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03/2013 - Gemeinde Eppendorf

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28.02.<strong>2013</strong><br />

Historie S. 12<br />

kommen, wurde sie schon von einigen ihrer<br />

Musikschüler, die auf der Treppe saßen, erwartet.<br />

Und ohne große Pause begann ihre<br />

„zweite Schicht“ – der Instrumentalunterricht.<br />

Das Haus war wochentags vom Nachmittag<br />

bis in die Abendstunden stark frequentiert,<br />

die vielen Kinder sorgten für Unruhe und<br />

Schmutz im Treppenhaus. Ihre Mitbewohner<br />

brauchten viel Verständnis und gute<br />

Nerven, denn beim Üben wurde nicht jeder<br />

Ton richtig getroffen.<br />

Dieter Arnold ist durch einen Klassenkameraden,<br />

Gerd Küchenmeister, auf den<br />

außerschulischen Musikunterricht bei „Fräulein<br />

Fleischer“ oder „Ida“, wie sie von allen<br />

heimlich genannt wurde, aufmerksam gemacht<br />

worden. Er berichtet: „Es muss wohl in<br />

der 2. Klasse (1956) gewesen sein. Gerd hat<br />

mich kurzerhand in die Übungsstunde mitgenommen<br />

und prompt hatte ich eine Blockflöte<br />

in der Hand. Gerd ist später wieder abgesprungen,<br />

aber ich bin „hängengeblieben“.<br />

Ich hatte dann aus meiner Klasse noch einen<br />

Mitstreiter, Christoph Schuffenhauer. Die<br />

Blockflöte war immer das Einstiegsinstrument,<br />

dann folgte die Violine, wobei das<br />

nicht unbedingt meinen Wünschen entsprach.<br />

Aber in der Musikgruppe wurde das Instrument<br />

gebraucht, da musste man sich fügen.<br />

Einmal pro Woche war Einzelunterricht<br />

und montags war „Musikgruppe“, d.h. das<br />

gesamte Schülerorchester übte die gemeinsamen<br />

Musikstücke, die sie oft selbst<br />

schrieb bzw. bearbeitete.<br />

Der Einzelunterricht in ihrer winzigen<br />

Dachwohnung begann grundsätzlich eine<br />

halbe bis eine Stunde später, da sie beim<br />

Unterrichten immer die Zeit vergaß. Man<br />

musste erst einmal einen Stuhl oder Hocker<br />

von Notenstapeln befreien, um sich überhaupt<br />

setzen zu können. In der unfreiwilligen<br />

Wartezeit musste man oft für sie einkaufen,<br />

da sie dazu meist keine Zeit hatte.<br />

Während des Unterrichts hat sie sich dann<br />

oft eine der Konserven, meist Babynahrung,<br />

die man gekauft hatte, in ihrer winzigen<br />

Kochnische auf dem Gaskocher warm<br />

gemacht und nebenbei gegessen.<br />

Man musste immer aufpassen, dass man<br />

„Fräulein“ zu ihr sagte. „Frau“ war für sie<br />

wie eine Beleidigung.<br />

Im Rückblick muss ich sagen, dass ich ihr<br />

sehr viel zu verdanken habe. Durch sie habe<br />

ich den Zugang und die Liebe zur Musik<br />

gefunden. Von der musikalischen Grundausbildung<br />

zehre ich noch heute bzw. konnte<br />

darauf aufbauen. Es war auch insofern<br />

ein Glücksfall, dass der Unterricht damals<br />

zum „Nulltarif“ erfolgte. Leider hat man<br />

das als Kind noch nicht so erkannt, man hätte<br />

noch mehr daraus machen können.<br />

Wir haben ja neben den Noten auch das<br />

Instrument von ihr kostenlos bekommen.<br />

Einmal musste ich sonnabends mit ihr per<br />

Bus über Land fahren. Sie hat gebrauchte<br />

Instrumente, die sie irgendwie ausfindig<br />

gemacht hatte, von Privatleuten angekauft<br />

und ich „durfte“ diese dann tragen.<br />

Eine Episode ist mir noch gut in Erinnerung<br />

geblieben. Wir waren oft mit Chor und<br />

Musikgruppe gemeinsam unterwegs. Bei<br />

den Proben vor einem gemeinsamen Auftritt<br />

hat uns „Ida“ dirigiert. Da die Bühne<br />

sehr hoch war, hatte man ihr einen Tisch zur<br />

Verfügung gestellt, auf dem sie stehen<br />

konnte. Der Tisch war nicht besonders stabil.<br />

Darauf hatte Herr Homilius auch noch<br />

hingewiesen. Aber wenn sie dirigierte, tat<br />

sie das mit vollem Einsatz. Es kam wie es<br />

kommen musste, Tisch und „Ida“ kamen ins<br />

Schwanken und wenn „Homi“ sie nicht geistesgegenwärtig<br />

aufgefangen hätte, wäre sie<br />

wohl abgestürzt. Wir konnten vor Lachen<br />

nicht mehr weiterspielen. Die Probe musste<br />

unterbrochen werden und sie war wieder<br />

einmal beleidigt.<br />

„Beim Aufschreiben dieser Erinnerungen<br />

ist mir erst wieder so richtig bewusst<br />

geworden, wie viele Kinder und Jugendliche<br />

unseres Ortes sie nachhaltig geprägt hat<br />

und wir ihr zu großem Dank verpflichtet<br />

sind. Ich zolle ihr im Nachhinein größten<br />

Respekt und Anerkennung.“<br />

Zu Weihnachten spielt Dieter Arnold im<br />

Kreise der Familie auf seiner Violine,<br />

ansonsten ist er im Posaunen- und Kirchenchor<br />

noch heute aktiv. Sein Sohn lernte<br />

ebenfalls das Geigespielen.<br />

Jutta Pötzsch, geb. Rudolph, spielte Flöte<br />

und Cello, Sabine Auerbach, geb. Seifert,<br />

erlernte gemeinsam mit Gudrun Klimpel,<br />

geb. Walther das Akkordeonspiel. Jutta<br />

und Sabine transportierten ihr Instrument<br />

mit dem Handwagen die fast zwei Kilometer<br />

lange Wegstrecke vom Seifert-Fleischer<br />

bzw. Böhme-Bäcker bis zur Tankstelle und<br />

wieder zurück – und das zweimal pro<br />

Woche.<br />

Auch Steffen Siebert (Akkordeon) musste<br />

seinen Handwagen von der Siedlung her<br />

ziehen. Er lernte später selbständig Gitarre<br />

zu spielen – es war die Zeit der Beatles und<br />

Stones – und gründete eine Schulband. Diese<br />

moderne Musik gefiel Frl. Fleischer<br />

natürlich nicht. Doch das waren die Grundlagen<br />

für seinen späteren Berufswunsch.<br />

Steffen war Gitarrist und Sänger u.a. bei<br />

den „Serenos“. Als Lehrer für Musik und<br />

Deutsch, unterrichtete er in Leubsdorf,<br />

<strong>Eppendorf</strong>, an den Gymnasien Oederan und<br />

Flöha. Er leitete die FDJ-Singegruppe der<br />

Lilo-Herrmann-Oberschule <strong>Eppendorf</strong>.<br />

Heute ist Steffen Leiter des Volkschores in<br />

<strong>Eppendorf</strong> und spielt mit seiner Band<br />

„Caprice“ zum Tanz auf.<br />

Jutta erinnert sich: „Eigentlich mussten wir<br />

zu unserer Zeit (klingt doch schon ziemlich<br />

alt!) zuerst Flöte lernen. Wenn eine<br />

bestimmte Leistungsstufe erreicht war, oder<br />

vielleicht genügend Flötisten vorhanden<br />

waren, konnte man auf ein anderes Instrument<br />

umsteigen. Eigentlich wollte ich Geige<br />

lernen, aber davon gab es genug. Ihre<br />

Vorstellungen waren ganz anders. Es fehlte<br />

ein Cello, also wurde ich davon überzeugt,<br />

dieses Instrument zu erlernen. Letztlich hat<br />

es mir dann auch Spaß gemacht. Auch nach<br />

dem Abitur ging ich sonntags noch zu ihr,<br />

um mein Können zu verbessern.<br />

All diese Stunden, ob einzeln oder in der<br />

Gruppe waren für uns kostenlos. Eine Flöte<br />

und auch das Cello bekam ich von ihr<br />

geschenkt. Auch die anderen „Kleinigkeiten“<br />

wie z.B. Cello-Bogen, Saiten, Kolophonium,<br />

Flötenputzer, Noten u.a. wurden<br />

uns unentgeltlich überlassen. Noch eine<br />

Anekdote: Einmal ist sie in <strong>Eppendorf</strong> von<br />

einem rückwärtsfahrenden Bus überrollt<br />

worden. Sie stand wieder auf und bedankte<br />

sich beim Busfahrer, dass sie unversehrt<br />

geblieben war.<br />

Was ich auch noch für mich als sehr wichtig<br />

betrachte ist, dass wir das Notenlesen und<br />

-schreiben gelernt haben. Dadurch konnte<br />

ich z.B. auch meinem Sohn die „Flötentöne“<br />

beibringen und selbst die Enkel konnte<br />

man an die Musik heranführen (Flöte, Keyboard).<br />

Zusammenfassend kann man sagen, sie war<br />

eine gute (manchmal auch schrullige) Seele.<br />

Sie hat sehr viel für die musikinteressierten<br />

Kinder <strong>Eppendorf</strong>s getan. Wir waren von<br />

der Straße weg und haben auch noch etwas<br />

gelernt.“<br />

Margitta Mehnert geb. Rechenberger<br />

berichtet: Wir waren sechs bis acht Kinder<br />

(Eva-Maria Hoyer geb. Behr, Maria<br />

Morgenstern geb. Zemmrich, Veronika<br />

Gehmlich, Marika Möbius, Wolfgang<br />

Morgenstern, Jutta Pötzsch geb. Rudolph,<br />

Bernd Schubert, Margitta Mehnert<br />

geb. Rechenberger, ...) die 1958<br />

gemeinsam begannen, in dem kleinen Stübchen<br />

im Dachgeschoss in der Borstendorfer<br />

Str. 14 das Flötenspiel zu erlernen. Hausaufgaben<br />

gab es natürlich auch, und da war<br />

Frl. Fleischer sehr streng. Ich lernte dann<br />

noch mit einigen, die zur Stange hielten,<br />

Geige und später Gitarre. Auch nach Beendigung<br />

der Schulzeit habe ich die Musikgruppe<br />

bei Auftritten unterstützt – u.a. bei<br />

der Aufführung „Die Schneekönigin“.

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