Nici & Joe: - Gießener Allgemeine
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BLICKPUNKT<br />
völkerung unter den Verhältnissen litt. Auch<br />
wenn der »Hessische Landbote« von<br />
Büchners Mitverschwörer Weidig noch um<br />
einiges entschärft wurde, war die Wirkung<br />
der Kampfschrift doch auch gewaltig.<br />
Wo und unter welchen<br />
Bedingungen hat er in<br />
Gießen gelebt?<br />
SF: Er war in Gießen sehr<br />
unglücklich und oft krank.<br />
Gleich nach seiner Immatrikulation<br />
bekam er eine Hirnhautentzündung<br />
und musste sich deshalb zu seinen<br />
Eltern nach Darmstadt in Pflege begeben.<br />
Nach seiner Rückkehr nach Gießen im<br />
Januar 1834 steigerte sich seine Melancholie<br />
noch, verwandelte sich vielleicht sogar in<br />
eine echte Depression. Gießen war ihm, das<br />
ist ja ein bekanntes Zitat, nichts als »hohle<br />
Mittelmäßigkeit in allem«, er fand die Stadt<br />
sogar »abscheulich«, worunter er sehr litt.<br />
Gelebt hat er fast mitten in Gießen. In der<br />
Nähe seiner damaligen Wohnorte, am Haus<br />
im heutigen Seltersweg 46, findet man eine<br />
Plakette.<br />
Gibt es Nachweise darüber, an welchen<br />
Orten in der Stadt er sich gerne aufhielt?<br />
SF: Wie für viele andere Studenten war ihm<br />
die Wiesecker Badenburg ein wichtiger Ort –<br />
nicht nur, weil man dort als Student herrlich<br />
seine Zeit verbringen konnte, sondern weil<br />
hier auch ein wichtiges Treffen für Büchner<br />
stattgefunden hat: Hier versammelten sich im<br />
Juli 1834 <strong>Gießener</strong> und Marburger Oppositionelle<br />
und gründeten einen »Preßverein«.<br />
Auch die Drucklegung des »Hessischen<br />
Landboten« wurde dabei beschlossen.<br />
»Er war in Gießen<br />
unglücklich und oft krank«<br />
Welche konkreten Spuren hat Georg<br />
Büchner in der Stadt hinterlassen?<br />
SF: Obwohl er nur elf Monate hier gelebt<br />
hat, ist Büchner in der Stadt heute noch sehr<br />
präsent: Neben der Plakette im Seltersweg<br />
gibt es am Brandplatz einen Bronzekopf,<br />
eine Schule ist nach ihm<br />
benannt, auch eine<br />
Straße und ein Vortragssaal<br />
in der Alten Universitätsbibliothek<br />
– und<br />
auch die ganzen<br />
Aktivitäten in den Büchner-Jahren zeugen ja<br />
davon, wie sehr Büchner in dieser Stadt noch<br />
gedacht wird. Auch wenn er Gießen nicht<br />
mochte – was vor allem auf den Vergleich<br />
mit Straßburg, wo er seine Geliebte zurücklassen<br />
musste, und auf den väterlichen<br />
Druck zurückzuführen ist –, war die Stadt<br />
für das junge Genie doch auch ganz<br />
entscheidend für seinen weiteren, leider<br />
nicht mehr sehr langen Lebensweg.<br />
Und wo findet sich Gießen in seinem Werk<br />
wieder?<br />
SF: Direkt natürlich in<br />
den Briefen an seine<br />
Familie und Freunde. Im<br />
literarischen Werk gibt<br />
es Gießen eigentlich nur<br />
indirekt. Im »Woyzeck«<br />
ist die Figur des inhumanen Doktors aber<br />
wohl nach dem Vorbild seines <strong>Gießener</strong> Dozenten<br />
Johann Bernhard Wilbrand geformt.<br />
Was hatte es mit dem Dozenten auf sich?<br />
SF: Zu Johann Bernhard Wilbrand ist zu<br />
sagen, dass er sicher eine sehr wichtige<br />
Figur für die <strong>Gießener</strong> Universität war,<br />
»Im literarischen Werk gibt<br />
es Gießen nur indirekt«<br />
allerdings auch durch – sagen wir einmal –<br />
skurrile und wissenschaftlich zweifelhafte<br />
Unterrichtsmethoden und Einstellungen<br />
auffiel. So lehnte er etwa den Einsatz von<br />
Mikroskopen ab, da sie angeblich nur<br />
»Trugbilder« übermittelten, oder er führte<br />
seinen eigenen Sohn in einer Anatomievorlesung<br />
als Anschauungsobjekt regelrecht<br />
vor – eine ähnliche Szene gibt es im<br />
»Woyzeck«. Man ist sich nicht sicher, an<br />
welcher Veranstaltung Büchner während<br />
seines Studiums teilgenommen hat, man<br />
hat nicht einmal einen eindeutigen Beleg,<br />
dass er das überhaupt hat, allerdings ist das<br />
sehr naheliegend, denn dafür, dass sein<br />
menschenverachtender »Doktor« im<br />
»Woyzeck« Wilbrand zumindest ähnlich<br />
war, dafür gibt es zahlreiche Hinweise und<br />
Belege.<br />
Warum zog es ihn später wieder weg?<br />
SF: Im Zuge der staatlichen Maßnahmen<br />
gegen die Verschwörer wurde auch gegen<br />
Büchner ermittelt, dessen Zimmer in seiner<br />
Abwesenheit durchsucht wurde. Da er sich<br />
auf diese Durchsuchung<br />
vorbereitet hatte und<br />
falsche Spuren legen<br />
konnte, wurde er im<br />
Gegensatz zu anderen<br />
nicht gleich verhaftet.<br />
Trotzdem verließ er im September 1834 die<br />
Stadt, um sich unter Aufsicht seines Vaters in<br />
Darmstadt auf das Examen vorzubereiten.<br />
Als ihn dort eine Vorladung eines Richters<br />
aus Friedberg erreichte, ahnte er, dass sich<br />
die Schlinge zuzuziehen begann. Er floh<br />
dann gerade noch rechtzeitig wieder nach<br />
Straßburg.<br />
Florian Dörr<br />
TanzArt ostwest bietet stilistische Vielfalt<br />
Wie immer zu Pfingsten ist Gießen wieder Festivalzentrum der TanzArt ostwest. Dem Festivalleiter<br />
und Ballettdirektor Tarek Assam ist es ein weiteres Mal gelungen, vom 11. bis zum 20. Mai<br />
renommierte Gäste aus der deutschen wie der internationalen Tanzszene nach Gießen zu<br />
holen. Für ein paar Tage wird dem Publikum gezeigt, was sich im Tanz auch andernorts tut und<br />
wo der zeitgenössische Tanz steht. So werden etwa die Choreografen Daniel Goldin, Massimo<br />
Gerardi, Robert Przybyl, die Compagnie Irene K., die Paul Julius Company oder die Breathing<br />
Art Company und viele andere ihre neuesten Ideen und Arbeiten präsentieren. Einen Höhepunkt<br />
des Festivals bildet die Gala am 18. Mai um 19.30 Uhr im Großen Haus. Bereits im<br />
vergangenen Jahr hatte die Wuzhou Arts Company aus Shenzhen (China) dort einen Gastauftritt<br />
und gab dem Abend ein exotisches Flair. Auch das diesjährige internationale Tanzfestival wird<br />
neben Tänzern u.a. des Balletts des Staatstheater Mainz, dem Ballett Dortmund, Koblenz, dem<br />
Ballett des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden und der Dance Company Nanine Linning vom<br />
Theater Heidelberg von Tänzern aus Shenzhen und der weltbekannten LDTX Company aus<br />
Beijing bereichert. Bei den Vorstellungen im TiL am 19. Mai um 20 Uhr und um 22 Uhr sowie am 20. Mai um 20 Uhr wird durch die<br />
spezielle Auswahl der Künstler und der Compagnien – wie The Dance Kitchen, Moving Theatre Köln, subsTANZ, der Delattre Dance<br />
Company – wieder eine stilistische Vielfalt zu bestaunen sein, die man so gebündelt kaum finden kann. Aber auch die Tanzcompagnie<br />
Gießen wird zum mannigfaltigen Programm beitragen: Ihr neues Stück Siddartha hat am 16. Mai um 20 Uhr im TiL Premiere.<br />
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