17.11.2013 Aufrufe

SECURITY insight 6/10

SECURITY insight 6/10

SECURITY insight 6/10

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Titelthema: Forensische Ermittlungen<br />

Titelthema<br />

Der Wunsch<br />

jedes Einzelnen<br />

zählt<br />

Transparenz steht einem Unternehmen gut an – optisch<br />

sowieso, aber auch in den internen und externen<br />

Prozessen. Nur darf man es damit nicht übertreiben.<br />

nisation verbunden. Dies löst in vielen<br />

Fällen erhebliche Organisationsprobleme<br />

aus, da die internen Regelabläufe im<br />

Reporting sowie in der Datensammlung<br />

und Entscheidung über die Datenfreigabe<br />

schnell auf neue Zuständigkeiten<br />

bei der extern vergebenen forensischen<br />

Ermittlung umgestellt werden müssen.<br />

Umso schwieriger wird es, als die für die<br />

Koordination dieser Prozesse zuständigen<br />

Organisationseinheiten wie Corporate<br />

Security oder Corporate Compliance<br />

gerade aus dem Prozess herausgehalten<br />

werden sollen, wenn sie entweder offensichtlich<br />

dabei versagt haben, den Skandal<br />

zu vermeiden, oder selbst verdächtigt<br />

werden.<br />

Zu beachten ist weiterhin, dass auch<br />

Datenschutzrechte gemäß Bundesdatenschutzgesetz<br />

(BDSG), Telekommunikationsgesetz<br />

(TKG) und Berufsrechte von<br />

Mitarbeitern, aber auch beispielsweise<br />

Wettbewerbsrechte von Geschäftspartnern<br />

durch die voreilige Erhebung und<br />

Weitergabe von Daten massiv verletzt<br />

werden können. Die E-Mail-Korrespondenz<br />

von Mitarbeitern etwa kann dem<br />

Fernmeldegeheimnis gemäß Artikel <strong>10</strong><br />

Grundgesetz unterliegen. Die vorschnelle<br />

Datenerhebung durch das Unternehmen<br />

kann strafrechtliche Folgen gemäß § 203<br />

Strafgesetzbuch nach sich ziehen.<br />

Die Kontrolle über die gesammelten und<br />

ermittelten vertraulichen Interna wird<br />

Nicht alle Daten sind für mögliche Ermittlungen relevant. Gegen<br />

Durchsuchungsbeschlüsse Rechtsmittel einzulegen, ist daher nicht<br />

nur legitim, sondern in der Praxis oft dringend anzuraten.<br />

durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft<br />

aus der Hand gegeben. Einzelne<br />

Beschuldigte im Ermittlungsverfahren<br />

können durch ihre Rechtsanwälte mittels<br />

Einsicht in die staatsanwaltschaftliche<br />

Ermittlungsakte damit Zugang zur ganzen<br />

Palette der Unternehmensdaten erhalten.<br />

Die Praxis zeigt, dass von hier aus<br />

nicht sichergestellt ist, dass die Unternehmensdaten<br />

nicht an die Presse weitergegeben<br />

werden oder noch andere<br />

Wege nehmen. Der Schutz wettbewerbsrelevanter<br />

Daten oder anderer schützenswerter<br />

Informationen ist damit nicht<br />

gewährleistet, und es droht oft erheblicher,<br />

irreparabler Schaden, ohne dass<br />

Verantwortliche letztlich zur Rechenschaft<br />

gezogen werden können.<br />

Die Situation verschärft sich, wenn die<br />

„totale Aufklärung“ ausschließlich durch<br />

Beauftragung einer externen Ermittlungsfirma<br />

beziehungsweise einer spezialisierten<br />

Rechtsanwaltskanzlei erfolgt.<br />

Durch die Vergabe der Ermittlungen an<br />

externe Berater wollen Unternehmen<br />

demonstrieren, dass eine quasi objektive,<br />

weil nicht unternehmensinterne Institution<br />

die Ermittlungen führt. Gleichzeitig<br />

bedeutet diese Vorgehensweise auch<br />

ein Stück Bequemlichkeit für die Firma<br />

selbst – denn man gibt ja alles in eine<br />

Hand, nämlich die des externen Dienstleisters.<br />

Steht dem keine differenzierte<br />

Beratungsanalyse entgegen, kommt es<br />

im Schema einer Schwarzweiß-Denkweise<br />

zum vollständigen Outsourcing<br />

der forensischen Ermittlung, was freilich<br />

nicht ohne Auswirkungen auf die innerbetrieblichen<br />

Abläufe bleibt und nicht<br />

von der Notwendigkeit einer differenzierten<br />

Projektsteuerung entbindet.<br />

Phasenorientiertes<br />

Projektmanagement<br />

Akutes Krisenmanagement<br />

Kommt die Situation durch Presseveröffentlichungen<br />

oder unmittelbar durch<br />

Maßnahmen der Behörden in Gang, ist<br />

dennoch der Krisenstab das richtige Instrument<br />

zur Einleitung aller erforderlichen<br />

Krisenmanagement-Maßnahmen.<br />

Es bleibt meist noch Zeit, einen Krisenstab<br />

einzuberufen und zu besetzen, um<br />

sich auf Maßnahmen der Behörden vorzubereiten<br />

und Krisen-PR auf den Weg<br />

zu bringen. Bei unmittelbaren Durchsuchungen<br />

durch die Staatsanwaltschaften<br />

ist oft die sofortige Beauftragung<br />

anwaltlicher Unterstützung notwendig.<br />

Dennoch sollte parallel der Krisenstab<br />

einberufen werden und auch wichtigstes<br />

Leitungsinstrument bleiben sowie externen<br />

Sachverstand und interne Kompetenzen<br />

vereinen.<br />

Hinsichtlich der Entscheidung über die<br />

Strategie der vorauseilenden Herausgabe<br />

von Unternehmensinformationen<br />

sollten daher Corporate Security und<br />

SI-Autor Rechtsanwalt Reinhard<br />

Müller hat langjährige Erfahrung<br />

in der Steuerung nationaler und<br />

internationaler Compliance-Projekte.<br />

Zusammen mit der Adato-<br />

Unternehmensgruppe hat er seit<br />

2006 für zahlreiche Unternehmen<br />

forensisch ermittelt. Die Adato<br />

Consulting Group (www.adato.<br />

de) ist auf Corporate Intelligence,<br />

Crisis Management und Security<br />

Consulting zur Abwehr von Sicherheitsrisiken<br />

spezialisiert.<br />

Corporate Compliance im Krisenstab<br />

vertreten sein, um argumentativ zur Entscheidungsfindung<br />

beizutragen und bei<br />

der Umsetzung der von der Unternehmensführung<br />

getroffenen Entscheidung<br />

in die Praxis von Beginn an einbezogen<br />

zu sein. Bestehen im konkreten Fall Verdachtsmomente<br />

gegen Mitarbeiter im<br />

Unternehmen selbst, ist gut zu überlegen,<br />

ob und wie man die betroffenen<br />

Abteilungen aus den Krisenstabssitzungen<br />

ausklammert. Der Krisenstab sollte<br />

nicht vorschnell ganze Abteilungen unter<br />

Generalverdacht stellen und vom Krisenstab<br />

fernhalten. Hier wäre im Zweifel<br />

die genaue und sukzessive Einzelfallprüfung<br />

daraufhin anzuraten, welche<br />

Informationen vorsorglich nicht an möglicherweise<br />

betroffene Firmeneinheiten<br />

kommuniziert werden. Das Unternehmen<br />

hat auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber<br />

den eigenen Mitarbeitern und die<br />

arbeitsrechtliche Pflicht, diese zunächst<br />

gegen Verdächtigungen von außen in<br />

Schutz zu nehmen.<br />

Entscheidend für die umfassende und<br />

möglichst lange Einbeziehung aller Unternehmensteile<br />

ist daher eine effektiv aus<br />

den Unternehmensressourcen gespeiste<br />

Projektsteuerung. Dies sichert auch eine<br />

möglichst breite Basis im Unternehmen<br />

zur Umsetzung der beschlossenen Strategie<br />

in die Praxis. Dabei sollte beachtet<br />

werden, dass die intensive Verteidigung<br />

der Interna gegenüber den Behörden<br />

rechtens ist und keinerlei Vorverurteilung<br />

auslöst oder gar als Schuldeingeständnis<br />

zu werten ist. Diese Strategie sichert<br />

zudem die Datenschutz- und Arbeitsrechte<br />

der Mitarbeiter und der Geschäftspartner<br />

und räumt jedenfalls die Chance auf<br />

zeitliche Entscheidungsspielräume zum<br />

weiteren Vorgehen ein.<br />

Gegen Durchsuchungsbeschlüsse<br />

Rechtsmittel einzulegen, ist nicht nur<br />

legitim, sondern in der Praxis oft dringend<br />

anzuraten, da auch richterliche<br />

Durchsuchungsbeschlüsse der Gefahr<br />

unterliegen, zu weit gefasst zu sein, beispielsweise<br />

hinsichtlich der Sozialdaten<br />

von Mitarbeitern, die für die eigentlichen<br />

Tatvorwürfe irrelevant sind. Dabei<br />

sind Gerichte und Staatsanwaltschaften<br />

für entsprechende Gegenargumente der<br />

Unternehmen oft aufgeschlossen, da<br />

sich erst an dieser Stelle ergibt, welche<br />

Daten für die Behörden überhaupt<br />

relevant sind. Die komplette Beschlagnahmung<br />

sämtlicher Server und Computer<br />

dürfte im Übrigen nur in absoluten<br />

Ausnahmefällen überhaupt notwendig<br />

sein. Eine solche Verteidigungsstrategie<br />

kann auch durchaus mit einer laufenden<br />

Kommunikation zwischen Unternehmen,<br />

Staatsanwälten und ermittelnden Polizeistellen<br />

einhergehen.<br />

Die Ermittlungsbehörden sind an Recht<br />

und Gesetz gebunden. Die rechtlichen<br />

Handlungsspielräume, durch voraus-<br />

primion – security solutions<br />

Durchgängige und individuelle<br />

Gesamtlösungen für<br />

• integrierte Sicherheitstechnik<br />

• Zutrittskontrolle<br />

• Zeiterfassung<br />

• Videotechnik<br />

www.primion.de<br />

12<br />

Security <strong>insight</strong> 6/20<strong>10</strong><br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!