Nici & Joe: - Gießener Allgemeine
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BLICK IN DIE REGION<br />
»Eine Band ist Teamwork«<br />
Tess Wiley stammt aus Texas und kam der Liebe wegen nach Gießen, Neivi Martinez ist<br />
Mexikanerin und singt im Opernchor des Stadttheaters. Die Passion für Musik vereint die<br />
beiden Frauen, die beim Projekt »Mission:Band« als Coach fungieren werden.<br />
Wie sind Sie zur Musik und zum Singen<br />
gekommen?<br />
TW: Mein Vater ist Musiker, und ich habe<br />
schon gesungen, bevor ich geredet habe. Mit<br />
fünf habe ich Klavier gelernt, mit zwölf<br />
Geige, Gitarre dann mit 14. Spätestens als<br />
ich – zum Leid meiner Eltern – Guns’n’Roses<br />
entdeckt hatte, war es um mich geschehen.<br />
Mittlerweile habe ich aber einen anderen<br />
Musikstil gewählt.<br />
NM: Meine Eltern sind auch beide Musiker –<br />
meine Mutter Sängerin, mein Vater Gitarrist.<br />
Ich habe mit mexikanischer Folklore angefangen<br />
und kam dann zu einem klassischen<br />
Chor. Dort habe ich Mozart, Beethoven und<br />
Haydn entdeckt und mich verliebt. Im<br />
Vergleich zu der eher rauen und schmutzigen<br />
Folklore war das alles so edel. Deswegen bin<br />
ich auch nach Deutschland gekommen.<br />
Wie lange leben Sie jetzt hier?<br />
NM: Fünf Jahre, davor war ich in Österreich,<br />
davor ein Jahr in Schweden. In Gießen bin<br />
ich jetzt in meiner fünften Spielzeit. Gerade<br />
habe ich geheiratet und demnach vor, noch<br />
eine Weile hier zu bleiben.<br />
Welche musikalische Ausbildung haben Sie<br />
genossen?<br />
TW: Ich habe die Highschool für Performing<br />
and Visual Arts in Houston besucht, mit dem<br />
Hauptfach klassisches Klavier, später studierte<br />
ich an der University of Texas Musik. Dann<br />
bin ich auf Tournee gegangen – zunächst mit<br />
der Highschool-Band, dann mit Sixpence non<br />
the Reacher. Ich habe einfach alles angepackt<br />
und ausprobiert, Learning by doing.<br />
NM: Ich habe früh angefangen mit Notation,<br />
Gitarre, Gesang und Tanz. Dann war ich auf<br />
der Universität in Mexiko und habe danach<br />
ein Stipendium nach Schweden bekommen.<br />
Ich habe viele Kurse bei verschiedenen<br />
Sängerinnen gemacht, fast alle im klassischen<br />
Bereich. Allerdings war ich während des<br />
Studiums auch Sängerin einer Metal-Band.<br />
Was treibt einen in eine Metal-Band, wenn<br />
man klassisch ausgebildet wurde?<br />
NM: Der Wunsch nach Freiheit! Ich durfte<br />
während meines Studiums ein Semester lang<br />
nur Skalen singen. Das hat mir nach so vielen<br />
Jahren Singen nicht gereicht. So hat sich ein<br />
Parallelleben entwickelt. Die Band hatte<br />
damals einen Aushang, dass sie eine Sängerin<br />
suchen, und so bin ich dort gelandet.<br />
Was raten Sie jemandem, der singen lernen<br />
möchte?<br />
TW: Einfach viel singen und verschiedene<br />
Stile ausprobieren. Manchmal ist es gut,<br />
bewusst ein bisschen lustig zu übertreiben,<br />
dann merkt man, wie weit man gehen kann.<br />
So kommt man auf Ideen. Und im besten Fall<br />
findet man dann seinen eigenen Stil.<br />
NM: Um Skalen kommt man aber nicht<br />
herum, denn im Endeffekt zählt üben, üben,<br />
üben. Das kann man aber auch mal zwei<br />
Stunden mit der Gitarre machen. Nur Skalen<br />
und Übungen sind auf Dauer zu trocken.<br />
Verfälschen Castingshows wie schwer der<br />
Weg ist, ein guter Sänger zu werden?<br />
TW: Ja, da man das Gefühl bekommt, dass<br />
man einfach hingehen kann und schon ist<br />
man im Fernsehen. Selbst wenn man<br />
durchfällt, hat man 10 000 Facebook-Fans.<br />
Das Fernsehen ist eine mächtige Waffe.<br />
Worauf kommt es an, wenn man sich in eine<br />
Band begibt?<br />
Tess Wiley und<br />
Neivi Martinez<br />
coachen die<br />
Band-Mitglieder<br />
TW: Es ist viel mehr Organisation. Aber es ist<br />
etwas ganz Besonderes, mit einer Band auf<br />
Tour zu gehen, denn jedes Band-Mitglied<br />
bringt einen ganz persönlichen Teil von sich<br />
mit. Es schafft ein Gemeinschaftsgefühl.<br />
Was haben Sie aus Ihrer Zeit in den verschiedenen<br />
Bands musikalisch und persönlich<br />
mitgenommen?<br />
TW: Wenn man nicht viel Geld mit seiner<br />
Musik verdient, und die Leute trotzdem mit<br />
einem spielen wollen, weiß man, dass sie<br />
einen sehr schätzen.<br />
NM: Man findet Freunde – auf einer ganz<br />
anderen Ebene. Musik bringt Menschen auf<br />
wundervolle Art und Weise zusammen. Es<br />
entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl, das jeder<br />
Mensch sucht. Es ist echte Teamarbeit –<br />
als Band muss man wie in einer Familie<br />
durch alle Probleme gemeinsam gehen.<br />
Dem Schlagzeuger etwa muss man immer<br />
schleppen helfen.<br />
Warum würden Sie Eltern raten, ihre Kinder<br />
zum Musikmachen zu animieren?<br />
TW: Musik bereichert ungemein, genau wie<br />
Sport. Beides trainiert das Gehirn. Rhythmus<br />
und Bewegung ölen das Gehirn und beugen<br />
auch Alzheimer vor. Die Menschen können<br />
durch Musik freier werden. Sabine Glinke<br />
Foto: sag<br />
5/2013 streifzug 21