De jure belli ac pacis eine alte, bereits aus der mittelalterlichen Scholastik<br />

stammende Denkformel verwendete, wonach gewisse Prinzipien der natürlichen Gerechtigkeit<br />

auch dann gelten würden, wenn Gott nicht existieren würde (etiamsi daremus ... non esse Deum),<br />

macht er in dem gleichen Werk auch deutlich, dass es eine naturrechtlich umrahmte natürliche<br />

Religion gebe: alle Menschen seien also beispielsweise verpflichtet, an einen einzigen,<br />

personifizierten Gott zu glauben – ein Gedanke, den Grotius in seinen theologischen Werken, wie<br />

Meletius und Über die Wahrheit des Christentums noch näher erläuterte. Weitere<br />

Glaubenspflichten ergeben sich nach Grotius darüber hinaus für diejenigen Menschen, denen die<br />

göttliche Offenbarung insbesonderem im Evangelium bekannt gegeben werde. Derartige<br />

Glaubenspflichten aus natürlichem Recht oder göttlichem Recht seien allerdings nicht unmittelbar<br />

durchsetzbar. Dementsprechend lehnte Grotius eine gewaltsame Mission von Nichtchristen<br />

entschieden ab.<br />

Grotius, der als „‚Vater des Völkerrechts‘“ [1] bezeichnet wurde, zählt zu den wesentlichen<br />

Gründerpersönlichkeiten des internationalen Rechts, ist aber nicht der einzige: viele seiner<br />

Gedanken finden sich auch bei den Thomisten Francisco de Vitoria und Francisco Suarez der Schule<br />

35 karinaa


von Salamanca. Grotius half durch seine klare und umfassende Zusammenstellung, durch die<br />

fortschrittliche Betonung des Naturrechtsgedankens und schließlich durch seinen europaweiten Ruf<br />

allerdings sehr, den Gedanken eines Völkerrechts, das nicht notwendigerweise gleich ein<br />

Kriegsrecht ist, zu verbreiten.<br />

3.) Quelle: 1400 & 1401<br />

Quelle� 1400 � Christian Wolff<br />

1401 � Charles de Montesquieu<br />

a.)Welche Art von VR vertrat Wolff, welche Montesquieu?<br />

WOLFF � absolut<br />

MONTESQUIEU�relativ<br />

b.)Auf welche Wiese kam die RW aus vernunftrechtlichen Grundsätzen zu einer<br />

Systembildung?<br />

Die menschliche Vernunft galt nun als Quelle & Regulativ des pos.R.. Zunächst handelte es sich<br />

nur um eine Reihe von Rechtsgrundsätzen, die aus der menschlichen Vernunft abgeleitet wurden &<br />

denen jene Funktion zukam. Die Zeit nach Grotius meinte jedoch die gesamte RW aus der<br />

Vernunft ableiten zu können. Die R baute nun MORE GEOMETRICO ein vollständiges System des<br />

VR auf.<br />

Dabei war man anfangs davon überzeugt, dass dem aus der V abgeleiteten Recht eine von Zeit &<br />

Raum unabhängige Geltung zukommen.<br />

Die Auffassung von der Geltung des VR wurde jedoch später insofern relativiert, als man, wie es<br />

schon der Philosoph WILHELM LEIBNIZ & später nachdrücklich MONTESQUIEU forderten,<br />

spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Zeit & des betreffenden Volkes & Staates Rechnung<br />

trug. Von den Vertretern eines absoluten VR sind somit diejenigen eines relativen VR zu<br />

unterscheiden.<br />

Die größte Perfektion bei der vrSystembildung wurde auf dem Gebiet des PR erreicht. Indem sie<br />

über die französischen Legisten früherer Zeiten, die dem röm. Recht nur IMPERIO RATIONIS<br />

Geltung beimaßen, weit hinausgingen, leiteten die Juristen der Zeit des Rationalismus nun aus den<br />

nach ihrer Anschauung von der V vorgegebenen rechtlichen Prinzipien & Oberbegriffen ein<br />

vollständiges PRSystem ab.<br />

4.) Quelle: 1405<br />

Quelle� Christian Thomasius<br />

36 karinaa


a.)Wie sah also Thomasius das Verhältnis von gemeinen Recht & einheimischen<br />

Recht?<br />

Großen Einfluss übte Christian Thomasius mit seinen rationalistischen NRSystem aus, das es<br />

insbesondere in seinen FUNDAMENTA IURIS NATURAE ET GENTIUM 1705 aufstellte. Durch<br />

seine Kritik am röm. Recht & die Betonung des einheimischen Gewohnheitsrechts leistete<br />

Thomasius die Verselbstständigung der Wissenschaft des dt. PRs ein, dass in der DELINEATIO<br />

IURIS GERMANICI seines Schülers GEORG BAYER eine 1. Darstellung erfuhr.<br />

b.)In welchem Verhältnis stand das VR zum gemeinen & einheimischen Recht?<br />

Das gemeine Recht des USUS MODERNUS wurde, soweit es als vernünftig erkannt wurde, nun zum<br />

VR deklariert.<br />

c.)Welche Konsequenzen zog dies letztlich für das einheimische Recht nach sich?<br />

Auf diese Weise floss zum großen Teil nicht nur röm. Recht, sondern auch einheimisches<br />

Gewohnheitsrecht in die vr Systeme ein.<br />

5.) Quelle: 1407<br />

Quelle�Christian Wolff, Grundsätze des NR & Völkerrechts, 1754 (Vorrede)<br />

a.)Welche Methode beschreibt WOLFF hier?<br />

Die Deduktive Methode des VR führte CHRISTIAN WOLFF auf den Höhepunkt. In seinem IUS<br />

NATURAE METHODO SCIENTIFICO PERTRACTARUM aus den 40er Jahren des 18.Jh. geht<br />

die Ableitung der rechtlichen Regelungen aus wenigen vr Obersätzen bis in die Einzelheiten.<br />

Die VRlehre, die vom protestantischen Raum ausging, setzte sich im 18.Jh. auch in den kath.<br />

Ländern des Hl.Röm.Reiches durch. Wolffs Schüler JOHANN ADAM ICHSTATT verbreitete sie,<br />

insbes. durch seine Lehrtätigkeiten an der Uni Ingolstadt, in Bayern. In Ö hatte seit 1754 Karl<br />

Anton Martini die 1.NRlehrkanzlei inne.<br />

6.) Quelle: 1420<br />

Quelle� Samuel von Pufendorf, De iure natrurae et gentium, 1672<br />

a.)Welche Konsequenzen hatte also die Staatsvertragskonstruktion?<br />

Die grundlegende Arbeit am Aufbau eines vernunftrechtlichen PRsystems leistete Samuel<br />

Pufendorf mit seinem Hauptwerk über das NR & Völkerrecht von 1672.<br />

Ein Hauptthema der VRlehre war von Anfang an der STAAT, zunöchst die Staatenbildung & die<br />

rechtliche Stellung des Herrschers, sodann auch das rechtliche Verhältnis des einzelnen zur<br />

Staatsgewalt.<br />

Grundlage der VRlehre war hier eine Vertragstheorie, die es in verschiedenen Ausgestaltungen gab.<br />

Gemeinsamer Tenor war jedenfalls, dass sich die Menschen des Naturzustandes, um dem für diesen<br />

nach den Worten des THOMAS HOBBES spezifischen Krieg aller gegen alle zu entgehen, in<br />

37 karinaa


einem historisch freilich nicht greifbaren Moment vertraglich zum Staat<br />

zusammengeschlossen(Staatsvertrag), einen Herrscher eingesetzt(Herrschervertrag) & sich diesem<br />

unterworfen(Unterwerfungsvertrag) hätten.<br />

Diese Vertragskonstruktion hatte zweierlei Konsequenzen<br />

� Auf der einen Seite verpflichtete sie den Herrscher auf den Staatszweck, der Staatsbildung<br />

zugrunde lag, nämlich auf die Verwirklichung der äußeren & inneren Sicherheit des Staates sowie<br />

der allg. Wohlfahrt & Glückseligkeit, womit der herrscherlichen Willkür Schranken gezogen<br />

waren.<br />

� Auf der anderen Seite verpflichtete sie die Menschen im Staat zum Gehorsam gegenüber dem<br />

Herrscher & damit zum Gehorsam gegenüber den staatlichen Gesetzen.<br />

b.)Wann waren die Untertanen nicht zum Gehorsam verpflichtet?<br />

Die Gehorsamspflicht bestand jedoch nur, insoweit sich die Staatsgewalt innerhalb der ihr<br />

gezogenen Grenzen hielt. Andernfalls wurde ihr von der vr Staatstheorie, in ihren einzelnen<br />

Varianten mehr oder weniger ausgeprägt, ein Widerstandsrecht gegenüber dem selbst<br />

vertragsbrüchig gewordenen Herrscher anerkannt.<br />

c.)Welche Auswirkungen hatte der Vertragsgedanke auf die Rechtssetzung?<br />

Schließlich wurde von der Staatsgewalt die Beachtung aus dem Naturzustand erhalten geblieben,<br />

durch keinen der Verträge im Zusammenhang mit der Staatsbildung aufgegebenen, sogen.<br />

Natürlichen Rechte des Menschen, der Menschenrechte, gefordert & damit eine von der<br />

Staatsgewalt freie Sphäre des Individuums postuliert, die man später als die der bürgerlichen<br />

Freiheit bezeichnete. Den Vertragsgedanken im Hinblick auf die Staatsbildung & die<br />

Herrschereinsetzung vertrat bereits am Anfang des 17.Jh. JOHANNES ALTHUSIUS, der insofern<br />

ein Vorläufer v Grotius war. Wenn auch die Weiterentwicklung der Staatsvertragstheorie nach der<br />

politischen Seite im 17.Jh. insbes. in England durch THOMAS HOBBES & JOHN LOCKE<br />

erfolgte, stand diese doch auch im Zentrum des VRsystems eines Pufendorf & eines CHRISTIAN<br />

WOLFF, & sie bestimmte durch deren Lehren auf Reichsboden im 18.JH. in steigendem Maße die<br />

Staatsauffassung des Absolutismus.<br />

7.) Quelle: 1434<br />

Quelle�Westgazilisches Gesetzbuch, 13.2.1797<br />

a.)Welchem Quellentypus entspricht die Quelle?<br />

Rechtserkenntnisquellen<br />

b.)Welche vr Konzeptionen kommen in dieser Quellenstelle zum Ausdruck?<br />

Wie auf der einen Seite der 2.Hälfte des 18.Jh. die Aufklärung sich des VRs zur Durchsetzung der<br />

von ihr angestrebten Neuordnung der menschlichen Lebensverhältnisse bediente, so erlangte auf<br />

der anderen Seite das VR erst auf diese Weise durch die Aufklärung Breitenwirkung auf die Praxis<br />

des Rechtslebens.<br />

Unter dem Einfluss von Aufklärung & VR trat nicht nur ein Wandel der Staatsauffassung ein, der<br />

verfassungsrechtliche Veränderungen im Gefolge hatte – in den dt. Staaten & in der<br />

38 karinaa


Habsburgermonarchie auf evolutionärem, in Frankreich dagegen auf revolutionärem Wege-,<br />

sondern es kam auch zu Reformen auf dem Gebiete des Strafrechts und PR.<br />

Der bisherige Hochabsolutismus oder höfische Absolutismus wandelte sich zum AUFGEKLÄRTEN<br />

ABSOLUTISMUS. Die Legitimation der absoluten monarchischen Gewalt wurde nun nicht länger<br />

in einem göttlichen Auftrag gesehen, der dem Monarchen mit seinem Amt vor Gott die<br />

Verantwortung für das irdische & seelische Wohl seiner Untertanen übertrug & durch den allein die<br />

mit dem monarchischen Amt verbundenen Rechte & Pflichten abgesteckt waren. Nun war der<br />

monarchische Absolutismus durch die Theorie des Staatsvertrages legitimiert, & er war an den<br />

dem Staatsvertrag immanentem Staatszweck des Gemeinwohls gebunden. Die frühere religiöse<br />

Pflichtenbindung des Monarchen war von der Pflichtenbindung an den rationalen Zweck der<br />

staatlichen Gemeinschaft abgelöst worden. Damit ging einher, dass nicht länger wie zu Zeiten des<br />

höfischen Absolutismus der ganze Staat auf die Person des Monarchen & dessen Hof ausgerichtet<br />

war.<br />

Im aufgeklärten Abs. kam vielmehr dem Staat Vorrang vor dem Herrscher zu, der als Staatsorgan<br />

verstanden wurde & der auch nach seinem Selbstverständnis, wie es Friedrich II. von Preußen &<br />

ähnlich auch der andere große Vertreter des aufgeklärten Abs., der Habsburger Josef II., zum<br />

Ausdruck brachten, nur der 1. Diener seines Staates war.<br />

8.) Quelle: 1439<br />

Quelle�Wigulaeus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, Anmerkungen über den CODICEM<br />

MAXIMILIANEUM BAVARICUM CIVILEM, 1758<br />

a.)Inwiefern entsprach der CMBC vernunftrechtlichen Vorstellungen?<br />

b.)Welche anderen zeitgenössischen Kodifikationsversuche im Bereich des Zivilrechts<br />

kennen Sie?<br />

Der Aufgeklärte Abs. wurde zum Urheber der vernunftrechtlichen Kodifikationen der 2.Hälfte des<br />

18.Jh. Die vernunftrechtliche Kodifikationstätigkeit wurde in der Habsburgermonarchie zu Anfang<br />

des 19.Jh fortgesetzt, zur gleichen Zeit, als in Frankreich die vernunftrechtlichen Kodifikationen<br />

Napoleons entstanden.<br />

In Frankreich wurde die im Ancien Regime vorbereitete, nach der Rev. Z.T. aufgrund von<br />

Verfassungsverboten, vorangetriebene Rechtsvereinheitlichung durch die 5 napoleonischen<br />

Kodifikationen, auf deren Gestaltung Napoleon persönlich nicht geringen Einfluss ausgeübt hatte,<br />

im antifeudalistischen & egalitären Sinne der Aufklärung abgeschlossen.<br />

9.) Quelle: 1443<br />

Quelle�Patent zur Publikation des neuen allg. Landrechts, 5.2.1794<br />

a.)Was wissen Sie über die Entstehung dieser Kodifikation?<br />

In Preußen wurde mit Ausgang des 18.Jh. das Kodifikationswerk zu Ende gebracht, das nahezu ein<br />

halbes Jahrhundert zuvor König Friedrich II. eingeleitet hatte. Unter den beiden Großkanzlern des<br />

Königs, Samuel Cocceji & Johann Heinrich Casimir Carmer, wurde seit 1746 an der Kodifikation<br />

des Rechts in Preußen gearbeitet. Es war in erster Linie der von Carmer berufene Jurist Gottlieb<br />

39 karinaa


Svarez, der im Geiste der Aufklärung & des VR die Kodifikation konzpierte, die 1794 als Allg.<br />

Landerecht für die Preußischen Staaten in Kraft trat ( ALR ).<br />

b.) Charakterisieren Sie diese Kodifikation im Hinblick auf die Realisierung<br />

vernunftrechtlicher Konzeptionen?<br />

Vorher waren noch auf Verlangen des neuen Königs Friedrich Wilhelm II. aufklärerische<br />

Bestimmungen wie das Machtspruchverbot, die den am Hof herrschenden Kreisen zu weit gingen,<br />

aus dem Text ausgeschieden worden. Mit dem ALR war nicht nur ein Rechtsgebiet kodifiziert,<br />

sondern das umfangreiche, 19.194 Paragraphen zählende Gesetzbuch regelte in erschöpfender<br />

Weise alle Rechtsgebiete mit Ausnahme des Verwaltungs-, Prozess- & Militärrecht. Was die<br />

Gesetzestechnik anlangt, hatte die im Illusionismus & im Eifer der Aufklärung wurzelnde Meinung,<br />

den Großteil der Rechtsfälle vorhersehen & nach der Vernunft bis in die Einzelheiten regeln zu<br />

können & müssen, zu einer übermäßigen Kasuistik des Gesetzesbuches geführt.<br />

Ihrem Inhalt nach war die preußische Kodifikation zwar vernunftrechtlich geprägt, sie orientierte<br />

sich aber doch noch an der Ständeordnung, die das 18.Jh. von der Vergangenheit übernommen<br />

hatte, & war daher, als sie gegen Ende des Jh., 5 Jahre nach der FRev., in Kraft trat. durch den<br />

gesellschaftlichen Fortschritt bereits überholt. So enthält das ALR, im Unterschied etwa zu der<br />

ihm zeitlich vorausgegangenen, für alle Stände einheitlichen Regelung des Ehe-& des Erbrechts in<br />

Ö unter Josef II., noch ein nach Ständen differenziertes PR.<br />

10.) Quelle: 1445<br />

Quelle� Code Civil des Francais, 1804<br />

a.)Welche vr Gedanken kommen in dieser Stelle zum Ausdruck?<br />

Der CODE CIVIL von 1804 regelte das PR gemäß den Grundsätzen der Freiheit & Gleichheit der<br />

Individuen, verband dabei jedoch mit dem neuen VR auch altes Recht & verwertete infolgedessen<br />

aus dem nordfranzösischen Gewohnheitsrecht in erheblichem Ausmaß auch germanisch-fränkische<br />

Rechtsvorstellungen.<br />

b.)Charakterisieren Sie darüber hinaus diese Kodifikation!<br />

Maximen<br />

Der Code civil garantierte allen männlichen Bürgern:<br />

(die wesentlichen Forderungen der französischen Revolution: Liberté=Freiheit, Egalité=Gleichheit,<br />

Fraternité=Brüderlichkeit)<br />

• Gleichheit vor dem Gesetz<br />

• Freiheit für jeden<br />

• Schutz des Privateigentums<br />

• Vollkommene Trennung von Staat und Kirche (Laizismus)<br />

• Abschaffung des Zunftzwangs<br />

40 karinaa


• Gewerbefreiheit und freie Berufswahl<br />

• Schaffung der juristischen Basis für die Marktwirtschaft<br />

• Aufzeichnung von Geburten und Todesfällen (Personenstandswesen)<br />

Aufteilung und Gliederung<br />

Der Code civil war bei seinem Inkrafttreten 1804 in drei Bücher unterteilt:<br />

• Livre Ier: Des personnes / Über die Personen (Art. 7 - 515-8 Code civil)<br />

• Livre II: Des biens et des différentes modifications de la propriété / Von den Sachen und<br />

den verschiedenen Beschränkungen des Eigentums (Art. 516 -710 Code civil)<br />

• Livre III: Des différentes manières dont on acquiert la propriété / Von den verschiedenen<br />

Arten, das Eigentum zu erwerben (Art. 711 - 2283 Code civil)<br />

Den drei Büchern ist ein titre préliminaire ("De la publication, des effets et de l'application des lois<br />

en général / Von der Veröffentlichung, der Wirkung und der Anwendung der Gesetze", Art. 1 - 6<br />

Code civil) vorangestellt, der das Inkrafttreten, grundlegende Prinzipien (Rückwirkungsverbot,<br />

Justizverweigerungsverbot, Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte) und Kollisionsnormen<br />

(Internationales Privatrecht) enthält. Im Jahr 2002 wurde, systematisch an fragwürdiger Stelle, ein<br />

viertes Buch ("Dispositions applicables à Mayotte / Auf Mayotte anwendbare Vorschriften", Art.<br />

2284 - 2285 Code civil) angehängt, welches die Anwendung des Code civil auf das Übersee-<br />

Territorium Mayotte regelt.<br />

c.)Was wissen Sie über die Bed. & territoriale Geltung des CODE CIVIL?<br />

Die Geltung des CODE CIVIL erstreckte sich im Kaiserreich Napoleons auch auf die seit 1801 an<br />

F gelangten Teile des Hl.Röm.Reiches.<br />

In den sogen. Illyrischen Provinzen Frankreichs, zu denen seit 1809 u.a. ein Teil Kärntens &<br />

Osttirol gehörten, wurde er 1812 eingeführt. Er galt im linksrheinischen Dt. bis zum Inkrafttreten<br />

des BGB im Jahre 1900. In den zum 2. Rheinbund zusammengeschlossenen dt.Staaten, wo seine<br />

Einführung ebenfalls teils erfolgt, teils geplant war, überdauerte er die napoleonische Herrschaft<br />

jedoch nicht. Nur in Baden galt seit 1810 eine den Landesverhältnissen angepasste Fassung des<br />

CODE CIVIL, das Allg. Badische Landrecht, ebenfalls bis zum BGB.<br />

Wegen seiner hohen Qualität wurde der CODE CIVIL aber auch anderswo rezipiert – er wurde<br />

überhaupt das am meisten rezipierte Gesetzbuch.<br />

In vielen Staaten Europas & vor allem in Übersee wurde er entweder übernommen oder übte er<br />

zumindest starken Einfluss auf das PR aus.<br />

Auf den CODE CIVIL folgten im napoleonischen F der CODE DE PROCEDURE CIVILE 1806,<br />

der CODE DE COMMERCE 1807, der CODE DÍNSTRUCTION CRIMINELLE 1808, der an den<br />

Errungenschaften der Revolutionszeit wie freilich der gänzlichen Beseitigung der Folter, am<br />

Anklageprinzip & an Öffentlichkeit & Mündlichkeit des Strafverfahrens festhielt, & der CODE<br />

PENAL von 1810.<br />

Dieses Strafgesetzbuch verankerte u.a. den Rechtsstaatlichen Grundsatz NULLUM CRIMEN ER<br />

NULLA POENA SINE LEGE, wonach keine Tat mit einer Strafe belegt werden darf, die nicht vor<br />

ihrer Begehung durch das Gesetz für sie angedroht war.<br />

41 karinaa


11.) Quelle: 1535<br />

Quelle�Erbfolgepatent, 11.5.1786<br />

a.)Inwiefern entsprach diese Regelung vernunftrechtlichen Grundsätzen?<br />

Das erbfolgepatent 1786 hob in einer für seine Zeit fortschrittlichen Weise die ständische<br />

Differenzierung im Erbrecht auf.<br />

Es stellt für gesetzliche Erbfolge in frei vererbliches Vermögen nicht nur die Töchter mit den<br />

Söhnen, sondern alle Kinder Erblassers einander gleich. Damit widersprach es dem in den<br />

Sonderrechten des Adels vorgesehenen Vorrang der Söhne vor den Töchtern & des Erstgeborenen<br />

vor seinen Geschwistern.<br />

b.)Welche Wirkung entfaltete dieses Patent?<br />

Indem es auf diese Weise die von adeligen Sonderrechten ausgeschlossene Erbteilung ermöglichte,<br />

die die Zersplitterung des adeligen Familienvermögens bewirkte, diente das Erbfolgepatent mit<br />

seiner Gleichbehandlung der Stände der auf die Schwächung des Adels abzielenden Politik des Abs.<br />

Die Wirkung war jedoch insofern abgeschwächt, als ein bedeutender Teil des adeligen Vermögens<br />

von er Regelung unberührt blieb. Denn diese galt wohlgemerkt nur für frei vererbliches Vermögen<br />

& somit nicht für das fideikommissarisch gebundene Vermögen des Adels. Sie galt deshalb im<br />

Übrigen auch nicht für grunduntertänige Bauerngüter.<br />

42 karinaa


12.) Quelle: 1536<br />

Quelle� Kundmachungspatent zum Josephinischen Gesetzbuch, 1.11.1786<br />

a.)Welche Materien regelte das JGB?<br />

Das Josephinische Gesetzbuch (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) war ein von Joseph II.<br />

erlassenes allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die deutschen Erbländer der Habsburger, welches<br />

Zivilrecht enthielt. Es war von 1. Jänner 1787 bis zum 31. Dezember 1811 in Kraft.<br />

Geschichte<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz erhielt 1713 aus Wien eine Berufung zum Titular Reichshofrat und<br />

entwickelte einen ersten Plan zur Kodifikation des Zivilrechts, den Codex Leopoldinus. Maria<br />

Theresia setzte 1753 eine Kommission für einen Codex Theresianus ein, welcher 1766 als<br />

Entwurf vorlag, aber nur als brauchbare Materialsammlung Anerkennung erfuhr.<br />

Johann Bernhard Horten (1735–1786) hatte einen weiteren Entwurf im Jahre 1776 fertig, aus<br />

dem die Ehepatente vom 16. Jänner 1783 (JGS 117) und 3. Mai 1786 (JGS 543) und das<br />

Erbfolgepatent vom 11. Mai 1786 entstanden. Horten konzipierte auch noch das neue<br />

Gesetzbuch. Ein erster Teil wurde am 1. November 1786 verkündet (JGS 591, Patent), trat am 1.<br />

Jänner 1787 als Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch in Kraft und wurde später Josephinisches<br />

Gesetzbuch genannt. Es enthielt nur Personenrecht. Am 1. Jänner 1812 wurde es vom<br />

Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst.<br />

Die Arbeit war aber unter Josef II. erst soweit gediehen, dass nur der erste, das Personen-<br />

&Familienrecht enthaltende Teil des geplanten Allg. Bürgerl. Gesetzbuches kundgemacht werden<br />

konnte:<br />

Dieser wurde 1797 in Westgalizien eingeführt, 1798 auch in O-G & in der Bukowina.<br />

b.)Inwiefern kommt in dieser Regelung vr Gedankengut zum Tragen?<br />

Dieses sogen. JOSEFINISCHE GESETZBUCH von 1786 (JGB) ging bei seinen Regelungen<br />

grundsätzlich von der natürlichen Freiheit der Individuen aus. Die Bed. des JGB ist jedoch nicht auf<br />

dessen pr Regelungen beschränkt.<br />

In das GB wurden vielmehr auch Best. aufgenommen, die für die auf Herstellung von<br />

Rechtseinheit, Rechtsgleichheit sowie Rechtssicherheit gerichtete abs. Rechtspolitik der 2.Hälfte<br />

des 18.Jh. allg. programmatisch waren & die, indem sie dich bürgerliche Freiheit gegenüber<br />

behördlichen Eingriffen gewährleisteten, grundrechtsähnlichen Charakter hatten. Das JGB lässt<br />

damit die rechtsstaatlichen Ansätze, die sich im Abs. jener Zeit finden, bes. deutlich erkennen.<br />

c.)Welche weiteren Teilkodifikationen des bürgerlichen Rechts kennen Sie?<br />

d.)Was wissen Sie über den weiteren Fortschritt der PRkodifikation im ö aufgeklärten<br />

ABs?<br />

Das PR des JGB erhielt unter Josef II. keine Fortsetzung. Erst die von Leopold II eingesetzte<br />

Hofkommission in Gesetzessachen unter der Leitung des Wr.NRProfessors KARL ANTON<br />

MARTINI legte einen neuen, im Unterschied zu dem seinerzeit für den CODEX THERSIANUS<br />

erstatteten, vernunftrechtlich geprägten Entwurf für die Kodifikation des gesamten PR vor.<br />

43 karinaa


13.) Quelle: 1541<br />

Quelle� Franz von Zeiler, Commentar über das allg. bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten<br />

Deutschen Erbländer der ö Monarchie, 1812<br />

a.)Was wissen Sie über MARTINI?<br />

Karl Anton von Martini, Freiherr zu Wasserburg war österreichischer Jurist und<br />

Rechtsphilosoph.<br />

Neben seinem Schüler Franz von Zeiller (1751-1828) gilt er als der bedeutendste Vertreter des<br />

Vernunftrechts in Österreich. 1754 wurde er Universitätsprofessor, 1782 Staatsrat und 1792 zum<br />

zweiten Präsidenten der Obersten Justizstelle, dem Vorläufer des heutigen Obersten Gerichtshofes.<br />

Martini gilt als Verfasser des Westgalizischen Gesetzbuches von 1797, der Vorlage für das<br />

Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB).<br />

Erst die von Leopold II eingesetzte Hofkommission in Gesetzessachen unter der Leitung des<br />

Wr.NRProfessors KARL ANTON MARTINI legte einen neuen, im Unterschied zu dem seinerzeit<br />

für den CODEX THERSIANUS erstatteten, vernunftrechtlich geprägten Entwurf für die<br />

Kodifikation des gesamten PR vor.<br />

b.)Wann kam das Gesetzgebungswerk zum Abschluss?<br />

Der von Zeiller erstellte Entwurf wurde als das ALLG.BÜRGERLICHE GESETZBUCH(ABGB)<br />

1811 mit Wirksamkeit vom 1.1.1812 kundgemacht.<br />

c.) Welche territoriale Geltung hatte es?<br />

Seine damals auf den durch die Friedensverträge der napoleonischen Zeit verkleinerten Bereich der<br />

Habsburgermonarchie mit Ausnahme Ungarns beschränkte Geltung wurde später auf die nach dem<br />

Sturz des napoleonischen Herrschaftssystems wiedergewonnenen Gebiete ausgedehnt.<br />

1852 wurde das ABGB vorübergehend ach in Ungarn eingeführt. Die in der Gegenwart in Ö<br />

geltende Fassung des ABGB ist gegenüber der ursprünglichen insbes. durch due 3 Teilnovellen der<br />

Jahre 1914 verändert.<br />

44 karinaa


1.)Quelle: 2440<br />

5.Von der historischen Rechtsschule zur Wertungsjurisprudenz<br />

Quelle�Friedrich Carl von Savigny, Über den Zweck dieser Zeitschrift, Zeitschrift für<br />

geschichtliche RW, 1815<br />

a.)Von welchen Schulen spricht Savigny? Charakterisieren Sie diese!<br />

Vernunftsrechtsschule�VRSchule ging vom Begriff eines aus der menschlichen Vernunft<br />

ableitbaren & daher grundsätzlich statischen Recht aus.<br />

Historische Rechtsschule� stellte den Entwicklungsgang in Vordergrund. Sie verstand das Recht<br />

als das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, das daher von den jeweiligen Umständen abhängig<br />

und je nach Zeit & Ort verschieden ist.<br />

b.)Welcher Schule gehörte der Autor an?<br />

Der der VRS angehörende ANTON FRIEDRICH JUSTUS THIBAUT, Rechtsprofessor in<br />

Heidelberg, forderte eine Zivilrechtskodifikation für die Gesamtheit der dt. Länder. Mit seiner<br />

Entgegnung auf Thibauts Forderung wurde der Berliner<br />

Rechtsprofessor FRIEDRICH CARL VON SAVIGNY zum Begründer der HRS.<br />

2.)Quelle: 2443<br />

Quelle� Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen röm. Rechts, 1840<br />

a.)Was ist unter dem in der Stelle genannten Volksgeist zu verstehen?<br />

b.)Was wissen Sie über dessen geistesgeschichtlichen Hintergrund?<br />

Sie verstand das Recht als das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, das daher von den jeweiligen<br />

Umständen abhängig und je nach Zeit & Ort verschieden ist.<br />

Im Einklang mit der zu Anfang des 19.Jh. vordringenden nationalen Ideologie meinte die HRS im<br />

Anschluss an die Volksgeistlehre JOHANN GOTTFRIED HERDERS daher auch, dass jedem Volk<br />

ein spezifisches Recht eigen ist, das als Teil der Kultur eines Volkes aus dessen gemeinsamem<br />

Bewusstsein, eben aus dem Volksgeist, wächst.<br />

3.)Quelle: 2444 & 2445<br />

Quelle 2444 � Anton Friedrich Justus Thibaut, Über die Notwendigkeit eines allg. bürgerlichen<br />

Rechts für Dt., 1814<br />

Quelle 2445 � Friedrich Carl von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung & RW, 1814<br />

a.)Über welche Frage bestand Uneinigkeit zw. Den beiden Autoren?<br />

45 karinaa


Die Auseinandersetzung mit der VRS entzündete sich an der Kodifikationsfrage. Die für das<br />

Denken der Aufklärung & des VR typische Forderung nach Kodifikation des Rechts wurde nach der<br />

Niederwerfung des napoleonischen Herrschaftssystems für Gesamtdeutschland erhoben. Die<br />

angestrebte politische Einigung Gesamtdeutschlands sollte von einer Rechtsvereinheitlichung<br />

begleitet sein.<br />

b.)Erklären Sie die unterschiedlichen Ansätze der beiden!<br />

Thibaut � Der der VRS angehörende ANTON FRIEDRICH JUSTUS THIBAUT, Rechtsprofessor<br />

in Heidelberg, forderte mit seiner Schrift Über die Notwendigkeit eines allg. bürgerlichen Rechts<br />

für Dt., 1814 eine Zivilrechtskodifikation für die Gesamtheit der dt. Länder.<br />

Savigny � Mit seiner Entgegnung auf Thibauts Forderung wurde der Berliner Rechtsprofessor<br />

FRIEDRICH CARL VON SAVIGNY zum Begründer der HRS. Seine Schrift Vom Beruf unserer<br />

Zeit für Gesetzgebung & RW, 1814 war für die HRS programmatisch.<br />

4.)Quelle: 2446<br />

Quelle� Friedrich Carl von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung & RW, 1814<br />

a.)Welche Methode erklärt Savigny hier?<br />

Savigny hat dieses Programm 1815 in der damals gegründeten, für die HRS repräsentativen<br />

Zeitschrift für geschichtliche RW, der später die bis in die Gegenwart existierende Zeitschrift der<br />

Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte nachfolgte, noch näher ausgeführt. Nach der von Savigny<br />

formulierten Auffassung dr HRS war die Zeit für Kodifikation noch nicht berufen.<br />

b.) Welche Konsequenzen zog die Durchsetzung dieser rw Methode nach sich?<br />

Durch eine Kodifikation würde die natürliche Fortentwicklung des Rechts sogar behindert werden.<br />

Vielmehr sollte erst die RW durch Aufdeckung der Rechtsentwicklung das Entwicklungsprinzip des<br />

dt. Rechts erkennen & den Zustand der geltenden Rechts feststellen.<br />

Rechtsgeschichte war damit der RW als vordringliche Aufgabe zugewiesen.<br />

5.)Quelle: 2453<br />

Quelle� Georg Friedrich Puchta, Cursus der Institutionen, 1841<br />

a.)Der Autor war Begründer welcher Schule?<br />

Begriffs-oder Konstruktionsjurisprudenz<br />

Als Begriffsjurisprudenz wird - in einem abwertenden Sinne - die Rechtswissenschaft des<br />

mittleren und späteren 19. Jahrhunderts bezeichnet.<br />

b.)Welcher Methoden bediente sich diese Schule zu welchem Ziel?<br />

Grundlage der Begriffsjurisprudenz ist die Anwendung logischer Methoden auf das Recht. Sätze und<br />

Begriffe sollten gewissermaßen mathematisch-geometrisch in ein lückenloses und<br />

46 karinaa


widerspruchsfreies System überführt werden, aus denen dann mithilfe von Obersätzen,<br />

Definitionen und Subsumtionen juristische Entscheidungen gefällt werden. Für<br />

rechtsschöpferisches Tätigwerden des Richters ließ die Begriffsjurisprudenz keinen Raum.<br />

Als wesentlicher Vertreter der Begriffsjurisprudenz wird gemeinhin Georg Friedrich Puchta<br />

eingeordnet, dessen Rechtssystem sich nach Karl Larenz (Methodenlehre der Rechtswissenschaft,<br />

6. Auflage, 1991, S. 19 ff.) als "Begriffspyramide" darstellen lässt. Die neuere Forschung relativiert<br />

jedoch diese Aussage. Wie Hans-Peter Haferkamp ("Georg Friedrich Puchta und die<br />

'Begriffsjurisprudenz', 2004) nachweisen konnte, berücksichtigten die Arbeiten Puchtas in vielerlei<br />

Hinsicht auch praktische Bedürfnisse.<br />

Ob die Abwertung der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, vornehmlich der Pandektistik, als<br />

Begriffsjurisprudenz berechtigt ist, wird zunehmend in Zweifel gezogen.<br />

6.)Quelle: 2455<br />

Quelle� Georg Friedrich Puchta, Cursus der Institutionen, 1841<br />

a.)Welche neue Variante der Rechtsentstehung thematisiert Puchta hier?<br />

b.)Welche Konsequenzen zog dieser Ansatz nach sich?<br />

Indem später die BJSP mit ihrem formalen juristischen Begriffssystem die Rechtsentstehung nicht<br />

länger auf den Volksgeist, sondern auf die wissenschaftliche Autorität der Juristen zurückführte<br />

leitete sie über zu einem POSITIVISTISCHEN RECHTSVERSTÄNDNIS.<br />

Vom wissenschaftlichen Positivismus der BJSP ging die Entwicklung weiter zum<br />

Gesetzespositivismus, demzufolge als Recht nur gilt, was der staatliche Gesetzgeber in der<br />

verfassungsmäßigen Form für Recht erklärt hat.<br />

7.)Quelle: 2458<br />

Quelle� Carl Friedrich Gerber, Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen dt. PR,1846<br />

a.)Gerber war Vertreter welchen Zweiges der historischen Rechtsschule?<br />

Germanistik oder Pandektistik<br />

b.)Was waren die Ziele dieser Rechtsschule?<br />

Auch die Germanisten beschäftigen sich hauptsächlich mit dem PR. Aufgrund ihrer auf das<br />

einheimische germanisch-deutsche Recht gerichteten historischen Forschungen erstellen sie aus<br />

jenen germanisch-deutschen Rechtseinrichtungen von meist nur partikularer Geltung, daher häufig<br />

unter Verallgemeinerung im Widerspruch zur historischen Wirklichkeit, im Sinne der Pandektistik<br />

ein historisch fundiertes SYSTEM DES (ALL)GEMEINEN DT. PR. Dazu zählten zuerst insbes.<br />

CARL FRIEDRICH GERBER & GEORG BESELER.<br />

c.)Wofür tritt Gerber in dieser Stelle ein?<br />

8.)Quelle: 2460<br />

Quelle� Georg Beseler, System des gemeinen dt. PR, 1847 (Vorrede)<br />

a.)Woraus resultierte der angesprochene Gegensatz zw. Romanisten & Germanisten?<br />

47 karinaa


.)Wie bewertete Beseler die Rezeption?<br />

Der auch als nationalliberaler Politiker hervorgetretener Beseler stellte im Rahmen der<br />

Auseinandersetzung zw. GERMANISTEN & ROMANISTEN dem einheimischen „Volksrecht“ das<br />

fremde gelehrte Recht als „Juristenrecht“ gegenüber (Volksrecht & Juristenrecht 1843) & beklagte<br />

die Rezeption des letzteren in Dt., weil sie eine Kluft zw. Volk & Recht (& dessen<br />

Repräsentanten) geschaffen habe, als „Nationalunglück“ der Dt.<br />

c.)Worin lag die poltische Bed. der Germanisten?<br />

Später war prominentester Vertreter der GERMANISTIK Otto von GIERKE, der gegenüber dem<br />

individualistischen Charakter des Pandektenrechts den im dt. Recht waltenden<br />

Genossenschaftsgedanken herausstellte & die soziale Funktion des PR betonte. In diesem Sinne<br />

erfolgte auch die Kritik Gierkes am 1.Entwirf des BGB.<br />

9.)Quelle: 2462<br />

Quelle�Otto von Gierke, die soziale Aufgabe des PR, 1889<br />

a.)Charakterisieren Sie die Positionen Gierkes?<br />

Später war prominentester Vertreter der GERMANISTIK Otto von GIERKE, der gegenüber dem<br />

individualistischen Charakter des Pandektenrechts den im dt. Recht waltenden<br />

Genossenschaftsgedanken herausstellte & die soziale Funktion des PR betonte. In diesem Sinne<br />

erfolgte auch die Kritik Gierkes am 1.Entwirf des BGB.<br />

10.)Quelle: 2269<br />

Quelle�Otto Bähr, Zur Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche<br />

Reich, 1888<br />

a.)Wie war es zu dem kritisierten Entwurf gekommen?<br />

48 karinaa


1874 wurde eine Kommission mit der Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches<br />

beauftragt. Die sogen. 1.Kom. stand unter dem Vorsitz des Präs. Des Reichsoberhandelsgerichts<br />

HEINRICH EDUARD VON PAPE.<br />

b.)Was meint die Quelle damit, dass sich der Entwurf wie ein „kleiner Windscheid“<br />

ausnehme?<br />

Eine 1890 eingesetzte sogen. 2.Kommission mit PLANCK als Generalreferent nahm zwar<br />

Verbesserungen am 1.Entwurf vor, die aber nichts an dessen Grundhaltung änderten. Diesem 1895<br />

dem BR vorgelegten Entwurf folgte nach weiteren Änderungen ein 3., der 1896 von RT gegen die<br />

Stimmen der anwesenden Sozialdemokraten angenommen wurde. Das dt. BÜRGERLICHE<br />

GESETZBUCH BGB trat am 1.1.1900 in Kraft in gilt nach Novellierungen in Dt. auch heute.<br />

Die perfekte juristische Technik des Gesetzbuches diente auch der PRGesetzgebung anderer Staaten<br />

als Vorbild.<br />

Manche wie Japan (1898) rezipierten das Recht des BGB. Gleichzeitig mit dem BGB trat 1900 im<br />

Dt. Reich das neue HGB in Kraft.<br />

c.)Wer übte außerdem Kritik an diesem Entwurf?<br />

Der 1888 veröffentlichte 1.Entwurf stieß auf heftige Kritik. Wenn diese auch von vers.<br />

Standpunkten aus erhoben wurde, stimme sie doch teilweise überein. Der Germanist OTTO VON<br />

GIERKE rügt die romanistisch-pandektistische Prägung des Entwurfs, die mangelnde<br />

Berücksichtigung des autochthonen dt. Rechts & den daraus resultierenden Mangel an Volksnähe<br />

sowie die fehlende soziale Einstellung des Entwurfs.<br />

Im letzteren Punkt begegnete sich die Kritik Gierkes mit der des Kathedersozialisten & Professor<br />

des Zivilprozessrechts in Wien ANTON MENGER. Dieser warf in seiner Schrift DAS<br />

BÜRGERLICHE RECHT & DIE BESITZLOSEN VOLKSKLASSEN 1889 dem Entwurf vor, dass<br />

er durch die Zementierung der bestehenden Besitzverhältnisse & die formale Gleichbehandlung von<br />

arm & reich, auf die vers. Ausgangsbedingungen der Beteiligten am Rechtsverkehr nicht<br />

berücksichtigt, in Wahrheit die besitzlosen Volksschichten benachteiligte.<br />

11.)Quelle: 2470<br />

Quelle� Joseph Unger, Zur Revision des allg. bürgerlichen Gesetzbuch, 1904<br />

a.)Welcher Rechtsschule gehörte der Autor an?<br />

EXEGETISCHE SCHULE DER Ö´s ZIVILRECHTSWISSENSCHAFTEN<br />

49 karinaa


.)Diese Rechtsschule löste wann welche ö RS ab?<br />

VERNUNFTRECHT<br />

Die Ö´s RW verschloss sich zunächst dem Einfluss der HRS. Ihre Isolation von der dt. RW<br />

entsprach der politischen Isolation Ö´s im Vormärz. In Ö orientierten sich die RW vorerst<br />

vielmehr an den vr Kodifikationen wie insbes. die ZivilRW am ABGB. An die ö´s VRW der<br />

Kodifikationszeit schloss daher eine auf die Exegese des ABGB fixierte vr EXEGETISCHE<br />

SCHULE DER Ö´s ZIVILRECHTSWISSENSCHAFTEN an.<br />

Erst im Neoabsolutismus erfolgte unter dem Unterrichtsminister LEO GRAF THUN-<br />

HOHENSTEIN auch in Ö die Abkehr vom VR & die Eingliederung der ö´s Zivilistik in die dt.<br />

Pandektistik. Diesem Zweck diente die juristische Studienreform 1855 mit ihrer Betonung der<br />

rechtshistorischen Fächer & die berufung dt. Vertreter der HRS an ö´s Unis.<br />

Die gesetzliche Anpassung des ABGB an den neuen Stand der ZRW erfolgte, nicht ohne<br />

Vorbildwirkung des BGB, durch die 3 Teilnovellen der Jahre 1914, 1915 & 1916.<br />

c.)Unter Einfluss des Autors kam es wann zu welchen Reformen des Zivilrechts?<br />

Den Hauptanteil an der Modernisierung der ö´s ZRW im Sinne der Pandektistik hatte der von<br />

THUN-HOHENSTEIN an die Wr.Rechtsfakultät berufene, aus Wien auch gebürtige, Pandektist<br />

JOSEPH UNGER. Durch die von ihm begründete neue Richtung der ö´s Zivilistik, zu der Gelehrte<br />

wie ADOLF EXNER, ANTON VON RANDA, VICTOR HASENÖHRL & LEOPOLD PFAFF<br />

gehörten, wurde das ABGB nun im Geiste der Pandektenwissenschaft interpretiert & teilweise<br />

auch umgdeutet.<br />

12.)Quelle: 2471<br />

Quelle�Rudolph von Jehring, Im jursitischen Begriffshimmel, in: Scherz & Ernst in der<br />

Jurisprudenz, 1884<br />

a.)Jehrings Kritik richtet sich hier wogegen?<br />

Die Überwindung der BEGRIFFS-oder KONSTRUKTIONSJURISPRUDENZ ging von RUDOLF<br />

VON JEHRING aus, der anfänglich selbst zu ihren Hauptvertretern gehört hatte.<br />

Seit den 60er Jahren übte JEHRING vom Standpunkt eines juristischen Naturalismus ätzende<br />

Kritik am mangelnden Bezug der BJSP zur sozialen Wirklichkeit.<br />

b.)Was bestimmt nach Jehring Entstehung & Verwirklichung des Rechts?<br />

Er stellte den Zweck des Rechts in den Vordergrund. Nach JEHRING ist die einzelne RN nicht aus<br />

sich heraus, sondern aus den sozialen Interessen, die den Gesetzgeber motivierten, zu erklären. Es<br />

hat folglich eine teleologische Interpretation des Rechts zu erfolgen.<br />

c.)Damit schuf er die Vorrausetzungen für welche Rechtsanwendungsmethode?<br />

50 karinaa


Mit seiner Zwecklehre schuf Jehring die Vorrausetzungen für die im 20.Jh. von der Tübinger Schule<br />

eines Philipp Heck & eines Max Rümelin sowie dem Göttinger Rechtslehrer Rudolf Müller-<br />

Erzbach vertretene Rechtsanwendungsmethode der INTERESSENSJURISPRUDENZ.<br />

� Gründet sich auf die Erkenntnis, dass die RN gesetzgeberische Ents. Von Interessenskonflikten<br />

sind, & knüpft daran das Postulat, dass im konkreten Fall der Richter bei der Rechtsanwendung die<br />

widerstreitenden Parteieninteressen zu erkennen & seine Ents. Im Geiste der vom Gesetzgeber in<br />

der N vorgenommenen Interessenswertung zu treffen hat. Insoweit stimmt mit der IJSP die<br />

moderne WERTUNGSJURISPRUDENZ überein.<br />

13.)Quelle: 2658<br />

Quelle�Carl Schmitt, Nationalsozialismus & Rechtsstaat, 1934<br />

a.)Wie sah der NS das BGB?<br />

Vom Zugriff des Regimes blieb auch die GB nicht verschont. Hitler beanspruchte für sich auch die<br />

Stelllung des obersten Gerichtsherrn.<br />

Dementsprechend wurde auch von den ordentlichen Gerichten verlangt, dass ihre<br />

Rechtssprechung im ns Sinne erfolgte. Die für die Richter dabei hinderliche traditionelle Bindung<br />

an das pos.R. sollte durch möglichst häufige Rückgriffe der Rechtssprechung auf in der<br />

Rechtsordnung enthaltene GENERALKLAUSELN, deren Zahl im NS Recht daher auch vermehrt<br />

wurde, & deren der ns Weltanschauung gemäße Ausfüllung gelockert werden.<br />

b.) Was war dementsprechend auch die Aufgabe der ZRW?<br />

Für diese im Hinblick auf die Zivil- wie die Strafrechtspflege verfolgte Justizpoltik des Regimes<br />

waren die Änderungen des Strafgesetzbuches & Strafprozessordnung kennzeichnend, die durch 2<br />

Gesetze vom 28.6.1935 vorgenommen wurden:<br />

Zu bestrafen war künftig nicht nur, wer eine vom Gesetz mit Strafe bedrohte Handlung begangen<br />

hatte, sondern auch derjenige, dessen Tat „nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes & nach<br />

gesunden Volksempfinden Bestrafung verdient“.<br />

Im letzteren Fall sollte das Gericht analog diejenige Strafbestimmun anwenden, deren<br />

Grundgedanke auf die Tat am besten zutraf.<br />

c.)Wie sollte die Vorstellung von einem NS-PR realisiert werden?<br />

Hitler persönlich war die Unvereinbarkeit zwischen traditionellem juristischen Denken & ns<br />

Herrschaft bewusst, & er misstraute daher den Juristen. Durch den RT lies er sich am 26.4.1942<br />

bestätigen, dass er das Recht habe, im Interesse eines dt. Sieges im Krieg zu handeln wie er will.<br />

Durch den Erlass des Führers & Reichskanzlers über bes. Vollmachten des RM der Justiz vo<br />

20.8.1942 wurde dieser beauftragt & ermächtigt, nach Hitlers Richtlinien & Weisungen „eine ns<br />

RPflege aufzubauen & alle dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen“. Es wurde ausdrücklich<br />

betont, dass dabei von bestehendem Recht abgewichen werden könne.<br />

51 karinaa


Für politische Delikte werden Sondergerichte eingerichtet.<br />

14.)<br />

a.)Charakterisieren Sie die WERTUNGSJURISPRUDENZ!<br />

Die Rückzugsbewegung des Rechtserkenntnismodells vom Gesetz in immer weniger greifbare<br />

Sphären wiederholt sich in Ansätzen, welche die „Ergebnisse" der neuen Gerechtigkeitsdiskussion<br />

mit den Elementen der von Larenz entwickelten traditionellen Wertungsjurisprudenz verbinden<br />

wollen. Programmatisch ist dabei der Titel „Die Rechtsfindung contra legem", wonach sogar noch<br />

dem richterlichen Gesetzesbruch ein Gegenstand der Rechtserkenntnis unterschoben werden soll.<br />

Die Dramaturgie des Rührstückes entfaltet sich in drei Akten: im ersten treten die Schurken<br />

Relativismus und Nihilismus auf und werfen ihre dunklen Schatten auf die stabil und gesichert<br />

scheinende Existenz des Rechts. Im zweiten kommt es zur Krise, worin der Gegenstand der<br />

Rechtserkenntnis aufs höchste bedroht erscheint. Aber dann im dritten Akt wird unser Gegenstand<br />

zuguterletzt von der Idee der Gerechtigkeit gerettet.<br />

Für Zivilrecht und Strafrecht liegen die Verhältnisse seit Savignys Tat einfacher. Sie konnten sich<br />

zum Erweis ihrer juristischen Rationalität im Notfall zu Recht auf das Bekenntnis zu den canones<br />

zurückziehen. Auf dieser Grundlage waren die später über die canones hinausgehenden<br />

methodologischen Gesamt- oder Teilkonzeptionen (Soziologische Schule, Freirechtsschule,<br />

Interessen- und Wertungsjurisprudenz, „bewegliches System", Topik, typologischer System-<br />

Konstruktivismus, Richterrecht und ähnliche Tendenzen) mit besserem Recht und besserem<br />

Gewissen zu verarbeiten. Von ihrer normativen Eigenart her haben Staats- und Verfassungsrecht an<br />

diesen neueren Bewegungen in geringerem Maß teilgehabt als vor allem das Zivilrecht. Zum ändern<br />

war ihre Berufung auf Savignys Interpretationsregeln als ungeprüfte Anleihe von Anfang an<br />

wissenschaftsgeschichtlich ungesicherter als die entsprechenden Vorgänge im Zivilrecht und<br />

Strafrecht.<br />

1.) Lex Alamannorum, 8.Jh.<br />

6.Personenrecht<br />

a.)Was wissen Sie allg. über den Beginn der RF?<br />

MENSCH ERLANGT RF MIT VOLLENDETER GEBURT., d.h. mit der natürlichen oder<br />

künstlichen Trennung des Kindes vom Mutterleib. Bestehen Zweifel, ob ein Kind lebend oder tot<br />

geboren wurde, gilt die Vermutung der Lebendgeburt. Es ist nicht notwendig, dass ein Kind<br />

lebensfähig ist.<br />

b.)Die RF des Kindes in dieser Stelle ist woran geknüpft?<br />

52 karinaa


Mehrheitlciher Anknüpfungspunkt für den Beginn der RF war jedoch von da an die Geburt, sofern<br />

das Neugeborene LF war.<br />

Die LF musste nach verschiedenen Rechten förmlich erwiesen sein. Beschauen & Beschreien der<br />

Wände des Hauses finden sich in den ma. Rechtsquellen reichhaltig belegt.<br />

c.)Welche Menschen waren in älterer Zeit NICHT RF?<br />

UNFREIE<br />

Beschränkungen der Rechtsfähigkeit: es gab in älterer Zeit keine allgemeine Rechtsfähigkeit (erst<br />

mit Fundamentierung auf Gleichheit aller Menschen), sondern eine abgestufte, geminderte<br />

Rechtsfähigkeit.<br />

Unfreie: Ausprägung wirtschaftlicher Abhängigkeit. Konnten sich ihr Recht nicht verschaffen,<br />

daher rechtslos. Unfreien des MA gehörten zum Gesinde des Grundherrn. Sie waren dienst- und<br />

folgepflichtig, unterlagen seiner Heiratserlaubnis und mussten Tributleistungen erbringen.<br />

Beschränkungen verschwanden im 13. Jahrhundert in Städten. Am Land jedoch blieben sie und<br />

prägten die Rechtsstellung des Bauern. Unfrei war man von Geburt an, durch Verurteilung,<br />

Unterwerfung od. Heirat mit unfreier Person.<br />

2.)Quelle� 117<br />

Quelle�lex Frisonum, 802<br />

a.)Nach welchem Kriterium ist nach dieser Stelle die Rechtsfähigkeit abgestuft?<br />

Die Geburtsstände jener Zeit waren<br />

� Adel<br />

� Freie<br />

� Halbfreie oder Hörige<br />

� Unfreie<br />

� Fremde<br />

Adel<br />

Der Adel im fränkischen Reich rekrutierte sich aus den Personen, die im Dienst des Königs<br />

standen oder über großen Grundbesitz verfügten, wobei beide Ausgangsbasen häufig miteinander<br />

verbunden gewesen sein dürften. Adelige & Freie waren die politisch allein Berechtigten.<br />

Freie<br />

Unter den Freien fand im Laufe der Zeit eine Umschichtung statt: Manche Freie begaben sich aus<br />

wirtschaftlichen Gründen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem bisherigen Standesgenossen &<br />

sanken damit in die Halbfreiheit ab. Umgekehrt stiegen andere, die früher nicht zu den Freien<br />

zählte, in die Freiheit auf, indem sie auf Königsland siedelten & damit keinen anderen Herrn mehr<br />

zwischen sich & dem König hatten.<br />

Halbfreie<br />

Zur großen Zahl der Halbfreien zählten Menschen, die auf die verschiedenste Weise in diesen<br />

53 karinaa


Statuts gelangt waren: ehemals Freie, die sich in ein Schutz-&Abhängigkeitsverhältnis zu einem<br />

Großen begeben oder die als Angehörige einer im Kriege unterworfenen Bevölkerung die Freiheit<br />

verloren hatten sowie solche, die von Geburt Hörige waren oder die als Unfreie bloß in die<br />

Halbfreiheit entlassen worden waren.<br />

Rechtsstellung der Halbfreien war verschieden. Für sie galt jedoch, dass sie nicht im<br />

sachenrechtlichen Eigentum ihres Herrn standen.<br />

Sie waren rechtsfähig, & es wurde ihnen ein Wergeld beigemessen, das die Hälfte des<br />

Freienwergeldes betrug.<br />

Sie waren handlungsfähig.<br />

So konnten sie eine Ehe eingehen. Allerdings war aus diesen Anlass dem Herrn eine Abgabe zu<br />

leisten.<br />

Sie konnten ihr Vermögen vererben. Auch in diesem Falle war jedoch an den Herrn eine Abgabe zu<br />

leisten: Sterbeteil. Ihnen allen war schließlich der Mangel der Freizügigkeit gemeinsam: Sie waren<br />

an die Scholle gebunden.<br />

Unfreie<br />

Innerhalb der Masse der Unfreien, die in der Regel von Geburt unfrei waren, gab es verschiedene<br />

Abstufungen. Sie alle unterstanden anfangs jedenfalls dem Sachenrecht. Ihre rechtliche Behandlung<br />

als Menschen setzte sich unter christlichem Einfluss nur allmählich durch. Am schlechtesten<br />

gestellt waren diejenigen Unfreien, die am Hofe ihres Herrn wohnten & dort von ihm zu<br />

ungemessenen Diensten herangezogen wurden. Besser ging es denjenigen, denen der Herr eine<br />

Hofstelle zur Bewirtschaftung überlassen hatte. Ihr Abhängigkeitsverhältnis wandelte sich aus<br />

einem personenrechtlichen zunehmend zu einem sachenrechtlichen von dem ihnen überlassenen<br />

Hof her. Die beste Position nahmen die Unfreien ein, die im Hause ihres Herrn zu gehobenen<br />

Diensten verwendet wurden. Je höher ihr Herr in der sozialen Rangordnung stand, desto besser war<br />

auch ihre Stellung. Sofern es sich bei ihnen um Unfreie des Königs handelte, konnten sie in der<br />

Anfangszeit des Frankenreiches sogar zu hohen Staatsämtern aufsteigen.<br />

Fremde<br />

Der Fremde war ursprünglich rechtslos & Schutzlos. Schutz genoss er nur, wenn ihm<br />

Gastfreundschaft geboten wurde. Der Gastgeber haftete dann aber auch für den Fremden. Später<br />

übernahm der König den Schutz der Fremden. Als Gegenleistung zog er bei deren Tod den Nachlass<br />

ein.<br />

3.)Quelle� 401<br />

Quelle�Sachsenspiegel – Landrecht, 1221-1224/25<br />

a.)Welche Gliederung der Bevölkerung hatte dies nach sich gezogen?<br />

Auch im MA war die Bevölkerung in Stände sozial gegliedert. Während jedoch die Stände der<br />

Älteren Zeit Geburtsstände gewesen waren, waren die des MA anfänglich Berufsstände. Dabei gilt<br />

die Zugehörigkeit zu einem solchen Berufsstand die unterschiedliche soziale Herkunft seiner<br />

Mitglieder aus. Es konnte dadurch in manchen Fällen sogar unfreie Herkunft rechtlich abgestreift<br />

54 karinaa


werden. Nichtsdestoweniger bestand auch im MA Unfreiheit von Menschen weiter. Da die<br />

Ständeordnung mit ihrer Minderfreiheit oder Unfreiheit von Menschen von der ma Soziallehre als<br />

gottgewollte Ordnung angesehen wurde, nahm man sie hin.<br />

b.)Was waren die rechtlichen Konsequenzen dieser Gliederung?<br />

Nur vereinzelt wendeten sich kritische Geister gegen die Unfreiheit von Menschen, wie dies etwa<br />

der Verfasser des Sachsenspiegels, EIKE VON REPGOW, getan hat, der in der Aufrechterhaltung<br />

der Unfreiheit von Menschen eine Verletzung des göttlichen Rechts erblickte.<br />

4.)Quelle� 400<br />

Quelle�Erhebung in den Ritterstand, nach 1231<br />

a.)In welcher Weise hatte sich damit das Zugehörigkeitskriterium zum Adel<br />

verändert?<br />

b.)Welche anderen Stände kennen Sie?<br />

Die 3 Stände des MA, die anfangs alle Berufsstände waren, waren der Adel, der Bauernstand & der<br />

Bürgerstand. In der weiteren Entwicklung kapselten sich die Berufsstände, insbes. der Adel, jedoch<br />

ab & wurden zu Geburtsständen.<br />

5.)Quelle� 407<br />

Quelle� Schwabenspiegel – Landrecht , 1275/76<br />

a.)Was ist dementsprechend ein Reichsfürst?<br />

Der Adel war in sich hierarchisch gegliedert, wie dies in der Lehnspyramide mit ihrer<br />

Heerschildordnung zum Ausdruck kam. Unter dem König rangierten seine unmittelbaren<br />

Lehnsleute, die RF. Während ursprünglich der Kreis der Fürsten des Reiches nicht fest abgegrenzt<br />

gewesen war, war es seit 1180 eben jene Gruppe von Kronvasallen, die den RFstand bildete.<br />

Es handelte sich bei ihnen sowohl um weltliche wie um geistliche RF. Ihnen allen war gemeinsam,<br />

dass sie außer dem König im Reich keinen anderen weltlichen Lehnsherrn haben durften. Da in der<br />

Herrschildordnung allerdings den geistlichen RF der Vorrang vor den weltlichen eingeräumt war,<br />

konnten letztere sich zu ersteren, insbes. als Vögte, in ein Lehnsverhältnis begeben. Statthaft war<br />

jedoch die Lehnsabhängigkeit von weltlichen F außerhalb des Reiches. So konnten RF im W, nicht<br />

gerade zum Vorteil des Reiches, auch Lehnsleute des französischen Königs sein.<br />

b.)Wie unterscheidet sich seine Rechtsstellung von der des übrigen Adels?<br />

Unter den RF stand innerhalb des Adels die Gruppe der GRAFEN, sofern diese nicht die<br />

Reichsstandschaft erlangt hatten, & FREIEN HERRN. Wer zu dieser Gruppe gehörte, musste über<br />

allodialen oder lehnsabhängigen Großgrundbesitz verfügen. Auf einer tieferen Stufe standen die<br />

Dienstmannen oder Ministerialen. Eine Reihe von ihnen war, aus einem höheren Stand kommend,<br />

auf die Weise in die Not gedrängt, in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem bisherigen<br />

Standesgenossen begeben hatten. Sie hatten sich aber häufig ausbedungen, dass ihnen ihre<br />

Qualifikation, als Schöffen im Grafengericht fungieren zu können, erhalten blieb. Diese Gruppe, zu<br />

der etwa Eike von Repgow gehörte, wird daher als die der Schöffenbarfreien oder<br />

Vorbehaltsministerialen bezeichnet. Die unterste Rangstufe innerhalb des Adels nahmen die Ritter<br />

ein, die nur noch ein Lehen empfangen, keines aber mehr ausgeben durften.<br />

55 karinaa


6.)Quelle� 418<br />

Quelle�Stadtrecht von Innsbruck, 1239<br />

a.)Welcher Rechtssatz kommt in dieser Stelle zum Ausdruck?<br />

Handels-oder handwerkliche Tätigkeit in den Städten war das Kriterium der Zugehörigkeit zum<br />

Bürgerstand.<br />

b.)Welche rechtlichen Konsequenzen hatte die Erlangung des Bürgerrechts?<br />

Anfänglich befanden sich die Stadtbewohner in einem personenrechtlichen<br />

Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Stadtherrn. Es galt der Grundsatz, dass Stadtluft unfrei<br />

mache. Seit dem 11.Jh. jedoch schüttelten zahlreiche Städte die Herrschaft ihres bisherigen<br />

Stadtherrn ab. Das Regiment in der Stadt wurde von der Bürgergemeinde selbst übernommen. In der<br />

freien, Rechtsetzung, Gerichtsbarkeit & Verwaltung durch eigene bürgerliche Organe<br />

wahrnehmenden, autonomen Stadt waren folglich auch die einzelnen Bürger frei.<br />

Es galt nun das Prinzip: STADTLUFT MACHT FREI.<br />

c.)Welche Abstufungen gab es innerhalb der Bürgschaft?<br />

Allerdings gab es innerhalb der Bürgergemeinde eine soziale Abstufung. Die Kaufleute, die bei der<br />

Beseitigung der Stadtherrschaft eine führende Rolle gespielt hatten, behielten die Position von<br />

NOBILES ET MELIORES CIVITATIS. Die politischen Rechte in der Stadt waren auf diese<br />

Patrizierschicht beschränkt. Die große Zahl der Handwerker war dagegen ursprünglich politisch<br />

nicht berechtigt. Im 14.Jh. jedoch erhoben sich in den Städten die zu Zünften genossenschaftlich<br />

zusammengeschlossenen Handwerker gegen das patrizische Stadtregiment. Als Ergebnis dieser<br />

Zunftrevolution wurde nun in den Städten die Handwerker an der Stadtregierung beteiligt.<br />

7.)Quelle� 415<br />

Quelle�Recht der Limburger Klosterleute, 17.1.1035<br />

a.)Worin bestand die Abhängigkeit der hier genannten Bauern?<br />

HALBFREIE oder HÖRIGE BAUERN & UNFREIE BAUERN<br />

Sie waren in die Hofgenossenschaft eines Grundherrn integriert & unterstanden dessen Hofrecht &<br />

GB. Die hörigen Bauern befanden sich in einem personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zu<br />

ihrem Grundherrn, dem sie aufgrund dessen zu Abgaben & Leistungen verpflichtet waren – wie<br />

etwa zur Entrichtung des Kopfzinses.<br />

Sie befanden sich zu ihrem Grundherrn außerdem in einem sachenrechtlichen<br />

Abhängigkeitsverhältnis: Der Grundherr überließ ihnen von seinem Grund & Boden im Wege der<br />

Leihe eine Hofstelle zur eigenen Bewirtschaftung, häufig vererblich als UNFREIE ERBLEIHE.<br />

Aufgrund dieses sachenrechtlich AV waren sie ihm ebenfalls zu Abgaben & Leistungen<br />

verpflichtet, wobei diese mit jenen aufgrund ihrer persönlichen Abhängigkeit zu einem<br />

unterscheidbaren Einheit verschmolzen. Sie mussten jedenfalls bei Verehelichung eine<br />

Heiratsabgabe an den Grundherrn leisten, bei Tod des hörigen Bauern & Übergang des Leihegutes<br />

56 karinaa


an dessen Erben war an den Grundherrn Sterbefall, sei es in Form des besten Stück Viehs oder des<br />

besten Kleidungsstückes des Verstorbenen zu entrichten.<br />

Allen hörigen Bauern fehlte auch die Freizügigkeit:<br />

Sie waren mit dem ihnen zur Bewirtschaftung überlassenen Land rechtlich verbunden,<br />

schollengebunden, sie waren GLEBAE ADSCRIPTI. Dem Mangel der fehlenden FZ stand<br />

allerdings der Vorteil gegenüber, dass das dem hörigen Bauern zu Bewirts. Überlassene Land nur<br />

zusammen mit ihm verkauft werden durfte & ihm auf diese Weise seine wirts. Existenzgrundlage<br />

nicht entzogen werden konnte.<br />

Im Gegensatz zu den hörigen Bauern hatten die unfreien Bauern kein Land zu selbstständigen<br />

Bewirts. Sie waren vielmehr als Knechte zu ungemessenen Diensten bei der Bewirts. Von Grund &<br />

Boden des GrH verpflichtet. Sie waren vermögensfähig, konnten vom GrH ohne wieteres verkauft<br />

werden & durften eine Ehe nur mit dessen Genehmigung eingehen.<br />

b.)Welche andere Art von Bauern gab es?<br />

Es gab auch noch die Art der freien Bauern. Bei diesen handelte es sich teils um altfreie Bauern,<br />

teils um solche, die, weil sie vom König auf gerodetem Land angesiedelt worden, waren & daher<br />

keinem Grundherrn unterstanden, rodungsfrei oder neufrei waren. Einige Bauern freie Bauern<br />

hatten sich nur die persönliche Freiheit bewahrt, bewirts. aber fremden Grund & Boden, der zur<br />

feien Erbleihe, überlassen worden war.<br />

8.)Quelle� 116<br />

Quelle� Edictus Rhotari, ca. 643<br />

a.)Welches Rechtsinstitut kommt in dieser Stelle zum Ausdruck?<br />

b.)Wie veränderte sich dieses im Laufe der Rechtsentwicklung?<br />

Das germanische Recht war nicht individualistisch, sondern gemeinschaftsbezogen. Der Staat der<br />

Älteren Zeit, der noch kein Flächenstaat, sondern ein Personenverbandsstaat war, bestand aus<br />

Familienverbänden, den SIPPEN. Die Rechtsstellung des Individuums hing von dessen<br />

Zugehörigkeit zu einer SIPPE ab. Nur die Zugehörigkeit des Individuums zu einer Sippe<br />

vermittelte dessen Zugehörigkeit zum Stammesverband & damit zur Rechtsgemeinschaft. Wer<br />

einer Sippe angehörte, genoss deren Schutz & rechtlos.<br />

Die Sippe war ein agnatischer Familienverband. Sie umfasste alle Männer & Frauen, die<br />

Nachkommen eines gemeinsamen Stammvaters waren, soweit die Abstammung durch Männer<br />

vermittelt war.<br />

Die MAGSCHAFT dagegen war ein kognatischer Familienveband. Zu ihr gehörte die gesamte<br />

Blutsverwandtschaft. In ihr unterschieden sich die Vatermagen von den Muttermagen sowie die<br />

Schwert-oder Speermagen, die Männer der Vaterseite, von den Spindel- oder Kunkelmagen, den<br />

Frauen der Vaterseite & den Angehörigen der Mutterseite.<br />

57 karinaa


� Die Sippen ihrerseits bestanden aus Familien. Zu einer Familie gehörten alle Mitglieder einer<br />

HAUSGEMEINSCHAFT. Die stand unter der Herrschaft eines Hausherrn, der die<br />

MUNTGEWALT über alle Mitglieder seines Hauses hatte. Dazu zählten die Ehefrau, die im Haus<br />

wohnenden Kinder, allenfalls unmündige Brüder des Hausherrn & unverheiratete Schwestern sowie<br />

das unfreie Gesinde. Die Munt war nicht sachenrechtliches Eigentumsrecht, sondern<br />

personenrechtliche Gewalt. Sie schloss zwar auch eine Strafgewalt des Hausherrn ein, die sogar das<br />

Tötungsrecht beinhaltete, hatte aber in 1.Linie Schutzfunktion. Der HH hatte seine<br />

Muntunterworfenen zu beschützen, haftete für ihre Straftaten & trat vor Gericht für sie auf.<br />

9.)Quelle� 132<br />

Quelle�Capitulare missorum generale (Allg.Kapitular für die Königsboten),802<br />

a.)Wie war die Rechtsstellung des Fremden in älterer Zeit dementsprechend?<br />

b.)Welche spezifischen Rechtsinstitute wurden im MA für Fremde geschaffen?<br />

Fremde<br />

Der Fremde war ursprünglich rechtslos & Schutzlos. Schutz genoss er nur, wenn ihm<br />

Gastfreundschaft geboten wurde. Der Gastgeber haftete dann aber auch für den Fremden. Später<br />

übernahm der König den Schutz der Fremden. Als Gegenleistung zog er bei deren Tod den Nachlass<br />

ein.<br />

10.)Quelle� 1085<br />

Quelle�Abschied des Augsburger RT (Augsburger Religionsfrieden), 25.9.1555<br />

a.)Welches Recht der Andersgläubigen wird in dieser Stelle angesprochen?<br />

IUS EMIGRATIONIS<br />

� Dieses ius emigrationis aus konfessionellen Gründen war der 1. Ansatz der erst im 19.Jh.<br />

eigeführten allg. individuellen Auswanderungsfreiheit. Bei dem Ius emigrationis des Augsburger<br />

Religionsfriedens handelte es sich allerdings um einen mit großem menschlichen Leid verbundenen<br />

Rechtsvorteil, um ein sogen. Flebile beneficium, das nicht nur den Verlust der Heimat bedeutete,<br />

sondern auch zum Verkauf des Vermögens zweck Entrichtung der erheblichen gabella emigrationis<br />

oder Nachsteuer zwang. Hörige mussten sich überdies von der Hörigkeit loskaufen.<br />

b.)Dieses Recht war Ausfluss welchen Rechtes des Landesfürsten?<br />

Um die nach der Reformation in Deutschland ausbrechenden Unruhen zwischen den<br />

protestantischen und katholischen Reichsständen (Schmalkaldischer Krieg / Fürstenaufstand) zu<br />

befrieden, kamen die Fürsten und die Stände im September 1555 nach Augsburg, um einen<br />

Reichstag abzuhalten. Die Fürsten formulierten hier nicht mehr eine religiöse, sondern eine<br />

politische Kompromissformel, der beide Seiten zustimmen konnten: Wer das Land regiert, solle<br />

den Glauben bestimmen: „cuius regio, eius religio“ (wessen Land, dessen Religion) - eine Formel,<br />

die der Greifswalder Jurist Joachim Stephani 1576 treffend einführte. Das bedeutete aber nicht<br />

religiöse Freiheit der Untertanen oder gar Toleranz, sondern Freiheit der Fürsten, ihre Religion zu<br />

58 karinaa


wählen. Den Untertanen, die nicht konvertieren wollten, wurde lediglich das "Recht" eingeräumt,<br />

in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern.<br />

Es war somit ein Sieg der Territorialherren über das Reich, der Sieg der fürstlichen „Libertät“ über<br />

die Zentralgewalt, der Sieg über die Idee des universalen christlichen Kaisertums. Der gleichzeitig<br />

vereinbarte allgemeine Landfrieden sicherte dem Reich einen inneren Frieden, bis mit Ausbruch<br />

des Dreißigjährigen Krieges 1618 die Gegensätze erneut und um so heftiger und grauenvoller<br />

hervortraten.<br />

c.)Wie lange waren Andersgläubige in Ö in welchem Ausmaß diskriminiert?<br />

11.)Quelle� 430<br />

Quelle�Privilegium er sentetentia in favorem Iudaeorum (Privileg & Reichsspruch zugunsten der<br />

Juden)<br />

a.)Wieso werden die Juden in dieser Stelle als Kammerknechte bezeichnet?<br />

Eine Sonderstellung nahmen aufgrund des Glaubensunterschieds die JUDEN ein. Sie standen seit der<br />

Karolingerzeit unter dem Schutz des Königs. Später stellten die Landfriedensgesetze sie unter<br />

besonderem Schutz. Allerdings erwiesen sich die Schutzbestimmungen seit der Zeit der Kreuzzüge<br />

nicht mehr als wirkungsvoll. Wegweisend für die künftige Judenschutzgesetzgebung war ein<br />

Privileg, das den Juden von Worms 1090 von Kaiser Heinrich IV. gewährt & 1157 von Kaiser<br />

Friedrich I. bestätigt wurde. Danach war ihnen Integrität von Leben & Vermögen gewährleistet,<br />

wofür sie Abgaben an die königliche Finanzverwaltung (Kammer) zu erbringen hatte. Das<br />

Wormser Judenprivileg erhob Kaiser Friedrich II. 1236 zum allg. dt. Judenschutzgesetz.<br />

Die Juden, deren Schutz der König garantierte, galten aufgrund der dafür von ihnen zu leistenden<br />

Abgaben als die königlichen KAMMERKNECHTE.<br />

b.) Charakterisieren Sie darüber hinaus ihre Rechtsstellung?<br />

Der Judenschutz zählte zu den königlichen Rechten, die Einkünfte abwarfen, zu den Regalien. Wie<br />

andere Regalien so ist auch das JUDENSCHUTZREGAL seit dem 13.Jh. auf die Landesherrn<br />

übergegangen. Die Effektivität de Judenschutzes war in der Folgezeit in den einzelnen Ländern<br />

unterschiedlich. Die Juden wurden auf vielfache Weise diskriminiert wie durch den Zwang zum<br />

Tragen einer best. Kleidung oder durch die allerdings auch ihren eigenen Wünschen<br />

entgegenkommende Absonderung in den Ghettos.<br />

Zu gr. Judenpogromen wurden nicht nur allg. Aggressionen gegenüber einer Minderheit abreagiert,<br />

sondern entlud sich auch der wirts. Neid der christlichen Bevölkerung gegenüber den nicht an das<br />

kanonische Zinsverbot gebundenen & daher durch Darlehensgeschäfte reich gewordenen Juden.<br />

Das allg. Judenschutzgesetz Kaiser Sigismunds 1415 erneuerte die königliche Judenschutzgarantie<br />

& erlegte den Juden dafür eine jährliche Abgabe an die königliche Kammer in der Höhe von 10%<br />

ihres beweglichen Vermögens auf.<br />

12.)Quelle� 1509<br />

Quelle�Judenpatent für Wien & NÖ, 2.1.1782<br />

a.)Worin bestanden die Verbesserungen betreffend die jüdische Bev.?<br />

Auch die Judenemanzipation leitete Josef II. ein. Die Patente, die er für die Juden in Wien & Ö<br />

unter der Enns 1782 & für die in Galizien 1785 erließ, verbesserten deren Stellung in einem im<br />

59 karinaa


Vergleich mit anderen Staaten beträchtlichen Maße. Die Toleranz ihnen gegenüber den<br />

Akatholiken. So wurden sie weiterhin u.a. weder zum Bürger-noch zum Meisterecht zugelassen. An<br />

dem Schutzgeld, das die Juden dem Landesherrn für den Schutz, den er ihnen aufgrund seines alten<br />

Judenregals gewährleiste, leisten mussten wurde festgehalten. Immerhin wurden aber die kränkende<br />

Verpflichtung zum Tragen der Judentracht & der Ghettozwang aufgehoben & die Niederlassung,<br />

Ausbildung & Berufsausbildung der Juden erleichtert.<br />

b.)Wann erfuhr die jüdische Bev. Ö´s eine rechtliche Gleichstellung?<br />

Aus den innerösterreichischen Ländern & aus Tirol blieben die Juden ausgeschlossen.<br />

13.)<br />

Welchen Einfluss hatte die Ehre auf die Rechtsstellung des Menschen?<br />

Der Ehrbegriff beschreibt zwar nur die soziale Wertschätzung eines Menschen in der Gesellschaft,<br />

ist aber in vielen Fällen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung subjektiver Rechte geworden. Ein<br />

Mangel an ehre kann einen Mangel an Rechten zur Folge haben.<br />

Die Rechtsminderung infolge geminderter Ehre war bereits seit dem frühen MA bekannt.<br />

Als ehrlos & damit rechtlos galten etwa Personen die ein uneheliches Gewerbe betrieben (Henker,<br />

Scharfrichter, Schauspieler etc.),<br />

dann Personen die zu Ehrenstrafen verurteilt worden waren (Aufstellen am Pranger, Tragen von<br />

Schandmasken & Schandkronen, Eselritt u.a.)<br />

auch unehelich Geborene wurden unter dem Aspekt der Ehrlosigkeit rechlich benachteiligt,<br />

und unsittlicher Lebenswandel lieferte den Vorwand manche Beschränkungen des Rechtserwerbs.<br />

Die Beschränkungen der Rechtfähigkeit durch Ehrenminderung waren uneinheitlich geregelt und<br />

daher in Ihrer Vielfalt kaum überschaubar.<br />

Das Verbot, in eine Zunft einzutreten, Beschränkungen der Erbfähigkeit sowie die Verweigerung<br />

oder Verminderung von Buße und Wehrgeld lassen sich als gebräuchlichste Rechtsfolgen<br />

mangelnder Ehre hervorheben.<br />

Das Eindringen des römischen Rechts verschärfte diesen Rechtszustand, weil sich das<br />

römischrechtliche Institut der Infamie zur rechtlichen Erfassung und Generalisierung der<br />

Ehrenfolgen anbot. Erst die Idee der Rechtsgleichheit aller Menschen hat im 19. Jh. Die<br />

Rechtsfolgen der Ehrenminderung abgeschwächt & bist auf kleine Reste beseitigt. Im geltenden<br />

öRecht hat die Ehrenminderung generell keine Bedeutung mehr, nur in einigen Teilgebieten der<br />

RO wird auf die soziale Wertung Rücksicht genommen.<br />

14.) ABGB 1811<br />

„Jeder Mensch hat angeborene, schon durch Vernunft einleuchtende Rechte, & ist daher als eine<br />

Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft , & die Ausübung einer sich darauf<br />

beziehenden Macht wird nicht gestattet.“<br />

a.)Inwiefern brachte diese Regelung Neues?<br />

60 karinaa


Welchen Inhalt diese Rechte im einzelnen haben, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich, nach<br />

heutigem Rechtsverständnis sind aber unzweifelhaft jene Rechte gemeint, die uns als<br />

„Grundrechte“ & „Persönlichkeitsrecht“ zu einem Begriff geworden sind. Persönlichkeitsrechte<br />

dienen dem unmittelbaren Schutz der menschlichen Person, ihrer Würde & Unversehrtheit.<br />

b.)Was war die hier genannte Leibeigenschaft & wann wurde sie in Ö abgeschafft?<br />

In manchen Gebieten dt. Rechtskultur (z.B.: in den östlichen Gebieten Böhmens & Mährens) kam<br />

es sogar zur Leibeigenschaft. Sie war gleichsam der Rechtsmaßstab totaler wirtschaftlicher<br />

Abhängigkeit des Bauern vom Grundherrn & erfasste alle Lebensbereiche. Dennoch wäre es<br />

verfehlt, dem Leibeigenen jegliche Rechtspersönlichkeit abzusprechen. Seine Rechtsstellung<br />

unterschiedslos sich nur graduell vom unfreien Bauern wie es ihn auch in Ö gab.<br />

15.)BGB 1900<br />

„§ 1. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit vollendeter Lebendgeburt“<br />

a.)Was wissen Sie allg. über die Rechtsstellung des nasciturus?<br />

Der Mensch erlangt due RF mit vollendeter Geburt, d.h. mit der natürlichen oder künstlichen<br />

Trennung des Kindes vom Mutterleib. Bestehen Zweifel, ob ein Kind lebend oder tot geboren<br />

wurde, gilt die Vermutung der Lebendgeburt.<br />

Auch das ungeborene Kind hat vom Zeitpunkt der Empfängnis an einen Anspruch auf Schutz der<br />

Gesetze, d.h. es bestehen verschiedene Schutzvorschriften zu seinen Gunsten. Darüber hinaus hat<br />

der Ungeborene eine bedingte & beschränkte RF: Er kann unter der Voraussetzung, dass er lebend<br />

geboren wird, bereits Rechtsträger werden, soweit dies ausschließlich zu seinem Vorteil ist, es also<br />

um seine Rechte geht.<br />

b.)In welcher Zeit wurde in Dt. diese allg. RF wieder in Frage gestellt?<br />

Mit der Ausbreitung des Christentums verschwanden das Aussetzungs- & Tötungsrecht sowie die<br />

rechtsförmliche Aufnahme des Neugeborenen in Sippe & Haus. Einige Rechte machten die RF des<br />

Kindes von der Raufe abhängig, die binnen 10 Tage nach der Geburt erteilt wurde. Mehrheitlicher<br />

Anknüpfungspunkt für den Beginn der RF war jedoch von da an die Geburt, sofern das<br />

Neugeborene lebensfähig war.<br />

Das gemeine Recht ließ die RF mit der Geburt eines freien Menschen beginnen & entsprach damit<br />

im Wesentlichen den ma. Vorstellungen. Die überkommenen Vorbehalte hinsichtlich der LF &<br />

menschlichen Gestalt des Geborenen wurden allerdings beibehalten. Bis zum ABGB blieben daher<br />

Lebendgeburt, Nachweis der LF & gewöhnliche menschliche Gestalt Bedingungen für den Erwerb<br />

der RF.<br />

Die RF des nasciuturs erhielt insofern einen neuen Aspekt, als das gemeine Recht die Möglichkeit<br />

eines Rechtserwerbes durch die Leibesfrucht verallgemeinerte. Ausgangspunkt dieser Überlegung<br />

war die Rückbeziehung der RF des N.auf den Zeitpunkt der Zeugung, soweit es sich um<br />

61 karinaa


Rechtstatsachen zu seinen Gunsten handelte. Folgerichtig kannte das gemeine Recht auch eine<br />

Pflegschaft zugunsten der Leibesfrucht.<br />

16.)<br />

a.)Was wissen Sie über das Ende der RF durch Tod?<br />

Die RF eines M endet mit seinem Tod, der vom Arzt bestätigt (Totenschein) & in das Sterbebuch<br />

eingetragen wird.<br />

b.)Was wissen Sie über den Rechtsbrauch des 30.?<br />

Im frühen & ma. Recht wurde die RF des M nicht ausnahmslos mit dem Tod beendete. Religiöse<br />

Vorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod verbildlichten sich im Rechtgebrauch der<br />

Grabbeigaben & ließen an eine RF des Toten, sogar an die Haftung des Leichnams für Schulden des<br />

Verstorbenen denken. Ein Toter konnte bspw. In früherer Zeit Subjekt des Rachrechtes, nach<br />

Kirchenrecht unmittelbar Vermögensträger sein.<br />

Eine langlebige Fortwirkung dieser Vorstellung war der Rechtsbrauch des Dreißigsten. Er findet sich<br />

bereits in den Quellen der karolingischen Zeit & wurde im MA. zu einem fest umrissenen<br />

Rechtsinstitut . Danach mussten die Witwe & sämtliche Hausgenossen nach dem Tod des<br />

Familienoberhauptes so wie bisher versorgt & behandelt werden, die Aufteilung der Erbschaft war<br />

vorerst ausgeschlossen. Der Verstorbene lebte auf diese Weise gleichsam dreißig Tage weiter &<br />

behielt die volle RF.<br />

c.)Welche Verschollenheitsregeln kennen Sie?<br />

Zweifel am Fortleben wegen langer, nachrichtenloser Abwesenheit<br />

d.)Was wissen Sie über das Toderklärungsverfahren?<br />

Kann der Tod eines M auf diese Weise nicht bewiesen werden (z.B.: die Leiche eines Ertrunkenen<br />

bleibt unauffindbar), ist das Gericht im außerstreitigen Verfahren von seinem Tod zu überzeugen<br />

(Todesbeweis). Für den Fall, dass auch der Todesbeweis nicht erbracht werden kann, sieht die RO<br />

die Möglichkeit der gerichtlichen Todeserklärung vor. Sie setzt Verschollenheit (Zweifel am<br />

Fortleben wegen langer, nachrichtenloser Abwesenheit) voraus & begründet die Vermutung, dass<br />

der Verschollene an dem im Beschluss anzugebenden Tag gestorben ist. Sowohl Todesbeweis als<br />

auch Todeserklärung können entkräftet werden.<br />

62 karinaa


17.)<br />

a.)Wann wurde die Rechtsfigur des bürgerlichen Todes im dt. Sprachraum<br />

wiederbelebt?<br />

Bürgerlicher Tod: Dieses Rechtsinstitut war besonders in Frankreich verbreitet, wo es sich aus<br />

Elementen der Friedlosigkeit & Acht entwickelte, aber auch Züge der röm. CAPITIS<br />

DEMINUTIO & INFAMIA sowie der kanonischen EXKOMMUNIKATION in sich aufnehmen.<br />

Der bT wurde im 17.Jh. vorwiegend als Sanktion prozessualen Ungehorsams verhängt. Seit dem<br />

18.Jh. war er mit jeder Verurteilung zu einer Kapitalstrafe verbunden. Im Zuge der französischen<br />

Revolution wurde vor allem die Emigration mit dem bT sanktioniert, er traf aber auch den zum<br />

Tod oder zu lebenslanger Leibesstrafe Verurteilten. Er verlor das Eigentum an seinen Vermögen,<br />

seine Ehe galt als aufgelöst, & er konnte auch künftig keine Ehe eingehen. Sein Vermögen fiel<br />

nach dem Grundsatz des Intestaterbrechts an seine Erben, der Erwerb neuen Vermögens<br />

(ausgenommen Unterhalt) war ihm versagt, er durfte weder Vormund noch Zeuge sein u.a.m.<br />

Praktisch war damit seine RF (auch für Zukunft) völlig zerstört.<br />

b.)Welche anderen Formen eines vorzeitigen Verlusts der RF kennen Sie?<br />

Friedlosigkeit &Acht: AN bestimmte Verbrechen, die den Täter als „Feind des ganzen Volkes“<br />

auswiesen, war im älteren Recht die unmittelbare Folge der Friedlosigkeit geknüpft. Daneben gab es<br />

die Friedlosigkeitserklärung durch gerichtliche Ächtung. Regelfall der Ächtung war die<br />

Friedloserklärung wegen Ladungs-oder Urteilsgehorsam in jenen Fällen, in denen wegen eines<br />

schweren Delikts Klage erhoben worden war. Die Acht diente also zunächst als prozessuales<br />

Druckmittel oder als Mittel der Zwangsvollstreckung. Mit der Acht galt die Rechtspersönlichkeit<br />

des Geächteten als erloschen(jeder konnte ihn bußlos erschlagen).<br />

Im Laufe des MA hat sich die Acht zu einer mannigfaltig differenzierten Rechtsfigur entwickelt.<br />

Ihr Anwendungsbereich erweiterte sich auf leichte strafrechtliche Delikte &Sogar auf zivile<br />

Schuldverhältnisse, da sie die Parteien eines Vertrages in der sogen. „Achtklausel“ als Sanktion der<br />

Nichterfüllung vereinbaren konnten. Die ma. Acht war örtlich (auf den Gerichtbezirk, das Terri,<br />

ausnahmsweise auf das ganze Reich ) & auch sachlich beschränkt. Sie bed. Nicht die volle<br />

Rechtslosigkeit, sondern nahm einen vorläufigen Charakter an, der dem Betroffenen weiterhin die<br />

Möglichkeit vermittelte, sich dem R zu stellen. Der Geächtete hatte das Risiko zu tragen von<br />

jedem verhaftet zu werden & bei Widerstand straflos getötet zu werden.<br />

63 karinaa


Im Prozess hatte er zudem die ungünstige Stellung des Handhafttäters. Wenn er sich nach Jahr &<br />

Tag noch immer nicht dem Gericht gestellt hatte, wurde die Oberacht (Aberacht) über ihn<br />

verhängt, womit nun volle Friedlosigkeit eintrat. Aus dem Wesen der Acht als prozessuales<br />

Zwangsmittel ergibt sich bereits im MA ihre Ablösbarkeit. Wenn sich er Beklagte gerichtlich oder<br />

außergerichtlich mit dem Kläger einigte, konnte er sich aus der Achtbefreien. Auch die Aberacht<br />

war ablösbar, allerdiungs unter schwereren Bedingungen.<br />

In der Neuzeit verlor die Acht in den territorialen RO Bed., da sie durch andere Institute des<br />

StrafR, PolizeiR & ProzessR ersetzt wurde. Auf Reichsebene erhielt sie sich als Reichsacht bis zum<br />

Ende des Hl.Röm.Reiches Dt. Nationen ihre aus dem MA überkommene Hauptbed.<br />

Klostertod: Der KT (welcher auch bT genannt wird, sich jedoch von diesem inhaltlich<br />

unterscheidet. War nach dem ma.R. die Folge des Eintritts in ein Kloster unter Ablegung der<br />

ewigen Profeß. Der Betroffene verlor damit sein Land-&Lehnsrecht, da er „von der Welt für tot<br />

geachtet“ wurde. Diese Rechtsauffassung wirkte in den großen Kodifikationswerken fort, da mit<br />

dem Argument völliger Rechtlosigkeit dem Vermögenserwerb der „toten Hand“ entgegengetreten<br />

werden konnte. (Das konische Recht hatte die Erwerbsfähigkeit der Professen mit feierlichem<br />

Gelübde nicht angerührt, sondern jeden Erwerb von Religiosen auf das Kloster bzw. den Hl.Stuhl<br />

übergeleitet).<br />

Die Begriffe bT & Klostertod wurden in der Periode des NS vom Reichgericht für die<br />

Beschreibung der Rechtsstellung (Rechtlosigkeit) der Juden wiederbelebt, um die Annahme einer<br />

vollen Rechtlosigkeit der Juden im PR juristisch zu untermauern.<br />

18.)ALR 1794<br />

a.) Welche Tendenzen hinsichtlich der Altersstufen für die GF ist historisch<br />

feststellbar?<br />

In den einfachen und überschaubaren agrarischen Verhältnissen der Frühzeit mit ihren<br />

mannigfachen sozialen Bindungen wurden nur 2 rechtlich bedeutsame Altersstufen unterschieden.<br />

Unreifes(unmündiges) Alter<br />

Reifes (mündiges) Alter<br />

Als Zuordnungskriterium diente wohl hauptsächlich das äußere Erscheinungsbild, meist der Eintritt<br />

der Geschlechtsreife, die Wahlfähigkeit u.dgl. Daran anknüpfend, kamen schon früh, spätestens<br />

zur Zeit der Volksrechte, feste, nach Lebensjahren bestimmte Mündigkeitstermine auf (10,12,<br />

seltener 14,15 & 16). Damit war die individuelle Reife dem Mündigkeitserfordernis eines gewissen<br />

Alters gewichen. Mit zunehmender Differenzierung der Lebensverhältnisse im MA. Stiegen<br />

einerseits die Mündigkeitsgrenzen (vogtbare Jahre – reifes Alter mit 18,20,21,24, unter<br />

gemeinrechtlichen Einfluss auch 25), andererseits wurden für best. RG oder für best. Bereiche rg<br />

Handelns zusätzlich Mündigkeitstermine eingeführt & für best. Stände oder Personen<br />

Sonderregelungen getroffen. Diese Sondergeschäftsfähigkeiten entwickelten sich vor allem im<br />

Ehe- &Erbrecht, hatten aber -in Fortführung ma.Einzelbestimmungen – auch die<br />

Prozessführungsbefugnis, Kampfmündigkeit (Befähigung zum 2Kampf) u.dgl. zum Gegenstand.<br />

b.) Welche Bedeutung hatte die Munt für die GF?<br />

64 karinaa


Die Bindung der GF an das Reifemerkmal des Alters war überlagert von der umfassenden<br />

Beschränkung der GF aller jener Personen, die unter fremder MUNT standen (Frauen, Haussöhne,<br />

bis zur Abschichtung, vaterlose Waisen bis zur Mündigkeit, Graisen unter bes.<br />

Altersvormundschaft). Bes. weitreichend war die VÄTERLICHE MUNT über Kinder. Über ihre<br />

Auswirkungen auf die GF geben die Quellen nur unklare Auskünfte. Unmündige<br />

(muntunterworfene) Personen waren grundsätzlich nicht verpflichtungsfähig. Sie konnten zwar<br />

Rechte erwerben, ihre Verfügungs-& Verpflichtungsgeschäfte waren aber nur dann gültig, wenn ihr<br />

Muntwalt für sie kontrahierte oder den RG kraft seiner GEWERE ZUR RECHTEN<br />

VORMUNDSCHAFT zustimmte. In beiden Fällen konnte sie das Mündel nach erreichter<br />

Selbstmunt binnen best. Frist widerrufen.<br />

Dieses Widerrufsrecht versagte nur bei echter Not des VP & schützte den Unmündigen vor eigenen<br />

Leichtsinn, aber auch vor nachteiligen RG des Vormunds & verhinderte jegliche<br />

Vermögensverschleuderung. Andererseits machte es den Geschäftsfluss mit einem Unmündigen<br />

oder seinem Vormund zu einem großen Risiko, da man sich gegen die aus einem etwaigen<br />

Geschäftswiderruf entstehenden Nachteile nicht oder nur sehr unvollkommen sichern konnte.<br />

Während unter Vormundschaft stehende, vaterlose Waisen durch das Erreichen des<br />

Mündigkeitsalters grundsätzlich ihre volle Selbstständigkeit erlangten, blieben Haussöhne auch<br />

dann der väterlichen Munt unterworfen. Erst mit der Abschichtung, dem Ausscheiden aus dem<br />

väterlichen Haushalt, erlosch die väterliche Muntgewalt. Die dem ma. Dt. Recht entstammende<br />

Aufspaltung des Mündigkeitsbegriffs war allerdings im ö Rechtsraum bald überwunden. Der<br />

„Landesbrauch“ ließ mit dem Erreichen des Mündigkeitsalters zumeist auch die väterliche Gewalt<br />

erlöschen.<br />

19.)Testament der Allheyd von Bremen<br />

a.)Welche Rechtstellung kam also der genannten Allheyd zu, & inwiefern unterschied<br />

sie sich damit von anderen Frauen?<br />

Diese in Stadt & Land erkennbaren Ansätze rechtlicher Gleichbehandlung von Mann & Frau<br />

waren am deutlichsten im Stadtrecht, wo es der KAUFFRAU gelang sich im wirtschaftlichen<br />

Konkurrenzkampf Respekt zu verschaffen & von jeglicher Bevormundung zu befreien. Ihre RF<br />

hob sich durch den Abbau aller Beschränkungen des Vermögenserwerbs kaum mehr von jener des<br />

Mannes ab.<br />

Die aus dem ma. Rechtsleben hervorgegangene Emanzipationsbewegung wurde jedoch im 16. &<br />

17. Jh. Aufgehalten, teilweise sogar umgekehrt. In die frühen territorialen Rechtsaufzeichnungen<br />

fanden meist nicht die fortschrittlichen Rechtsauffassungen des ausgehenden MA, sondern<br />

gemeinrechtliche Institute Aufnahme, die den Gedanken einer natürlichen Minderbegabung &<br />

Schutzbedürftigkeit der Frau wiederbelebten. Als neue Argumente für die beschränkte RF der Frau<br />

wurden in diesem Zusammenhang mangelnde Geistesschärfe & Geschäftstüchtigkeit genannt.<br />

b.)Zu welchen Veränderungen in der RSt. Der Frauen kam es in der Neuzeit?<br />

Die Rst. der Frau war bis zu den PRkodifikationen der NZ dadruch gekennzeichnet, dass sie vom<br />

Erwerb best. Rechte (allerding auch der damit verbundenen Pflichten) ausgeschlossen war.<br />

Ständische Unterschiede machen es schwer, ein Gesamtbild ihrer RF zu zeichnen, doch lässt sich<br />

immerhin der Grsatz der Ungleichbehandlung der Geshclechter in den wichtigsten<br />

Entwicklungslinien verdeutlichen.<br />

65 karinaa


Die ältesten Quellen sind Zeugnisse eines stark ausgeprägten PATRIACHATS. Es fand seine<br />

rechtliche Ausgestaltung in der mUntgewalt des Hausvaters über alles, was zu seinem Hauswesen<br />

gehörte. Die Frau als Mitglied des Hauses konnte diese umfassende Verfügungsgewalt nicht ausüben,<br />

war also immer dem Hausvater unterworfen. Damit nahm sie keinerlei Anteil am öffentlichen<br />

Leben, war wehr-,gerichts- &lehensunfähig & konnte Grundstücke weder erben noch besitzen. Ein<br />

selbstständiger Aufgabenbereich ist am frühesten bei der Ehefrau zu finden. Ihre Position lässt sich<br />

am besten dadurch beschreiben, dass sie Herrin des Hauses gewesen ist. Diese besondere Stellung im<br />

Haus blieb nicht ohne Einfluss auf die Rentw. Sie erhielt die SCHLÜSSELGEWALT , konnte also<br />

den Mann durch selbstständiges Handeln verpflichten, wurde teilweise VERMÖGENSFÄHIG &<br />

erlangte unter christlichem Einfluss den Rang eines Partners in der ehelichen Genossenschaft. Das<br />

Ergebnis war eine deutliche rechtliche Besserstellung der Frau in der ma. Rechtswelt, die auf<br />

manchen Teilgebieten der RO zur Vorstellung einer fast modern anmutenden Frauenemanzipation<br />

verleitet.<br />

Beschränkungen im Liegenschaftsrecht, im Erbrecht & im Lehnsrecht konnten weitegehend<br />

überwunden werden.<br />

Eine nachhaltige Veränderung der Rechtsstellung der Frau brachte erst die Theorie der<br />

Vernunftrechts, von dessen Prinzipien vor allem jene von der GLEICHHEIT ALLER<br />

MENSCHEN & der WECHSELBEZÜGLICHKEIT ALLER RECHTE & PFLICHTEN wegweisend<br />

wurden. Die Geschlechter waren demnach gleich zu behandeln; jede Bevorzugung trug den Makel<br />

des Unrechtmäßigen, sofern dem Mehr an Rechten nicht ein gleiches Maß ab korrespondierten<br />

Pflichten entsprach.<br />

Damit war die Auseinandersetzung um eine gerechte Aufgabenteilung zw. Mann & Frau im<br />

Familienverband aber auch im übrigen Rechtsleben eröffnet. Sie führte zur Rechtsauffassung einer<br />

allg. (Frau & Mann gleich erfassenden) RF, deren Grundzüge für nicht in einer Ehe lebenden<br />

Frauen bereits im ABGB 1811 ausformuliert wurden. Bis zur generellen Gleichberechtigung von<br />

Mann & Frau dauerte es allerdings noch lange Zeit.<br />

20.)§2. Sachsenspiegel – Landrecht<br />

„Alle fahrende Habe veräußert der Mann & lässt & leihet ut, si lange wie er es vermag, dass er<br />

gegürtet mit einem Schwert & mit einem Schild auf ein Ross steigen kann von einem Stein ohne<br />

eine Mannes Hilfe, außer dass man ihm das Ross & den Stegreif halte. Kann er dies nicht mehr<br />

leisten, so kann er nicht geben noch auflassen noch verleihen, so dass er es jenem entzieht, der<br />

darauf nach seinem Tode die Anwartschaft hat.“<br />

a.)Wie lange gab es derartige Beschränkungen?<br />

Da im älteren Recht nur der wehrhafte Mann die vollen Rechte genießen konnte, wurden M mit<br />

Leibesgebrechen bis zum Ende des MA als völlig oder teilweise handlungsunfähig angesehen. Am<br />

Ende des MA verschwanden derartige Beschränkungen, doch erhielten sich körperliche Gebrechen<br />

als Entmündigungsgrund, soweit sie die Rechtsausübung beeinträchtigen konnten. Noch das ABGB<br />

2822 kannte in §275 eine (Freiwillige) Taubstummenkuratel, die als Hinweis auf eine allg.<br />

Gebrechlichkeitspflegschaft gedeutet wurde. Das Recht der freiwilligen Stellvertretung & die<br />

Möglichkeit, jeder geistig behinderten (etwa auch bewusstlosen) Person einen Sachwalter zu<br />

bestellen, haben ihr den Anwendungsbereich gänzlich entzogen.<br />

b.)Welche anderen Beschränkungen der HF gab es im Hinblick auf gesundheitliche<br />

Defizite?<br />

66 karinaa


Geistige Gebrechen führten zu einer Beschränkung der rechtlichen HF, manchmal auch der RF. Seit<br />

dem späten MA finden sich, besonders in den Städten, Vorschriften über eine förmliche<br />

Aberkennung der GF & einen damit verbundene Anordnung der Vormundschaft über Geisteskranke<br />

& Verschwender (Entmündigung). Die staatliche Mitwirkung verstärkte sich dabei in dem Maße,<br />

als Funktionen der Großfamilie auf hoheitliche Verbände übergingen & der Fürsorgegedanke in den<br />

Vordergrund trat. Die Obrigkeit hörte die die Beteiligten, bestellte den Vormund & beschränkte die<br />

Mitwirkungsbefugnisse der Verwandten immer mehr auf ein bloßes Antrags- & Anhörungsrecht.<br />

Ergänzend dazu wurden von Amts wegen die Rechtsverhältnisse solcher Personen geordnet, die<br />

ihre Angelegenheiten wegen irgendeiner Behinderung selbst nicht wahrnehmen konnten21.)<br />

a.)Charakterisieren & unterscheiden Sie ältere von der jüngeren Genossenschaft!<br />

Ältere Genossenschaften waren jene, bei denen eine rechtliche Trennung zwischen den Mitgleidern<br />

& dem Ganzen nicht oder nur ansatzweise festgestellt werden konnte. Das Merkmal der jüngeren<br />

Genos. Sollte sein, dass eine rechtliche Konfrontation des Verbandes mit seinen Mitgliedern<br />

möglich war. Typisch für die „ältere“ Genos. Sind jene ma. Personenverbände, die in ein<br />

ethnisch-religiöser Zweckgemeinschaft den ganzen Menschen erfassten. In ihnen war die<br />

Gleichschaltung der Einzelinteressen so stark, dass sich die Identität der Gemeinschaft nicht von<br />

jener der einzelnen Mitglieder abhob. Eine „natürliche“ O führte die Mitglieder zu den Prinzipien<br />

der EINSTIMMIGKEIT & des GESAMTEIGENTUMS zusammen. Ihre Erscheinungsformen<br />

reichen von Sippen-, Haus-& Ehegenossenschaften über Nachbarschaften, Dorfschaften &<br />

Marktgenossenschaften is hin zu Gefolgschaften, Schwurbrüderschaften, hofrechtlichen Genos.,<br />

Eidgenos. & politisch ausgerichteten Genos.<br />

Jüngere Genossenschaften mit verselbstständigtem Gemeinschaftswillen sind seit dem ausgehenden<br />

HochMA festzustellen. Sie entwickelten sich aus hergebrachten Genossenschaftsformen, & zwar<br />

dort, wo der einzelne nicht mehr seine gesamten Daseinsinteressen, sondern bestimmte<br />

Zielvorstellungen einbrachte. Das begünstigte jene Organisationsformen, die eine unmittelbare<br />

Mitarbeit des einzelnen Gemeinschaftsmitglieds erübrigten. Die Verfolgung gemeinschaftlicher<br />

Interessen wurde einigen wenigen Beteiligten überlassen, die zugleich die Präferenzen &<br />

Richtlinien bestimmten. Mit der genauen Festlegung der Gemeinschaftsziele & des Verfahrens zu<br />

ihrer Verwirklichung in einer Grundordnung reduzierte sich die Einflussmöglichkeit des einzelnen<br />

Mitglieds in der Regel auf die Abgabe seiner Stimme in der Mitgliederversammlung. Regelmäßig war<br />

Stimmenmehrheit für die Beschlussfassung ausreichend. Da das einzelne Mitglied nicht seine<br />

INterssen in die Gemeinschaft einbrachte & im Gemeinschaftszweck aufgehen ließ, blieb der<br />

Verband auch bei seinem Ausscheiden bestehen. ER war in der Regel bereits unabhängig von der<br />

Zahl & dem Wechsel seiner Mitglieder. Die zur Verfolgung der gemeinsamen Interessen angelegten<br />

finanziellen Mittel wurden zum Verbandsvermögen, das die eigens eingerichteten Organe<br />

verwalteten. Diese Organe handelten fr die Körperschaft, trafen Entscheidungen & sorgten für<br />

ihre Realisierung.<br />

67 karinaa


1.)Unterscheiden Sie Haus & Sippe !<br />

7.Familienrecht<br />

Die Rechtsgemeinschaften, mit denen wir die Vorstellung eines familiären Zusammenlebens<br />

verbinden, waren in älterer Zeit die SIPPE (großverwandtschaftlicher Verband )& das HAUS<br />

(kl.HGem)<br />

SIPPE: Die Verwandtschaft, als Abstammung von einem gemeinsamen Stammhaupt verstanden,<br />

ist das wohl stärkste genossenschaftsbildende Element in der ma. Rechtswelt gewesen. Der einzelne<br />

fand im großfamiliären Verband nicht nur Schutz & Geborgenheit, sondern die Ausrichtung seines<br />

ganzen Lebens. Die Rechtsstellung der einzelnen beruhte auf der Zugehörigkeit zu einer Sippe, zu<br />

blutgebundenen Gemeinschaft.<br />

Ihre religiös-kultische Verankerung sicherte die rechtlichen Wirkungen des Blutbandes ab &<br />

machte die Großfamilie zur wichtigsten gesellschaftlichen bzw. rechtlichen Organisationsform im<br />

FrühMA. In allen ihren vielgestaltigen Erscheinungsformen war die Sippe ein umfassender<br />

Friedens-& Rechtsverband.<br />

� Agnatische Sippe: Zur agnatischen (festen) Sippe gehörten in Entsprechung des<br />

Prinzips der Agnation (Vermittlung der Abstammung durch Männer) die Nachkommen<br />

– Männer & Frauen eines gemeinsamen Stammvaters, soweit die Abstammung durch<br />

Männer vermittelt wurde.<br />

� Cognatische Sippe: Zur cognatischen (wechselnden) Sippe gehörten über den Kreis<br />

der Agnation hinausgehend auch die Blutsverwandten (Magen) der Mutterseite. Sie<br />

schied sich daher in der Vatermagen & Muttermagen. Die Männer der Vaterseite hießen<br />

Schwert oder Supermagen, die Männer der Mutterseite & die Frauen beider Seiten die<br />

Spindel – oder Kunkelmagen. Zw. den beiden zur Magschaft zusammengeschlossenen<br />

Sippen bestand keine Verwandtschaft, sondern lediglich ein FreunschaftsV, das der<br />

Schwägerschaft nache kommt.<br />

Haus: Bereits im hohen MA änderte sich in manchen Rechtskreisen bzw. Gesellschaftsschichten<br />

die Familienverfassung durch Hinwendung zur KLEINFAMILIE.<br />

Diese Entwicklung wurde durch die Kolonisationsbewegungen im 12.Jh., den Aufschwung des<br />

Handels & durch den aufkeimenden Individualismus in den Städten gefördert. Sippe &<br />

Verwandtschaft verloren ihre rechtliche Bedeutung an die EHELICHE GEMEINSCHAFT (Genos.)<br />

von Mann & Frau. Die Aufgliederung der Verwandtschaft in sog. Sonderfamilien ließ zunächst<br />

Haus-&Herdgemeinschaften entstehen. Diese Hausgemeinschaften übernahmen im Laufe des MA<br />

immer mehr die Funktion eines „engeren“ Rechts-& Friedensbereiches & wurden spätestens am<br />

Ausgang des MA zum Fundament der FamilienRO. Genossenschaftliche & herrschaftliche<br />

Elemente strukturierten diese Gem. zu einem eigenartigen Gebilde:<br />

68 karinaa


Der weitreichenden Munt des Hausherrn standen Mitwirkungsrechte & Mitspracherechte der<br />

Hausangehörigen gegenüber (Wartrechte, Beispruchsrechte).<br />

2.)Quelle: 113<br />

Quelle � Edictus Rothari, ca. 643<br />

a.)Welche Art der Verwandtschaftsberechnung galt nach dieser Quelle?<br />

Diesem Großfamilienmodell entsprach auch die Verwandtschaftszählung in ältester Zeit.<br />

Der ENGERE KREIS umfasste � die Eltern, Geschwister & Kinder es Hausherrn (die 6<br />

gesippesten Hände, der Busen) ihm standen in weiteren KREISEN<br />

(Magschaften) die ünrigen Blutsverwandten gegenüber.<br />

1.Magschaft(2.Kreis) � Enkelkinder, Großeltern, Geschwisterkinder & Elterngeschwister<br />

2.Magschaft (3.Kreis)� Urenkel, Urgroßeltern, Großonkel &Großtanten, Vettern & Basen,<br />

Großneffen & Großnichten usw.<br />

Dieses System der konzentrischen Kreise – Zählung nach Magschaften – erfuhr erst in fränkischer<br />

Zeit eine Begrenzung mit dem 7. Kreis ( 6 Magschaften )<br />

b.)Wie veränderte sich dies in weiterer Folge?<br />

Statt nach Magschaften zählte man jetzt nach Familienschaften. Dieses Parentelsystem (<br />

Parentela = Verwandtschaft ) umfasste in der 1.P� die Deszendenten der Ausgangsperson<br />

2.P� ihre Eltern & deren Deszendenten<br />

3.P� ihre Großeltern & deren Deszendenten usw.<br />

Innerhalb der einzelnen Parentelen erfolgte die Berechnung der Verwandtschaft nach Graden<br />

(Linealgradualordnung) . Der Nächstverwandte innerhalb der einzelnen Parentelen war, wer dem<br />

gemeinsamen Stammelternpaar am nächsten stand. Dabei rechnete man nach Doppelknien, indem<br />

man die Entfernung beider Teile vom gemeinsamen Stammelternpaar nur einmal angab, sodass<br />

Geschwister im 1., Geschwisterkinder im 2., Geschwisterkindeskinder im 3. Grad verwandt waren.<br />

Nur wenn die Entfernung für beide Teile ungleich war, erfolgte eine doppelte Angabe.<br />

69 karinaa


3.)Skizzieren Sie das Eheschließungsrecht der älteren Zeit!<br />

Muntehe � Sippenvertragsehe, Kaufehe<br />

Der V wurde in älterer Zeit zw. den Sippen geschlossen (SippenVehe). Bereits in germanischfänkischer<br />

Zeit war jedoch der Bräutigam Herr des Vertragsschlusses, die Mitwirkung seiner<br />

Verwandten verkümmerte zur formalen Zustimmung & Unterstützung seiner Werbung. Anders bei<br />

der Braut. Sie blieb aufgrund der Geschlechtsvormundschaft von der Willensbildung ausgeschlossen,<br />

auf ihre Zustimmung kam es nicht an.<br />

� Verlobung: verpflichtete die Brautsippe bzw. den Muntgewalt der Braut, sie dem<br />

Bräutigam zu übergeben & ihm die eheherrliche Gewalt zu verschaffen (Muntehe). Der<br />

Bräutigam hatte hierfür eine Brautgabe (Brautschatz, Munt-Schatz, Wittum) oder<br />

wnigstens ein Angeld hierauf an die Sippe der Braut bzw. den Muntgewalt zu leisten<br />

(Kaufehe). Der Brautschatz verlor den Entgeltcharakter dadurch, dass er letztlich der<br />

Braut selbst zu Gute kam. Am frühesten, bereits in fränkischer Zeit ist dieses<br />

Verlobungsrecht für Witwen belegt. Damit entwickelte sich die Kaufehe zur sog.<br />

Dotalehe, bei der die Brautgabe zur Witwenversorung diente.<br />

� Begründung der ehelichen Gemeinschaft: bedurfte weiterer förmlicher Rechtsakte, über<br />

deren Reihenfolge & Bed. Im einzelnen noch Unklarheit besteht. Zu erwähnen sind vor<br />

allem die Trauuung, die Heimführung & die Beschreitung des Ehebettes. Die Trauung<br />

war ein feierliches RG, mit dem die Braut vor den versammelten Verwandten durch<br />

symbolische Handlungen (Kniesetzung) dem Mann überantwortet wurde. Aber erst durch<br />

die Heimführung & das Beilager wurde die Braut zur Ehefrau mit allen familien-, haus-,<br />

& standesrechtlichen Wirkungen. Ein weiterer Rechtsakt am Morgen danach war die<br />

Morgengabe an die Frau, um ihrer Anerkennung als Hausherrin Ausdruck zu verleihen.<br />

70 karinaa


4.)Welche eheähnlichen Lebensgemeinschaften kannte das älteren Recht?<br />

Friedelehe<br />

„Friedel“ leitet sich vom mittelalterlichen "friudiea" ab, was soviel wie Geliebte heißt; "Ehe"<br />

stammt vom mittelhochdeutschen Wort "ewe" mit der Bedeutung "Recht, Gesetz".<br />

Charakteristika der Friedelehe sind:<br />

• Der Ehemann wird nicht Vormund der Frau.<br />

• Die Ehe beruhte auf einer Willensübereinkunft zwischen Mann und Frau; beide hatten also<br />

den Wunsch zu heiraten.<br />

• Die Frau hatte wie der Mann ein Recht darauf, die Scheidung zu verlangen.<br />

• Die Friedelehe wurde in der Regel zwischen Paaren aus unterschiedlichen Ständen<br />

geschlossen.<br />

• Friedelehen ermöglichten Polygynie.<br />

• Die Kinder aus einer Friedelehe unterstanden nicht der Verfügungsgewalt des Vaters,<br />

sondern lediglich der der Mutter.<br />

• Kinder aus einer Friedelehe waren zunächst voll erbberechtigt; durch den zunehmenden<br />

Einfluss der Kirche wurde ihre Position aber immer mehr abgeschwächt.<br />

• Eine Friedelehe kam allein durch öffentliche Heimführung der Braut und die<br />

Hochzeitsnacht zustande; zudem erhielt die Braut eine Morgengabe.<br />

• Eine Friedelehe konnte zu einer Muntehe umgewandelt werden, wenn der Ehemann<br />

nachträglich den Brautschatz leistete.<br />

Die Friedelehe wurde durch die Kirche im 9. Jahrhundert als illegitim erklärt. Trotzdem haben sich<br />

Reste dieser Eheform bis in die Neuzeit hinein in der Form der morganatischen Ehe (auch Ehe zur<br />

linken Hand genannt) erhalten.<br />

Neben der Friedelehe existierte im Mittelalter des Weiteren die bereits erwähnte Muntehe, die<br />

Kebsehe und die Raub- oder Entführungsehe.<br />

Krebsverhältnis<br />

War eine einseitig vom Mann befohlene eheähnliche Geschlechtsverbindung mit unfreien Frauen<br />

(Mägden, Gefangenen). Sie verschaffte sich durch Kundmachung eheähnlichen Charakter. Auch<br />

die herrschaftlich angeordneten Lebensgemeinschaften zw. Knechten & Mägden sind in ihren<br />

Wirkungen als Krebsehen zu verstehen.<br />

71 karinaa


Raubehe<br />

Eine Raubehe ist eine Form der Heirat, bei der ein Partner den anderen raubt. Sie ist aus der<br />

Ethnologie als – durch Brauchtum abgesicherte – Form der Exogamie zwischen Stämmen oder<br />

deren Unterabteilungen geläufig. Häufiger als die Raubehe ist dementsprechend die Scheinraubehe.<br />

Diese Form der Entführung einer oder mehrerer Frauen durch eine feindliche Gruppe durch einen<br />

Überfall oder Angriff kommt bei traditionell kriegerischen Völkern und Stämmen vor. So wird eine<br />

solche Praxis von den Yanomami-Indianern des südamerikanischen Regenwaldes berichtet. Ein<br />

bekanntes Beispiel ist auch der Raub der Sabinerinnen aus der Sagengeschichte um die Gründung der<br />

Stadt Rom, der praktisch eine gezielte Zwangsverschwägerung zweier Stämme bedeutete.<br />

Einer Theorie McLennans zufolge soll es sich bei der Raubheirat um die früheste Form der<br />

Eheschließung handeln; früher hätte nach ihm die Menschheit weiblichen Infantizid praktiziert<br />

und sei dadurch gezwungen gewesen, Frauen gewaltsam zu erobern.<br />

Die "Raubehe" ist von der "Entführungsehe", die mit Willen der entführten Frau gegen den Willen<br />

ihrer Familie vorkommt, und von der "Zwangsverheiratung" zu unterscheiden, die ohne oder gegen<br />

den Willen der Frau, aber mit Einwilligung beider Elternpaare arrangiert wird<br />

5.)Was wissen Sie über das kanonische Eheschließungsrecht?<br />

Der Missionierungseifer der Kirche galt insbes. Der Durchsetzung christlicher Ehevorstellungen.<br />

Ihre Reformbestrebungen zielten vor allem auf die Einführung des dem röm.R. entnommenen<br />

KONSENSPRINZIPS, waren also gegen das Verlobungsrecht des Muntgewalts der Frau & auf<br />

Beseitigung der Raubehe gerichtet. Daneben ging es um die Durchsetzung der KIRCHLICHEN<br />

EHEHINDERNISSE & um die Unauflöslichkeit der Ehe.<br />

Diese seit dem Beginn des 9.Jh. deutlich in Erscheinung tretenden Bemühungen beschränkten sich<br />

vorerst auf eine geistige Beeinflussung der weltlichen Omacht. Erst in nachfränkischer Zeit schlug<br />

die Kirche einen neuen Weg ein, um ihre Vorstellungen von einer christlichen Ehe durchzusetzen.<br />

Alles weltliche Eherecht, das ihren Auffassungen nicht entsprach, sollte keinen rechtlichen Estand<br />

haben. Den Rechtstitel hierzu fand die Kirche im IUS DIVINUM (göttliches Recht), der von Gott<br />

gegebenen, in der Offenbarung bezeugten O, die nach kirchlicher Auffassung jedem Gesetz der<br />

Menschen in Rang & Geltung vorgehen musste. Bedeutungsvoll war die Auffassung, dass das<br />

göttliche Recht den menschlichen Ehegesetzen nicht nur Schranken setze, sondern die Ehe in<br />

ihrer Gesamtstruktur erfasse. Da die Eheschließung kraft göttlichen Rechtes einzig in dne<br />

übereintsimmenden Ehewillenserklärungen bestand, mussten alle sonstigen Erfordernisse als<br />

überflüssig & unbeachtlich erscheinen.<br />

Germanische & römische Eheschließungserfordernisse die nicht zum Wesen der Eheschließung<br />

gehörten, wurden eliminiert, sofern sie nicht unter dem Gesichtspunkt „ex honestate“ betrachtet<br />

& weitergeübt werden konnten. Vollendet wurde dieses Rechtsgebäude im 12. & 13.Jh., nachdem<br />

die Theologie die SAKRAMENTENLEHRE präzisiert & die Ehe unter die eigentlichen<br />

Sakramente des NT aufgenommen hatte. Mit ihr gelang es, eine einheitliche christliche<br />

Rechtskultur des Ehelebens zu schaffen.<br />

Das Eherecht hörte damit auf, Teil der weltlichen RO zu sein & wurde Disziplin des Kirchenrechts.<br />

72 karinaa


Eheschließung & Ehescheidung wurden der kirchlichen GB überantwortet, womit ein Kapitel<br />

eigenständiger dt. Rechtsentwicklung abgeschlossen war. Der Ehekonsens wurde zum konstitutiven<br />

Kern der Eheschließung. Erst die Zustimmung der Braut machte die Ehe gültig, das Verlobungsrecht<br />

der familienrechtlichen Gewalthaber verkümmerte zu einem Ehebewilligungsrecht ohne rechtliche<br />

Bedeutung. Die Ehe kam durch das üblicherweise im Kreise(Ring) & mit Zustimmung der<br />

Verwandten gegebenen Jawort der Brautleute zustande & wurde mit dem Vollzug unauflöslich.<br />

Daneben hielt man zu Solennisierung der einzig „rechten“ Ehe an den Titen der Muntehe fest.<br />

Kirchliche Recht6sauffassungen gestalteten daraus das R der Selbstverlobung & das R der<br />

Selbsttrauuung der mündigen Frau. Getraut wurde noch immer in symbolischen Formen nach der<br />

Art der alten traditio puellae, doch trat an die Stelle des Muntgewalts ein von den Brautleuten<br />

„gekorener Vormund“. Er führte die Brautleute zusammen & nahm ihr Jawort entgegen.<br />

Trauvormund konnte ein Geistlicher oder ein Laie sein, doch schärften kirchliche Vorschriften<br />

schon seit dem 11.Jh. ein, dass die Trauung vor der Kirchentür stattfinden sollte. Das Verbot der<br />

Laientrauung wurde zwar im 11./13.Jh. verkündet & sollte zugleich die priesterliche Mitwirkung an<br />

der Eheschließung statuieren, doch war sie im MA noch keine Gültigkeitsvorraussetzung für die Eh,<br />

weil es an allg. Form - & Publizitätserfordernissen fehlte.<br />

Auch formlose & ohne Zeugen abgebene EheWE waren als gültig zu betrachten. Erst die<br />

Einführung einer zwingenden Formvorschrift fr die E des Ehekonsens in der NZ stellte klar, dass<br />

nur die in Gegenwart des zuständigen Priesters vor 2 Zeugen geschlossene Ehe Gültigkeit erlangt.<br />

6.)ABGB 1811<br />

a.) Seit wann gab es in Ö ein staatliches Eheschließungsrecht?<br />

Die Anfänge der staatlichen Ehegesetzgebung reichen auf Maria Theresia zurück. Die<br />

Bekräftigung, die rein bürgerlichrechtlichen Wirkungen der Ehe von den Zivilinstanzen abklären<br />

lassen, schränkte die ausufernde kirchliche Ehejurisdiktion auf den ihr gemäßen<br />

Zuständigkeitsbereich ein. Das G über die Verlöbnisse Minderjähriger stellte den 1.Eingriff in die<br />

kirchliche Ehehoheit dar. Im Gegensatz zum kanonischen Recht wurden solche Verlöbnisse vom<br />

Staat mit Nichtigkeit bedroht, sofern nicht das Einverständnis des Zustimmungsberechtigten<br />

vorlag. Der grundlegende Wandel aber wurde durch die Ehegesetzgebung unter Joseph II. mit dem<br />

Ehepatent vom 16.Jänner 1783 eine klare Trennlinie zw. Ehesakrament & Ehevertrag &<br />

derogierte den kirchlichen Ehegesetzen formell mit der Vorlage eines „bürgerlichen Ehevertrages“.<br />

Die Reform des Eherechts durch Joseph II. stieß zwar nicht zur obligatorischen Zivilehe vor, doch<br />

sollten sich die Pfarrer & sonstigen Geistlichen bei der Trauung in 1.Linie nicht als<br />

Religionsdiener, sondern als Staatsbeamte verstehen, die staatliches Recht anwenden. Ergaben sich<br />

Konflikte zwischen kirchlichem & staatlichem Recht, konnte der Geistliche dennoch mit<br />

strafrechtlichen Sanktionen zur Trauung gezwungen werden. Die Überweisung der EheGB von den<br />

Diözesangerichten an die staatlichen GHf war eine logische Folge des josephinischen<br />

Staatskirchentums.<br />

b.) Seit wann gibt es in Ö die Zivilehe?<br />

Die Grundsätze des josephinischen Ehepatents wurde in das ABGB übernommen, mündeten<br />

allerdings in ein 3fach gegliedertes Eherecht für Katholiken, Protestanten & Juden. Dabei sollte es<br />

vorerst bleiben. Während andere europäische Staatenden Durchbruch zur Zivilehe schafften – am<br />

frühesten F (G vom 20.9.1792), das Dt.Reich (1875) – konnte sich das Eherecht in Ö erst im<br />

20.Jh. von kirchlichen Rechtssetzungskompetenzen freimachen. Die Anerkennung eines neuen,<br />

dem bisherigen bürgerlichen Recht unbekannten Ehehindernissen leitete über zur<br />

73 karinaa


Wiederherstellung der allg. Ehehoheit der katholischen Kirche über ihre Mitglieder im Konkordat<br />

vom 18.8.1855.<br />

6a.)Codex Maximilaneus Bavaricus cuvilis 1756<br />

b.)Franz von Zeiler, Commentar zu §901 ABGB<br />

a.)Von welchem Ehemodell gehen beide Stellen aus? Charakterisieren Sie diese?<br />

� Auch die NZ brachte vorerst kaum Aussagen hervor, die als persönliche Rechtswirkungen der<br />

Ehe zu deuten wären. Die Pflichten der Frau gingen in der Gehorsamkeit gegenüber dem Mann auf,<br />

dessen Vorrangstellung durch die rezipierte Lehre von der väterlichen Gewalt & die aistotelische<br />

Philosophie von der Leitungsfunktion des Mannes sogar noch ausgebaut wurde. Treue- &<br />

Beistandspflichten des Mannes entsprachen wohl den Lebensvorstellungen, verdichteten sich aber<br />

kaum zu Rechtssätzen. Lediglich die Standesfolge der Frau durch die Heirat war gesichertes Recht<br />

& kam als Gewährleistung des standesgemäßen Unterhalts durch den Mann gedeutet werden. Alles<br />

übrige blieb ein Lehrgebäude der gemeinrechtlichen Jurisprudenz, die das ehemännliche Regiment<br />

mit dem Anspruch der Frau auf Schutz ihrer Existenz ins Verhältnis zu setzen versuchte. Wo<br />

konkrete Hinweise auf eine gegenseitige Beistandspflicht zu finden sind, verstanden sie sich als<br />

Mißbrauchsabwehr.<br />

� Neue Impulse brachte erst die naturrechtliche Lehre. Ihr Dogam vom Ehevertrag führte<br />

zunächst dazu, einen Katalog gegenseitiger Rechte & Pflichten der Ehegatten aufstellen zu wollen,<br />

der etwa im Codex Theresianus & im Josephinischen Gesetzbuch breiten Raum einnahm. Die<br />

abstrahierende Lehre Martinis entnahm daraus vor allem die Pflicht der Ehegatten zu<br />

gegenseitigem Beistand.<br />

Die Eheleute sind durch das Naturrecht verbunden, ihre Kinder zu erziehen & sich wechselweise<br />

Beistand zu leisten. Die Eheleute müssen alle Lasten der Ehe gemeinschaftlich tragen, & ihren<br />

Kindern den Unterhalt mit vereinigten Kräften verschaffen.<br />

b.)Wodurch unterscheiden sich aber die beiden Quellen?<br />

Frau mehr Rechte !<br />

c.)Seit wann gilt in Ö das partnerschaftliche Prinzip in der Ehe?<br />

In dieser bereinigten Fassung fanden die NRlehren Eingang in das ABGB 1811, wo die gedachte<br />

Wechselbezüglichkeit zwischen Leitungsrecht & Unterhaltspflicht des Mannes bes. deutlich zum<br />

Ausdruck kam. Die aus den großen Revolutionen hervorgegangene Frauenbewegung nahm bereits<br />

im 19.Jh. den Kampf gegen die ungleiche Rollenverteilung von Mann & Frau in die Ehe auf. Erst<br />

die Industriegesellschaft zerstörte jedoch das Leitbild der Hausfrauenehe & verhalf dem<br />

partnerschaftlichen Prinzip zum Durchbruch. Siet dem Bundesgesetz vom 1.7.1975 ist den<br />

Ehegatten die einvernehmliche Gestaltung ihrer Lebensgeminschaft aufgetragen. Das Eherechts-<br />

Änderungsgesetz 1999 unterstreicht das partnerschaftliche Prinzip insofern, als es ausdrücklich<br />

mit dem Ziel der vollen Ausgeglichenheit ihrer Beiträge vornehmen sollen<br />

(Gleichbeteiligungsgrundsatz)<br />

7.)<br />

a.)Welche Aufgaben hatte das Ehegüterrecht zu erfüllen?<br />

74 karinaa


Das Ehegüterrecht regelt die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehepartner zum<br />

gemeinsamen Vermögen. Im österreichischen Eherecht gilt das Prinzip der Gütertrennung. Die<br />

Gütertrennung besagt, daß der Ehegatte/die Ehegattin Eigentümer bzw. Eigentümerin des in die Ehe<br />

eingebrachten oder während der Ehe erworbenen Vermögens bleibt. Die Eheleute verwalten Ihren<br />

Besitz selbst und haften nur für die eigenen Schulden.<br />

Bei Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe werden das eheliche Gebrauchsvermögen<br />

und die ehelichen Ersparnisse aufgeteilt.<br />

Sind die Eheleute mit den Bestimmungen des Ehegüterrechts nicht einverstanden, so können Sie<br />

die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens durch einen Ehevertrag regeln. Somit kann ein Streit<br />

wegen der Aufteilung des gemeinsamen Ehevermögens vermieden werden. Der Ehevertrag kann<br />

vor und nach der Eheschließung abgeschlossen werden. Dafür ist die Anwesenheit eines Notars<br />

erforderlich. Der Ehevertrag sollte von Zeit zu Zeit an die aktuelle Lebensituation angepasst<br />

werden.<br />

b.) Wie kam das ältere Recht dieser Aufgabe nach?<br />

Das ältere Gewohnheitsrecht hat aus eigener Kraft kein eigenständiges Ehegüterrechtssystem<br />

entwickelt, sondern lediglich Aushilfsregeln angeboten, die den vertragslosen Zustand nach dem<br />

Vorbild der Aufgabenteilung in der ehelichen Gemeinschaft überbrückte. Bei grundsätzlicher<br />

Vermögenstrennung konnte der Mann kraft seiner Gwere ur rechten Vormundschaft das<br />

Frauenvermögen verwalten & die Nutzungen daraus ziehen, um die wirtschaftlichen Lasten der<br />

gemeinsamen Haushaltsführung nicht allein tragen zu müssen. Dem überlebenden Ehegatten –<br />

gedacht war vor allem die Frau – wurde ein Nutzungsrecht am Nachlassvermögen des Verstorbenen<br />

in Gestalt eines Besitzrechtes zuerkannt. Vertragliche Vereinbarungen ließen diesen Güterstand der<br />

erweiterten Verwaltungsgemeischaft aber immer mehr in den Hintergrund treten & bereits im<br />

14.Jh. war dem Beisitzsystem der praktische Anwendungsbereich entzogen. Mit der rechtlichen<br />

Besserstellung der Frau, die das gewohnheitsrechtliche Nutzungsrecht des Ehemannes an ihrem<br />

Vermögen auszuschließen trachtete, verbreitete sich die Vereinbarung eines objektbezogenen<br />

Leibgedings.<br />

c.)Erklären Sie die Funktion des Leibgedings?<br />

Mit einer solchen Vereinbarung räumte ein Gatte dem anderen für den Fall seines Vortodes<br />

unentgeltlich an einem oder mehreren Objekten ein Nutzungsrecht auf Lebenszeit ein. Sie ging<br />

also grundsätzlich von einer Vermögenstrennung aus. Ihr wirtschaftlicher Zweck bestand in der<br />

Versorgung des überlebenden Ehegatten, dessen Rechtsstellung gleich mehrfach gesichert wurde. Er<br />

erwarb ein Anwartschaftsrecht auf das zugedachte Vermögen, das sich so äußerte, dass der Besteller<br />

hierüber nur mit seiner Zustimmung verfügen konnte, andererseits war die Kraftloserklärung der<br />

Leibgedingsurkunde nur dem Berechtigten möglich.<br />

Der eindeutige Versorgungscharakter des Leibgedinges ließ zunächst noch die<br />

gewohnheitsrechtliche Verwaltungs-& Nutzungsbefugnis des Mannes am Frauengut zu. Beide<br />

verbanden sich vorübergehend zu einem Leibgedingesystem von dem nach dem Abbau der<br />

Nutzungsgewere des Mannes nur mehr die gesicherte Zuwendung auf den Todesfall übrig blieb.<br />

Der ehegüterrechtliche Zweck der Aufwandbeisteuerung erfordert von da an die ausdrückliche<br />

Verschreibung von Frauenvermögen an den Mann. Es kam zur starken Verbreitung des zuvor nur<br />

in den Adelskreisen üblichen Heiratsgabensystems, womit sich das Leibgedinge am Ausgang des<br />

MA überlebte.<br />

75 karinaa


8.)Landtaiding zu Rauris, Mitte des 16.Jh.<br />

a.)Welche Funktion erfüllte die Morgengabe?<br />

� Ein Rechtsakt am Morgen danach war die Morgengabe an die Frau, um ihrer<br />

Anerkennung als Hausherrin Ausdruck zu verleihen.<br />

� Brauch<br />

Die Morgengabe war nach traditionellem deutschem Recht ein Geschenk des Mannes an die<br />

Ehefrau. Ihren Namen hat sie von dem Brauch, sie am Morgen nach der Hochzeitsnacht zu<br />

überreichen – dieser Zeitpunkt war aber nicht immer und nicht überall verbindlich. So konnte sie<br />

auch bei der Eheschließung überreicht oder zu diesem Zeitpunkt für den Fall des Vorversterbens des<br />

Zuwendenden nur versprochen werden. Die Morgengabe stellte ein Geschenk dar, das der Braut zur<br />

persönlichen Verfügung stand – im Gegensatz zur Widerlage, die ebenfalls der Bräutigam leistete,<br />

und der Mitgift, die die Braut in die Ehe mit einbrachte, und die beide der Versorgung der Frau im<br />

Falle der Witwenschaft dienten. Die Erklärung, dass es sich bei der Morgengabe um eine<br />

Entschädigung für die verlorene Jungfräulichkeit handele, dürfte in prüderer, späterer Zeit<br />

nachgeschoben worden sein.<br />

� Recht<br />

„Morgengabe“ kann in anderen Zusammenhängen mit der Ehe auch das Geschenk einer<br />

(verwitweten) Frau an den (zweiten) Mann oder eine gegenseitige Gabe bezeichnen.Als Zuwendung<br />

eines Ehemannes an seine Frau zu deren freier Verfügung gehörte sie bei Vorversterben des Mannes<br />

nicht zu dessen Nachlass, sondern stand im Eigentum der Frau.Nach österreichischem Recht (§<br />

1232 ABGB) gibt es die Morgengabe (als ein Geschenk des Mannes an die Frau) bis Ende Juli 2009.<br />

Das entsprechende Gesetz stammte aus dem Jahr 1811 und wurde vom Nationalrat aus dem<br />

Gesetzbuch gestrichen.<br />

b.)Welche anderen Heiratsgaben kennen Sie?<br />

Man versteht darunter aus Anlass der Eheschließung gegenseitig geleistete oder auch nur<br />

versprochene Vermögenszuwendungen (meist in Geld), die den typischen Zweck der Beisteuerung<br />

& Witwenversorgung verfolgen. Den Kernbereich bilden wechselseitige Gaben von der Frauen-&<br />

der Mannesseite, doch zählen auch andere (ergänzenden) Gaben dazu.<br />

Die zentrale Heiratsgabe der Frauenseite wurde bereits im SpätMA als HEIMSTEUER bezeichnet,<br />

für die korrespondierende Gabe der Mannesseite setzte sich schließlich nach einer ma.<br />

Bezeichnungsvielfalt (Morgengabe, Heiratsgut, Heimsteuer) der Rechtsbegriff WIDERLEGUNG<br />

durch.<br />

Als Gegengabe war die Widerlegung nur dann & insoweit fällig, als die Heimsteuer geleistet wurde.<br />

Beiden hatten Geld zum Gegenstand & standen in einem bestimmten Verhältnis zueinander.<br />

Während die Heimsteuer in der Regel ausbezahlt wurde, erfolgte von seiten des Mannes die Zusage<br />

der Widerlegung nur für den Fall seines Vortodes. Der Mann hatte beide Leistungen sicherzustellen,<br />

wofür sich die Pfandverschreibung in Form des ehegüterrechtlichen Satzes anbot, da sie ihm –dem<br />

Gedanken der Beitragsleistung entsprechend – die Möglichkeit einer Nutzung der Heiratsgaben bot.<br />

Vorrangiger Zweck der HAST war ein Zuschuss der Frau zu den finanziellen Lasten der Ehe, jener<br />

der Widerlage die Versorgung der Witwe. Bei Vortod des Mannes vereinigten sie sich in der<br />

Aufgabe, der Witwe die angemessene Lebensführung zu ermöglichen.<br />

9.)ABGB 1811<br />

76 karinaa


a.)Welcher gesetzliche Güterstand ist hier geregelt?<br />

Das Ehegüterrecht regelt die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten.<br />

Orientierungspunkte für die Gliederung dieses Rechtsbereiches sind 2 extreme Güterrechtsmodelle:<br />

Auf der einen Seite das SYSTEM DER REINEN GÜTERTRENNUNG, das vermögensrechtliche<br />

Wirkungen der Eheschließung negiert, auf der anderen Seite das SYSTEM DER UMFASSENDEN<br />

GÜTERGEMEINSCHAFT, das sämtliche Vermögen der Ehegatten mit der Eheschließung<br />

rechtlich vereinheitlicht.<br />

VERWALTUNGSGEMEINSCHAFT<br />

b.)Welche anderen Ehegüterstände kennen Sie?<br />

� allg. oder beschränkte – partielle – Gütergemeinschaften unter Lebenden oder auf den<br />

Todesfall<br />

� Errungenschaftsgemeinschaft<br />

� Fahrnisgemeinschaft<br />

� Verschämte Gütergemeinschaft<br />

� Verwaltungsgemeinschaft<br />

� Gütertrennung mit Zugewinnausgleich<br />

� Ehegabensystem<br />

10.)Code Civil 1804<br />

a.)Welche Art von ehelichen Güterstand bzw. Ehelicher Vermögensgemeinschaft liegt<br />

hier vor?<br />

SYSTEM DER REINEN GÜTERTRENNUNG<br />

b.)Wie unterscheidet sich dieser von der Errungenschaftsgemeinschaft?<br />

Bei der Errungenschaftsgemeinschaft handelt es sich um einen ehelichen Güterstand.<br />

Sie ist ebenso wie die Fahrnisgemeinschaft eine Zwischenform von Gütertrennung und allgemeiner<br />

Gütergemeinschaft, bei der eine Gemeinschaft des Vermögens nicht hinsichtlich der Gesamtmasse,<br />

sondern nur hinsichtlich gewisser Vermögensteile eintritt. Es handelt sich also um eine Form der<br />

beschränkten Gütergemeinschaft.<br />

11.)Stadtrecht von Ofen, 15.Jh.<br />

a.)Seit wann existierte das hier angesprochene rechtliche Problem?<br />

In germanischer & fränkischer Zeit war die Frage nach der ehelichen oder unehelichen Geburt<br />

enews Kindes nicht rechtserheblich. Es kam vielmehr darauf an, ob der MUntgewalt der Frau<br />

(Ehemann, Vater oder Großvater) das Kind in seine Familie aufnahm. Die rechtliche Zugehörigkeit<br />

zu einer Sippe, die durch Aufnahme in die Hausgemeinschaft vermittelt wurde, ersetzte den Begriff<br />

der Ehelichkeit. Unter christlichem Einfluss vollzog sich im MA ein tiefgreifender Wandel.<br />

77 karinaa


.)Wann war die „rechte Zeit“?<br />

Nur solche Kinder galten als ehelich, die in einer „rechten Ehe“ zur „rechten Zeit“ geboren<br />

wurden. Alle Kinder, die vor oder auch nach Eingehung der Ehe zu früh geboren wurden, galten<br />

grundsätzlich als unehelich, darunter die Kinder aus den verpönten Nebenehen.<br />

c.)Wie war die Rechtsstellung unehelicher Kinder?<br />

Solange die Aufnahme in den Hausverband durch den Vater die RSt. eines jeden Kindes bestimmte,<br />

war uneheliche Geburt durchaus kein Grund geminderter RF oder geringeren Standes. Grundsätzlich<br />

wurden alle Kinder, die nicht von einer der Munt unterworfenen Ehefrau geboren wurden, als<br />

unehelich angesehen, doch konnten Kinder aus einer dauernden Verbindung mit einer Freien durch<br />

Aufnahme seitens des Vaters den ehelichen Kindern rechtlich gleichgestellt werden. Kinder aus<br />

einer bloß vorübergehenden Verbindung traten zum Vater in keine rechtliche Verbindung, sie<br />

gehörten weiterhin zur Muttersippe. Fr Kinder einer Unfreien galt de Grundsatz „Das Kind folgt<br />

der ärgeren Hand“.<br />

Unter christlichem Einfluss wurden damit alle nicht von der rechten Ehefrau geborenen Kinder als<br />

unehelich angesehen. Sie sollten nicht die gleichen Rechte wie eheliche Kinder genießen. AM<br />

frühesten verwehrte man dem Vater die Legitimierung unfrei geborener Kinder. Für §anerkannte<br />

Bastarde§ war die Aufnahme an väterliche Haus zunächst noch offen, doch ließ kirchliches<br />

Denken schließlich jede außereheliche Verbindung unzüchtig erscheinen & Verweigerte den daraus<br />

entstandenen Kindern die volle Rechtsgleichheit mit vollbürtigen Geschwistern.<br />

Die Unehelichen verloren vor allem ihr Erbrecht gegen den Vater, doch belegen ma.Quellen<br />

immerhin seine Unterhaltspflicht. Außerdem konnte der Vater dem unehelichen Kind<br />

Schenkungen ohne Zustimmung der Erben machen (Hornungsausgabe). Die Unehelichen hatten<br />

aber auch im öffentlichen Recht bereits Nachteile zu tragen. Der MAKEL DER UNEHELICHEN<br />

GEBURT beschränkte ihre rechtliche & soziale Stellung,.<br />

Sie waren von verschiedenen Berufen ausgeschlossen, konnten nicht Mitglieder von Gilden &<br />

Zünften sein, & nach kanonischen Recht war es ihnen prinzipiell nicht möglich, höhere kirchliche<br />

Weihen & damit kirchliche Ämter zu erlangen.<br />

12.)Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756<br />

a.)Welche Legitimationsformen werden hier angesprochen?<br />

Gegen Ausgang des MA. Ist die kanonische Legitimation auch im weltlichen Rechtsbereich<br />

gebräuchlich geworden. Die dem röm. Recht entlehnten Möglichkeiten der Legitimation durch<br />

nachfolgende Eheschließung & durch einen Gnadenakt des Fürsten wurden nun auch in Ö<br />

praktiziert. Die Legitimation durch nachfolgender Eheschließung hatte nach dem ö Recht des<br />

16.,17. & 18.Jh. bis zur Zeit Kaiser Josephs II die Wirkung, dass die legitimierten Kinder in die<br />

Familie des Vaters eintraten. Sie unterstanden seiner väterlichen Gewalt wie eheleibliche Kinder.<br />

Im J.GB. war für diese Legitimation kein Platz, da Kinder lediger Eltern ohnehin den ehelichen<br />

Kindern gleichgestellt waren. Die Abkehr von dieser Regelung durch die Nachfolger Josephs II.<br />

78 karinaa


machte die legitmatio per subsequens matrimonium wieder notwendig. Sie wurde in das ABGB 1811<br />

übernommen & hat heute noch Gültigkeit.<br />

Die Legitimation durch Gnadenakt geht formell auf ein Privileg Kaisers Friedrich III. vom 6.<br />

Jänner 1453 zurück- Darin erteilte er den ö Erzherzogen das Recht, „Bastarde & andere<br />

Uneheliche zu legitmieren“ & dieselben „zu denen Rechten, so ehelig geboren seyn“, zu bringen &<br />

„auch zu Ehren, Würden, Ständen & allen Ämbtern tauglich zu machen“.<br />

b.)Welchen einschlägigen Brauch kennt das ältere dt. Recht?<br />

In vorchristlicher Zeit ließ die faktische Gleichbehandlung ehelicher & unehelicher Kinder der<br />

Legitimation keine Entfaltungsmöglichkeit. Seit dem hohen MA sind jedoch sog. „Mantelkinder“<br />

bekannt, die als vorehelich geborene Kinder dadurch den Status der Ehelichkeit erlangt hatten, dass<br />

sie unter dem Mantel der Eltern (meist Mutter) mit in die Kirche genommen worden waren, In<br />

der Zeit, da der Brauch für den dt. Rechtsraum belegt ist, hatte bereits Papst Alexander III. 1179<br />

die römische Legitimation durch nachfolgende Ehe für das kirchliche Recht anerkannt.<br />

8.Sachenrecht<br />

ALLGEMEIN ÜBER SACHENRECHT<br />

Das Sachenrecht umfasst jene Regeln, die für die Beherrschung der Sachgüter durch den Menschen<br />

maggeblich sind. Es verteilt die Güter, indem es den M unmittelbare Verfügungsmacht über<br />

bestimmte Sachen einräumt (dingliche Rechte) & diese Zugehörigkeit gegen jedermann verteidigt<br />

(dingliche Rechte wirken Absolut), sagt aber auch, worin die Herrschaftsbefugnisse des Menschen<br />

bestehen. Es sind Rechte der Sachnutzung.<br />

1.) Was versteht man unter der Funktionalität des älteren Sachenrechts?<br />

Die tiefwurzelnde Funktionalität des älteren SR ließ die Gleichbehandlung der Rechte an<br />

beweglichen & unbeweglichen Sachen undenbar erscheinen. Während die umfassende<br />

79 karinaa


Sachherrschaft eines Menschen an beweglichen Sachen – vor allem an persönlichen<br />

Gebrauchstegenständen wie Waffen, Kleidung & Schmuck – seit alters her bekannt war & sich zu<br />

Sondereigentum verfestigte, das im MA bereits alle Fahrnisse erfassen konnte, blieb die erlaubte<br />

Sachnutzungt an Liegenschaften auf das beschränkt, was dem existenziellen Bedürfnis nach<br />

gemeinsamer Bodenewirtschaftung ertsprach.<br />

Sache � Alles was von der Person verschieden ist, & zum Gebrauch der Menschen dient, wird im<br />

rechtlichen Sinne eine Sache genannt<br />

Fahrnis � Recht an beweglichen Sachen<br />

Liegenschaften� Rechhte an unbeweglichen Sachen<br />

2.)Prager Stadtrechtsbuch, 14 Jh.<br />

a.)Was versteht man unter der hier genannten Gewere?<br />

Die ältere Sachgüterordnung fügte sich um den Grundsatz zusammen, dass die erkennnbare<br />

Zugehörigkeit einer Sache zum Wirtschaftskreis einer Person oder eines Verbandes rechtlich<br />

geschützt werden solle, & zwar zumindest solange bis ein stärkeres Recht an der Sache bewiesen<br />

werden wird. Diese Vorstellung verbildlichte sich im ma Begriff der GEWERE.<br />

Die in den älteren Quellen vorzufindenden Begriffe gewere charakterisieren zunächst die<br />

wahrnehmbare Übertragung der Sachherrschaft, nahmen aber bald die Vorstellung der tatsächlichen<br />

Sachherrschaft in sich auf.<br />

b.) Welche Wirkungen hatte die Gewere?<br />

Die Rechtswirkung der Gewere gestatte ihrem Inhaber, gewaltsame Störungen durch Selbsthilfe<br />

oder deliktische Klage abzuwehren. Sie konnte andererseits nut mit „rechter Klage gebrochen“oder<br />

„mit Urteil abgewonnen“ werden.<br />

Damit wurde der Gewereprozess zum Streit um das bessere Recht, der allerdings durch die<br />

Feststellung der stärkeren Gewere entschieden wurde. Wer die Gewere hatte,<br />

�genoss Beweiserleichterung bei der Abwehr von Eingriffen in sein dingliches Recht<br />

(Rechtsverteidigungswirkung der Gewere)<br />

�, wem zur ideellen Gewere das bessere Recht zustatten kam, konnte die leibliche Gewere des<br />

Schlechtberechtigten brechen, solange sie nicht durch Fristablauf zur rechten Gewere geworden war<br />

(Rechtsverwirklichungswirkung der Gewere)<br />

�Eine besondere Funktion kam der Gewere schließlich bei der Übertragung dinglicher<br />

Brechtigungen zu Sie war die greifbare Hülle, in der das Recht an einer Sache übergeben werden<br />

konnte (Rechtsübertragungswirkung)<br />

Daher gehörte zur Übertragung des Rechts an einer beweglichen Sache immer auch die Einräumung<br />

der leiblcihen Gewere dazu (Traditionsprinzip)<br />

Bei Liegenschaften erfolgte die Rüb. Zunächst durch Einräumung der Gewere auf dem Grundstück<br />

selbst (Realinvestitur), dann kam es zu Formen der gerichtlichen & außergerichtlichen Auflassung<br />

& schließlich im Spätma zur Eintragung ins öffentliche Register (Grundbücher)<br />

3.)Nürnberger Reformation von 1479<br />

80 karinaa


Als Fahrnis galten Sachen, die ohne Veränderung ihrer Gestalt von Ort zu Ort bewegt werden<br />

konnten. Das waren alle nicht fest mit dem Boden verbundenen, leblosen Sachkörper, aber auch<br />

Tiere & Unfreie.<br />

a.)Wieso teilte die genannte Fahrnis das rechtliche Schicksal der Liegenschaft?<br />

Rechtssprichwörter wie „Was die Fackel zehrt, ist Fahrnis“ & „Was verbrennen & sterben mag, ist<br />

fahrend Gut“, verdeutlichten die Weite des Fahrnisbegriffs, der sogar (leicht verlegbare, nicht<br />

grundfest gebaute) Baulichkeiten einbezog. Dingliche Rechte an solchen Sachen teilten ihr<br />

Schicksal, d.h. sie wurden den Regeln des Fahrnisrechts unterworfen, wenn sie in der äußeren<br />

Erscheinungsform einer beweglichen Sache auftraten. Das traf z.B.: auf verbriefte Rechte<br />

(Wertpapiere), aber auch auf Herausgabeansprüche zu, die bewegliches Vermögen zum Gegenstand<br />

hatten.<br />

Zu den unbeweglichen Sachen zählten nicht nur Liegenschaften, sondern auch Rechte an<br />

Liegenschaften, sofern sie eine dauernde Nutzung gewährten (Realrechte). Daher wurden die an<br />

Grundstücken bestehenden Dienstbarkeiten & Reallasten wie eigene Liegenschaften behandelt,<br />

desgleichen wie verbindlichten öffentlichrechtlichen Befugnisse ( GB, Vogteigewalt, Regalien,<br />

Bannrechte, Münz -& Zollgerechtigkeiten, ja die gesamte Territorialhoheit).<br />

Nicht immer war die natürlcihe Sach beschaffenheit ein Garant für zweckentsprechende<br />

Rechtsfolgendifferenzierung. Die Bindung an die starren Regeln des Liegenschaftsrechts konnte in<br />

einem Fall angeraten, dann wieder unerwünscht oder gar überlebt sein. Die ma. RO hat sich daher<br />

vielen Fällen über die faktische Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit einer Sache hinweggesetzt,<br />

einmal durch due Verliegenschaftung, dann wieder durch die Entliegenschaftung.<br />

Seeschiffe, aber auch Flussschiffe & Schiffsmühlen wurden bereits im MA als „schwimmende<br />

Gebäude“ den unbeweglichen Sachen zugeordnet.<br />

b.)Kennen Sie Fahrnisgesamtheiten, die als Liegenschaften behandelt werden?<br />

Schließlich hat man die aus vielen Einzelsachen zusammengsetzten Fahrnisgesamtheiten<br />

(Warenlager, Handwerksinventar, Bibliotheken usw.) wie Liegenschaften behandelt<br />

c.)Worin konnte der Nutzen einer vertraglichen Verliegenschaftung liegen?<br />

Der häufigere Vorgang war die Verliegschaftung von Fahrnis. Fahrnisgegenstände, die in einem<br />

Naheverhältnis zum Grundstück standen (bäuerliche Gerätschaften, Vieh und die auf dem<br />

Herrenland angesiedelten Knechte) galten kraft Rechtsbrauches als pars fundi, es war aber durch<br />

RG möglich, die Verfügungsbeschränkungen des Liegenschaftsrechts auf Fahrnis zu übertragen. So<br />

ist z.B.: die vertragliche Verliegenschaftung des gesamten Frauengutes belegt, womit die<br />

Verfügungsgewalt des Ehemannes eingeschränkt werden sollte.<br />

d.) War es auch möglich, Fahrnis dem Liegenschaftsrecht zu unterstellen?<br />

Seltenr war die Entliegenschaftung. Damit wurden unbewegliche Sachen nach den Regeln des<br />

Fahrnisrechts verfügbar, so z.B.: die noch nicht abgesonderten Früchte oder die Saat. Bes. Bed.<br />

Hatte die gewillkürte Entliegenschaftung für das (zumeist aus Liegenschaften bestehende) Erbgut.<br />

Es konnte damit aus der Verfangenschaft der Erben gelöst werden.<br />

81 karinaa


4.) Revidiertes Lübisches Recht 1586<br />

a.)Welches Rechtsproblem ist damit angesprochen?<br />

Freiwillige Besitzaufgabe: Die aufgrund eines Vertragsverhältnisses (z.B.:Verwahrung, Leihe) dem<br />

Partner eingeräumte Sachherrschaft an einer beweglichen Sache vermittelte ihm auch eine Gewere<br />

daran. Die Rückgabe der Sache konnt nur mehr mittels Herausgabeanspruchs aus dem<br />

Vertragsverhältnis geltend gemacht werden.<br />

War die Sache bereits in die Hand eines Dritten gelangt(z.B.: durch vertragswidrige Veräußerung des<br />

Verwahrers).<br />

b.)Worin liegt der Grund, dass der Käufer geschützt wird, und worin besteht der<br />

Schutz des Käufers im Unterschied zum geltenden Recht?<br />

Das versteht sich aus dem PUBLIZITÄTSGEDANKEN im Fahrnisrecht� Dem Dritten tut sich<br />

der Besitz (leibliche Gewere) des Entlehners, Verwahrers kund, nicht aber die vertragliche Bindung<br />

(der Rechtsmangel) des Vertrauensmannes. Die ma RO versagte daher dem Eigentümer die<br />

Herausgabeklage gegen den Dritterwerber.<br />

5.)Württembergisches Landrecht 1555<br />

a.)Welches Rechstproblem wird hier angesprochen & löste es das ältere Recht?<br />

Unfreiwilliger Besitzverlust: Auch bei Diebstahl oder Raub ging die Gewere mit dem Verlust der<br />

Sachherrschaft unter.<br />

Da in diesem Fall dem Eigentümer nicht einmal ein obligatorischer Herausgabeanspruch zur<br />

Verfügung stand, wurde ihm bereits im älteren Recht eine besondere DELIKTSKLAGE gewährt,<br />

die sich gegen jeden dritten Besitzer richtete.<br />

b.)Mit welchen Klagen könnte der „rechte Herr“ gegen den Käufer vorgehen?<br />

Der Diebstahl wurde als kundbar gehandelt, sodass sich der Dritte nicht auf sein Nichtwissen<br />

berufen konnte. Es schützte ihn zwar in strafrechtlicher Hinsicht, berührte aber seine<br />

Herausgabeverpflichtung grundsätzlich nicht. Die Fahrnisklage aus unfreiwilligen Besitzverlust<br />

leitete ein Sonderverfahren ein, das zugleich strafrechtliche &pr Elemente enthielt. Diese<br />

ANEFANGSKLAGE nötigte den Besitzer der abhanden gekommenen Sache, sich über seinen<br />

rechtmäßigen Erwerb auszuweisen, widrigenfalls er der Diebstahlstrafe verfiel.<br />

Das wichtigste Mittel in dieser Hinsicht war der Zug auf den Gewähren (Dritthandverfahren). Der<br />

Besitzer übergab seinem Vormann die Sache & schied aus dem Prozess aus. Durch das Handanlegen<br />

an die Streitsache tat der Vormann seinen Vorbesitz dar.<br />

Es konnte sich nun wieder seinerseits auf seinen Vormann berufen & diesem die Sache zuschieben<br />

usw. Gelang dem Anefangskläger der Nachweis seines Besitzrechtes an streitverfangenen Sache &<br />

führte der Gewährszug zur Entdeckung des Diebes, so hatte letzterer die Diebstahlsbuße zu zahlen<br />

& die Sache an den Kläger herauszugeben.<br />

Blieb der Vormann des Beklagten oder ein frherer Vormann aus, erlitt also der Beklagte Bruch an<br />

seinen Gewähren, so hatte derjenige, bei dem die Sache bei der witergabe stehen blieb, sie ebenfalls<br />

an den Kläger herauszugeben, konnte sich aber unter Umständen von der strafrechtlichen<br />

Verantwortung (durch Eidleistung oder Nachweis des offenkundigen Sacherwerbs) befreien.<br />

82 karinaa


c.)Welche Ausnahmen gab es von dieser Fahnrisverfolgung?<br />

In diesem Zusammenhang gewann vor allem der Nachweis des Kaufes auf öffentlichen Markt auch<br />

zivilrechtliche Bed. Es gab dem Käufer einen Lösungsanspruch auf Ersatz des bezahlten<br />

Kaufpreises oder führte sogar zum Ausschluss der Fahrnisklage, wenn der Beklagte die Sache<br />

„aufrichtig über die 3.Hand“ bekommen hatte (z.B.: In de Hansestädten bei allen über See<br />

eingeführten Waren). Der Schutz des offenbar unverdächtigen Erwerbs der beweglichen Sache ließ<br />

die volle Berechtigung des Dritten entstehen.<br />

6.)<br />

a.)Welche Gewereformen kennen Sie im Liegenschaftsrecht?<br />

Während die Fahrnisgewere auf Fälle unmittelbar Sachherrschaft beschränkt blieb, wurde im<br />

Liegenschaftsrecht auch demjenigen eine Gewere zuerkannt, der bloß mittelbare Nutzungen aus der<br />

Sache zog. Die Sachherrschaft über Liegenschaften drckte sich dabei höchst verschiedenartig in<br />

einem „Nutzen“ oder „Brauchen“ aus.<br />

Die Folge war ein FORMENREICHTUM AN GEWEREN IM LR., der sich folgendermaßen<br />

aufgliedern lässt:<br />

Unmittelbare – mittelbare Gewere: Die unmittelbare (leiblcihe, körperliche) Gewere hatte<br />

derjenige, der seine Liegenschaften als dinglich Berechtigter bearbeitete & Nutzen daraus zog. Die<br />

mittelbare Gewere kam dagegen jenen Personen zu, die kraft dinglicher Berechtigung Abgaben oder<br />

Dienste aus dem Grundstück zogen (Wirtschaftlciher Feudalismus). Diese mehrfache Gewere war je<br />

nach Rechtskreis (Lehnsrecht, Dienstrecht, Landrecht) verschiedenartig gestuft.<br />

Mit zunehmender Verfestigung dereinzelnen Rechtspositionen löste sich die volle Gewere des<br />

Herrn von der beschränkten Nutzungsgewere anderer Berechtigter ab.<br />

Eigengewere – beschränkte Gewere: Diese Uafsplitterung des einheitlichen Gewerebegriffs kündigte<br />

beireits im MA die später vollzogene Gliederung der SR in Eigentum & beschränkt dingliche<br />

Rechte an. Die Eigengewere entsprach der Vorstellung eines umfassenden Herrschaftsrechtes an<br />

der Sache, während die beschränkte Gewere lediglich auf einzelne Nutzungsrechte hinwies.<br />

Leibliche Gewere – ideelle Gewere: Im LR wurde zwar die besitzlose (ideelle) Gewere anerkannt,<br />

doch musste wenigstens ihr Begrndungsakt offenkundig sein. Derartige<br />

„Rechtsentstehungstatsachen“ waren etwa der Tod der Erblassers für den unmittelbaren Erbanfall<br />

an den Erben oder der Rechtserwerb bzw. Rechtsverlust an Liegenschaften durch gerichtliches<br />

Urteil.<br />

Ruhende Gewere – anwartschaftliche Gewere: Beide sind Sonderfälle der ideellen Gewere. Die<br />

ruhende Gewere kam jenem dinglichen Berechtigten zu, der wegen der ausschließlichen<br />

Nutzungsgewere eines anderen nicht einmal mittelbare Nutzungen aus seiner Sache zog. Bei<br />

Fortfall des fremden Nutzungsrechtes lebte sie im vollem Umfang der Eigengewere wieder auf. Die<br />

anwartschaftliche Gewere wiederum verschaffte dem dinglich Berechtigten sofort die unmittelbare<br />

Sachherrschaft, wenn die Vorraussetzungen des vollständigen Reechtserwerbs gegeben waren.<br />

Rechtsgewere: Nicht nur an Liegenschaften selbst, sondern auch an ihnen bestehenden Rechten<br />

sowie an allen sonstigen selbstständigen liegenschaftlichen Gerichtigkeiten konnte eine Gewere<br />

begründet werden. Diese Rechtgewere folgte den Grundsätzen der Sachgewere. Wo die Gewere eine<br />

Innehabung der Liegenschaft in sich schloss, wurde sie meist als Sachgewere qualifiziert, während<br />

man in den übrigen Fällen verdinglicher Recht mit Vorliebe von einer Gewere an den Rechten<br />

83 karinaa


selbst sprach (so bspw. Bei Zins-, Renten-, Reallastenberechtigungen, Grundgerechtigkeiten).<br />

Besondere Bed. Hatte die Gewere an solchen Rechten, die Gegenstand der Belehnung sein konnten<br />

(nutzbare Regalien, Zwangs - & Bannenrechte, Amtsgerechtigkeiten, privilegierter Gerichtsstand<br />

usw.).<br />

b.)Was geschah hier bei einem unfreiwilligen Gewereverlust?<br />

Rechte Gewere: Sie entspricht der rechtlichen Überzeugung, dass die ungestörte Besitzausübung mit<br />

der Zeit die Mängel des Erwerbsaktes heilt. Ihr Objekt waren zunächst nur Liegenschaften, die<br />

zwar durch gerichtliche Auflassung, aber dennoch fehlerhaft erworben worden waren. Wurde die<br />

Liegenschaftsgewere eine betsimmte Zeit hindurch (meist Jahr & Tag) ohne gerichtliche<br />

Anfechtung ausgeübt, konnte ein materiell besser Berechtigter infolge Verschweigung seine Rechte<br />

an der Sache nicht mehr durchsetzen. Im SpätMA ließ man auch in anderen Fällen eines formellen<br />

Erwers durch Zeitablauf die rechte Gewere entstehen.<br />

7.)Welchen Vorläufer des modernen Grundbuches kennen Sie?<br />

Der Brauch, Grundstücksgeschäfte in einem jedermann zugänglichen Buch aufzuzeichnen, nahm<br />

seinen Anfang in den ma dt. Städten. Weit über das rheinische Gebiet hinaus vorbidlich wirkte das<br />

SCHREINSWESEN der Stadt KÖLN, wo man nachweislich bereits um das Jahr 1135 GrG auf<br />

Pergamentkarten verzeichnete & diese in einem Schrein aufbewahrte (Schreinskarten der<br />

Sondergemeinde St.Martin. Im 13.Jh. wurden dafür Stadtbücher eingerichtete, die meist getrennte<br />

Folien für Gr-übertragungen & Belastungen enthielten.<br />

Die Eintragung in die öffentlichen Bücher erfolgten zunächst chronologisch, doch gingen manche<br />

Städte bereits im 15.Jh. zum Realfoliensystem über, das alle Eintragungen, die ein bestimmtes<br />

Grundstück betreffen, zusammenfasste. Andere bevorzugten das Personalfoliensystem, das die<br />

Eintragungen nach denNamen der einzelnen Bodeneigentümer ordnete.<br />

Die Entwicklung des österreichischen Grundbuchsrechts verlief sondern anders, als sie auch oder<br />

sogar in 1.Linie das fluche Land erfasste. Ausserdem war man immer bemüht, alle dinglichen<br />

Berechtigung in die öffentlichen Bücher einzutragen (allg. Grundbuchsystem). Neben den<br />

Landtafeln für landständische adelige Liegenschaften gab es grundherrschaftliche Register über<br />

bäuerliche Grundstücke (Grundbücher im engeren Sinn) & Stadtbücher für städtische<br />

Liegenschaften.<br />

� LANDTAFEL: Die LT waren die ersten systematisch angelegten Gerichtsbücher. Sie<br />

erfassten den „Ständischen“ (adeligen) Grundbeseitz & nahmen im 13.Jh. ihren Ausgang<br />

von Böhmen, Mähren & Oberschlesien. In diese Bücher wurden nicht nur<br />

PRVerhältnisse an Liegenschaften, sonder auch die wichtigsten Aussagen<br />

verfessaungsrechtlicher Urkunden eingetragen. Aus politischen Interessen unterlagen<br />

die Stände dem Eintragungszwang woraus sich allmählich die Auffassung entwickelte,<br />

dass dingliche Rechte an landtäflichen Gut nur durch Eintragung erworben werden<br />

können (Eintragungsgrundsatz). Im 18.Jh. wurde das böhmische Landtafelwesen von<br />

den meisten österreichischen Ländern übernommen. Bereits bestehende „adelige“<br />

Grundstückverzeichnisse gingen in den LT auf.<br />

� GRB im engeren Sinn: Strenh getrennt von lt Besitz wurde das „unterthänige Land“ in<br />

GRB erfasst. Es galt als Pflicht des Grundherrn, für die Aufzeichnung des ihm<br />

untertänigen Landes zu sorgen. Die Aufzeichnungen sollten die radizierten Lasten<br />

erfassen & Aufschluss über die Dienstpflichten der Grundholden vermitteln. In der NZ<br />

machte sich auch hier die Vorstellung breit, dass jede Rechtsänderung am bäuerlichen<br />

84 karinaa


Gutbestand des Bucheintrages bedürfe. Die reiche Gesetzgebung über die Anlegung von<br />

GRB für den nicht lt Besitz im 18.Jh. war ereits vom Grundsatz beherrscht, dass<br />

dingliche Rechte erst mit der „Fürmerkung“ in den GB erworben werden.<br />

� STADTBUCH: Nach ersten Zeugnissen aus dem SpätMA waren die Stadtbücher<br />

schriftliche Verzeichnisse über (meist öffentlich vor Zeugen vorgenommene)<br />

Veräuerungen & Verpfändungen von Stadtgründen. Da Stadtgründe nur vor dem<br />

Bürgermeister & dem Stadtreat veräußert werden durften, sind sie vorerst als Sammlung<br />

schiriftlicher Gerichtszeugnisse zu charakterisieren, doch gingen auch sie n der NZ den<br />

Weg, dass ihren Eintragungen zunehmend rechtsbegründende Bedeutung zukam.<br />

8.)Welche Spezifika weist das mittelalterliche Eigentumsverständnis auf?<br />

2 besondere Merkmale prägten die Eigentumsordnung (EO) des MA. Das eineliegt in der<br />

durchgehenden Unterscheidung des Gahrniseigentums von den vielgestaltigen Nutzungsrechten an<br />

Grund & Boden.<br />

Das Andere in der starken Sozialbindung des Bodeneigentums.<br />

Das ältere Recht hatte daher keinen einheitlichen, scharf abgegrenzten Eingentumsbegriff.<br />

Die tatsächliche Vielfalt der Sach- (insbes. Boden-) Nutzung ließ ebenso viele Rechtsbegriffe<br />

entstehen & verschloß sich einer abstrakten, vom jeweiligen Nutzungsobjekt losgelösten<br />

Bestimmung des ER (funktionales EV). Während sich das Fahrniseigentum wenigstens an der<br />

Vorstellung einer umfassenden Verfügungsmacht des Inhabers orientieren konnte, nahm das<br />

Bodeneigentum alle Möglichkeiten einer sich wandelnden & unterschiedlich intensiven<br />

Bodennutuzung in sich auf. Die Bodenherrschaft konnte mehreren Berechtigten in Über-, Unter-<br />

oder NebenO zustehen. Geteiltes, befristetes, anwartschaftlcihes Eigentum als Formen eines<br />

MINDEREIGENTUMS erhöhten die funktionelle Spaltbarkeit des Grundeigentums, da sie unter<br />

demselben Nutzungsbesitzschutz standen, wie das VOLLE EIGENTUMSRECHT.<br />

Charakteristisch für das ma Bodeneigentum ist daneben die FÜLLE SOZIALER<br />

PFLICHTBINDUNGEN des Eigentümers. Sie lassen vermuten, dass ursprünglich der gesamte<br />

nutzabre Boden in gemeinschaftlichem Eigentum stand. Auch später hatte der einzelne<br />

Eigentümer keine absolute Herrschaftsgewalt über seine Sachen, sondern war mannigfacher Weise<br />

durch Pflichten gegenüber seiner Familie, seinen Nachbarn, der Genossenschaft oder der Allg.<br />

gebunden. De ma BodenrechtsO offenbart sich daher in einer „Doppelgestalt von<br />

Gemeinschaftseigentum & Sondereigentum“.<br />

9.)Was versteht man unter dem Gesamthandeigentum & wodurch wurde es später<br />

abgelöst?<br />

Anknüpfungspunkt für zahlreiche Formen gemeinschaftlichen Eigentums war die<br />

Hausgemeinschaft. Familiengemeinschaften in Gestalt von Brüdergemeinschaften, bäuerlichen<br />

Gemeinderschaften, ritterlichen Ganerbschaften, ehelichenGütergemeinschaften & spätma.<br />

Handelsgesellschaften sind uns als GESAMTHANDGEMEINSCHAFTEN überliefert. Die<br />

Gemeinder konnten Verfügungen über das Gemeisnchaftsgut nur mit gesamter Hand, d.h. alle<br />

zusammen, vornehmen. Dem einzelnen stand eine Disposition über seinen Teil bzw. seine<br />

Teilhaberschaft nicht zu. Schied er durch Tod aus, kam es zur Akkreszenz (Anwachsung) seines<br />

Anteils an die anderen Gesamthänder, jedenfalls dann, wenn er keine Kinder hinterließ.<br />

85 karinaa


GHGem. Eigneten sich nur für kleinere Personenverbände. Sie beruhten auf der Vorstellung, dass in<br />

einem gemeinsamen Haushalt aug gemeinsamen Gedeih & Verderb gewirtschaftet wird (daher<br />

Vermögen, Mitgläubiger schaft & Mitschuldnerschaft zur gesamten Hand). Abschächungs- &<br />

Verformungstendenzen des Gesamthandprinzips zeigten sich im MA überall dort, wo die häusliche<br />

Gem. aufgegeben war (Kaufmanssgesellschaften) oder nicht im Vordergrund stand (Erbengem.).<br />

Dort & in mitgliederstärkeren Verbänden, die eine praktikablere Organisationsform brauchten,<br />

ging man zu größeren Dispositionsfreiheit des einzelnen Gemeinschaftsmitlgieds über. Das<br />

SPÄTMA MITEIGENTUM befand sich daher in einer formenreichen Übergangsphase.<br />

10.) Codex Maximilianeus Bavaricus 1756<br />

a.)Wann wurde diese Lehre von geteilten Eigentum entwickelt & worauf geht sie<br />

zurück?<br />

Dem geteilten Eigentum lag die Vorstellung zugrunde, dass die Eigentümerbefugnisse an einer<br />

sSache vertikal auf mehrere Personen aufgeteilt werden können. Der OBEREIGENTÜMER (OE)<br />

hatte nur ein Recht auf die Substanz der Sache, der UNTEREIGENTÜMER (UE) ausserdem das<br />

ausschlißeliche Nutzungsrecht. Vollständig wurde das Eigentum, wenn sich alle Recht in ein &<br />

derselben Person vereinigten-<br />

� Das geteilte Eigentum geht letztlich auf die ma. Grundbeseitzverhältnisse zurück. Die<br />

Nutzungsrechte an Grund & Boden teilten sich in der Regel mehrere Personen, & zwar so, dass die<br />

einen dem Boden unmittelbar Früchte abrangen, während andere daraus mittelbare Nutzungen<br />

zogen. Diesem Zustand entsprach eine mehrfache Gewere an ein & demselben Grundstück<br />

(Obergewere – Untergewere, mittelbare Gewere – unmittelbare Gewere). Die Ausbildung erblciher<br />

Leiheformen verstärkte noch die Vorstellun eines zwischen dem Eigentümer & dem<br />

Nutzungsberechtigten funktionell geteilten Eigentums. Die ma. Italienische Jurisprudenz hat dieser<br />

Vorstellung begriffliche Gestalt verliehen. Sie entwickelt die Lehre vom DOMINIUM UTILE &<br />

DOMINIUM DIRECTUM.<br />

Im USUS MODERNUS entfernte man sich allmählich vom Boden der italienischen Lehre &<br />

entwickelte eigene Konstuktionen. So schrieb das ALR dem OE die Proprität der Sache zu, dem<br />

UE ein Miteigentum an der Proprietät & das alleinige Nutzungsrecht.<br />

b.)Welche konkreten Beispiele kennen Sie für ein derartiges geteiltes Eigentum?<br />

Dieser Konzeption folgte auch das ABGB 1811. Anwendungsfälle des unvollständigen Eigentums<br />

nach dem ABGB waren die Erbpacht - & Erbzinsgüter (bäuerliche Leiherechtsverhätnisse), welche<br />

systematisch den Mite-& Pachtverträgen zugeordnet wurden, die Lehnsgüter (deren Regelung dem<br />

Lehnrecht verbehalten blieb), sowei die Familienfideikommisse ( &sonstige gebundene<br />

Vermögen).<br />

c.)Wie & wann kam es zur Umwandlung in Volleigentum?<br />

Das geteilte Eigentum war aber bereits im Zeitpunkt seiner Kidofizierung keine lebendige<br />

Eigentumsform mehr. Schon im MA hatte, bes. in den Städten, die „Aufzehrung des<br />

Obereigentums durch das Unteriegntum“ (städtische Allodifikation) begonnen. Diese Entwicklung<br />

setzte sich in der NZ fort & fand in der gesetzlichen Bodenreform des 19.Jh. ihren Abschluss<br />

(Grundentlastung, Allodifikation, Ablösungsgesetzgebung). Die Aufhebung der<br />

Untertänigkeitsverhätnisse seit 1848 machte die gesetzlichen Vestimmungen über Erbpacht- &<br />

86 karinaa


Erbzinsverträge obsolet, das verfassungsrechtliche Verbot des geteilten Eigentums erzwang die<br />

Aufhebung der Lehensverhältnisse, das Erlöschen der Familienfideikommisse & sonstigen<br />

gebundenen Vermögens & machte schließlich die Eigentumsform des unvollständigen Eigentums<br />

endgültig zu einer historischen.<br />

11.) Was wissen Sie über das Stockwerkseigentum?<br />

Das moderne Wohnungseigentum gibt dem Miteigentümer einer Liegenschaft das Recht, eine<br />

Wohnung, sonstige selbstständige Räumlichkeit oder einen Kfz-Abstellplatz ausschließlich zu<br />

nutzen & allein darüber zu verfügen. Es verbindet also ideelles Bruchteiseigentum an der ganzen<br />

Liegenschaft mit einem dinglcihen Nutzungs- & Verfügungsrecht an einem<br />

wohnungseigentumstauglichen Objekt, ohne dieses dem Wohnungsiegentümer real zuzuordnen. Das<br />

Recht kann auch 2 beliebigen n.P. (einer Eigentmerpartnerschaft) gemeinsam zustehen. AN<br />

Teilen der Liegenschaft, die der allg. Benützung entgegensteht, kann Wohnungseigentum nicht<br />

bestehen.<br />

Funktionale Bezüge weist das Wohnungseigentum zur historischen Erscheinugsform des<br />

STOCKWERSEIGENTUMS auf, das jedoch von der Vorstellung einer Realteilung des Hauses<br />

getragen war. Die einzelnen Geschoße, Böden, Keller eines Hauses konnten im Sondereigentuzm<br />

verschiedener Personen stehen, die dazu in der Regel noch gemeinschaftliches Eigentum an der<br />

Grundfläche & an den gemeinsam benützten Gebäudeteilen hatten.<br />

STE entstand meist durch Erbteilung, wurde aber im SPÄTMA auch rg begründet. Auch im<br />

Rezeptionszeitalter blieb es sowohl in den Städten als auch auf dem flachen Land eine beliebte<br />

Form des Teileigentums. Da es dem gemeinrechtlichen Akzessionsprinzip widersprach, unterblieb<br />

freilcih eine Regelung in en neuzeitlichen LRO´s. Streitigkeiten der Teileigentümer konnten damit<br />

rechtens nicht gelöst werden („Streithäuser“). Das ABGB erwähnte das Stockswerkseigentum<br />

nicht, zog es aber auch nicht in Zweifel. Erst die Vertreter der Pandektenwissenschaft haben mit<br />

dem Hinweis „superficies solo credit“ den Nachweis zu erbringen versucht, dass das<br />

Stockwerkseigentum mit den positiven Normen des ABGB im Widerspruch stehe. Der Gesetzgeber<br />

folgte dieser Argumenatation schrittweise & erließ ein Neubegründungsverbot, um es auf<br />

„natrlichem“ Weg aufzulösen. In den alten Zentren seines Vorkommens besteht es nach wie vor.<br />

12.) Wie ging die rg Liegschaftsübereignung in älterer Zeit vor sich?<br />

In ältester Zeit wurde die Liegenschaftsübereignung unmittelbar auf dem Grundstück vollzogen. Sie<br />

zerfielin 2 Teile:<br />

� Die SALA war die Einigung über den Eigentumsübergang<br />

� Die INVESTITURA (Einkleidung des Erwerbs in den Besitz) die Aufgabe der Gewere<br />

seitens des Veräußeres (Realinvestitur).<br />

Der Grundstücksverkehr erforderte bereits in Fränkischer Zeit das Abgehen von Übereignungsakt<br />

auf dem Grundstück. Die aus dem röm. Vulgarecht übernommene traditio per cartam ersetzte die<br />

sala. Die außerhalb des Grundstücks vollzogene symbolische Investitur den bis bisher auf dem<br />

Grundstück selbst vollzogenen körperlichen Besitzübergang. Die ihn versinnblidlichenden<br />

Handlungen & die förmliche Verzichtserklärung wurden beibehalten, nur eben entfernt vom<br />

Grundstück vorgenommen. Die feierliche Besitzräumung, AUFLASSUNG, gewann dabei auf<br />

Kosten der anderen Elemente immer mehr an rechtliche Bedeutung. Der feierliche Besitzverzicht<br />

87 karinaa


wurde zum wichtigsten Bestandteil des Grundstücksübereignungsaktes & gab spätestens seit dem<br />

13.Jh. der Liegenschaftsübereignung den Namen AUFLASSUNG. Sie ist in ihrer ältesten Gestalt als<br />

PROZESSUALE AUFLASSUNG berliefert. Die zur Besitzräumung verurteilte Partei erteilte dem<br />

Sieger in Rechtsstreit auf das Gerichtsurteil hin sofortige Auflassung & Investitur. Das Gericht<br />

stellte darüber eine „unscheltbare“ (unanfechtbare) Königsurkunde aus. Die Beweisvorteile einer<br />

solchen Urkunde führten dazu, dass sie oft in einem Scheinprozess nach Art der röm. In iure cessio<br />

beschafft wurde. Mit der Eliminierung scheinprozessualer Elemente entstand die GERICHTLICHE<br />

AUFLASSUNG. Auf Antrag des Erwerbers wurde ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der<br />

Eigentumsübereignung gefällt, dass ihm eine ideelle Gewere (Urteils-& Auflassungsgewere) an der<br />

Liegenschaft übertrug. Sie erstarkte nach Aufgebot an Besserberechtigten & Fristablauf ( meist<br />

binnen Jahr & Tag) zu rechten Gewere.<br />

13.) Westgalizisches Gesetzbuch<br />

a.)Was wissen Sie allg. über den originären Erwerb an Fahrnis?<br />

ZUEIGNUNG<br />

Objekte der Zueignung sind herrenlose (ursprünglich freistehende oder derelinquierte) Sachen. Sie<br />

verschafft Eigentum praktisch durch Besitzergreifung, da das ABGB aks Titel „angeborene<br />

Freiheit“ des Menschen genügen lässt. Im älteren Recht war zunächst jedermann berechtigt, sich<br />

eine herrenlose Sache anzueignen (PRINZIP DER ANEIGUNGSFREIHEIT). Das dt. Recht<br />

entwickelte jedoch im Gegensatz zum röm. Recht eine Vielzahl besonderer Aneigungsrechte, die<br />

man als REGALIEN nur Hoheitsträgern (vor allem dem König, in späterer Folge dem Landesherrn<br />

sowie den Stadt- & Grundherrn) zuordnete. Mit der Rezeption des langobaridschen Lehnrechts, das<br />

einen umfassenden Katalog von Regalien enthielt, gelangte diese Auffassung ins gemeine Recht.<br />

Gegenstände der Regalität:<br />

� Salinen<br />

� gefundene Schätze<br />

� Salinen<br />

� Bergwerke<br />

� Münze<br />

� Zoll<br />

� Fischerei<br />

� Jagd<br />

b.)Für die genannten Tiere gelten warum Sonderregelungen?<br />

88 karinaa


Besonders geregelt ist das Aneignungsrecht an herrenlosen Bienenschwärmen. Es war im älteren<br />

Recht allg. anerkannt ( ausgenommen bei Waldbienenschwärmen in errschaftlichen oder privaten<br />

Forsten). Das röm.-gemeine Recht gewährte dem Eigentümer ein Verfolgungsrecht. Er durfte<br />

seinen Bieneschwarm auch auf fremden Grundstück wieder einfangen. Der Schwarm wurde jedoch<br />

herrenlos, wenn der Eigentümer ihn nicht unverzüglich verfolgte. Manche Partikularrechte<br />

gestatteten die Verfolgung noch über längere Zeit, in der Regel 2 oder 3 Tage. Das ABGB schloß<br />

an diese Vorstellungen an.<br />

14.)Freisinger Rechtsbuch 1328<br />

a.) Welche Pflichten trafen folglich den Finder einer Sache?<br />

Unter Finden versteht man das Ansichnehmen einer verlorenen oder vergessenen Sache. Die<br />

Sache steht noch im Iegentum des Verlierers & kann daher nicht vom Finder okkupiert werden.<br />

Der Finder muss den Fund unverzüglich anzeigen, damit der Eigentümer in der Lage ist, sein Recht<br />

zu wahren. Dafür hat der Finder Anspruch auf Auslagenersatz & auf Finderlohn.<br />

Schon das ältere Recht begründete für den Finder nicht nur Rechte (bis hin zum Eigentusmrecht),<br />

sondern vor allem Pflichten: Es verlangte vom Finder, dass er die Sache verwahrt & öffentlich<br />

seine Herausgabebereitschaft erklärt, um sich so vom Diebstahlsverdacht zu reinigen. Diese<br />

VERKLARUNG hatte eine vom Finder selsbt oder durch Anzeige bzw. Ablieferung des Fundes von<br />

der Obrigkeit kundzumachende Aufforderung an den Eigentümer zu enthalten, seine Ansprüche<br />

innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen. Meldete sich der Verlierer innerhalb der<br />

Aufgebotfrist ( von 6 Wochen bis zu 3 Jahren), musste der Finder die Sache zurückgeben, hatte<br />

aber Anspruch auf Ersatz der für die Fundsache gemachten Aufwendungen. Vereinzelt sind in ma.<br />

Rechtsquellen Bestimmungen über einen Finderlohn enthalten, dessen Höhe vom Wert der<br />

gefundenen Sache abhing. Verstrich die Aufgebotsfrist, ohne dass sch der Verlierer meldete, verlor<br />

er sein Recht an der Fundsache durch VERSCHWEIGUNG. Die Sache fiel entweder an Finder oder<br />

an die Obrigkeit oder wurde zwischen beiden geteilt.<br />

b.)Wodurch konnte der Verlierer sein Recht an der Sache verlieren?<br />

Meldet sich der Verluststräger nicht innerhalb eines Jahres, erlangt der Finder Eigentum.<br />

15.)ALR 1794<br />

a.)Was ist ein Schatzfund?<br />

Beim Schatzfund, das ist der Fund von Wertsachen (Geld, Schmuck, abdere Kostnbarkeiten), die<br />

solange im Verborgenen gelegen haben, dass ihr Eigentümer nicht mehr festgestellt werden kann,<br />

war dagegen noch im Kodifikationszeitalter die Vorstellung obrigkeitlicher Ansprüche auf den<br />

Schatz oder den Antiel an ihm lebendig.<br />

b.)Welche Rechte am Schatz hatte der Finder?<br />

§399 ABGB 1811 sah einen Anspruch des Staatsvermögens auf ein Drittel des Schatzes vor; den<br />

Rest teilten sich der (die) Grundeigentümer & der Finder. Das HfKD vom 15.6.1846 beseitigte den<br />

Einziehungsanspruch des Staates, sodass ab diesem Zeitpunkt je die Hälfte des Schatzes an den<br />

Grundeigentümer & an den Finder fiel. Die Aufhebung des HfKD durch das<br />

1.Bundesrechtsbereinigungsgesetz ließ für eine kurze Phase offenkundig das Schatzregal wieder in<br />

Wirksamkeit treten. Mit der Sicherheitspolizeigesetznovelle 2002 stellte der Gesetzgeber jedoch<br />

klar, dass dem Finder & dem Grundeigentümer je die Hälftedes Schatzes zustehen.<br />

89 karinaa


16.)Erfurter Stadtrecht 1306<br />

a.)Welches Rechtsproblem wird hier angesprochen?<br />

ZUWACHS<br />

Das ABGB begreift unter Zuwachs alles,was aus einer Sache entsteht oder neu zu derselen<br />

hinzukommt, ohne dass es dem Eigentümer von jmd anderem übergeben worden ist. Es meint<br />

damit den natürlcihen Zuwachs an Bodenfrüchten & Tierjungen, den künstlichen Zuwachs durch<br />

Verarbeitung fremder Sachen oder vereinigung. Vermischung & Vermengung der Sachen<br />

verschiedener Eigentümer, & den vermischten Zuwachs durch bebauung eines Feldes mit fremden<br />

Samen & Pflanzen.<br />

Jene Früchte, die der Eigentümer aus seiner Sache durch eigenen Aufwand & durch eigene Mühe<br />

gewinnt, fallen ihm so selbstverständlich zu, dass sie nicht einmal erwähnt werden.<br />

NATÜRLICHER ZUWACHS & VERMISCHTER ZUWACHS: Obwohl das ABGB nur von<br />

natürlichen Früchten spricht, gelten die Regeln des Fruchterwerbs für alle wiederkehrenden<br />

Erträgnisse einer Sache, die bestimmungsgemäß & ohne wesentliche Veränderung der Muttersache<br />

aus dieser gewonnen werden. Auch im MA hat man unter Früchten in der Regel nur FRUCTUS<br />

NATURALES verstanden, ohne allerdings für den Erwerb anderer Sacherträgnisse ( die Nutzungen<br />

genannt wurden) eigene Rechtsregeln zu entwickeln.<br />

b.) In welcher Weise wird es hier im Unterschied zum röm. Recht gelöst?<br />

Für den Fruchterwerb war das PRODUKTIONSPRINZIP: „Wer sät, der mäht“ entscheidend.<br />

Vorraussetzung für den Fruchterwerb des Produzenten war aber, dass er in Ausübung eines<br />

Nutzungsrechtes oder zumindest im guten Glauben an den ´Bestand eines solchen tätig geworden<br />

war. Andernfalls wurde ihm der Frcuhterwerb versagt & oft sogar eine Bußleistung abverlangt.<br />

Außerdem mussten die Bestellungsarbeiten zum abschluss gekommen sein. Erst mit diesen<br />

Zeitpunkt gelten die Frücjte als verdientes Gut. Lagen diese Vorraussetzungen vor, hatten die<br />

Eigentums.&Nutzungsverhältnisse an der Hauptsache zur Zeit der Trennung der Früchte keine<br />

Bed. mehr.<br />

17.)Welche Funktion erfüllte die Verschweigung? Nenne Sie konrekte Beispiele!<br />

Die Verschweigung führt zum Rechtserwerb des Nichtberechtigten dadurch, dass der Berechtigte<br />

sein Recht nicht (rechtzeitig) ausübt. Sie verbindet Rechtsverlust des einen & Rechtserwerb des<br />

anderen in einem Akt & ist im modernen Recht nur vereinzelt, nicht aber als allg.<br />

Rechtseinrichtung geregelt. Dem älteren Recht war die Ersitung unbekannt. Allerdings erfüllte die<br />

Verschweigung eine ähnliche Funktion wie die Ersitzung. Bei Grundstücken gingen die Rechte<br />

anderer verloren, wenn sie nicht sofort bei der gerichtlichen Auflassung oder innerhalb einer Fist<br />

von Jahr & Tag der Übertragung des Grundstücks durch Klage gegen den Erwerber widersprachen.<br />

Die Versäumung der Frist, deren Ablauf nur durch echte Not gehemmt werden konnte, ließ die<br />

rechte Gwere entstehen. Bei beweglichen Sachen hatte die Verschweigung vor allem beim Fund<br />

Bedeutung. Im Zeitalter der Rezeption wurde die Verschweigung allmählich durch die<br />

gemeinrechtlichen Institute der Ersitzung & Verjährung verdrängt.<br />

18.)Bayerische Landrechtsreformation 1518<br />

a.)Welche Form des Liegenschaftspfandrechts behandelt diese Stelle?<br />

90 karinaa


JÜNGERE SATZUNG: Seit dem 13.Jh. bildete sich auch der Grundlage der Geldwirtschaft vor<br />

allem in den Städten eine neue Form des PfR.<br />

Die jüngere Satzung beließ dem S Besitz & Nutzung des versetzten GRST. & gewährte dem PfandG<br />

lediglich ein bedingtes, bei Nichteinlösung des Pfandes wirlksam werdendes Zugriffsrecht, das in<br />

einer ANWARTSCHAFTLCIHEN ZINSGEWERE erschien. Um die notwendige Publizität das<br />

PfRVerhältnisses sicherzustellen, wurde ein FÖRMLICHER PFANDVERTRAG mit Erbenlaub vor<br />

Gericht oder Rat geschlossen & die Satzung in ein öffentliches Verzeichnis (GRUNDBUCH)<br />

eingetragen.<br />

Auch die JS führte zunächst zum Pfandverfall. Nach Ablauf einer Einlösungsfrist (meist Jahr &<br />

Tag) wurde der PFG in den Besitz des PfGrST eingewiesen (Nutzungsgewere) & ihm nach einer<br />

weiteren Frist das Eigentum zugesprochen (Eigengewere). Dieses Verfahren vereinfachte sich,<br />

wenn dem Vertrag eine Verfallsklausel begefügt war, die zur Umschriebung des Eigentumsrechts auf<br />

den G bei Pfandreife führte. Doch setzte sich auch bei der jS allmählich der PFANDVERKAUF<br />

durch. Dazu bedurfte es der leiblichen Gewere des G, also der vorherigen gerichtlichen<br />

Besitzeinweisung.<br />

Die jS bot erstmals die Möglichkeit einer MEHRFACHVERPFÄNDUNG. Erfasste das<br />

1.Pfandrecht niht den ganzen Grundstückswert, konnte der Eigentümer die verbliebenen<br />

Wertparzellen, den Mehrwert, weiterverüfänden. Fiel das vorhergegangene Pfand weg, rückten die<br />

nachstehenden G nicht vor, denn jedem haftete nur der ihm zugewiesene Wertteil. Es entstanden<br />

Freistellen, über die der Eigentümer verfügen konnte (Prinzip der Wertparzellen).<br />

b.)Welche andere Form des LPFR älteren Rechts kennen Sie?<br />

ÄLTERE SATZUNG: Seit der fränkischen Zeit begann sich die Idee der Sicherungsübereignung<br />

abzuschwächen. Es wurde üblich, dass der Schuldner das Eigentum behielt & dem Gläubiger nur eine<br />

pfandliche oder SATZUNGSGEWERE an der Liegenschaft verschaffte. Ie ältere Satzung beließ<br />

dem S (Pfandbesteller) eine ruhende Eigengewere, räumte aber dem G die unmittelbare<br />

Sachherrschaft über das verpfändete Grundstück ein. Begründet wurde die Satzungsgewere in<br />

rechtsförmlicher Weise vor Gericht oder Stadtrat mit Zustimmung der wartberechtigten Eren<br />

(Erbenlaub). Die Pfandhaftung war REINE SACHHAFTUNG. Im Falle einerVErschlechterung oder<br />

des Unterganges des versetzten Grundstücks konnte der Satzungsgläubiger nicht auf das übrige<br />

Vermögen des S greifen. Vorbehaltlich einer anderen Abmachung hatte jedoch der G das Recht, die<br />

Früchte des verpfändeten Grst. Zu seinem Vorteil zu ziehen, gleichsam als Ersatz für die ihm<br />

entegehenden Zinsen am verliehenen Geld (Nutzungspfand).<br />

Aufgelöst wurde das PFRVERHÄLTNIS allein durch die Rückzahlung der geliehenen Summe. Nur<br />

die Totsatzung konnte durch Selbsteinlösung enden. Die Vereinbarung, dass das nicht eingelöste<br />

Pfand dem G bei Fälligkeit der gesicherten Forderung ohne weiters zufallen sollte, war möglich<br />

(Verfallspfand). Diese Pfandform war für den S gefährlich, weil er den allfälligen Mehrwert des<br />

Grundstücks verlor Seit dem 14. Jh. Entwickelte sich daher in manchen Rechten das<br />

VERKAUFSPFAND, bei welchem der G gerichtlich ermächtigt werden konnte, das Pfand zu<br />

verkaufen & den erzielten Erlös zu seiner Befiedigung zu verwenden. Ein allfälliger Mehrerlös war<br />

dem S herauszugeben.<br />

19.)Stadtrecht Augsburg, 1276<br />

a.)Um welche Art von Pfand handelt es sich in dieser Stelle?<br />

91 karinaa


Außer der gerichtlichen Pfandnahme, die die Regel war, gab es aber auch noch wie in alten Zeiten<br />

die AUßERGERICHTLICHE PFANDNAHME durch Gläubiger.<br />

b.)Wie erfolgte die Pfandverwertung?<br />

Da die eigenmächtige Pfandnahme durch den G zur Störung von Frieden & Ordnung tendierte,<br />

wurde sie staatlicherseits, insbesondere durch die Landfriedensgesetze, in engen Grenzen gehalten.<br />

So wurde sie durch den MainzerReichslandfrieden 1235 & durch die Frankfurter<br />

Landfreidensordnung Kaiser Friedrichs III. 1442 grundsätzlich verboten. Sie war nur in bestimmten<br />

Fällen & auf bestimmte Weise zulässig. Es musste sich um sogen. Gichtige, d.h. nicht geleugnete<br />

Schulden oder um sogen. Kundliche, d.h. offenkundige Schulen handeln, wobei als letztere später<br />

nur noch solche galten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen waren. Außerdem durfte die<br />

außergerichtliche Pfandnahme nur nach vorheriger Mahnung & mit Genehemigung des Richters<br />

geschehen sowie sich nur auf das bewegliche Vermögen des Schuldners.<br />

20.)Was versteht man unter Reallasten?<br />

Unter Reallast versteht man die dinglich wirkende Belastung eines Grundstückes mit der Haftung<br />

für bestimmte, in der Regel wiederkehrende Leistungen des geweiligen Grundstückseigentümers: Die<br />

Person des Leistungspflichtigen (R%eallastverpflichteten) wurd durch das Eigentumsrecht am<br />

Grundstück bestimmt. Wesentlich ist die sachliche Haftung: Die Reallast ist also eine Verdingliche<br />

Leistungspflicht.<br />

� Fronden & Dienste : entsprangen teils alten Hörigkeitsverhältnissen, teils aber auch<br />

Herrschaftsbefugnissen des öffentlcihen Rechts. Die Schuldigen Dienste umfassten Naturalabgaben,<br />

Geldabgaben & Diesntleistungen, die zwar nicht persöbnlich, aber unentgeltlkich erbracht werden<br />

mussten. Betroffen waren vor allem Bauern, deren Lage sich dort immer mehr verschlechterte, wo<br />

ungemessene Dienste im Inhalt der Reallast wurden. Ihr Leistungsumfang konnte vom<br />

Reallastberechtgten willkürlcih festgesetzt werden. Die starke soziale Abh. Durch Dienste &<br />

Fronden erzwang ihre Beseitigung durch die Agrargesetzgebung des 19.Jhs., deren Hauptprolem die<br />

Regulieruzng der Ablösen war,<br />

�Grundzinsesn: (Zensus) Diese formen & artenreichen Reallasten verpflichteten zu regelmäßig<br />

wiederkehrenden Sachleistungen, deren Umnfang von vornherein festgelegt war.<br />

�Zehent: Inhalt dieser Abgabenverpflichtung war eine bestimmte Quote (der 10, manchmal auch<br />

der 11., 20., oder 60. Teil) des jährlichen Ernteertrags. Sie trat als weltlciher Laienzehent & als<br />

kirchlicher Zehent auf.<br />

� Rente & Rentenkauf: Besondere Bed. unter den rg Reallasten erlangten im SpätMA die Renten.<br />

Ihr Vorbild war der Seezins, der auf ein GrST gelegtr wurde, um damit eine Seelenmasse am<br />

Todestag des Stifters zu finanzieren. Zu diesem Zwecke wurden an die Kirche Grundstücke<br />

92 karinaa


geschenkt, wobei die darauf sitzenden Bauern den Zins für die Seelenmesse entrichten mussten. In<br />

anderen Fällen verkaufte der Eigentümer sein Gut, wobei er sich das Eingentums-& Zinsrecht<br />

vorbehielt & dieses der Kirche schenkte. Die Kirche verlieh das Gut dem Käufer weiter, der<br />

hinkünftig deb Seelzins für die Messstifutung zu zahlen hatte.<br />

Alle diese Fälle hatten die rechtliche Gestaölt der Bodenleihe. In der weiteren Entwickllung wurde<br />

es möglich, einen jährlichen Zins auch ohne Eigentumsübertragung zu bestellen, indem sich jemnad<br />

für sich & seine Nachfolger verpflichtete, aus einem best. Grundstück eine järhlcihe Abgabe zu<br />

entrichten Aus der ursprünglichen Kombination von Grundjauf & zinspflichtiger Weitergabe der<br />

Grundstücksnutzung entstand der RENTENKAUF, bei dem ein Rentenkäufer durch die Hingabe<br />

von Kapital eine auf dem GrST des Rentenverkäufers als Reallast ruhende Rente erwarb. Das<br />

befriedigte das Anlage-&Versorgebedürfnis der kapitalkräftigen städtischen Oberschicht, aber auch<br />

den immer stärkeren Kreditbedarf der städtischen Grundbesitzer. Das kanonische Zinsverbot tat<br />

ein übriges, dass den Rentenkauf in kürzester Zeit große Verbreitung fand.<br />

Reallasten, die ständig wiederkehrende Natural-oder Geldleistungen zum Inhalt hatten, konnten<br />

auch durch Schenkungen, Verfgungen von Todes wegen oder im Zuge einer Erbteilung entstehen.<br />

Unentgeltiche Rentenbestellungen kamen zumeist als fromme Stiftungen vor. Eine gebräuchliche<br />

Form der entgeltichen GrR war neben dem Rentenkauf die reservierte Rente, bei der sich der<br />

Verkäufer eines GrST anlässlich der Übereignung nicht den Kaufpreis aushändigen, sondern eine<br />

dingliche Rentenberechtigung einräumen ließ.<br />

21.)Welche Formen der Bodenleihe kennen Sie?<br />

Die Bodenleihe, die dem Beliehenen gegen Entgelt umfassende Nutzungsrechte an fremdem Grund<br />

verschaffte, gestaltete über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrtausend das wirtschaftlcihe,s<br />

oziale & politische Leben im dt. Rechtsraum entshceidend mit. Sie war bis ins 19.Jh. die<br />

Rechtsgrundlage der feudalistischen Agrarverfassung & prägte im MA auch die BodenO in den<br />

Städten. Ihre Bed. verlor sie mit der ALLODIFIKATION, der Schaffung ungeteilten, freien<br />

Eigentums n der Hand, dessen der den Boden bearbeitete (Bauernbefreieung, Grundentlastung,<br />

Lehgensaufhebung).<br />

�Bäuerlcihe Leihe: Grundherren verleihen wie oben Felder, Wiesen, landwirtschaftliche Gebäude<br />

an Bauern. Diese leisten dafür Abgaben - z.B. Eier, Geflügel oder andere Naturalabgaben zu<br />

bestimmten festgelegten Terminen; später auch Geld - und Dienste - z.B. Erntehilfe, Botengänge,<br />

usw..<br />

Die Bauern können in diesem System persönlich entweder frei, hörig (minderfrei) oder leibeigen<br />

sein. Im Falle der Leibeigenschaft sind die Dienste (Fronen) und Abgaben normalerweise höher,<br />

der/die Leibeigene ist an den Boden gebunden und muss z.B. bei Heirat um die Erlaubnis des Herrn<br />

nachsuchen. Die Höhe von Diensten und Abgaben schwankt je nach Zeit, Region und einzelner<br />

Abmachung.<br />

�Städtische Leihe: Von der bäuerl. unterschied sich die städt. L.: Das Nutzungsrecht an der dem<br />

Zuzüger zugewiesenen Bauparzelle führte nie zu persönl. Abhängigkeit vom Stadtherrn. Der<br />

Beliehene zahlte einen Zins (Udel ) für den Boden, aber das von ihm erbaute oder vom Vorgänger<br />

gekaufte Haus war sein Eigentum. Städt. L. war damit zinspflichtiges, vererb-, veräusser- und<br />

unterverleihbares Eigentum. Der Begriff der Miete bürgerte sich erst im 18. und 19. Jh. ein.<br />

93 karinaa


Dagegen hatte die gewerbl. L. dieselben Wurzeln wie die bäuerl., da sie das grundherrl. Gewerbe<br />

betraf, nämlich Ehaften wie Mühlen, Tavernen, Schmieden, Gerbereien, Färbereien, Sägereien,<br />

Ziegeleien, Metzgereien, Bäckereien, Trotten, Badestuben usw., deren Betreiber ursprünglich<br />

Angehörige der Familia des Grundherrn waren. Daher galten dieselben kurz- und längerfristigen,<br />

künd- und vererbbaren Leiheformen, allerdings mit gewissen Besonderheiten. Insbesondere<br />

Leiheverträge um Mühlen und Tavernen regelten über die L. hinaus den öffentl. Auftrag von<br />

Dienstleistungsbetrieben - bei Mühlen den Mahlzwang und tarifierte Mahllöhne, bei Tavernen den<br />

Beherbergungszwang und Preistarife sowie die Denunziationspflicht im Fall delinquierender Gäste<br />

bzw. delinquierenden Gesindes. Ehaften- und Hofinhaber trugen ähnl. Risiken, v.a. die<br />

Verantwortung für Unterhalt und Erneuerung der Gebäude und techn. Einrichtungen. Vom 16. Jh.<br />

an beanspruchten die Landesherren die Oberhoheit über die Ehaften, erteilten die Konzession und<br />

nahmen den Amtseid des Leheninhabers entgegen.<br />

Viele Stadt- und Burgmühlen, ehem. Mannlehen des Adels, waren vom 15. Jh. an in der Hand von<br />

Städten und lehnsfähigen Fam., die sie durch Müller in Unterleihe oder Pacht (kurzfristig, kündbar,<br />

anpassbarer Geldzins) betreiben liessen. Bei städt. Grossbetrieben wie Hammerschmieden und<br />

Papiermühlen, bei obrigkeitl. Bergwerken, Glashütten und Pulvermühlen dominierte neben dem<br />

Regiebetrieb die Verpachtung an Privatunternehmer.<br />

�Ritterliche Leihe: Privatrechtliches Element des ma. Lehnsrechts. Der Lehnsherr verlieh Grund<br />

an Vasallen, die somit Herrschaftsrecht erwarben und dafür zur Hof und Heerfahrt verpflichtet<br />

waren<br />

22.)Sachenspiegel – Landrecht<br />

Näherechte<br />

Dingliche Erwerbsrechte, die einem Besserberechtigten die Befugnis geben eine veräußerte Sache<br />

binnen einer bestimmten First vom Minderberechtigten an sich zu bringen.<br />

Ältere Näherrechte:<br />

Beispruchsrechte: Sippeneigentum an Grund war Grundlage. Jedem Sippegenossen wurde ein<br />

dingliche Anwartschaftrecht am Gute des anderen eingeräumt, Dazu gehörten die auf den engeren<br />

kreis der Hauserben beschränkten Erbenwartrechte.<br />

Erbenlaub: Jede Veräußerung brauchte die Zustimmung der nächsten Erben (Erbenlaub).<br />

Revokationsrecht: Wurden sie übergangen konnten sie das veräußerte Gut innerhalb einer<br />

bestimmten Frist von jedem dritten herausverlangen.<br />

Jüngere Näherrechte:<br />

Vorkaufs- und Einstandsrechte: Gegen Ende des MA. Schwächten sich die Beispruchs und<br />

Waterechte zu drittwirksamen Vorkaufs- und Einstandsrechten der nächsten Blutverwandten ab.<br />

Konkrete Arten: Erlosung: Einstandsrecht der Blutsverwandten gegen eine unzulässig verkaufte<br />

Liegenschaft gegen Ersatz des Kaufpreises einzulösen. Marktlosung: Näherrechte der Mark-, Dorf-<br />

und Hofgenossen.<br />

Landlosung: erweiterte Marklosung, der Erwerb von Grundstücken durch Landesfremde soll<br />

damit verhindert werden. Nachbarkosung: bevorzugte den Nachbarn bei der Veräußerung eines<br />

Grundstücks.<br />

94 karinaa


Teillosung: Näherrecht des Miteigentümers oder Mitbesitzers. Näherrechte des Grund und<br />

Lehnsherrn sollten deren wirtschaftliche und militärische Stellung absichern, Näherrechte aus<br />

Enteignung verschafftem dem früheren Eigentümer sein Grundstück bei Wegfall des<br />

Enteignungszinses wieder an sich zu ziehen. Vorkaufsrechte: Vertraglich begründete Näherrechte<br />

mit dinglicher Wirkung<br />

9.Schuldrecht<br />

1.)Was wissen Sie über die rechtsgeschäftliche Haftung in älterer Zeit?<br />

Ein bloßes Versprechen ließ zwar eine Schuld, im allg. aber keine Haftung entstehen. Um es<br />

dennoch durchsetzbar zu machen (Haftungsbegründung), bediente man sich im älteren Recht<br />

BESONDERER HAFTUNGSVERTRÄGE, die ausdrücklich eine Person oder einen Gegenstand der<br />

Haftung unterwarfen. Diese Haftung beschränkte sich auf das konkrete Haftunsgobjekt. Sie iegnte<br />

sich daher nicht nur zur Sanktionierung eines Versprechens oder zu zusätzlichen Absicherung des G<br />

(Sachhaftung), sondern auch zum Schutz des S, nämlich dort, wo er bereits aus einem anderen<br />

(strafrechtlichen) Haftunsgrund zur Leistung gezwungen werden konnte. Der S vermied damit den<br />

Zugridd auf seinen Körper & sein ganzes Vermögen & lenkte due Haftung auf ein bestimmtes<br />

Objekt (Haftungseinschränkung).<br />

2.)Charakterisieren Sie den Real-bzw.Arhalvertrag der älteren Zeit!<br />

Vertrag<br />

Ausdrücklich oder schlüssig erklärte Willensübereinkunft zweier Personen im Rahmen<br />

privatautonomer Rechtssetzung. Angebot und Annahme.<br />

Formalverträge: Das ABGB hat die Formfreiheit zur Regel erhoben. Nur ausnahmsweise gelten<br />

bestimmte Formvorschriften (Fromalverträge)<br />

Realvertrag/ Arrhalvertrag: zusätzlich zum Konsens noch die tatsächliche Sachübergabe (Leihe,<br />

Darlehen, Verwahrungsvertrag)<br />

Entwicklung der Arrha: entwickelte sich aus dem Realvertrag. In fränkischer Zeit. Für die<br />

Gültigkeit war nicht mehr die Vorleistung einer Sache erforderlich, es genügte eine Anzahlung.<br />

War anfangs noch ein Teil der Leistung, der auf die Gesamtleistung angerechnet wurde,<br />

verkümmerte aber dann zur symbolischen Scheinleistung.<br />

3.)Welche Regeln kannte das ältere Recht für die mangelhafte Willensbildung beim<br />

Vertragsabschluss?<br />

Irrtum: Willenstheorie: hier ist allein der Wille der Vertragsparteien ausschlaggebend, nicht das wie<br />

sie es gesagt haben.<br />

Erklärungstheorie: allein die Erklärung soll rechterheblich sein. Das ABGB nimmt eine<br />

vermittelnde Stellung ein, die Vertrauenstheorie.<br />

Die häufigste Ursache mangelhafter Willensbildung ist der Irrtum (Sonderstellung: Zwang und<br />

Täuschung). Ein Mann ein Wort: das ältere Recht berücksichtigte den Irrtum in keiner Weise<br />

95 karinaa


Leistungsort: Holschuld: in älterer Zeit war der ERFÜLLUNGSORT DAS Haus des Schuldners, der<br />

Gläubiger musste sich die geschuldete Leistung also holen. Bringschuld: setze sich weitgehend<br />

durch.<br />

�Oft herrscht zw. dem, was jmd erklären will, und dem, was als Äußerung nach außen dringt, eine<br />

Deiskrepanz. Das daraus entstehende Geltungsproblem kann nach der jeweiligen Ausgangspostion<br />

so gelöst werden, dass entweder allein der Wille (WILLENSTHEORIE) oder allein die Erklärung<br />

(ERKLÄRUNGSTHEORIE) rechtserheblich sein soll.<br />

Das ABGB nimmt einen vermittelnden Standpunkt ein. Es stellt an sich auf die Bedeutung des<br />

Erklärten ab, berücksicht aber dann den Willen des Erklärenden, wenn der VP auf die<br />

anderslautende Erklärung nicht vertraut hat oder nicht schutzwürdig ist. Die häufigste Ursache<br />

mangelhafter Willensbildung ist der Irrtum (Sonderstellung: Zwang und Täuschung).<br />

Einem Irrtum unterliegt ´, wer eine falsche, unvollständige oder gar keine Vorstellung ´von der<br />

Wirklichkeit hat. Die Lehre unterscheidet zwischen ERKLÄRUNGSIRRTUM &<br />

GESCHÄFTSIRRTUM. & MOTIVIRRTUM<br />

ERKLÄRUNGSIRRTUM: Der Erklärende erklrt etwas anderes, als er wirklcih meint<br />

GESCHÄFTSIRRTUM: Der Erklärende irrt über die Natur des Geschäfts, sienen Inhalt oder die<br />

Person des VP<br />

MOTIVIRRTUM: ein dem Vertragsabschluss vorgelagertes Motiv, eine innere Vorbedingung<br />

erweist sich als unrichtig<br />

ÄLTERES RECHT<br />

Das ältere Recht berücksichtigt den IRRTUM in keiner Weise ( ein Mann, ein Wort). Nur<br />

erzwungene Erklärungen waren nichtig. Durch den ausgeprägten Formalismus bei der<br />

Vertragsabschließung (Wortformeln, rituelle Handlungen) war allerdings dem Erklärungs-&<br />

Geschäftsirrtum ein einigermaßen wirksamer Riegel vorgeschoben. In der heutigen Terminologie<br />

würden wir sagen, das ältere dt. Recht stand auf dem Boden der Erklärungstheorie.<br />

4.)Welche Formen der Bürgschaft kennen Sie im älteren Recht?<br />

Den Bürgschaftsvertrag schließen Gläubiger und Bürge. Vom Bestehen der Hauptschuld abhängig<br />

(akzessorisch). Bürge haftet subsidiär<br />

Gestellungsbürgschaft: älteres Recht: in ältester Zeit verfiel der säumige Schuldner mit Leib und<br />

Leben dem Gläubiger. Objekt erlaubter Rachehandlungen. Nur die Sippe konnte ihn dann schützen.<br />

Die älteste Form der Bürgschaft war die Gestellungsbürgschaft. Der Gestellungsbürge erhielt vom<br />

Gläubiger den Schuldner ausgeliefert, der ihn nicht aus seiner Gewahrsame entlassen durfte und zur<br />

Leistung anzuhalten hatte. Blieb die Leistung des Schuldners dennoch aus musste ihn der<br />

Gestellungsbürge dem Gläubiger ausliefern.<br />

96 karinaa


Exekutionsbürgschaft: 2. Entwicklungsstufe. Die Gestellungsbürgschaft wurde zur<br />

Exekutionsbürgschaft. Sie verpflichtete den Bürgen die Exekution in das Schuldnervermögen zu<br />

betreiben. War das erfolglos konnte er sich durch Gestellung des Schuldners befreien.<br />

Exekutorische zahlungsbürgschaft: war der nächste Schritt. Der Bürge konnte sich seiner Pflicht<br />

nicht durch Auslieferung des Schuldners an den Gläubiger entledigen, er haftete selbst für die<br />

Verbindlichkeit. Die Exekution blieb beim Bürgen hängen.<br />

Zahlungsbürgschaft: Daraus wandelte sich die Zahlungsbürgschaft. Das Exekutionsrecht des Bürgen<br />

wich dem staatlichen Vollstreckungsmonopol. Er haftete primär oder es lag an der Willkür des<br />

Gläubigers die Forderung beim Schuldner oder beim Bürgen einzutreiben<br />

Einlager: eine der zwei Sonderformen der Bürgschaft. Der Bürge verpflichtet sich im Falle der<br />

Nichterfüllung sich freiwillig in Arrest zu begeben.<br />

Selbstbürgschaft: Die SBG des S, der keinen Bürgen finden konnte, sollte verhindern, dass er uter<br />

die Gewalt des G kam.<br />

5.)Charakterisieren Sie das Wesen der Schenkung!<br />

Älteres Recht: war kein unentgeltliches Rechtsgeschäft. Der Beschenkte musste eine (niedrigere)<br />

Gegenleistung erbringen. Solange er das nicht tat, konnte der Geschenkgeber die Sache<br />

zurückfordern.<br />

6.)Quelle: 434<br />

Darlehen<br />

Das Darlehen ist ein Realvertrag. Wesen liegt in der Übereignung von Geld oder anderen<br />

vertretbaren Sachen, das nach Ablauf einer gewissen Zeit ebenso viel von derselben Gattung und<br />

Güte zurückgegeben werden soll.<br />

Kirchliches Zinsverbot: das zinsbare Gelddarlehen stieß auf heftigen Widerstand der Kirche. Es sei<br />

Christenpflicht dem in Not Geratenen ein Darlehen zu geben, ohne dafür Zinsen zu verlangen.<br />

Zuerst richtete sich das an die Geistlichen, später auch an Laien und wurde von der Rechtsordnung<br />

übernommen.<br />

Zinsprivilegien: Man dachte sich zahlreiche Rechtskonstruktionen aus, um das Zinsverbot zu<br />

umgehen. Das Zinsverbot galt ursprünglich auch für Juden, doch wegen der anderen Religion<br />

blieben die angedrohten Folgen für sie ohne Wirkung. Daher hob man das weltliche Zinsverbot für<br />

Juden auf. Das Geldverleihgeschäft geriet in ihre Hand. Dafür hatten sie eine Schutzgebühr zu<br />

entrichten.<br />

7.)Was wissen Sie über die Sach-&Rechtsmängelhaftung des älteren Rechts?<br />

97 karinaa


SACHMÄNGELHAFTUNG� Das ältere Recht kannte noch keinespezifische Gewährleistung für<br />

Sachmängel. Der Käufer musste zwar eine mangelhafte Sache nicht annehmen, hatte er dies jedoch<br />

getan, konnte er den Mangel nachträglich nicht mehr geltend machen. Er war also verpflichtet ,<br />

die Sache bei der Übergabe zu prüfen.<br />

Regelfall war der „Kauf vor Augen“. Der Gewährleistungsauschluss dokumentiert sich in den<br />

Rechtssprichwörtern: „Augen auf, Kauf ist Kauf“, „Wer die Augen nicht auftut, tut den Beutel<br />

auf“, „Wer närrisch kauft, muss weislich zahlen“.<br />

Ausnahmen von dieser Regelung gab es nur bei den sog. HAUPTMÄNGELN. Darunter verstand<br />

man Mängel, die arglistig verschwiegen wurden oder bes. gravierend waren. Dem Käufer stand in<br />

diesem Fall das Recht der WANDLUNG zu. Bei Arglist hatte er überdies Anspruch auf<br />

Schadenersatz.<br />

Eine eigene Sachmängelhaftung entwiockelte das dt. Recht für den VIEHKAUF. Trat der Mangel<br />

innerhalb einer best. Friszt ein, galt eine BEWEISLASTUMKEHR, d.h. der Verkäufer hatte zu<br />

beweisen, dass das Tier bei der Übergabe gesund war. Zum Schutz des Käufers sahen die Stadtrechte<br />

des Hoch- & SpätMA eine umfangreiche amtliche Warenprüfung vor. Die Kontrolle wurde sowohl<br />

von der Stadtobrihgkeit als auch von den Zünften vorgenommen.<br />

RECHTSMÄNGELHAFTUNG � Der Verkäufer war nach älterem Recht verpflichtet, dem<br />

Käufer die UNGESTÖRTE GEWERE, nicht jedoch das Eigentum zu verschaffen. Diese<br />

Verpflichtung wurde im Prozess um die bessere Gewere dadurch aktuell, dass der Käufer den<br />

Verkäufer dvor Gericht zitieren & zwingen konnte, für ihn den Rechtsstreit zu führen. Tat dies der<br />

VK nicht, wurde er als Dieb behandelt. Die Wirkung der RMHaftung lag also vorerst in der<br />

STRAFRECHTLICHEN DROHUNG der Friedlosigkeit, wenn der VK nicht zum Prozesstermin<br />

erschien. Unterlag der VK im Prozess, musste er dem Besserberechtigten die Diebstahlsbuße & dem<br />

K den Kaufpreis entrcihten.<br />

Praktische Fälle dieser Währschafts-oder Gewähschaftspflicht waren der Verkauf einer unendlich<br />

erworbenen Sache oder die Verfügung ohne Erbenlaub.<br />

Allmählich wurden den Kaufvertragsurkunden eiegen Klauseln begefügt,die die PROZESSUALE<br />

WÄHRSCHAFTSPFLICHT zu einer Nebenpflicht des Vertrages machten. Auch diese nunmehr<br />

VERTRAGLICHE GEWÄRHSCHAFTSPFLICHT (Ihre Häufigkeit verdeutlicht sie in dem<br />

Sperichwort: „Ein jeder Kauf trägt die Gewärhschaft auf dem Buckel“) dauerte so lange, bis der<br />

Käufer durch Fristablauf die rechte Gewere, also eine unanfechtbare Rechtsstellung erlangte. War<br />

der VK zur sofortigen Verschaffung der rechten Gewere verbunden, steigerte sich die<br />

Gewäherschaftspflicht zur RECHTSVERSCHAFFUNGSPFLICHT ( die bedungene Gewährleistung<br />

konnte bereits mit Feststellung des RM gefordert werden).<br />

8.)Wie erklärt sich der Satz „Kauf bricht nicht Miete“?<br />

MIETE<br />

� Ältesteres Recht: Die Miete unbeweglicher Sachen war zunächst ein Fall der (dinglichen) Leihe.<br />

Aus der nahen Verwandtschaft zur Leihe ist der Umstand zu erklären, dass der Mieter im älteren<br />

dt. Recht eine sehr starke Rechtsposition besaß. Er war dinglich Berechtigter & hatte die leibliche<br />

Gewere. Daher galten die Grundsätze „KAUF BRICHT MIETE NICHT“ bzw. „HEUER GEHT<br />

VOR KAUF“. Der Erwerber des Mietobjekts musste den bestehenden Mietvertrag gegen sich<br />

gekten lassen.<br />

98 karinaa


� Neuzeitliche Rechtsentwicklung<br />

Im gemeinen Rechtz erfuhrdie rechtliche Stellung des Mieters eine deutliche Verschlechterung, da<br />

die römische locatio conductio überwiegend an den Interessen der kapitalkräftigen &<br />

einflussreichen Vermieterschicht orientiert war. In den Partikulatrechten blieben allerdings die<br />

tradierten deutschrechtlichen Vorstellungen stärker erhalten, & es wurde versucht, die Stellung des<br />

Mieters zum neuen Eigentümer stärker zu schützen als im gemeinen Recht. Der Käufer war bei der<br />

Austreibung des Mieters an bestimmte Fristen & Termine gebunden, sofern in einzelnen Rechten<br />

nicht überhaupt der GrSt „Kauf bricht Miete nicht“ erhalten blieb.<br />

9.)Welche Besonderheiten wiesen die Eisern-Vieh-Verträge auf & welche Funktion<br />

erfüllten Sie?<br />

Pacht<br />

Die Pacht von Immobilien entwickelte sich aus der FREIEN ZEITLEIHE. Auch für sie galt, dass<br />

sich der Pächter das ganze MA hindurch die dingliche Rechtspostion bewahren konnte. Eine<br />

weitere Eigenheit des ma.Rechts war die Verpachtung von Rechten & beweglichen Sachen als<br />

Form der Kapitalanlage.<br />

Besondere Rechtsinstitute bildeten sich für die Verpachtubg von Vieh aus. Beim normalen<br />

VIEHVERSTELLUNGSVERTRAG hatte der Pächter, auch Einsteller genannt, die Tiere zu warten<br />

& zu füttern, die Gefahr des zufälligen Unterganges traf jedoch den Eigentümer (Versteller).<br />

Halbpacht bedeute, dass der Pächter die Hälfte der erzielbaren Nutzungen, Teilpacht , dass er die<br />

Quote als Zins an den Verpächter abzuführen hatte.<br />

�Besonders ungünstig war die Stellung des Pächters beim „EISERN-VIEH-VERTRAG“, da die<br />

Haftung für zufällign Untergang der Tiere ausschließlich bei ihm lag. Zu Beginn der Pacht wurde<br />

das Vieh nach Zahl & Qualität geschätzt, & der Pächter musste die Herde nach Ablauf der<br />

Pachtzeit in gleicher Zahl & Güte zurückgeben.<br />

10.)Was wissen Sie über die Funktion des Leibrentenvertrags, was über den<br />

Leibrentenkauf?<br />

LEIBRENTENVERTRAG� Der LRV gehört zu den Glücksverträgen im weitesten Sinn. Sein<br />

Wesen liegt darin, dass jemandem als Entgelt für eine bestimmte Leistung auf Lebensdauer einer<br />

gewissen Person eine wiederkehrende Entrichtung (Rente) versprochen wird.<br />

Der LRV wurzelt in den kirchlichen Vorbehaltsschenkungen & im Verpfründungsvertrag.<br />

Bei der kirchlichen Vorbehaltsschenkung übereignete eine Person ihr Vermögen (meistens<br />

Grundstücke) an eine kirchliche Einrichtung, behielt sich jdeoch den lebenslänglichen Fruchtgenuss<br />

daran vor (Leibgedinge, Vitalleihe). Derartige Ansprüche waren sachenrechtlicher Natur. Daneben<br />

gab es auch die Möglichkeit, dass der Schenker eeine jährliche Rente auszahlen ließ, was seinem<br />

Anspruch schuldrechtlichen Charakter verlieh. In dem Maße, in dem schuldrechtlicher Wirkungen<br />

in den Vordergrund traten, bildete sich die kirchliche Vorbehaltsschenkung zu einem LRV um.<br />

Dagegen war der Verpfründungsvertrag von Anfang an rein schuldrechtlich konzipiert. Er bot die<br />

Möglichkeit, sich durch Eintritt in eine größere Gemeinschaft (Kirche, Kloster, Spital) bei<br />

gleichzeitiger Einbringung des geamten Vermögens den lebenslangen Anspruch auf Unterhalt<br />

(Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Pflege) zu verschaffen. Daraus resultierten naturgemäß<br />

persönliche Abhängigkeistverhältnisse, die sich in der Haus-, Leituns-, & Strafgewalt der<br />

99 karinaa


Gemeinschaft äußerten. Die Fortbildung dieses Rechtsinstitutes zu einem LRV erfolgte insoweit, als<br />

die persönliche Abhängigkeit zunehemend zurücktrat & der Unterhalt, der zunächst nach<br />

subjektiven Maßstäbenbemessen wurde, in vorausbestimmten Leistungen überging.<br />

LEIBRENTENKAUF<br />

AB dem 14 Jh. Erhielt der LRV dadruch ein völlig anderes Gesicht, dass er in die ganz anderen<br />

wirtschaftlichen Funktionen des LEIBRENTENKAUF (LRK), gedrängt wurde. Der LRK fand<br />

deshalb so große Verbreitung, weil er auf erlaubte Weise (als Kauf unzterlag er nicht dem Wucherbzw.Zinsverbot)<br />

das Kaptial- & Anlagebdeürfnis (vor allem in der Aufbauphase der städtischen<br />

Wirtschaft & des Handelsverkehrs) befriedigte. ER dient der Übereignung von Kaptial gegen eine<br />

feste Rente (anfangs 10% der Kapitalsumme, später stellte man auf das Lebensalter des G ab).<br />

Durch Radizierung konnte sie allerdngs dinglich gesichert werden. Damit wurde sie zur Reallast.<br />

Mit dem Ende des Zinsverbots, dem Aufkommen öffentlicher Anleihen & der Einrichtung von<br />

Versorungsanstalten verlor der LRV immer mehr an Bedeutung.<br />

10.ERBRECHT<br />

1.)Wieso erübrigten sich in der germanischen Zeit erbrechtliche Bestimmungen?<br />

Die gemeinsame Nutzung lebenswichtiger Güter durch die Hausgemeinschaft schließt für die<br />

germanische Zeit die Vorstellung eines Erbrechts aus. Da die alte Hausgemeinschaft vermutlich<br />

nach dem Gesamthandprinzip gestaltet war (Gemeinderschaft), dürfte bei Ausscheiden eines<br />

100 karinaa


Mitgleids das gemeinschaftliche Nachrücken der übriggebliebenen Teilhaber in dessen<br />

Rechtsposition die Regel gewesen sein (Anwachsung). Zur Anwachsungt bedurfte es keiner<br />

besonderen Übertragungshandlung oder vorherigen Auseinandersetzung. Die Hausgemeisnchaft<br />

wurde von den Söhnen des Verstorbenen fortgesetzt (Brüdergemeinschft), es konnte aber auch bei<br />

Ausscheiden eines Bruders Anwachsung zugunsten der Geschwister eintreten.<br />

2.)Sachsenspiegel – Landrecht<br />

a.)Woraus bestand die Gerade?<br />

Der gemeinschaftlichen Bindung ddürften am frühesten die zum persönlichen Gebrauch<br />

bestimmten Gegenstände wie die GERADE ( Kleidung, Schmuck & Haushaltsgeräte) der FRAU<br />

oder das HEERGERÄT(Kiregsausrüstung des Mannes) entwachsen sein. Hinsichtlich der<br />

Gegenstände sind auch erste Ansätze einer Erbfolgeordnung belegt.<br />

b.)Was war das Heergewäte?<br />

HEERGERÄT(Kiregsausrüstung des Mannes)<br />

Heergewäte. Die kriegerische Ausrüstung mit Schwert, Harnisch u. Pferd, ging, als ein<br />

vorzugsweise männliches Gut, von der gemeinen Erbschaft ausgesondert, auf den nächsten<br />

(ausschließl. durch männliche Zeugung verwandten) Schwertmagen über. Unter mehren gleich<br />

nahen zog der älteste Schwertmagen das ganze H. od. doch das Schwert voraus. Dieses Institut – als<br />

Gegensatz zur weibl. Gerade – kam nur unter den höhern waffenfähigen Ständen u. vorzüglich bei<br />

dem sächs. Stamme vor.<br />

c.)Inwiefern stellten diese Sondervermögen dar?<br />

Die Unterscheidung zwischen ERBGUT (ererbtes Vermögen) & Kaufgut (jenes Vermögen, dass<br />

man selsbt durch Kauf erworben hat)gab sogar den entscheidenden Anstoss zur Ausbildung der<br />

gewillkürten Erbfolgeordnung. Erst im späten MA kam es – vor allem im städtischen Bereich – zur<br />

allmählichen Verschmelzung der vers. SONDERVERMÖGENSMASSEN zu einem einheitlichen<br />

Nachlassvermögen. Erst damit konnte sich der gemeinrechtliche Grundsatz der einheitlichen<br />

Vererbung des ganzen Nachlasses ( Prinzip der Generalsukzession) Anerkennung im Gesetzesrecht<br />

der NZ verhschaffen.<br />

WEIL SIE SPEZIAL GEERBT WERDEN?<br />

3.)Quelle: 114<br />

Quelle� Lex Thuringorum, 802/803<br />

a.)Wie nennt man die unter 28) genannte Gütermasse?<br />

Gerade ( Frau ) � Kleidung,Schmuck, Haushaltsgegenstände<br />

Heergeräte (Mann) � Kriegsausrüstung<br />

101 karinaa


.)Welcher Erbenkreis wird in dieser Stelle genannt?<br />

Die Nachkommen des Erblassers sind die 1.Parentel. ( engerer Erbenkreis)<br />

c.)Charaktersieren Sie das hier geregelte ältere Erbrecht!<br />

Parentel als Ordnungsprinzip<br />

In den ma. Verwandtenerbfolgeordnungen dokumentiert sich dieAUflösung der Großfamilie. Eine<br />

der ältesten ErbfolgeO im dt. Rechtsraum war die Trennung in ENGEREN Erbenkreis &<br />

WEITEREN Erbenkreis. Der engere Erbenkreis umfasste die „6 gespptesten Hände“ (SOHN –<br />

Tochter, Vater-Mutter, Bruder-Schwester), entsprach also der alten Hausgemeinschaft.<br />

Der weitere Erbenkreis umschloss alle anderen Blutsverwandten (Magen). Mit der Anerkennung<br />

des RR der Kinder weitete sich der engere Erbenkreis & gestaltete sich allmählich zur mA.<br />

PARENTELENORDNUNG um.<br />

Entscheidender Einfluss ging dabei von der Vorstellung aus, dass die jüngere Generattion gegenüber<br />

der älteren erbrechtlich evorzugt werden soll. Die Nachkommen des Erblassers (1.P.) nahmen das<br />

Erbe vor den übrigen Blutsverwandten („Das Gut rinnt wie das Blut“).<br />

4.)Eisenacher Rechtsbuch,1434<br />

a.)Wer konnte in älterer Zeit nur Erbe sein?<br />

Das Erbrecht blieb ein Teil des Familienrechts, es gab nur geborene und nicht gekorene Erben.<br />

b.)Wie war die Rechtsstellung dieser Erben zu Lebzeiten des Erblassers?<br />

Diese Biundung des ER wurde dadurch noch verstärkt, dass der Erblasser auch zu Lebzeiten über das<br />

Hausvermögen nicht verfügen konnte. Jede Veräußerung ( vor allem des liegenden Gutes) bedurfte<br />

der Zustimmung der nächsten Erben (Erbenlaub, Erbenlob). Diese Zustimmungsrechte<br />

(Näherrecht) treten als anwartschaftliche Gewere in Erscheinung & wurden als WARTRECHTE<br />

(der im Hausverband lebenden Verwandten) oder als BEISPRUCHSRECHTE (entfernter<br />

Sippegenossen) bezeichnet. Fehlte das Erbenlaub, so war dasVerfügungsgeschäft – ausgenommen<br />

im Fall der Not – ihnen gegenüber unwirksam. Sie konnten das veräußerte Gut binnen Jahr & Tag<br />

von jedem Dritten ohne Gegenlesitung herausverlangen. Den Wart- & Beispruchsrechten<br />

unterlagen sowohl entgeltliche Veräuerungen as auch Schenkungen, regelmäßig auch Belastungen.<br />

Dabei war es unerheblich, ob der Näherberechtigte durch die Verfügung geschädigt wurde oder<br />

nicht. En Nährerechten lag nämlich die Vorstellung zugrunde, dass die unerlaubte Veräußerung &<br />

Verfügung das Eigentum des Erblassers beseitigte, sodass de Näherberechtigten als nunmehrige<br />

Eigentümer die dinglich wirksame Klage auf Herausgabe des Gutes anstellen konnten.<br />

5.)Was versteht man unter dem Repräsentations-bzw. Eintrittsrecht?<br />

Repräsentationsrecht, das im Römischen Recht begründete Recht der Söhne u. Töchter vorher<br />

verstorbener Geschwister des Erblassers, wenn sie mit noch lebenden Geschwistern eines Erblassers<br />

concurriren, durch Letztere nicht ausgeschlossen zu werden. Sie treten dann ganz in die Stelle, den<br />

Grad u. die Rechte ihres verstorbenen Parens ein. Ein gleiches Recht genießen auch die Kinder<br />

eines verstorbenen Sohnes od. Tochter in Concurrenz mit noch lebenden Söhnen od. Töchtern<br />

eines Erblassers.<br />

102 karinaa


Repräsentationsrecht hieß früher im Erbrecht das Recht der Abkömmlinge (Deszendenten)<br />

einer Person, an deren Stelle einen Dritten zu beerben. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch gilt<br />

dies R., auch Eintrittsrecht genannt, nur für die drei ersten Ordnungen, indem an die Stelle der<br />

nähern zur Zeit des Erbfalles nicht mehr lebenden oder sonst als nicht vorhanden geltenden<br />

(infolge Ausschlusses, Ausschlagung, Verzichts oder Erbunwürdigkeit) Verwandten die entferntern<br />

Verwandten derselben Ordnung treten. Vgl. Erbfolge.<br />

6.)Was bedeutet das „Gut rinnt wie das Blut“?<br />

In den ma. Verwandtenerbfolgeordnungen dokumentiert sich dieAUflösung der Großfamilie. Eine<br />

der ältesten ErbfolgeO im dt. Rechtsraum war die Trennung in ENGEREN Erbenkreis &<br />

WEITEREN Erbenkreis. Der engere Erbenkreis umfasste die „6 gespptesten Hände“ (SOHN –<br />

Tochter, Vater-Mutter, Bruder-Schwester), entsprach also der alten Hausgemeinschaft. Der<br />

weitere Erbenkreis umschloss alle anderen Blutsverwandten (Magen). Mit der Anerkennung des RR<br />

der Kinder weitete sich der engere Erbenkreis & gestaltete sich allmählich zur mA.<br />

PARENTELENORDNUNG um. Entscheidender Einfluss ging dabei von der Vorstellung aus, dass<br />

die jüngere Generattion gegenüber der älteren erbrechtlich evorzugt werden soll. Die<br />

103 karinaa


Nachkommen des Erblassers (1.P.) nahmen das Erbe vor den übrigen Blutsverwandten („Das Gut<br />

rinnt wie das Blut“).<br />

7.)Coutumes von Gent, 1536<br />

11. Nmd kamm in V zur Mutter oder mütterlicher Seite Bastard sein, sondern sie<br />

sollen die Mutter zusammen mit den übrigen ehelichen Kindern beerben<br />

a.)Wieso waren die Kinder der väterlichen Verwandtschaft gegenüber von Erbrecht<br />

ausgeschlossen?<br />

Mit den Übergang von der germanischen Mehrehe zur christlcihen Einehe wurden alle nicht von<br />

der rechten Ehefrau geborenen „unehelichen“ Kinder von der familienrechtlichen Verbindung mit<br />

dem Vater & seiner Verwandtschaft ausgeschlossen. OHNE BLUTSVERWANDTSCAHFT ABER<br />

WAR EIN ERBRECHT UNVORSTELLBAR. Lediglich gegenüber ihrer Mutter behielten<br />

uneheloich Geborene ein Erbrecht („Kein Kind ist seiner Mutter Kebskind“), in manchen<br />

Rechtskreisen versagte man ihnen sigar das. Nur dort gestaltete sich ihre Rechtslage günstiger, wo<br />

sie durch nachfolgende Eheschließung legitimiert werden konnten.<br />

b.)Ab wann verbesserte sich die erbrechtliche Lahe der unehelichen Kinder?<br />

Der neuzeitliche Gesetzgeber übernahm zwar die Grundaussagen des gemeinen Rechts, insbes. Die<br />

RECHTSFOLGENDIFFERENZIERUNG NACH DER ABSTAMMUNG UNEHELICH<br />

GEBORENER, hielt aber in der Regel an kasuistischen Sonderbestimmungen des ma.<br />

Unehelkichenrechts fest.<br />

SCHauen wie beziheung war, Ehebruch, Blutshande!!!!<br />

8.)Welche Rechtsinstitute zur Witwenversorgung sind ihnen bekannt?<br />

Als ätestestes Institur der Wtwenversorgung ist der geowhnheitsrechtliche Beisitz überliefert.<br />

Nach dem Tod des Mannes setzte die Witwe mit den Kindern dieHaus & Vermögensgemeinschaft<br />

fort. Dadurch wurde nicht nur die Trennung der Kinder von der Mutter vermieden, sindern auch<br />

die Existenzsicherung der Witwe erreicht, da sie das Kindesvermögen verwalten & nutzen konnte.<br />

Beendet wurde der Beisitz mit Wiederverheiratung der Witwe oder durch Auflösung der<br />

Hausgemeinschaft (Abschichtung), die von der Witww jederzeit, von den Kinderndagegen nur aus<br />

wichtigen Gründen verlangt werden konnte. Mit Zunahme rg begründeter Güterstände begegnen wir<br />

dem Beisitz auch in Verträgen & Testamenten, zugleich aber seine Bed. auf partikulare<br />

Erscheinungsformen zurückgedrängt.<br />

9.)Ab wann kommt es zur Entwicklung eines Ehegattenerbrecht? Skizzieren Sie die ö<br />

Rechtslage!<br />

Erste Ansätze eines Ehegattenerbrechts sind in der zunehmenden Verfestigung ehegüterrechtlicher<br />

Ansprüche zu finden. Diese Ansprüche urden mehr & mehr mit der Vorstellung eines Erbrechts<br />

verbunden. Sie konnten sich zwar im allg. Landrecht nicht durchsetzen, war aber weithin rechtens<br />

bekannt.<br />

104 karinaa


Diese ENTWICKLUNG VOM EHEGÜTERRECHT ZUM EHEGATTENERBRECHT war im<br />

Bürger-&Bauernstand bes. deutlich, wo sich die Errungenschaftsgemeinschaft zum<br />

Gewohnheitsrecht verbreitet hatte. Bei Tod eines Ehegatten war es üblich, dass dem Überlebenden<br />

Ehegatten die eine Hälfte der Errungenschaft zufiel, die andere Hälfte den Verwandten des<br />

Verstorbenen. Diese Vermögenskontinuität wurde zunehmend unter erbrechtlichen Aspekten<br />

betrachtet.<br />

Ein weiterer Ansatzpunkt für die Aubildung eines Ehegattenerbrechts war dort gegeben, wo die<br />

Witwe mangels ehegüterrechtlicher Vereinbarungen beim Tod des Ehemannes unversorgt<br />

zurückblieb. Hier wurde der Witwe bei bekindeter Ehe in der Regel ein Kindsteil vom gewonnenen<br />

Gut zugesprochen. Bei Fehlen von Nachkommen steigerte sich die Quote auf die Hälfte des<br />

gewonnenen Gutes. Das ererbte Gut fiel weiterhin an Blutsverwandten.<br />

�Dem hemischen Gewohnheitsrecht war ein ER des Ehegatten UNEKANNT. Dazu fehlte es an<br />

einem rechtlichen Anknüpfungspunkt, weil durch die Eheschließung KEIN<br />

VERWANDTSCHAFTSVERHÄLTNBIS begründet wurde.<br />

Im Ö Rechtsraum war berdies das FALLRECHT einer allg. Ausbildung des Ehegattenerbrechts<br />

hinderlich. Da da Erbgut nach österreichischem Landesbrauch an den Fiskus fiel, wenn Verwandte,<br />

von deren Seite es herrührte, nicht vorhanden waren ( was einen Ausschluss der Verwandten von<br />

der anderen Seitre vorraussetzte), musste umsomehr der Ehegatte von der Erbfolge ausgeschlossen<br />

sein. Schließlich fehlte das Bedürfnis nach Ausgestaltung eines allg gesetzlichen<br />

Ehegattenerbrechts, Da ma. & frühneuzeitliche Ehegüterrecht bot vielfältige Möglichkeiten einer<br />

finanziellen Absicherung des überlebenden Ehegatten. Erst im18.Jh. wurde dieser Rechtszustand<br />

überwunden.<br />

10.)Was wissen Sie über das bäuerliche Anerbenrecht?<br />

Ziel<br />

des SondererbrechtsZiel des bäuerlichen Sondererbrechts ist die Erhaltung eines<br />

leistungsfähigen Bauernstandes und wirtschaftlicher Betriebsgrößen. Deshalb müssen<br />

Erbteilungen vermieden werden, da andernfalls Besitzzersplitterung unvermeidbar wäre. An die<br />

Stelle der normalen Erbfolge tritt daher das An- (= Ein)Erbenrecht, dem schon ein altes<br />

Rechtssprichwort Rechnung trägt: „Der Bauer hat nur ein Kind.”<br />

Bäuerliche Erbsitte<br />

Diese bäuerliche Erbsitte kannten schon die alten Griechen; vgl Platon, Nomoi V 740 b. Dem<br />

bevorzugten Anerben als Übernehmer des bäuerlichen Anwesens, stehen die weichenden Erben<br />

– zB Gatte/in oder Geschwister – gegenüber. Sie werden abgefunden und zwar so, dass der/die<br />

Übernehmer/in „wohl bestehen” kann, dh mit einem (wirtschaftlich) tragbaren Wertanteil; vgl<br />

etwa EvBl 1999, 12.<br />

105 karinaa


Das AnerbenG 1958 gilt – mit Ausnahme von Tirol und Kärnten nunmehr für ganz Österreich; vgl<br />

§ 21 AnerbG. – Vorarlberg war lange Zeit ein sog Realteilungsgebiet, hat aber nunmehr das<br />

Anerbenrecht übernommen.<br />

Anwendungsbereich<br />

Das Gesetz gilt nur für geschlossene Höfe, das sind landwirtschaftlich mit einem Wohnhaus<br />

versehene Besitzungen, deren Grundbuchseinlage sich in der Höfeabteilung des Hauptbuchs befindet<br />

→ KAPITEL 2: Aufbau des Grundbuchs. Der Durchschnittsertrag muss zur angemessenen<br />

Erhaltung einer Familie von mindestens fünf Köpfen ausreichen, ohne das Vierfache zu<br />

überschreiten.<br />

11.)Ö Landrecht<br />

a.)Von welchem Gut handelt diese Stelle?<br />

b.)Welche anderen Entstehungsbedingungen für eine gewillkürte Erbfolge kennen<br />

sie?<br />

Totenteil: die höchstpersönlichen Gegenstände, die ursprünglich das einzige Eigentum darstellten,<br />

folgten dem Toten als Totenteil ins Grab. Der Rest des Vermögens wuchs den übrigen<br />

Hausgenossen zu Seelgerät: die seelische Versorgung trat gegenüber der leiblichen In Vordergrund.<br />

Die Totengaben wurden nicht mehr mitbegraben sondern den Zwecken der Seelsorge gewidmet.<br />

Der Teil fiel an die Kirche. Immer nur Fahrnisse.<br />

Freiteilrecht: Die Kirche sah sich mit dem Problem einer wachsenden Massenverelendung<br />

konfrontiert, da sie aus den armen Bevölkerungsschichten den größten Zulauf hatte. Der<br />

Besitzende solle mit den Nichtbesitzenden teilen, wenn er das nicht zu Lebzeiten tat, genügte es<br />

die Armen oder die Kirche letztwillig zu bedenken. Dabei dachte man an eine Quote (Freiteil) des<br />

Nachlasses.<br />

Vergabungen: Rechtsgrund für letztwillige Verfügungen war mit der Freiteilslehre gefunden. Die<br />

rechtliche Form fehlte noch. Die donatio pro anima war eine auf den Tod hin gerichtete aber mit<br />

gegenwärtiger dinglicher Wirkung ausgestattete Schenkung. Bedingte Schenkung auf den Todesfall<br />

oder sofortige Schenkung unter Vorbehalt des Nießbrauchs.<br />

Verfügungen von Todes wegen: Wandel von gebundenen Hausvermögen zum frei verfügbaren<br />

Eigentum. Einheitliches Familiengut wird in verschiedene Vermögensmassen aufgeteilt und<br />

neuartigen Bindungen unterworfen. Sachenrechtliche Vergabungen erweiterten ihren<br />

Anwendungsbereich, daneben entstehen erbrechtliche Verfügungen wie Erbverträge und<br />

Testamente. Am Ende dieser Entwicklung stand das kanonische Testamen: vor dem Pfarrer und<br />

zwei oder drei Zeugen.<br />

12.)Was war der so genannte Einkindschaftsvertrag?<br />

Einkindschaft: Stiefgeschwister wurden meistens (nach Vereinbarung) erbrechtlich gleichgestellt<br />

(Einkindschaftsvertrag) Vertragsparteien waren die Gatten der zweiten Ehe und die beiderseitigen<br />

Kinder. Er musste vor Gericht oder zumindest Zeugen abgeschlossen werden.<br />

13.)Codex Thersianus<br />

106 karinaa


a.)Welche anderen Erbteilunsregeln kennen Sie?<br />

- Parentel als Ordnungsprinzip<br />

- Spezialsukzession<br />

-Herkunft des Vermögens als erbrechtliches Prinzip<br />

-Ausschuss der Aszendenten von der Erbfolge<br />

b.)Welche Differenzierungen nach dem Geschlecht kennen Sie im Erbrecht?<br />

Belege für die Benachteiligung der Frauen im Erbrecht sind bereits in den fränkischen Volksrechten<br />

zu finden. Sie überliefern uns, dass Frauen aus dem Erbgut nichts, zumindest keine Liegenschaften<br />

erhielten, wenn erbbrechtigte Männer vorhanden waren. Im späteren MA wurde diese<br />

Schlechterstellung zumeist nur noch gegenüber Männern des engeren Erbenkreises<br />

aufrechterhalten, im weiteren Verwandtenkreis waren sie COHEREDES & damit den männlichen<br />

Erben gleichgestellt.<br />

Besonders ausgeprägt war die erbrechtliche Benachteiligung der Frau im Herrenstand & Adel, dem<br />

die Wahrung des Ansehens der Familie & die Erhaltung des Familiengutes im Mannesstamm ein<br />

besonderes Anliegen war. Töchter eines adeligen Erblassers waren nach Landrecht von Erbfolge<br />

nach dem Vater ausgeschlossen, wenn Söhne vorhanden waren. Erst das Josefinische<br />

Erbfolgepatent vom 11.3.1786 hat „eine allg, für alle Stände ohne Unterschied gleiche Ordnung<br />

der gesetzlichen Erbfolge des frei vererblichen Vermögens“ gebracht.<br />

14.)Frankenspiegel<br />

1. Frankenspiegel II Art 95<br />

Stirbt ein Mann ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung, tritt gesetzliche Erbfolge ein.<br />

Nämlich: Welches Gut vom Vater gekommen ist, das sollen dessen Verwandte nehmen; und<br />

welches Gut von der Mutter gekommen ist, das sollen deren Verwandte nehmen. Was die Eheleute<br />

durch Arbeit erworben haben, das sollen die beiderseitigen Verwandten „gleich“ teilen. Haben sie<br />

keine Erben, soll das Gut dem Kaiser bleiben.<br />

15.)Contumnes von Gent, 1563<br />

a.)Wie nennt man diese Art des Erbschaftserwerbes?<br />

Zentrale Frage beim Erwerb der Erbschaft ist jene nach dem Zeitpunkt. Geht es nach dem<br />

ANFALLSPRINZIP, wird der Erbe mit dem Tod des Erblassers Eigentümer der Erbschaft. Sein<br />

Erwerbswille bleibt unberücksichtigt. Ähnlich ist der Erwerbsvorgang dann, wenn ein Treuhänder<br />

eingeschaltet wrd, der ebenfalls Erbfall ohne weiteres Herr der Erbschaft wird.<br />

107 karinaa


Das sog. ANTRITTSPRINZIP hingegen berücksichtigt den Erwerbswillen des Berufenen. Mit der<br />

Kundgebung des Willens, die Erbschaft anzutreten, wird der Erbe zum Berechtigten über das<br />

Nachlassvermögen.<br />

b.)Welche förmlichen Besitzergreifungshandlungen kannte das ältere Recht darüber<br />

hinaus?<br />

Um die Rechtsstellung des Rben unangreifbar zu maachen, finden sich im MA Belge über förmliche<br />

Besitzergreifung- & Einweisungshandlungen, die mit der Zunahme leztztwilliger Verfügungen &<br />

dem ständigen Anwachsen des Erbenkreises in Zusammenhang zu bringen sind. Derartige<br />

Konsolidierungsakte wurden vor allem dann gesetzt, wenn sich Perosnen um den Nachlass<br />

bewarebn, deren Erbrecht zwifelhaft war. Sie mussten vor Gericht ihre Verwandtschaft zum<br />

Verstorbenen durch Eid bekräftigen & konnten nur durchgerichtliche Zteilung der Gewere das<br />

Nachlass(teil)vermögen in Besitz nehmen. Meist verband sich damit die Bestellung einer<br />

Sicherheitsleistung für den Fall, dass sich ein näherbrechtigter Erbe melden sollte.<br />

c.)Von welcher Form des Erbschaftserwerbes wurde die in der Stelle beschriebene<br />

abgelöst?<br />

Mit der Ausbildung eigenständiger erbrechtlicher Grundsätze fiel den Blutsverwandten die Erbschaft<br />

mit dem Toid des Erblassers von selbst zu, ohne dass es einer Erwerbshandlung bedurfte, Erbfall &<br />

Erbschaftsanfall fielen zusammen Der Tote wurde als selbsthandelnd gedacht, der den Lebendigen<br />

in das Nachlassvermögen einsetzt. Er erhielt sofort die ideelle Gewere am Nachlass & onnte<br />

aufgrund ihrer Offensivwirlkung gegen jeden Besitzer schlechteren Rects vorgehen.<br />

d.)Was war das Recht des 30. In diesem Zusammenhang?<br />

Der unmittelbare Erbanfall war das ganze MA hindurch von der Maßnahme begelietet, dass der<br />

Erbe in den ersten 30 Tagen nach dem Erbfall an der Ausübung seiner Rechte gehindert war. Damit<br />

sollte die Ruhe des Totenhauses gewährleistet & die Familie des Toten geschützt werden. Die<br />

Witwe & die Hausgenossen hatten einen Anspruch darauf, unangefochten i, Haus zu beliben. Nur<br />

bewahrende Maßnahmen waren dem Erben erlaubt, dafür war er auch vor dem Zugriff der<br />

Nachlassgläubiger geschützt. Anfänglich bedeutete das RECHT DES 30., dass sich der Erbe in<br />

dieser Zeit nicht in den tatsächlichen Besitz der Erbschaft setzen durfte; dieser Rechtsbrauch wurde<br />

aber schon im Zeitalter der Rechtsbücher nicht mehr beibehalten.<br />

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